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3 Modellentwicklung und Hypothesen

3.5 Determinanten der Ideenumsetzung

Ein großer Pool an qualitativ hochwertigen Ideen im Team führt jedoch nicht zwangsläufig dazu, dass diese umgesetzt werden. Denn Teamkreativität stellt nur ein Potential dar, das spezifischer Randbedingungen bedarf, um zur Ideenumsetzung und damit zu einem erfolgreichen Abschluss des Innovationsprozesses zu führen. Dabei bezieht sich die Umsetzung der entwickelten Ideen auf die Teamebene und resultiert in neuen oder modifizierten Produkten, Prozessen, Methoden, Verfahren oder Informationssystemen. Rank, Pace und Frese (2004) betonen, dass die Phase der Ideenentwicklung von anderen Faktoren beeinflusst wird als die Phase der Ideenumsetzung und dass sich ein und derselbe Faktor in den beiden Phasen des Innovationsprozesses unterschiedlich auswirken kann. Jedoch hat sich die bisherige Forschung kaum damit auseinandergesetzt, für die beiden Phasen von Teaminnovation unterschiedliche Determinanten zu spezifizieren und empirisch zu untersuchen (Rank et al., 2004; West, 2002a). Insbesondere der Phase der Ideenumsetzung wurde wenig Aufmerksamkeit gewidmet (West, 2003).

Diese Forschungslücke erscheint insofern gravierend, als sich die erwarteten positiven Effekte von Innovation – z.B. erhöhte Wettbewerbsfähigkeit, Profitabilität der Organisation (vgl. Arthur D. Little, 2004) – nur dann ergeben, wenn der Innovationsprozess erfolgreich mit der Umsetzung der Ideen abgeschlossen wurde. Zudem zeichnet sich die Phase der Umsetzung durch zahlreiche Hürden und Schwierigkeiten aus und gestaltet sich verhältnismäßig zeitintensiv – sei es aufgrund von Widerstand gegen Veränderung im Team (Fidler & Johnson, 1984), fehlender praktischer Unterstützung und gegenseitiger Hilfestellung der Teammitglieder (Klein & Knight, 2005; Repenning, 2002; West, 1990), mangelnder Verfügbarkeit von Ressourcen (Klein & Knight, 2005) oder aufgrund eines innovationsfeindlichen Teamklimas (Klein & Sorra, 1996; West, 2002a). Daher scheint die Identifikation und empirische Analyse der spezifischen Rahmenbedingungen, die den

Zusammenhang zwischen Ideenentwicklung und Ideenumsetzung moderieren, von hoher Relevanz. Die folgende Aussage von West (2003, S. 245) verdeutlicht dies:

Understanding the factors that promote creativity in a team is less important in applied settings than understanding the factors that promote the implementation of ideas into practice and action. Generating ideas in a work group in organizational settings is relatively easy; implementing new products, processes or procedures in work organizations is difficult and takes time because of resistance to change and structural and organizational barriers.

Nur auf Individualebene67 existieren zwei Studien, die zwischen Determinanten der Ideenentwicklung und jenen der Ideenumsetzung differenzieren. In einer empirischen Studie an 148 Maschinenarbeitern untersuchen Axtell et al. (2000) das Innovationsverhalten der Mitarbeiter als zweistufigen Prozess. Als erste Phase definieren sie die geäußerten Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter zu verschiedenen Arbeitsaspekten (z.B. zu Zielen oder Methoden), als zweite Phase die Umsetzung dieser Vorschläge68. Axtell et al. (2000) argumentieren, dass in erster Linie individuelle Faktoren – wie z.B. Selbstwirksamkeit oder Rollenorientierung der Mitarbeiter – die Entwicklung neuer Ideen und Verbesserungsvorschläge beeinflussen. Dagegen erwarten sie, dass die von den Mitarbeitern entwickelten und geäußerten Vorschläge vor allem spezifischer Rahmenbedingungen auf Team- und Organisationsebene bedürfen, um umgesetzt zu werden. Denn im Gegensatz zur Ideenentwicklung, die prinzipiell auch von Individuen allein geleistet werden kann, erfordert die Ideenumsetzung grundsätzlich die Einbindung und Mitwirkung anderer Individuen (Van de Ven et al., 1989). In Übereinstimmung mit ihren theoretischen Überlegungen können Axtell et al. (2000) empirisch zeigen, dass unter anderem ein innovationsfreundliches Teamklima die Ideenumsetzung positiv beeinflusst. In einer empirischen Studie mit 250 Konstruktionsingenieuren aus verschiedenen Luft- und Raumfahrtunternehmen konnten Clegg et al. (2002) die von Axtell et al. (2000) gefundenen Ergebnisse replizieren. Auf Teamebene existiert nach Kenntnisstand der Autorin bislang keine Studie, die Prädiktoren der Phasen des Innovationsprozesses integriert analysiert.

Um den Prozess von der Ideenentwicklung zur Umsetzung auf Teamebene zu erleichtern, erscheinen insbesondere folgende zwei Teamklimaaspekte aus der

67 Siehe 2.3.2 zur Problematik der Übertragung von Ergebnissen von Individual- auf Teamebene.

68 Axtell et al. (2000) treffen keine Aussage darüber, auf welcher Ebene – Individuum, Team oder Organisation – die vom Individuum generierten Ideen umsetzt werden.

Theorie von West (1990, siehe 2.2.2.3) von Bedeutung: erstens Climate for Excellence (siehe 3.4), zweitens Support for Innovation. Support for Innovation bezieht sich auf die gegenseitige praktische Hilfestellung und Kooperation der Teammitglieder bei der Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen. Support for Innovation impliziert, dass Teammitglieder sich aufgeschlossen gegenüber Veränderungen zeigen sowie bereit sind, sich gegenseitig bei innovationsrelevanten Tätigkeiten zu unterstützen und die für den Innovationsprozess erforderlichen Ressourcen miteinander zu teilen (vgl. auch N. R.

Anderson & West, 1996, 1998). In Anlehnung an West (1990, S. 315) kann sich Support for Innovation folgendermaßen äußern: “Verbal support within and outside group meetings;

group and interpersonal cooperation in the development and application of new ideas; and the provision of time and resources by group members to develop and apply the ideas”. Im Gegensatz zu Climate for Excellence, das sich über geteilte Normen bzgl. der zu erreichenden Qualitäts- und Leistungsstandards für jegliche Form von zu erbringender Teamleistung definiert (vgl. 3.4), beschreibt Support for Innovation Aktivitäten und Verhaltensweisen der Teammitglieder69 und bezieht sich spezifisch auf Kreativität und Innovation als Outputvariable.

Moderierende Effekte von Support for Innovation und Climate for Excellence auf den Zusammenhang zwischen der Entwicklung und Umsetzung von Ideen werden aus folgenden Gründen erwartet: Während Support for Innovation dem Entstehen von für den Umsetzungsprozess charakteristischen Schwierigkeiten entgegenwirken kann, erhöht Climate for Excellence vermutlich die Wahrscheinlichkeit, dass Teammitglieder Schwierigkeiten und Hindernisse – sofern diese auftreten – überwinden und den Innovationsprozess erfolgreich abschließen. Support for Innovation beinhaltet, dass Teammitglieder offen für Veränderung sind, sich gegenseitig praktische Unterstützung und Hilfestellung bei der Umsetzung von Ideen leisten sowie finanzielle und materielle Ressourcen bereitwillig teilen (West, 1990, 2002b, 2003). Damit kann Support for Innovation das Auftreten von spezifischen Hindernissen der Umsetzungsphase – wie Widerstand gegen Veränderung, mangelnde Unterstützung bei der Realisierung von Ideen oder das Fehlen von Ressourcen (siehe Fidler &

Johnson, 1984; Klein & Knight, 2005; Repenning, 2002) – eindämmen und die Anzahl der umgesetzten Ideen steigern. Climate for Excellence beschreibt Normen bzgl. der Erreichung

69 Nach der Definition von Marks et al. (2001) ließe sich Support for Innovation auch als Teamprozess klassifizieren (vgl. 2.2.2.2).

hoher Qualitäts- und Leistungsstandards und impliziert eine starke Aufgabenorientierung der Teammitglieder. Climate for Excellence zeigt sich im Team unter anderem durch das Betonen von Verantwortlichkeiten, durch etablierte Kontroll- und Evaluationsprozesse und die permanente Reflexion über Leistungsexzellenz (N. R. Anderson & West, 1996, 1998; West, 1990, vgl. 3.4). Da die Teammitglieder eine starke Aufgabenorientierung teilen (vgl. West &

Altink, 1996) und sich der Bedeutung ihres eigenen Beitrags bewusst sind, sind sie vermutlich bereit, sich stark anzustrengen und für die Aufgabe zu engagieren. In Folge dessen zeigen Teammitglieder wahrscheinlich auch besondere Hartnäckigkeit und Ausdauer bei der Umsetzung neuer Ideen und geben bei Schwierigkeiten nicht schnell auf. Zudem tragen kontinuierliche Reflexion über Qualität und die Etablierung von Kontrollsystemen im Team vermutlich dazu bei, dass unvorhergesehene Anforderungen und Schwierigkeiten frühzeitig identifiziert und die Ideen entsprechend angepasst und modifiziert werden können. Dadurch reduziert sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Umsetzungsphase aufgrund von Problemen und Barrieren abgebrochen wird. Ferner begünstigt eine regelmäßige Evaluation anhand festgelegter Kriterien, ob der Umsetzungsprozess wie geplant verläuft, den erfolgreichen Abschluss des Prozesses (vgl. Cleland & Ireland, 2002; Henry & Walker, 1991; Stamm, 1998).

Empirisch wurde eine Moderatorenrolle der Teamklimaaspekte innerhalb des Innovationsprozesses auf Teamebene – zwischen der Phase der Ideenentwicklung und -umsetzung – bislang nicht untersucht. Die bisherige Forschung konzentrierte sich darauf, die beiden Teamklimaaspekte als voneinander unabhängige Prädiktoren für Teaminnovation zu konzeptualisieren und „Haupteffekte“ zu testen (siehe 2.2.2.3 und 5.4). Während sich in einigen Studien sowohl für Climate for Excellence als auch für Support for Innovation ein positiver Einfluss auf Teaminnovation zeigte (z.B. Bain et al., 2001; Burningham & West, 1995; West & Anderson, 1996; West et al., 2003), konnten Wilson-Evered et al. (2001) in ihrer Studie im Krankenhauskontext keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den Teamklimaaspekten und Teaminnovation finden. In all diesen Studien wurde Teaminnovation ergebnisorientiert erhoben und bzgl. Quantität und/oder Qualität bewertet. Zwischen den Phasen der Ideenentwicklung und der Umsetzung wurde nicht differenziert. Die folgenden Hypothesen fassen die theoretische Argumentation für die erwarteten Moderationseffekte zusammen.

Hypothese 4a:

Support for Innovation moderiert den Zusammenhang zwischen Teamkreativität und Ideenumsetzung. Teamkreativität ist stärker positiv mit Ideenumsetzung verbunden, wenn Support for Innovation im Team hoch ist.

Hypothese 4b:

Climate for Excellence moderiert den Zusammenhang zwischen Teamkreativität und Ideenumsetzung. Teamkreativität ist stärker positiv mit Ideenumsetzung verbunden, wenn Climate for Excellence hoch ist.