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2 Theoretische Grundlagen und aktueller Forschungsstand

2.2 Innovationsforschung auf Teamebene

2.2.2 Determinanten der Teaminnovation

2.2.2.3 Kohäsion und Teamklima

Bezüglich der Rolle von Kohäsion für Teamkreativität und Teaminnovation existieren widersprüchliche theoretische Annahmen: Auf der einen Seite wird Kohäsion als entscheidende Voraussetzung für Kreativität und Innovation betrachtet, wie Nyström (1979, S. 45) folgendermaßen darlegt: „High group cohesiveness is desirable, since it may be expected directly to motivate group members to be more creative, by increasing their feeling of psychological safety and self-actualization”. Andererseits existieren Bedenken, dass sich starke Gruppenkohäsion hemmend auf Teaminnovation – insbesondere auf Teamkreativität – auswirkt (King & Anderson, 1990; Mullen, Anthony, Salas, & Driskell, 1994). Denn in Gruppen entwickeln sich im Zuge sozialer Interaktionsprozesse Normen, die als feste

Sollwerte Einstellungen und Verhalten der Gruppenmitglieder regulieren29 (Sherif, 1936; J. C.

Turner, 1991). Je kohäsiver die Gruppe und je größere Bedeutung den bestehenden Normen von Seiten der Gruppe beigemessen wird, desto stärker setzt sich die Gruppe für die Einhaltung der Normen ein und desto stärker werden Normverletzungen bestraft (E. R. Smith

& Mackie, 1995). Der entstehende Uniformitätsdruck steigert die Konformität bzgl. der geltenden Normen im Team (Cartwright & Zander, 1968; Witte, 1979). Zentrale Einstellungen und Werte der Teammitglieder werden homogenisiert und die Verhaltensvariabilität nimmt ab (vgl. Konformitätsmodell von J. Jackson, 1965). In Folge der eingeschränkten Vielfalt an Perspektiven, Meinungen, Ideen und Verhaltensweisen sinkt vermutlich die Teamkreativität und damit auch die Teaminnovation (vgl. Ergebnisse der Diversity-Forschung, siehe 2.2.2.1). Allerdings hängen die Effekte von hoher Konformität auch von dem Inhalt der jeweiligen Norm ab: Entwickelt das Team beispielsweise die Norm, dass aufgabenbezogene Meinungsunterschiede im Team offen ausgetragen werden sollten, kann sich das Streben nach Konformität bzgl. dieser Norm durchaus funktional auf Kreativität und Innovation auswirken (Gebert, 2004b).

Entsprechend den unterschiedlichen theoretischen Erwartungen sind die Ergebnisse empirischer Studien zum Zusammenhang zwischen Kohäsion und Teaminnovation inkonsistent. In der Studie von West und Wallace (1991) zeigte sich kein signifikanter Effekt von Kohäsion auf die durch Experten eingeschätzte Innovativität von 43 Teams aus dem Gesundheitswesen. Dagegen erwies sich Kohäsion in der Längsschnittstudie von Keller (1986) mit 32 Forschungs- und Entwicklungsteams als bedeutsamster Prädiktor für die Projektgruppenleistung. O'Keefe, Kernaghan und Rubenstein (1975) konnten anhand von 12 Forschungsteams nachweisen, dass Kohäsion eine wichtige Einflussgröße für die Annahme und Umsetzung von prozeduralen oder technologischen Innovationen darstellt.

Theoretische Ansätze zur Erforschung eines Klimas, das sich positiv auf Teaminnovationen auswirkt, können sich sowohl auf die Ebene der Organisation (z.B. Ekvall,

29 Unter Normen versteht man „mehr oder weniger verbindliche, für bestimmte Situationen geltende Handlungsregelungen …, deren Nichtbefolgung auf unterschiedliche Weise mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit sanktioniert werden kann“ (Talaulicar, 1997, S. 10). Normen strukturieren nicht nur konkrete und sichtbare Verhaltensweisen, sondern steuern auch Wahrnehmung, Denken und Fühlen der Gruppenmitglieder, selbst wenn andere Gruppenmitglieder nicht anwesend sind (Wellen, Hogg, & Terry, 1998).

1996; Scott & Bruce, 1994) als auch auf die Teamebene (z.B. West, 1990) beziehen (vgl.

Mathisen & Einarsen, 2004). Nach Payne, Pheysey und Pugh (1971, S. 45) wird Klima als

„perceived environmental quality“ definiert, die von Gruppen- beziehungsweise Organisationsmitgliedern in hinreichendem Ausmaß geteilt wird30. Das wahrgenommene Klima bezieht sich auf Ziele, Strategien, Werte, Grundsätze sowie Praktiken und Verhaltensmuster, die charakteristisch für eine Gruppe oder Organisation sind (siehe Amabile, Conti, Coon, Lazenby, & Herron, 1996; Ekvall, 1996; Mathisen & Einarsen, 2004;

Payne, 2000; Schneider, 1990). Agrell und Gustafson (1996) argumentieren, dass sich ein solches Klima eher auf Teamebene nachweisen lässt, da innerhalb eines Teams direkte Kommunikation und Interaktion stattfinden und sich dadurch leichter ein einheitliches Klima entwickeln kann. Große und komplexe Organisationen zerfallen dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit in unterschiedliche Sub-Klimata (Agrell & Gustafson, 1996). Mit dem Anspruch, die bislang in Bezug auf Teaminnovation erforschten Teamklimaaspekte zu systematisieren und in einem theoretischen Modell zusammenzuführen, entwickelte West (1990) eine eigene Teamklima-Theorie. Nach dieser Theorie kennzeichnen folgende vier Aspekte ein innovationsförderliches Teamklima31: erstens Vision – ein von den Teammitgliedern geteiltes Commitment zu übergeordneten Zielen, zweitens Participative Safety – Partizipationsmöglichkeiten für die Teammitglieder an Entscheidungsprozessen und eine bewertungsfreie Atmosphäre, drittens Climate for Excellence – geteilte Normen im Team bzgl. der Erreichung höchster Qualitäts- und Leistungsstandards, und viertens Support for Innovation – gegenseitige Unterstützung der Teammitglieder bei der Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen (West, 1990).

In einigen empirischen Studien konnte der positive Effekt dieser vier Teamklimaaspekte auf Teaminnovation bestätigt werden. Beispielsweise fanden Burningham und West (1995) an 13 Teams eines Ölunternehmens, dass sowohl Climate for Excellence als

30 Siehe Payne und Mansfield (1978) zur Erklärung von interindividueller Varianz in Wahrnehmungen von Klimaaspekten.

31 In anderen Arbeiten werden diese vier Teamklimaaspekte auch als Gruppenprozesse bezeichnet (z.B.

Curral et al., 2001; West & Anderson, 1996). Unter die von Marks et al. (2001) entwickelte Definition von Teamprozess fällt jedoch nur der Teamklimaaspekt Support for Innovation, da sich dieser auf innovationsbezogene Verhaltensweisen und Aktivitäten der Teammitglieder bezieht. Die anderen drei Teamklimaaspekte beschreiben eher von den Teammitgliedern geteilte Ziele, Werte und Normen (Vision, Climate for Excellence) oder spezifische Zustände des Teams (Participative Safety).

auch Support for Innovation extern bewertete Teaminnovation im Vergleich zu den anderen beiden Teamklimaaspekten am besten vorhersagten. Auch in der Längsschnittstudie von West and Anderson (1996), in der 27 Top Management Teams verschiedener Krankenhäuser untersucht wurden, konnten beide Teamklimaaspekte die Qualität von Teaminnovation vorhersagen. Darüber hinaus zeigte sich Support for Innovation als einziger signifikanter Prädiktor für die Gesamtinnovation der einzelnen Krankenhäuser, die basierend auf Quantität und Qualität der geleisteten Teaminnovationen von Experten eingeschätzt wurde. 46% der Varianz der Gesamtinnovation ließen sich allein durch Support for Innovation aufklären.

Ferner zeigten Bain et al. (2001) anhand von 38 Forschungs- und Entwicklungsteams, dass die vier Teamklimaaspekte sowohl subjektive als auch objektive Teaminnovationsmaße (z.B.

Anzahl der angemeldeten Patente) vorhersagen können. Ein kontrastierendes Ergebnis zeigte sich in der Studie von Wilson-Evered, Härtel und Neale (2001), die keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den Teamklimaaspekten und Teaminnovation fanden.