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2 Theoretische Grundlagen und aktueller Forschungsstand

2.2 Innovationsforschung auf Teamebene

2.2.2 Determinanten der Teaminnovation

2.2.2.4 Führung

Bereits in den 60er und 70er Jahren führten Maier et al. (Maier, 1970b; Maier &

Solem, 1962) mehrere experimentelle Studien durch, um die Effekte verschiedener Führungsstile auf Problemlösen und Kreativität in Gruppen zu untersuchen. Aus den Ergebnissen seiner umfassenden Forschungsarbeiten folgert Maier (1970a, S. 439), dass die Führungskraft als „the group's central nervous system” fungieren sollte. Dies erfordert, dass die Führungskraft neuen Informationen gegenüber aufgeschlossen ist, diese sammelt, filtert, verdichtet und anschließend an die Gruppe weitergibt. Ferner muss sie Kommunikationsprozesse in der Gruppe stimulieren und aufrecht erhalten, für kritische Diskussionen sorgen und Meinungen von Minderheiten schützen. Um zu erkennen, wann die Gruppe für eine einheitliche Lösung bereit ist, muss die Führungskraft fähig sein, unvoreingenommen zuzuhören und Gruppenprozesse und Gefühle der Gruppenmitglieder bewusst wahrzunehmen (Maier, 1970a).

Einige Autoren (z.B. Farr & Ford, 1990; Kanter, 1983; Peters & Westerman, 1994) argumentieren, dass partizipatives beziehungsweise demokratisches Führungsverhalten Innovation fördert. Partizipative Führungskräfte treffen Entscheidungen nicht autark, sondern konsultieren ihre Mitarbeiter, beziehen sie in den Entscheidungsprozess ein und lassen sie auf das Ergebnis dieses Prozesses Einfluss nehmen (vgl. Tannenbaum & Schmidt, 1973; Vroom

& Yetton, 1973). Nach Levine, Choi und Moreland (2003) lässt sich der positive Effekt partizipativer Führung auf Innovation mittels drei verschiedener Wirkmechanismen erklären:

Erstens kann Kreativität dadurch gefördert werden, dass Mitarbeiter über einen ausgeprägten Entscheidungsspielraum verfügen, wie sie ihre Aufgaben ausführen (Amabile, 1983).

Zweitens neigen Personen und Gruppen zu einem höheren Commitment bzgl. Veränderungen, wenn sie an den betreffenden Entscheidungsprozessen beteiligt waren (West, 1990). Drittens unterstützen partizipative Führungskräfte ihr Team emotional und begünstigen Team Empowerment32 – beides entscheidende Voraussetzungen für Teaminnovation (Burpitt &

Bigoness, 1997; West & Wallace, 1991). Innerhalb des Minnesota Innovation Research Programms (siehe Van de Ven, Angle, & Poole, 1989) untersuchten Manz, Bastien, Hostager und Shapiro (1989) anhand von qualitativen Interviewdaten und Fallstudien den Einfluss verschiedener Führungsstile auf die Entwicklung von Innovationen. Sowohl im Quer- als auch im Längsschnittdesign finden sie Belege für die positiven Effekte partizipativer Führung auf Teaminnovation. Allerdings argumentieren Dunphy und Stace (1988), dass partizipative Führung nicht unter jeder situativen Randbedingung den geeignetesten Führungsstil darstellt, um Innovation zu steigern. Vielmehr gehen sie in dem von ihnen entwickelten Kontingenzmodell zum geplanten organisationalen Wandel davon aus, dass sich Führungskräfte in einer turbulenten und unsicheren Umwelt eher autoritär als partizipativ verhalten sollten, um radikale Innovationen umzusetzen. Gebert (2002) argumentiert, dass partizipative Führung kurvilinear mit Innovation verbunden ist. Denn steigende Partizipation und – damit einhergehend – zunehmende Situationskontrolle für die Mitarbeiter begünstigen die Entstehung folgender negativer Sekundäreffekte: dysfunktionale Qualität, dysfunktionale Intensität und Inkompatibilität der eingebrachten Innovationsinitiativen. Im Sinne eines kontingenztheoretischen Ansatzes nennt Gebert (2002) Integration33 als entscheidende Rahmenbedingung, um negative Sekundäreffekte von hoher Partizipation auszugleichen. In Übereinstimmung mit den theoretischen Erwartungen fanden Gebert, Boerner und Lanwehr (2003) empirisch einen kurvilinearen Zusammenhang zwischen Situationskontrolle und Innovation. Bei Verwendung von Integration als Kontrollvariable zeigte sich

32 Team empowerment wird definiert als „team members’ collective belief that they have the authority to control their proximal work environment and are responsible for their team’s functioning” (Mathieu, Gilson,

& Ruddy, 2006, S. 98)

33 Das Konstrukt Integration beinhaltet folgende 3 Komponenten: Orientierung als kognitive Komponente, Konsens als evaluativ-normative Komponente und Vertrauen als soziale Komponente.

erwartungsgemäß ein linear steigender Zusammenhang zwischen Situationskontrolle und Innovation. Integration erscheint somit als erfolgreiche Strategie zur Kompensation der beschriebenen negativen Sekundäreffekte.

Als weiteres Element innovationsförderlicher Führung wird eine von der Führungskraft entwickelte, kommunizierte und vom Team geteilte Vision erachtet (z.B.

Kanter, 1983; Manz et al., 1989; Pearce & Ensley, 2004; West, 1990). Nach Nanus (1992) ist eine Vision ein realistischer, glaubwürdiger und attraktiver Zukunftsentwurf für eine Organisation, der organisationalen Bedingungen und Anforderungen entspricht und diese ausgestaltet. „Leaders who can create and then effectively enact such visions are designing their organizations’ futures and are typically seen by organizational members and by outside observers as visionaries” (Sashkin, 1988, S. 123). West (1990) führt zwei Gründe für den positiven Effekt einer Vision auf Teaminnovation an: Erstens fördert eine Vision, mit der sich die Teammitglieder identifizieren und nach deren Verwirklichung sie gemeinsam streben, Motivation und Einsatzbereitschaft. Dadurch steigt vermutlich die Anzahl an entwickelten und umgesetzten Ideen. Zweitens liefert eine Vision klare Richtlinien und Kriterien für die Entwicklung neuer Ideen. Dies erleichtert die Beurteilung neuer Ideen hinsichtlich Eignung und Effektivität und beeinflusst somit die Qualität der umgesetzten Ideen positiv. Pearce und Ensley (2004) können in einer Längschnittstudie mit 71 Entwicklungsteams zeigen, dass eine von den Teammitgliedern geteilte Vision positiv mit der Effektivität von Teaminnovation – definiert als Geschwindigkeit, Ausmaß der Veränderung und produktiver Umsetzung der Innovation – zusammenhängt. Mumford et al. (2002) weisen auf mögliche kreativitätsfeindliche Effekte visionärer Führung hin: Visionäres Führungsverhalten impliziert die Gefahr, dass die Aufmerksamkeit der Teammitglieder auf die Führungskraft und ihre Vision gelenkt wird. Dies kann dazu führen, dass die Konzentration der Mitarbeiter von der eigentlichen Arbeitsaufgabe abgezogen und ihre Autonomie eingeschränkt wird.

2.2.3 Fazit

Teamstruktur, Teamprozesse und Teamklima scheinen Teamkreativität und Teaminnovation zu beeinflussen. Allerdings existieren zum Teil widersprüchliche Annahmen hinsichtlich der innovationsbezogenen Effekte dieser Variablen. Entsprechend gestaltet sich auch die empirische Befundlage teilweise inkonsistent. Die gefundenen Zusammenhänge variieren in Ausmaß und Richtung erstens abhängig von den jeweils zugrunde gelegten

Definitionen und Operationalisierungen der untersuchten Variablen und zweitens – sofern in den Studien berücksichtigt – abhängig von den jeweils berücksichtigten Rahmenbedingungen.

Die bisherige Forschung konzentrierte sich darauf, isolierte Effekte dieser Variablen auf Teaminnovation zu untersuchen. Das Zusammenspiel zwischen diesen Variablen wurde kaum theoretisch beleuchtet. Auch die Empirie widmete sich kaum der Analyse von Interaktionseffekten (West, 2002a).

Führungsverhalten als Determinante von Teaminnovation wurde nur in geringem Ausmaß systematisch erforscht (Tierney et al., 1999; Waldman & Bass, 1991), obwohl Führung Kreativität und Innovation vermutlich direkt und indirekt – über die Stimulierung von Teamprozessen – beeinflussen kann. Bislang wurde kein integratives theoretisches Modell zum Zusammenhang von Führung auf Teaminnovation entwickelt, das die Rolle von Teamprozessen und Teamklimaaspekten innerhalb dieses Zusammenhangs spezifiziert.

Zudem sind die meisten empirischen Studien hinsichtlich ihrer Konzeptualisierung und Operationalisierung von Teaminnovation zu kritisieren. Denn die Mehrzahl der Studien befasst sich entweder nur mit Teamkreativität und vernachlässigt die Phase der Umsetzung von Ideen oder misst Teaminnovation als Ergebnis des Innovationsprozesses (West, 2002a, 2002b). Entgegen der Forderung in der Literatur, Innovation als Prozess zu verstehen (King, 1992; Schroeder et al., 1989), existieren kaum empirische Studien, die zwischen verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses differenzieren und diese integriert untersuchen.