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Für den organischen Teil des Nanokomposit-Hydrogels kommen wasserlösliche Polymere in Frage. Besonders Poly(N-isopropylacrylamid), kurz PNIPAM wird häufig verwendet, da es eine untere kritische Lösungstemperatur (engl.: lower critical solution temperature, LCST) bei ca. 32°C besitzt. Unterhalb dieser Schwelle ist Wasser ein gutes Lösungsmittel. Die θ-Temperatur, bei der die Polymerketten als statistische Knäuel vorliegen, liegt für PNIPAM bei 30°C.[157, 169] Bei Temperaturen über 32°C ist das Polymer in Wasser dagegen schlecht löslich, die Polymerknäuel kollabieren und liegen dann als dichte Globule vor.[178] Dieser Vorgang der Phasenseparation ist reversibel, bei Erniedrigung der Temperatur unter die LCST löst sich das Polymer wieder.[179] Bei linearen Polymeren kann dieser Übergang z.B. mit Hilfe des Trübungspunktes, durch Lichtstreuung oder mittels DSC bestimmt werden.[178, 180, 181] Die LCST ist weitgehend unabhängig vom Molekulargewicht und von der Konzentration[182], kann jedoch durch Zugabe von Salzen oder Tensiden beeinflusst werden. Durch chemische Modifikation der PNIPAM-Struktur ist auch eine irreversible Änderung möglich. Ein Übergang im

Bereich von physiologischen Temperaturen ist im Hinblick auf sogenannte Drug-Delivery-Systeme von besonderem Interesse.[179, 183] Dann könnten über Hydrogele Medikamente gezielt an ihren Wirkungsort im Körper gebracht und dort kontrolliert freigesetzt werden.[183]

Die Ursache für das Auftreten des Phänomens in manchen Systemen beruht auf den unterschiedlichen Beiträgen von Enthalpie ΔH und Entropieterm TΔS zur freien Enthalpie ΔG. Wenn PNIPAM in Wasser gelöst wird, ist der Beitrag der Mischentropie ΔS negativ. Durch den exothermen Beitrag der Enthalpie ist bei Temperaturen unterhalb der LCST ΔG jedoch kleiner 0 und man erhält ein einphasiges System.

Bei Erhöhung der Temperatur steigt der Einfluss des Entropieterms auf die freie Enthalpie.[184] Ab einer gewissen Temperatur überwiegt dann dieser Beitrag denjenigen von ΔH, wodurch oberhalb dieser Temperatur das zweiphasige System thermodynamisch begünstigt ist. Man beobachtet das Ausfällen des Polymers.

Beim Lösen von Stoffen in Wasser spielen sowohl der hydrophobe Effekt als auch die Bildung von Wasserstoffbrücken eine Rolle. Der Begriff „hydrophober Effekt“

bezeichnet die Bildung einer geordneten Solvathülle um hydrophobe Strukturen. Mit hydrophilen Gruppen des Polymers können die Wassermoleküle dagegen Wasserstoffbrückenbindungen eingehen. Welcher Faktor die größere Rolle spielt, wird in der Literatur schon seit längerem diskutiert und es bestehen viele unterschiedliche Ansätze zur theoretischen Erklärung des Phänomens.[184] Ein Problem beim Verständnis des Phänomens ist möglicherweise auch ein Verhalten, das teilweise der Intuition widerspricht. Für ein Copolymer aus N-isopropylacrylamid mit einem carbonsäurehaltigen Comonomer würde man aufgrund stärkerer Wasserstoff-brückenbindungen eine höhere LCST erwarten. Tatsächlich wurde aber eine niedrigere beobachtet.[185] Das führten die Autoren auf die Bildung von Wasserstoffbrücken zwischen den Ketten zurück, wodurch weniger hydrophile Gruppen zur Wasserstoffbrückenbildung mit Wassermolekülen zur Verfügung stehen. Dadurch wird die Löslichkeit des Polymers geringer.

Volumenphasenübergang (VPÜ) bezeichnet. Dabei schrumpft das Hydrogel und gibt sein Quellmittel ab. Der Vorgang verläuft diskontinuierlich, das heißt es findet eine plötzliche Abnahme der Quellbarkeit statt. Der Phasenübergang ist reversibel, findet aber mit Verzögerung statt, das heißt man beobachtet eine Hysterese.[186]

Durch die Phasentrennung ist die Dichte des Systems sehr heterogen, was sich durch eine starke Trübung des Systems nach dem VPÜ bemerkbar macht, wie in Abbildung 5-1 gezeigt.

24°C 37°C

Abbildung 5-1: Bei 24°C ist ein Hydrogel noch weitgehend transparent, nach dem Volumen-phasenübergang trübt es merklich ein.

5.3 Tonpartikel

Bei den für das Nanokomposit-Hydrogel verwendeten Tonpartikeln handelt es sich häufig um den zur Gruppe der 2:1-Phylosilikate gehörenden synthetischen Hectorit. Die formale Elementarzelle von Hectorit ist Na0.7+[(Si8Mg5.5Li0.3)O20(OH)4]0.7-.[187, 188] Dieses Mineral ist ein Schichtsilikat, woraus die plättchenartige Form resultiert. Die Plättchen sind nur ca. 1 nm hoch, ihr Radius beträgt dagegen ca. 15 nm. In dieser lateralen Raumrichtung dehnen sich die zweidimensionalen Schichten anorganischer Polymere aus (Abbildung 5-2). Eine Schicht oktaedrisch angeordneter Magnesiumionen liegt zwischen zwei Schichten Siliziumionen in tetraedrischer Anordnung. Anstatt der Magnesiumionen können auch Lithiumionen die entsprechenden Plätze besetzen. In beiden Schichten befinden sich zusätzlich Sauerstoffionen, in der oktaedrischen Schicht auch amphotere Hydroxylgruppen.[188, 189] Wenn an den entsprechenden Gitterplätzen statt Magnesiumionen Lithiumionen eingebaut sind, entstehen im Kristall negative Partialladungen. Diese werden durch austauschbare Natriumgegenionen außerhalb des Kristallgitters ausgeglichen. In der Horizontalen findet man nur wenige Elementarzellen übereinander angeordnet. Ein 1 nm hoher großer Partikel mit 30 nm Durchmesser besteht aus insgesamt ungefähr 3000 Elementarzellen.

a)

b)

Abbildung 5-2: a) Kristallstruktur (nach Rockwood Inc.) und b) Dimensionen eines Tonpartikels[188]. Nur an den seitlichen Rändern der Partikel liegen die koordinierten Gegenionen Mg2+ und Li+ frei, dadurch sind diese Flächen partiell positiv geladen. Die Ober- und Unterseite der Plättchen wird von Silikatgruppen und ihren positiven Gegenionen gebildet, welche in wässriger Lösung ausgetauscht werden können. Dadurch sind diese Flächen partiell negativ geladen.

Die Tonpartikel sind in wässrigen Lösungen dispergierbar und bilden eine klare Lösung.

Die Kristallstruktur quillt, und Aggregate spalten sich auf. Aufgrund der unterschiedlichen Partialladungen von Flächen und Kanten bilden die Plättchen in Lösung eine Kartenhausstruktur, wodurch sich die Lösung verfestigt. Da sich daraus schlecht Hydrogele herstellen lassen, werden modifizierte Tonpartikel verwendet, bei denen die positiven Partialladungen laut Hersteller Rockwood Inc. an den Rändern z.B.

durch Phosphate abgeschirmt sind.

5.4 Nanokomposit-Hydrogele

Im Nanokomposit-Hydrogel adsorbieren mehrere Polymerketten auf der Oberfläche eines Partikels. Da diese Wechselwirkung sehr stark ist, wirken die Tonplättchen als multifunktionale Vernetzer.[190] Die Wechselwirkungen zwischen Tonplättchen und Polymer sind überwiegend physikalischer Natur, es bestehen koordinative Wechselwirkungen zwischen Polymer und Metallionen des Tons. In wässriger Lösung werden die löslichen Gegenionen der Silikatgruppen frei, welche nun ihrerseits mit den nukleophilen Aminogruppen des Polymers wechselwirken können.[191] Dabei kann auch Kristallwasser vom Polymer von den Koordinationsstellen verdrängt werden. Das Polymer wirkt wie ein sterischer Stabilisator und verhindert die Aggregation der

eingestellt werden. In diesen Nanokomposit-Hydrogelen ist die Vernetzerdichte wesentlich niedriger als in einem rein organischen Gel. Dadurch sind die Polymerketten deutlich beweglicher, wie in Abbildung 5-3 dargestellt. Die makroskopischen Materialeigenschaften werden dadurch dahingehend positiv beeinflusst, dass die Nanokomposit-Hydrogele eine hohe Transparenz besitzen. Zudem sind sie im Vergleich zu rein organisch vernetzten Hydrogelen wesentlich flexibler, stärker dehnbar und weniger brüchig.[194] Mit dynamischer Lichtstreuung (engl.: dynamic light scattering, DLS) und Kleinwinkel-Neutronenstreuung (engl.: small-angle neutron scattering, SANS) konnte nachgewiesen werden, dass die Plättchen homogen im Hydrogel verteilt sind.[195]

Abbildung 5-3: Schematische Darstellung der Netzwerkstruktur eines ungestreckten A und eines gestreckten B Hydrogels. Abbildung C stellt ein wesentlich stärker verknüpftes, rein organisches Hydrogel dar. (Copyright 2002 Wiley. Verwendet mit Erlaubnis aus Haraguchi, K.; Takehisa, T., Nanocomposite Hydrogels: A Unique Organic–Inorganic Network Structure with Extraordinary Mechanical, Optical, and Swelling/De-swelling Properties. Adv. Mater. 2002, 14 (16), 1120[177])

Die erhaltenen organisch-anorganischen Hydrogele quellen in Wasser bis sie einen Gleichgewichtszustand erreicht haben, ohne sich aufzulösen. Wenn Polymere verwendet werden, die eine LCST zeigen, sind die Systeme zusätzlich thermosensitiv.

Ursprünglich wurden Hydrogele direkt in situ erzeugt, indem radikalische Initiatoren an die Tonpartikel adsorbiert und dann die Polymerisationsreaktion thermisch initiiert durchgeführt wurde.[177] Andere Forscherteams zeigten, dass auch eine Photopolymerisation möglich ist.[192] Diese Methode eignet sich besonders für mechanistische Studien, da die Polymerisation immer wieder auf beliebigen Stufen unterbrochen werden kann. Die Vorgänge konnten mit Hilfe von DLS verfolgt werden und so mehrere Polymerisationsphasen nachgewiesen werden. In der ersten Phase

beginnen Polymerketten um die Tonplättchen zu wachsen. Im DLS-Signal ist aber noch keine Änderung zu erkennen, obwohl mit NMR-Spektroskopie das Fortschreiten der Polymerisation nachgewiesen werden konnte. Im nächsten Schritt beginnen die mit Polymer ummantelten Plättchen sich zu verbinden und es bilden sich Aggregate aus.

Diese werden immer größer bis der Gelpunkt erreicht wird. Dann erst verbinden sich die Aggregate zu einem dichten Netzwerk.

Abbildung 5-4: Schema des konzentrationsabhängigen Zustands von Polymer-Tongemischen in Wasser.

Links: Ist die Polymerkonzentration im Vergleich zur Tonpartikelkonzentration niedrig, sind die Ketten vollständig auf der Oberfläche der Tonpartikeln adsorbiert, Wird nun die Polymerkonzentration erhöht ändert sich das System je nach Tonpartikelkonzentration folgendermaßen: a) Bei hoher Tonkonzentration geht das System bei steigender Polymerkonzentration über ein Sol in den Gelzustand über. b) Bei niedriger Tonkonzentration kommt es bei der Erhöhung der Polymerkonzentration zuerst zur Bildung von Aggregaten aus mehreren Tonpartikeln. Wird die Polymerkonzentration weiter erhöht, verschwinden diese wieder da die Oberfläche der Tonpartikel zunehmend mit Polymer bedeckt wird.

Für die Gelbildung ist die Adsorption von Polymerketten auf mehreren Partikeloberflächen der entscheidende Schritt (Abbildung 5-4). Nur wenn die Zahl der

„freien Bindungsstellen“ im richtigen Verhältnis zur Polymerkonzentration steht, kann

komplett „belegt“, wodurch wieder keine Verknüpfung zwischen mehreren Plättchen (Aggregatbildung) erfolgen kann.[196]

Die Herstellung von Nanokomposit-Hydrogelen ist nicht nur durch eine an Partikeln initiierte Polymerisation, sondern auch durch Mischen von Lösungen von Tonplättchen und Polymer möglich. Die Gelbildung kann dann durch Scherung erreicht werden, wie von Zebrowski et al.[187] am Beispiel Laponit ® mit Polyethylenoxid gezeigt wurde.

Diese Mischung bildet innerhalb bestimmter Konzentrationsbereiche ein Gel, wenn sie für 15 - 20 s geschüttelt wird. Das Gel ist allerdings nicht stabil und zerfließt nach einer gewissen Zeit wieder, d.h. es findet ein Übergang vom Gel zum Sol statt. Bei fixem Tonpartikelgehalt verringert sich die Stabilität mit steigender Polymerkonzentration.

Wenn die Verknüpfungsstellen der Tonplättchen bei höherem Polymergehalt schon weitgehend abgesättigt sind, werden durch das Schütteln nur wenige neue Verknüpfungen gebildet. Dadurch ist die Langzeitstabilität der erhaltenen Gele gering.

Diese „Schüttelgele“ können auch mit PNIPAM als Polymerkomponente hergestellt werden, wodurch auch stabile Gele hergestellt werden können.[197]

5.5 Untersuchungen der Dynamik des VPÜ

Ferse et al.[192] untersuchten den Volumenphasenübergang an einer niedrig konzentrierten Probe von Polymer und Tonpartikeln in Wasser. Die Lösung von Polymer-Tonpartikelaggregaten wurde in mehreren Schritten von 20 °C auf 50 °C erhitzt. Parallel wurde mittels DLS der hydrodynamische Radius RH, app gemessen (Abbildung 5-5).

Im Bereich der LCST konnte eine Abnahme der Aggregatgröße um 25% beobachtet werden. Bei reinen PNIPAM-Knäueln würde man eine noch stärkere Abnahme erwarten, in den Nanokomposit-Materialien wird ein weiteres Schrumpfen allerdings durch die Tonpartikel verhindert. Mit DLS kann nur die Änderung des RH, app eines Ensembles von Aggregaten gemessen werden, interessanter ist aber das Diffusionsverhalten der einzelnen Komponenten während des VPÜ in einem deutlich konzentrierteren System.

Abbildung 5-5: Temperaturabhängigkeit des hydrodynamischen Radius von Polymer-Tonpartikelaggregaten in niedriger Konzentration in Wasser. In diesem Experiment wurde die gestreute Lichtintensität nur im Winkel von 90° gemessen, wodurch in diesem Experiment nur relative Radien ermittelt wurden. Bei 20°C durchgeführte Vergleichsmessungen, über einen Winkelbereich von 30°- 150°, ergaben einen wirklichen Radius von 140 nm. (Nachdruck mit Genehmigung aus Ferse, B. et al., Gelation Mechanism of Poly(N-isopropylacrylamide)−Clay Nanocomposite Hydrogels Synthesized by Photopolymerization. Langmuir 2008, 24 (21), 12627[192] Copyright 2008 American Chemical Society)

Um einzelne Komponenten eines solchen komplexen Systems zu untersuchen, haben sich Einzelmolekülfluoreszenztechniken mit gezieltem Markieren der entsprechenden Strukturen bewährt. Ferse et al.[192] führten FCS-Messungen durch, um die Dynamik der Tonpartikel im konzentrierten Nanokomposit-Hydrogel näher zu untersuchen. Dafür wurden die Tonpartikel mit Rhodamin B über Gegenionenaustausch markiert. An in Wasser gelösten Proben dieser Partikel wurden FCS-Messungen durchgeführt, wobei die gefundenen Autokorrelationen in einem Bereich lagen, der angesichts der Größe der Partikel erwartet werden konnte. Die Daten der Messungen an Nanokomposit-Hydrogelen, welche mit den markierten Partikeln hergestellt wurden, zeigen allerdings keine Autokorrelation. Vermutlich ist die Diffusion so langsam, dass die Partikel während der Dauer des FCS-Experiments nicht in und aus dem konfokalen Volumen diffundieren, so dass keine Intensitätsfluktuation entsteht. In diesem Bereich kann dann die Weitfeldmikroskopie eingesetzt werden, wie in den folgenden Kapiteln beschrieben wird.

Weitfeldmikroskopieexperimente durchgeführt um einen genaueren Einblick in das Diffusionsverhalten der Tonpartikel im Nanokomposit-Hydrogel zu erhalten.

5.7 Markierung der Tonpartikel

Um Fluoreszenzmikroskopiemessungen durchführen zu können, war es erforderlich die Tonpartikel zuerst mit einem Fluoreszenzfarbstoff zu markieren. Analog zum Vorgehen von Ferse et al.[192], wurde versucht die Partikel über Gegenionenaustausch mit einem vierfach geladenen modifizierten PDI (Abbildung 5-7 a)) zu markieren.

Wie in der Literatur für Rhodamin B beschrieben[192], löste sich beim Dispergieren in Wasser der Farbstoff wieder von den Partikeln. Der freie PDI-Farbstoff führte zu einem hohen Hintergrundsignal, was zu einem verschlechterten Signal-zu-Hintergrund-Verhältnis bei den Weitfeldmessungen führte. Daher wurde der Ton stattdessen kovalent markiert. Dazu wurde zuerst ein Linker eingeführt, über dessen funktionelle Gruppe PDI an den Partikel angeknüpft werden konnte.

Die Modifikationsreaktionen wurden nach dem in Abbildung 5-6 dargestellten Schema an drei verschiedenen Laponitproben XLG, XLS und S482 durchgeführt. Laponite ® ist ein Handelsname der Rockwood Inc. und bezeichnet generell synthetisch hergestellte Silikate. XLG bezeichnet unmodifizierte Tonpartikel, XLS ist mit Polyphosphat als Dispersionsmittel modifiziert und S482 mit einem nicht näher benannten Reagenz.

Durch die Dispersionsmittel sind die Partikellösungen länger in Wasser stabil, ohne zu gelieren.

Abbildung 5-6: Syntheseschema zur Fluoreszenzmarkierung von Tonpartikeln. (Adaptiert mit Genehmigung aus Stempfle, B. et al., Anomalous diffusion in thermoresponsive polymer-clay composite hydrogels probed by wide-field fluorescence microscopy. Langmuir 2014, 30 (46), 14056. Copyright 2014 American Chemical Society.)

Am Rand der Plättchen liegen aufgrund der „aufgebrochenen“ Kristallstruktur freie Si-OH Gruppen vor, welche mit Silanen reagieren können. An diesen Gruppen können Modifikationsreaktionen durchgeführt werden. In dieser Arbeit wurde mit Aminopropyldimethylethoxysilan (APES) (97%, abcr GmbH) ein monofunktionales

Silan mit einer Aminofunktion zum Anknüpfen des Farbstoffs verwendet.

Multifunktionelle Silane mit mehreren Ethoxygruppen kamen nicht infrage, da diese laut Literatur zur Vernetzung mehrerer Plättchen führen.[189] Die Reaktion von Laponit mit APES wurde analog einer Vorschrift von Wheeler et al.[198] durchgeführt. Die Tonpartikel (550 mg) wurden zuerst über Nacht bei 80°C unter Vakuum getrocknet. Für die Modifizierungsreaktion wurden die Tonpartikel in einem 100 ml Kolben vorgelegt und in 8 ml trockenen Toluol dispergiert. Anschließend wurde unter Schutzgasbedingungen 0.93 ml (1.47 äquiv.) APES zugefügt und das Gemisch unter Rühren für 10 h zum Sieden erhitzt. Nach Abkühlen des Gemischs wurden die Tonpartikel über einem Büchnertrichter abfiltriert und mit Toluol gewaschen. Reste des Silans wurden durch mehrmaliges Aufschlämmen mit Toluol und anschließendes Abzentrifugieren der Tonpartikel entfernt. Anschließend wurden die Partikel unter Vakuum vom restlichen Toluol befreit.

a)

1

b)

2

Abbildung 5-7: verwendete PDI-Derivate a) wasserlösliches Derivat, freundlicherweise überlassen von Prof. Müllen (MPI für Polymerforschung, Mainz); b) mit N-Hydroxysuccinimidgruppe und Linker modfiziertes PDI-Derivat, freundlicherweise überlassen von Dr. M. Dill (Universität Konstanz).

Für ähnliche Reaktionen mit monofunktionellen Silanen an Laponit wurde mit thermogravimetrischer Analyse (TGA) ein Gehalt organischer Verbindungen im Bereich von 7% und 0.01% ermittelt.[189, 198, 199] In dieser Arbeit wurden entsprechende Mengen

Die Reaktionskontrolle erfolgte über ATR-IR-Spektroskopie. Die Spektren des (modifizierten) Tons S482 und die Spektren von Farbstoff und Silan APES sind in Abbildung 5-8 wiedergegeben.

Die intensivste Bande des Spektrums des unmodifizierten S482 (schwarz) um 963 cm-1 wird der Si-O-Streckschwingung zugeordnet, die um 3622 cm-1 den Hydroxylgruppen des Siliziums. Die Bande bei 1628 cm-1 und die breite Bande um 3400 cm-1 werden von O-H-Schwingungen von physisorbierten Wasser verursacht.[200, 201]

Abbildung 5-8: IR-Spektren (ATR) der Tonpartikel (unmodifiziertes S482, S482 mit Linker (S482-NH2) und mit angeknüpften PDI (S482-NH-PDI)), normiert auf die Si-O-Bande um 963 cm-1; zum Vergleich sind die normierten Spektren von APES und einem PDI-Derivat (mit in peri-Position angeknüpftem Ethylester, eine Vorstufe zu dem in Abbildung 5-7 b) gezeigten Derivat) gezeigt. Alle Verbindungen wurden ungelöst, als Reinsubstanzen gemessen. (Adaptiert mit Genehmigung aus Stempfle, B. et al., Anomalous diffusion in thermoresponsive polymer-clay composite hydrogels probed by wide-field fluorescence microscopy.

Langmuir 2014, 30 (46), 14056.. Copyright 2014 American Chemical Society.)

Die mit APES modifizierten Tonpartikel S482-NH2 (rot) zeigen zusätzlich Banden bei 2900 cm-1 die von C-H-Schwingungen verursacht werden, die Signale im Bereich von

1200-1500 cm-1 werden von N-H und C-H Deformationsschwingungen verursacht.[102]

Die Modifikationsreaktion war also erfolgreich.

Im folgenden Reaktionsschritt wurde der Farbstoff an die modifizierten Tonpartikel angeknüpft. Als Farbstoff wurde das Perylendiimidderivat 2 eingesetzt. Seine Struktur zeigt Abbildung 5-7 b). Zur Modifizierung der Partikel wurden 5 mg des Farbstoffs in 60 ml CH2Cl2 gelöst und 100 mg der modifizierten Tonpartikel zugegeben. Das Gemisch wurde bei Raumtemperatur geschüttelt. Eine Kontrolle nach zwei Tagen zeigte, dass die Partikel leicht rosa gefärbt waren. Nach drei Tagen war keine weitere Zunahme der Farbintensität mehr zu erkennen. Die überstehende Lösung war nach wie vor pink gefärbt. Die Partikel wurden über einen Büchnertrichter abfiltriert und mit CH2Cl2

gewaschen. Letzte Reste freies PDI-NHS wurden durch eine Soxhlet-Extraktion über 12 h mit CH2Cl2 entfernt. Die Partikel wurden unter Vakuum vom Lösungsmittel befreit, das resultierende Material wies einen rosa Farbton auf.

Im IR-Spektrum sind nach der Kondensierungsreaktion (blaues Spektrum in Abbildung 5-8), im Vergleich zum nur mit Siloxan modifizierten Ton, nur geringe Änderungen des Spektrums zu erkennen. Im Spektrum S482-NH2 tritt eine Bande bei 1255 cm-1 auf, die von der NH2-Gruppe des Linkers verursacht wird. Im Spektrum S482-NH-PDI beobachtet man nur eine sehr geringe Abnahme dieser Bande, obwohl die Zahl der NH2 -Gruppen durch die Reaktion mit dem NHS-Ester abnehmen sollte.

Für die Umsetzung von APES-modifizierten Laponit mit 13C-markierten Acetylchlorid in CH2Cl2 wurde mit Festkörper-NMR gezeigt, dass 83% der NH2-Gruppen reagiert hatten.[198] Allerdings waren im Produkt auch noch Signale des Säurefängers Triethylamin zusehen. Für die Reaktion von Aminogruppen mit Aktivestern von Molekülen in Lösung würde man eine ähnliche Größenordnung erwarten, da solche Reaktionen meistens mit guter Ausbeute verlaufen.[202, 203] Möglicherweise führt in diesem System die sterische Hinderung zwischen den PDI-Molekülen zu einer geringeren Modifikationsdichte, da sich die Aminogruppen in einer begrenzten lokalen Umgebung, den Partikelkanten, befinden.

Bujdák et al.[204] modifizierten Laponit mit trifunktionellen Silanen die an Farbstoffe

zusätzlichen Banden, die der Modifizierung zugeordnet werden konnten. Allerdings konnte im Absorptionsspektrum der Partikel die erfolgreiche Reaktion nachgewiesen werden. Aus der Absorption der Partikellösung bestimmten die Autoren durch Vergleich mit einer Lösung von freiem Chromophor der Modifizierungsgrad. Demnach waren lediglich 0.0015 mmol des Rhodaminderivats pro Gramm Laponit gebunden, also eine im Vergleich zum eingesetzten Farbstoff, geringe Menge. Aus der Form der Tonpartikel ergab sich an den Kanten eine Farbstoffdichte von 0.015 Molekülen/nm².

Dieser niedrige Wert ließ Bujdák et al. darauf schließen, dass nicht an allen möglichen Hydroxylgruppen der Partikelkante eine Reaktion stattgefunden hat. Trotzdem war es möglich die erfolgreiche Modifizierung mit konfokaler Fluoreszenzmikroskopie an den deutlich größeren Fluorohektoritpartikeln (Durchmesser ca. 1-3 µm) nachzuweisen. Die erhaltenen Fluoreszenzprofile in z und x, y zeigen lokalisierte Gebiete mit erhöhter Fluoreszenzintensität, die die Kanten der Plättchen andeuten. Modifiziertes Laponit, wie es auch für diese Arbeit verwendet wurde, konnte nicht vermessen werden, da die räumliche Auflösung nicht ausreichend für diese kleine Spezies war.

Vermutlich ist in den mit PDI modifizierten Tonpartikeln der Gehalt an Farbstoffmolekülen ebenfalls unterhalb der Nachweisgrenze des IR-Spektrometers, so dass diese Banden im Tonpartikelspektrum S482-NH-PDI nicht zu sehen sind.

a) b)

Abbildung 5-9: a) Weitfeld-Fluoreszenzbild eines Nanokomposit-Hydrogels bei 38 °C; b) Zeitspuren der Fluoreszenzintensität der in a) gekennzeichneten Tonpartikel. Partikel 1 und 2 zeigen einstufiges Blink- bzw. Bleichverhalten, Partikel 3 dagegen ein mehrstufiges Bleichen.

Des Weiteren wurde die zeitliche Änderung der Intensität der markierten Tonpartikel im Nanokomposit-Hydrogel bei 37°C und 38°C untersucht. Abbildung 5-9 zeigt eine Auswahl gemessener Zeitspuren. Die meisten Signale zeigten ein ein- oder zweistufiges Bleichverhalten, was ebenfalls auf eine sehr niedrige Markierungsdichte hinweist.

Ob durch die Reaktion Teilchen chemisch vernetzt wurden oder ob Größenselektion durch filtrieren und zentrifugieren stattgefunden hatte, wurde mittels DLS überprüft.

Die Laponit-Spezies XLS und S482 zeigten im Originalzustand und modifiziert die gleiche Größenverteilung. Die Volumenverteilung wies mehrere Maxima auf, die zahlenmäßige Verteilung zeigte aber, dass die zahlenmäßig häufigsten Partikel einen Radius im Bereich von 10-20 nm haben.

Die Laponit-Spezies XLS und S482 zeigten im Originalzustand und modifiziert die gleiche Größenverteilung. Die Volumenverteilung wies mehrere Maxima auf, die zahlenmäßige Verteilung zeigte aber, dass die zahlenmäßig häufigsten Partikel einen Radius im Bereich von 10-20 nm haben.