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6 Diskussion

6.6 Implikationen

6.6.1 Implikationen für die Forschung

Das in der vorliegenden Arbeit entwickelte Rahmenmodell zum Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation verknüpfte Theorien, Modelle und Konzepte aus der Führungsforschung – transformationale Führung nach Bass et al. (1985;

2006), aus der Diversity-Forschung – das Debate-Konzept im Sinne von Simons et al. (1999) – und aus der Innovationsforschung auf Teamebene – die Teamklima-Theorie nach West (1990). Die Ergebnisse der empirischen Modelltestung deckten auf, wie und wann transformationale Führung Teaminnovation beeinflussen kann. Dieser Erkenntnisfortschritt wurde erst durch die Kombination beziehungsweise Integration der unterschiedlichen Forschungsdisziplinen und -traditionen ermöglicht. Bislang existierten kaum Anstrengungen, integrative theoretische Rahmenmodelle zum Zusammenhang zwischen transformationaler Führung, Teamprozessen, Teamzuständen und Teamoutputs zu entwickeln und empirisch zu testen (Dionne et al., 2004). Zukünftige Forschungsarbeiten sollten stärker versuchen, Ergebnisse verschiedener Disziplinen und Traditionen zusammenzuführen. Beispielsweise analysierten Atwater und Bass (1994) den Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Gruppenkohäsion, während sich die Innovationsforschung bereits mit der Rolle von Gruppenkohäsion für Teaminnovation auseinandergesetzt hat (z.B. Keller, 1986;

Nyström, 1979).

Ferner wäre es ein fruchtbares Feld für weitere Forschung, die Beziehungen zwischen transformationaler Führung und anderen Teamoutputs (z.B. Teamleistung, Teamzufriedenheit) in Form konditionaler indirekter Effekte zu konzeptualisieren und empirisch zu untersuchen. Denn erst die Kombination von mediierenden und moderierenden Variablen in einem integrativen Rahmenmodell scheint eine angemessene Analyse der „Black Box“ zu ermöglichen und aufzudecken, wie und wann transformationale Führung den jeweiligen Teamoutput beeinflusst. Nach Preacher et al. (2007) kann Moderation unterschiedliche Pfade eines Mediationsmodells betreffen – entweder den Zusammenhang zwischen der unabhängigen Variablen und dem Mediator, den Zusammenhang zwischen dem Mediator und der abhängigen Variablen oder beide Zusammenhänge. Daher müssen zunächst die mediierenden Prozesse, über die transformationale Führung den jeweiligen Teamoutput

beeinflusst, spezifiziert werden bevor Moderatoren theoretisch identifiziert werden können, die sich auf Richtung und/oder Stärke dieser Mediationsprozesse auswirken.

Zukünftige Forschung sollte sich außerdem verstärkt mit den negativen Sekundäreffekten transformationaler und charismatischer Führung beschäftigen: Erstens sollte die in dieser Arbeit entwickelte Skala zur Abhängigkeit der Mitarbeiter von der Führungskraft an einer Vergleichsstichprobe validiert werden. Zweitens sollten weitere Effekte von gesteigerter Abhängigkeit der Mitarbeiter von der Führungskraft theoretisch analysiert und empirisch untersucht werden. Beispielsweise wäre es denkbar, dass Abhängigkeit der Mitarbeiter von der Führungskraft auch das Leistungsverhalten der Mitarbeiter beziehungsweise des Teams beeinflusst. Von hoher Relevanz erscheint drittens die Analyse von moderierenden Einflüssen des Zusammenhangs zwischen transformationaler Führung und Abhängigkeit. Daher sollte sich die Forschung der Fragestellung widmen, unter welchen Bedingungen transformationale Führung die Abhängigkeit der Mitarbeiter von der Führungskraft steigert. Basierend auf diesem Wissen ließe sich der negative Sekundäreffekt transformationaler Führung möglicherweise von ihren positiven Effekten auf individuelle Kreativität der Mitarbeiter oder Debate „abkoppeln“. Viertens sollte sich die Forschung sowohl auf theoretischer Ebene als auch empirisch mit der Spezifikation und Analyse weiterer negativer Sekundäreffekte transformationaler Führung auseinandersetzen. Conger (1990) weist beispielsweise darauf hin, dass visionär-transformationale Führungskräfte häufig an ihrer Vision und an den entsprechend eingeleiteten Aktivitäten festhalten, selbst wenn sie Fehler oder Schwachstellen in der Vision erkennen. Dieses Phänomen lässt sich vermutlich darauf zurückführen, dass Personen dazu neigen, kognitive Dissonanz100 zu vermeiden beziehungsweise zu reduzieren (vgl. Festinger, 1978). Empirisch wurde die von Conger (1990) entwickelte theoretische Erwartung bislang nicht überprüft.

Darüber hinaus zeigen die in 6.5 beschriebenen Limitationen der Studie weiteren Forschungsbedarf an: Aufschlussreich erscheint eine Replikation der Studie im Forschungs- und Entwicklungskontext mit längsschnittlichem Design, um die kausale Struktur zwischen den Variablen aufzudecken. Teaminnovation als abhängige Variable sollte zeitverzögert

100 Festinger (1978, S. 17) versteht unter kognitiver Dissonanz „das Bestehen von nicht zueinander passenden Beziehungen zwischen Kognitionen“. Da das Auftreten von kognitiver Dissonanz als unangenehm erlebt wird, versuchen Personen, diese zu reduzieren beziehungsweise zu beseitigen (vgl. Festinger, 1978).

anhand subjektiver sowie objektiver Maße erhoben und die individuelle Kreativität entweder über Fremdeinschätzung durch die Führungskräfte oder objektiv mittels eines Kreativitätstests (z.B. Torrance, 1966) gemessen werden. Zur Validierung der empirisch gefundenen Moderationseffekte von Climate for Excellence, die sich nur auf dem 10%-Niveau als signifikant erwiesen, erscheint eine Vergrößerung des Stichprobenumfangs sinnvoll. Um die Generalisierbarkeit der Studienergebnisse zu prüfen, sollte das theoretische Rahmenmodell zum Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation in einem anderen Kontext getestet werden. Im Rahmen des Verbundprojektes IKOPA (Innovationsförderliche Unternehmenskultur durch Kooperation und Partizipation) hat sich das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik entschlossen, die vorliegende Studie für kleine und mittlere Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus, der Feinwerktechnik sowie der Elektronik- und Softwareindustrie zu replizieren.

6.6.2 Implikationen für die Praxis

Um die empirischen Ergebnisse der Studie an der organisationalen Realität zu validieren, wurden diese in Form eines Abschlussberichtes an die Organisationen, die sich an der Studie beteiligt hatten, rückgekoppelt. Im Einzelnen erhielten die Organisationen eine Zusammenfassung der zentralen Studienergebnisse sowie eine organisationsspezifische Auswertung ihrer Daten inklusive anonymisiertem Benchmarking. Anschließend wurden die Ergebnisse mit Organisationsmitgliedern hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz für die betreffende Organisation diskutiert. Die Mehrheit der empirischen Befunde dieser Arbeit fand die Akzeptanz der Organisationsvertreter und spiegelte nach deren Angaben die organisationale Realität angemessen wider. Mit Hilfe der Studienergebnisse konnten organisationsspezifische Schwachstellen in den Bereichen „Mitarbeiterführung“,

„Teamkommunikation und -kooperation“ und „Teamklima“ aufgedeckt, Reflexionsprozesse angestoßen, darauf basierend Lösungsansätze entwickelt und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Status quo entworfen werden. Bei Bedarf beziehungsweise Interesse der Organisation begleitete die Autorin der vorliegenden Studie diesen Veränderungsprozess unterstützend. Für zwei der Organisationen wurde ferner auf deren Wunsch hin ein „Best-Practice“-Austausch zum Thema „Innovationsmanagement“ durchgeführt, der auf den Befunden der vorliegenden Studie aufbaute.

Als zentrales Ergebnis dieser Studie zeigte sich, dass transformationale Führung Teaminnovation begünstigt, wenn Climate for Excellence stark ausgeprägt ist. Damit kann transformationale Führung als organisationaler „Hebel“ zur Steigerung von Teamkreativität beziehungsweise Teaminnovation betrachtet werden. Jedoch entfaltet sich das innovationsförderliche Potential transformationaler Führung nur in Teams, die nach der Erreichung hoher Leistungs- und Qualitätsstandards streben. Für sich genommen sind transformationale Führung und Climate for Excellence folglich nicht zweckdienlich, sondern erst ihr Zusammenwirken führt zu erhöhter Teamkreativität beziehungsweise Teaminnovation. Im Forschungs- und Entwicklungskontext sollten Organisationen daher immer darauf bedacht sein, transformationale Führung und Climate for Excellence gleichzeitig zu fördern.

Avolio (1999, S. 65) geht davon aus, dass transformationales Führungsverhalten in weiten Teilen erlernbar ist: „One might say that certain predispositions set boundaries within which leadership potential can be developed. With this perspective in mind, one can develop each person’s leadership potential to full potential, even one’s own”. Avolio und Bass (1991) konzipierten ein mehr-stufiges Trainingsprogramm zur Schulung von Führungskräften in transformationalem Führungsverhalten. Ferner entwickelte Avolio (1999) ein Manual für das autodidaktische Erlernen transformationaler Führungsprinzipien. In empirischen Studien ließ sich die Effektivität eines transformationalen Führungskräftetrainings bereits nachweisen (z.B. Barling et al., 1996; Dvir et al., 2002). Im Rahmen eines systematischen organisationalen Personalmanagements (vgl. Klimecki & Gmürr, 2005) ließe sich ein solches transformationales Führungskräftetraining etablieren.

Insbesondere im Forschungs- und Entwicklungskontext existiert vermutlich ausgeprägter Bedarf an der Schulung von Führungskräften im Themenfeld

„Mitarbeiterführung“. Denn herausragende Fachkenntnisse und branchenspezifische Erfahrung gelten als Schlüsselkriterien für die Selektion beziehungsweise Promotion von Führungskräften im Forschungs- und Entwicklungsbereich, während Führungskompetenzen und soziale Fähigkeiten eine tendenziell untergeordnete Rolle spielen (Narayanan, 2001).

Entsprechend sind die Leiter von Forschungs- und Entwicklungsteams meist nicht explizit auf die Führung von Mitarbeitern vorbereitet beziehungsweise ausgebildet worden und könnten vermutlich erheblich von einem Trainingsprogramm in transformationalem Führungsverhalten profitieren (Elkins & Keller, 2003).

Climate for Excellence umfasst soziale Normen bzgl. hoher Leistungsstandards (vgl.

3.4). Wie bereits in 6.4 erläutert, bilden sich in neu formierten Gruppen Normen rasch aus und erweisen sich gegenüber späteren Modifikationsversuchen als relativ resistent (MacNeil

& Sherif, 1976; Sherif, 1936). Um die Entwicklung von leistungs- und qualitätsbezogenen Normen in Teams zu begünstigen, sollten Organisationen von Anfang an darauf achten, das Streben nach Exzellenz zu einem integralen Bestandteil ihrer übergeordneten Vision zu machen und diese durch die gesamte Organisationsstruktur hindurch zu kommunizieren. Über die öffentliche Auszeichnung von herausragenden Mitarbeiter- beziehungsweise Teamleistungen, die Einführung qualitätsbezogener Belohnungssysteme und modellhaftes Verhalten der oberen Managementebene kann eine Organisation ihrer Leistungs- und Qualitätsorientierung Ausdruck verleihen.

6.7 Fazit

Die vorliegende Arbeit lieferte erstmals eine theoretische und empirische Analyse der

„Black Box“ des Zusammenhangs zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation. Dabei wurde ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt: Theorien, Modelle und Konzepte der Führungs- und Innovationsforschung wurden in einem integrativen Rahmenmodell verknüpft. Die empirische Testung dieses Modells zeigte, wie und wann transformationale Führung Teaminnovation beeinflusst.

Zur Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse werden die in 1.1 formulierten drei Leitfragen wieder aufgenommen und abschließend beantwortet.

Leitfrage I:

Welche Variablen mediieren den Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation?

Transformationale Führung beeinflusst Teaminnovation über die Stimulierung der Teamprozesse Debate und Support for Innovation.

Leitfrage II:

Löst transformationale Führung neben erwarteten positiven Effekten auch negative Sekundäreffekte aus?

Ja, in Bezug auf transformationale Führung lassen sich „zwei Seiten einer Medaille“

identifizieren. Denn transformationale Führung begünstigt auch die Entwicklung einer kognitiven und motivationalen Abhängigkeit der Mitarbeiter von der Führungskraft.

Zunehmende Abhängigkeit der Mitarbeiter beeinflusst die individuelle Kreativität sowie Debate negativ.

Leitfrage III:

Welche Variablen moderieren den Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation?

Climate for Excellence moderiert den Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Teaminnovation: Transformationale Führung fördert Teaminnovation nur dann, wenn Climate for Excellence im Team stark ausgeprägt ist.