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Negative Effekte transformationaler Führung auf Debate

3 Modellentwicklung und Hypothesen

3.3 Transformationale Führung und kritische Kommunikation (Debate)

3.3.2 Negative Effekte transformationaler Führung auf Debate

Transformationale Führung kann allerdings auch – wie bereits in 3.2.2 dargelegt – die Entwicklung von Abhängigkeit der Geführten von der Führungskraft fördern (vgl. Beyer, 1999b; Yukl, 1999). Eine erhöhte durchschnittliche Abhängigkeit der Mitglieder eines Teams hemmt wahrscheinlich Debate. Das in 3.2.1 beschriebene Potential, das transformationale Führung für die Stimulierung von Debate – mediiert durch interpersonales Vertrauen – in sich birgt, wird durch den parallel ablaufenden negativen Sekundäreffekt transformationaler Führung auf Debate vermutlich eingeschränkt. Dieser wird im Folgenden erläutert.

Psychoanalytische Theorien analysieren den Prozess, über den transformationale Führungskräfte die Abhängigkeit der Geführten von der Führungskraft steigern (siehe 3.3.1).

Diese Erklärungsansätze beziehen sich auf die Individualebene und erforschen die dyadische Beziehung zwischen der Führungskraft und den einzelnen Geführten (z.B. Kets de Vries, 1988a, 1988b). In 3.2.1 wurde erläutert, dass die Mitglieder eines Teams tendenziell stark übereinstimmen in ihrer Einschätzung, in welchem Ausmaß ihre Führungskraft transformationales Führungsverhalten zeigt. Zum einen wird somit ein hoher Konsens innerhalb eines Teams erwartet, inwieweit die Führungskraft als transformational eingestuft wird. Zum anderen wird erwartet, dass transformationale Führungskräfte die Abhängigkeit der einzelnen Teammitglieder von der Führungskraft steigern. Daraus lässt sich ableiten, dass transformationale Führung vermutlich auch positiv mit der durchschnittlichen Abhängigkeit der Geführten von der Führungskraft im Team – mit dem im Mittel gezeigten Abhängigkeitsgrad der einzelnen Teammitglieder – verbunden ist.

Hypothese 2c:

Transformationale Führung ist positiv verbunden mit der durchschnittlichen Abhängigkeit der Teammitglieder von der Führungskraft.

Ein hoher durchschnittlicher Abhängigkeitsgrad der Teammitglieder kann Debate sowohl kognitiv als auch motivational hemmen: Auf kognitiver Ebene fördert der durchschnittliche Abhängigkeitsgrad der Teammitglieder vermutlich eine Homogenisierung

der Perspektiven innerhalb des Teams und beeinträchtigt dadurch das Entstehen aufgabenbezogener Differenzen und Debate. Auf motivationaler Ebene kann der durchschnittliche Abhängigkeitsgrad zu Konformitätstendenzen der Teammitglieder führen (vgl. J. Jackson, 1965) und damit einer offenen und kritischen Kommunikation von – sofern vorhanden – aufgabenbezogenen Differenzen entgegen wirken.

Eine hohe durchschnittliche kognitive Abhängigkeit der Teammitglieder von der Führungskraft impliziert, dass Perspektiven, Aussagen und Anweisungen der Führungskraft im Team kaum kritisch geprüft, sondern unreflektiert akzeptiert werden. Conger (1990) weist darauf hin, dass transformational-charismatische Führungskräfte dazu neigen können, sich mit

„yes people“ (S. 50) zu umgeben, von denen sie idealisiert und bewundert werden und die ihnen bedingungslos folgen. Die starke Orientierung der Teammitglieder an Äußerungen und Betrachtungsweisen der Führungskraft führt zu einer Homogenisierung der Einstellungen und Perspektiven innerhalb des Teams. Denn mit steigender Abhängigkeit nähern sich die von den einzelnen Teammitgliedern geäußerten Sichtweisen und vertretenen Meinungen immer stärker den Ansichten der Führungskraft an und werden sich damit auch gegenseitig zunehmend ähnlicher. Abweichende Perspektiven werden seltener eingenommen, da das Team den von der Führungskraft vorgegebenen Denkpfaden folgt. Diversity von Perspektiven liefert jedoch das Potential für das Entstehen von aufgabenbezogenen Differenzen beziehungsweise aufgabenbezogenem Konflikt (vgl. Jehn & Bendersky, 2003; van Knippenberg et al., 2004; van Knippenberg & Schippers, 2007, siehe auch 2.2.2.1 zur Diskussion der Effekte von Diversity). In homogenen Teams, die in ihren Sichtweisen stark übereinstimmen, entwickeln sich vermutlich kaum aufgabenbezogene Auseinandersetzungen.

Van Knippenberg et al. (2004, S. 1011) betonen: „Part of the potential advantage of diverse groups over homogeneous groups lies in the greater pool of task-relevant information … diverse groups may have at their disposal”. Entsprechend zeigte sich in einigen empirischen Studien (z.B. Jehn, Northcraft, & Neale, 1999; Pelled et al., 1999) ein positiver Zusammenhang zwischen Diversity und aufgabenbezogenem Konflikt.

Motivationale Abhängigkeit von der Führungskraft bezieht sich darauf, dass Teammitglieder nach Lob und Anerkennung der Führungskraft streben und ihr Verhalten danach ausrichten. Aufgrund der übersteigerten Motivation nach Bestätigung scheuen sich die Teammitglieder, divergente Ansichten und Vorschläge zu äußern, die das Missfallen der Führungskraft erregen könnten (siehe 3.2.2). Diese Konformitätstendenz der einzelnen

Teammitglieder wird möglicherweise durch den von transformationaler Führung ausgelösten

„Teamgeist“ zusätzlich gesteigert (vgl. auch 2.2.2.3 zur Diskussion über Konsequenzen von starker Gruppenkohäsion). Stark ausgeprägter Teamgeist kann dazu führen, dass abweichende Meinungen und Kritik an von anderen vorgebrachten Ideen aus überzogener Rücksichtnahme und aus Angst, die Gruppenharmonie zu gefährden, selten ausgesprochen werden. Basierend auf einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl neigen die einzelnen Teammitglieder zudem dazu, sich an dem Verhalten der anderen Mitglieder zu orientieren und dieses als Maßstab für das eigene Verhalten zu erachten (R. Brown, 1988; Forsyth, 2006). In Folge dessen verstärken sich die Teammitglieder gegenseitig in ihrer Tendenz zur Konformität56. Im Extremfall können innerhalb des Teams Aspekte des sogenannten Group Think Phänomens (Janis, 1972) auftreten (De Dreu, 1997; M. E. Turner & Pratkanis, 1997). Nach Janis (1997, S. 164) versteht man unter Group Think: „The mode of thinking that persons engage in when concurrence-seeking becomes so dominant in a cohesive ingroup that it tends to override realistic appraisal of alternative courses of action“. Charakteristische Anzeichen für Group Think sind, dass Gruppenmitglieder provokative Informationen, divergente Ideen und Meinungen zurückhalten und von anderen geäußerte Vorschläge nicht oder zumindest unzureichend kritisieren (Janis, 1997). Eine offene und kritische Diskussion aufgabenbezogener Differenzen im Sinne von Debate findet demzufolge nicht statt. Da Vor- und Nachteile von Alternativen nicht sorgfältig analysiert und abgewägt werden, führt Group Think zu suboptimalen Gruppenentscheidungen mit z.T. fatalen Konsequenzen (Janis, 1972)57. Die folgende Hypothese fasst die theoretischen Überlegungen zusammen.

Hypothese 2d:

Die durchschnittliche Abhängigkeit der Teammitglieder von der Führungskraft ist negativ verbunden mit Debate.

Bislang wurden positive und negative Effekte transformationaler Führung in einem ersten Schritt auf die individuelle Kreativität der Teammitglieder und in einem zweiten Schritt auf Debate analysiert (vgl. 3.1). Ab hier folgt der dritte Schritt der Beschreibung des Modells zum Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation: Individuelle

56 Vgl. Myers und Lamm (1976) zum Phänomen der Gruppenpolarisierung.

57 Beispiele für Group Think Entscheidungen sind die Entscheidung der USA für den Angriff auf Pearl Habour 1941 oder die Entscheidung der USA für den Irakkrieg 2003 (Forsyth, 2006).

Kreativität und Debate werden nicht mehr als abhängige, sondern als unabhängige Variablen konzeptualisiert und ihr jeweiliger Einfluss auf die Entwicklung neuer Ideen im Team – die Teamkreativität – wird erläutert.