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1 Einleitung

1.1 Ausgangspunkt und Fragestellungen der Arbeit

„Die Steigerung der Innovationsfähigkeit ist branchenübergreifend der wichtigste Hebel zur Profitabilitäts- und Wachstumssteigerung“ (Arthur D. Little, 2004, S. 1). Zu diesem Ergebnis kommt die Managementberatung Arthur D. Little in einer empirischen Befragung von über 300 deutschen und österreichischen Unternehmen. Ökonomische Auswirkungen der voranschreitenden Globalisierung – wie Hyperkompetition der Märkte und Schnelllebigkeit von Technologien und Branchen – setzen verstärkten Innovationsdruck frei, denn Innovationen bilden zentrale Erfolgsfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit (Kim, Min, &

Cha, 1999) und das langfristige Überleben von Unternehmen (z.B. Cho & Pucik, 2005).

Entsprechend fordert Heinrich von Pierer (2005, S. 11), ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Siemens AG: „Wir müssen ... einen Vorsprung durch Innovationen erringen. Und wie kann das gehen? Ideen beginnen im Kopf. Hinter jeder Innovation steckt ein Mensch oder ein ganzes Team mit einer Idee. Gut ausgebildete und hoch motivierte Menschen sind deshalb die Basis für Innovationen. Das sehe ich bei Siemens täglich.“ Auch in der deutschen Politik wächst das Bewusstsein dafür, dass die Innovationsfähigkeit der Unternehmen von höchster Priorität ist, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Erkennen lässt sich dies an zahlreichen staatlich geförderten Initiativen wie beispielsweise „Partner für Innovation“, in der sich über 200 Unternehmen, Verbände und Institutionen miteinander vernetzt haben, um eine neue Innovationskultur in Deutschland zu etablieren.

Angesichts des starken Innovationsdrucks auf Unternehmen von Seiten der Märkte und der Politik könnte man annehmen, dass sich die Forschung intensiv mit dem Thema Innovation auseinandersetzt. Dies trifft jedoch nur eingeschränkt zu. Denn innerhalb der Innovationsforschung zeigen sich insbesondere folgende drei Lücken: erstens die Vernachlässigung des Teams als Analyseebene, zweitens die geringe Berücksichtigung eines prozessorientierten Innovationsverständnisses – und damit einhergehend die mangelnde Erforschung der Phase der Ideenumsetzung – und drittens die geringe Beachtung von Führung als Determinante von Teaminnovation.

So existiert erstens zwar bereits eine große Anzahl an Arbeiten zu der Innovationsleistung von Individuen und Organisationen (Wolfe, 1994), es finden sich jedoch

nur wenige theoretische und empirische Arbeiten auf Teamebene (Agrell & Gustafson, 1996;

N. R. Anderson & West, 1998; King, 1990; West, 1990, 2002b). In einem Review der Innovationsforschung von 1999 bis 2004, der insgesamt 15 empirische Studien umfasst, stellen Anderson, De Dreu und Nijstad (2004) fest, dass nur zwei der analysierten Studien Innovation auf Teamebene untersuchen. Die Vernachlässigung der Teamebene erscheint umso erstaunlicher, als Teamarbeit in zahlreichen Organisationen gerade deshalb eingeführt wird, um deren Innovationsfähigkeit zu steigern – beispielsweise in Form von Forschungs- oder Entwicklungsteams (Allen & Hecht, 2004; Dumaine, 1994; Elkins & Keller, 2003;

Nijstad & De Dreu, 2002; Paulus, 2000). Auch von wissenschaftlicher Seite wird die Schlüsselfunktion von Teams im organisationalen Innovationsprozess betont (Ilgen, Hollenbeck, Johnson, & Jundt, 2005; Lawler III, Mohrman, & Ledford, 1992; Pearce &

Ensley, 2004; Taggar, 2002).

Abgesehen von diesem quantitativen Aspekt ist die Innovationsforschung auf Teamebene zweitens auch aus qualitativer Sicht zu kritisieren. Denn obwohl sich ein prozessorientiertes Innovationsverständnis in der Theorie zunehmend durchgesetzt hat (King, 1992; Schroeder, Van de Ven, Scudder, & Polley, 1989; Staudt & Auffermann, 1996; West, 1990), werden in empirischen Studien die Phasen der Ideenentwicklung und Ideenumsetzung auf Teamebene nicht konzeptuell getrennt, sondern es zeigen sich folgende Tendenzen:

Entweder wird Innovation als Endergebnis des Innovationsprozesses aufgefasst (z.B. Bain, Mann, & Pirola-Merlo, 2001; De Dreu, 2006; West & Anderson, 1996) oder die Phase der Ideenentwicklung wird untersucht und die Umsetzungsphase außer Acht gelassen (vgl.

Brainstormingforschung, z.B. Cooper, Gallupe, & Pollard, 1998; Gallupe, Bastianutti, &

Cooper, 1991; Jung & Avolio, 1999; Mullen, Johnson, & Salas, 1991; Paulus, 2000).

Letzteres mag daran liegen, dass sich die Entwicklung von Ideen im Team relativ unaufwendig als Laborexperiment an Studentengruppen untersuchen lässt, während sich die Umsetzung neuer Ideen nur in realen Arbeitsgruppen angemessen analysieren lässt (West, 2002a). Die geringe Beachtung der Phase der Ideenumsetzung erscheint jedoch insofern schwerwiegend, als diese für die organisationale Praxis von Priorität ist (Rank, Pace, & Frese, 2004). Denn die Entwicklung neuer Ideen im Team allein liefert der Organisation noch keinen Nutzen. Erst wenn diese Ideen auch realisiert und umgesetzt werden und sich in neuen oder veränderten Produkten oder Prozessen niederschlagen, liefern sie konkreten Mehrwert für das Unternehmen (Real & Poole, 2005). So betont auch West (2003), dass es von größerer Bedeutung für die Praxis sei, Determinanten der Umsetzung von Ideen zu identifizieren und

empirisch zu untersuchen als sich mit den Determinanten der Ideenentwicklung zu beschäftigen.

Drittens analysierten diejenigen Arbeiten, die sich bislang mit Determinanten der Phasen oder der Ergebnisse des Innovationsprozesses auf Teamebene beschäftigten, in erster Linie den Einfluss von Strukturvariablen (z.B. Teamgröße oder Diversity der Teamzusammensetzung) oder von diversen Teamprozessen (z.B. Konflikt) auf Teaminnovation (vgl. Agrell & Gustafson, 1996; N. R. Anderson & King, 1993). Der Frage, ob und inwieweit Führungsverhalten ein geeignetes Mittel zur Beeinflussung von Teaminnovation darstellt, wurde innerhalb der Innovationsforschung bisher kaum nachgegangen (Tierney, Farmer, & Graen, 1999; Waldman & Bass, 1991). Dabei können Führungskräfte Teaminnovation möglicherweise parallel über verschiedene Wirkmechanismen fördern, indem sie beispielsweise die individuelle Kreativität der einzelnen Teammitglieder stimulieren (Shin & Zhou, 2003) oder für Teaminnovation relevante Teamprozesse beeinflussen (Atwater & Bass, 1994). Die theoretische und empirische Untersuchung des komplexen Zusammenspiels zwischen Führung und weiteren Determinanten von Teaminnovation – im Sinne der Berücksichtigung von Interaktionseffekten – scheint ein vielversprechendes, doch bislang vernachlässigtes Feld innerhalb der Innovationsforschung zu sein (z.B. West, 2002a). Die aufgezeigte Problematik verdeutlicht auch folgende Aussage von West (2003, S. 267):

Generally, leadership is a topic that has been neglected in the study of group creativity and innovation since Maier’s seminal work. As we move into an era when the imperatives for innovation in organizations are intense, it is important that social and industrial/organizational psychologists stretch their research to achieve a better understanding of how leaders influence creativity and innovation in teams.

Diese Forschungslücke findet sich auch innerhalb der Führungsforschung wieder, die sich bislang eher mit dem Einfluss von Führung auf traditionelle Erfolgskriterien wie Leistung oder Mitarbeiterzufriedenheit und weniger mit der Förderung von Kreativität und Innovation, insbesondere nicht auf Teamebene, auseinander gesetzt hat. Als Erklärung für die geringe Zahl der Forschungsarbeiten zum Einfluss von Führung auf Teaminnovation nennen Waldman und Bass (1991), dass die klassischen Führungstheorien und Führungsmodelle nicht spezifisch auf die sich im Innovationskontext stellenden Anforderungen eingehen.

Beispielsweise sollten Führungskräfte nach der Weg-Ziel-Theorie (House, 1971) die Geführten kontingent verstärken, damit diese die an sie gestellten Leistungserwartungen

kontinuierlich erfüllen. Ein solches Führungsverhalten mag zwar bei bestimmten Routineaufgaben durchaus angemessen und erfolgreich sein, für die Steuerung von Innovationsprozessen scheint es jedoch eher ungeeignet (Waldman & Bass, 1991). Denn Aufgaben, die Kreativität beziehungsweise Innovativität erfordern, zeichnen sich insofern durch hohe Unsicherheit und Risiko aus, als keine eindeutigen Lösungsschemata und festen Ergebniserwartungen existieren (Kanter, 1988; Mumford, Scott, Gaddis, & Strange, 2002).

Im Gegensatz zu den klassischen Führungstheorien erscheint die transformationale Führungstheorie nach Bass (1985) als ein vielversprechender Ansatz, um Teaminnovation zu fördern. Denn die Stimulierung von Kreativität und Innovation ist ein inhärentes Element dieses Konzepts: Transformationale Führungskräfte nehmen die Rolle des „Change Agents“

wahr und erkennen die Notwendigkeit für Veränderungen (Avolio, 1994; Conger & Kanungo, 1992; Tichy & Devanna, 1986). Sie regen ihre Mitarbeiter dazu an, den Status quo immer wieder in Frage zu stellen und Probleme aus neuen Perspektiven zu betrachten und erfüllen selbst eine Vorbildfunktion für innovatives und unkonventionelles Verhalten (Bass, 1998;

Bass & Avolio, 1994a). Auch Cascio (1995, S. 930) betont die besondere Rolle transformationaler Führung für die Förderung von Kreativität und Innovation: „Today’s networked, interdependent, culturally diverse organizations require transformational leadership … to transform followers to bring out their creativity, imagination, and best efforts”.

Empirisch wurde der Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation kaum untersucht (Jung, 2001). Zudem kommen diese Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen: So finden sich sowohl positive (Kearney, 2005; Keller, 1992, 2006) als auch nicht signifikante Zusammenhänge zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation (Waldman & Atwater, 1994). Ferner zeigt sich in einer experimentalpsychologischen Untersuchung ein negativer Effekt transformationaler Führung auf Teamkreativität (Jaussi & Dionne, 2003).

Folgende zwei Erklärungsansätze sind für diese inkonsistente Befundlage denkbar:

erstens negative Sekundäreffekte transformationaler Führung, die deren erwartete positive Effekte auf Teaminnovation abschwächen oder neutralisieren können; zweitens spezifische Rahmenbedingungen, die moderierend auf den Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation wirken und bislang nicht identifiziert wurden. Die

systematische theoretische und empirische Analyse von Mediatoren und Moderatoren des Zusammenhangs zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation wurde bisher vernachlässigt (Avolio & Yammarino, 2002; Hunt & Conger, 1999; Judge, Woolf, Hurst, &

Livingston, 2006; Yukl, 1999).

Transformationale Führung löst neben erwarteten positiven Effekten vermutlich auch negative Sekundäreffekte – z.B. kognitive und motivationale Abhängigkeit der Geführten von der Führungskraft – aus (Conger, 1990; Conger & Kanungo, 1998; Kets de Vries, 1988a;

Yukl, 1999). Starke Abhängigkeit der Mitarbeiter von der Führungskraft kann sich wiederum negativ auf Kreativität und Innovation auswirken (Basu & Green, 1997). Die Steigerung der Abhängigkeit der Mitarbeiter wurde zwar bereits häufig als negativer Sekundäreffekt transformationaler Führung in der einschlägigen Literatur erwähnt und problematisiert (Beyer, 1999b; Bryman, 1992; Pawar & Eastman, 1997), aber erst in einer Studie empirisch untersucht (siehe Kark, Shamir, & Chen, 2003). Um positive und negative Effekte transformationaler Führung voneinander abgrenzen und getrennt voneinander untersuchen zu können, bedarf es der Kenntnis der mediierenden Variablen, über die sich Effekte transformationaler Führung auf Teaminnovation vermitteln.

Zudem bildet eine profunde Analyse dieser Mediatoren den ersten Schritt, um Moderatoren des Zusammenhangs zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation identifizieren zu können. Denn erst wenn der zugrunde liegende Mediationsprozess, über den transformationale Führung Teaminnovation beeinflusst, hinreichend eruiert ist, lässt sich in einem zweiten Schritt theoretisch überlegen, an welchen Stellen dieser Prozess von spezifischen Kontextvariablen moderiert wird. Entsprechend betonen auch zahlreiche Autoren (z.B. Kark et al., 2003; Yukl, 1999) die Notwendigkeit, die „Black Box“ der vermittelnden Prozesse zwischen transformationaler Führung und diversen Erfolgsvariablen zu beleuchten.

In Bezug auf Teaminnovation als abhängige und zu erklärende Variable ist es notwendig, mediierende Prozesse nicht nur auf Individual-, sondern auch auf Teamebene zu berücksichtigen (N. R. Anderson et al., 2004). So fordern beispielsweise Shalley (2002) und King und Anderson (1990), sozialpsychologische Prozesse und teambezogene Konzepte – wie Vertrauen oder Kommunikation – als Mediatoren in die Innovationsforschung auf Teamebene zu integrieren.

Das Vorliegen spezifischer Moderatoreffekte kann als zweiter Erklärungsansatz für die widersprüchlichen Ergebnisse, die in empirischen Studien zu Effekten transformationaler Führung auf Teaminnovation berichtet wurden, herangezogen werden. In Abhängigkeit des situativen Kontexts variieren vermutlich Ausmaß und Richtung des Zusammenhangs zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation. Jedoch hat die bisherige Forschung eher die generelle und situationsübergreifende Wirksamkeit transformationaler Führung betont als sich mit Moderatoreffekten zu beschäftigen (Avolio & Yammarino, 2002;

Yukl, 1999). Basierend auf der vorangeschalteten Analyse der mediierenden Prozesse wird in dieser Arbeit Teamklima (vgl. West, 1990) als Moderator des Zusammenhangs zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation identifiziert sowie empirisch getestet.

Zusammenfassend leistet die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur Weiterentwicklung sowohl der Innovationsforschung als auch der transformationalen Führungsforschung, indem sie sich mit den aufgezeigten Lücken beider Forschungstraditionen befasst. Erstmals wird ein integratives theoretisches Modell zum Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Innovation auf Teamebene entwickelt und anschließend empirisch getestet. Im Rahmen der Analyse der mediierenden Prozesse zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation werden nicht nur positive, sondern auch negative Effekte transformationaler Führung berücksichtigt und damit die „zwei Seiten der Medaille“ beleuchtet. Ferner werden Moderatoren des Zusammenhangs zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation identifiziert und empirisch geprüft. Zudem wird einem prozesshaften Verständnis von Teaminnovation Rechnung getragen, indem distinkte Prädiktoren für die Entwicklungs- und Umsetzungsphase von Ideen konzeptualisiert werden.

Folgende drei Leitfragen lassen sich formulieren, die in dieser Arbeit beantwortet werden sollen:

Leitfrage I:

Welche Variablen mediieren den Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation?

Leitfrage II:

Löst transformationale Führung neben erwarteten positiven Effekten auch negative Sekundäreffekte aus?

Leitfrage III:

Welche Variablen moderieren den Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation?