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5.7 Markierung der Tonpartikel

5.7.1 FCS-Messungen der markierten Partikel

Um festzustellen, ob ein Anteil der Aminogruppen mit dem PDI-Aktivester reagiert hatte, wurden FCS-Messungen durchgeführt. Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Größe einer fluoreszierenden Spezies nachgewiesen werden kann. So kann eventuell noch vorhandener freier Farbstoff von markierten Plättchen unterschieden werden.

Markierte Tonpartikeln wurden in Wasser dispergiert, größere Aggregate abgefiltert und mittels FCS die Autokorrelation der Fluoreszenz gemessen. Die Autokorrelation GDiff (τ) wurde mit einer Funktion für zwei Diffusionskomponenten angeglichen[78]:

(5-1)

Dabei ist N die mittlere Fluorophorzahl im Anregungsvolumen. Davon ist f1 und f2 der jeweilige Anteil der beiden Komponenten mit den Diffusionszeiten τ1 und τ2. ω entspricht dem Verhältnis von axialer zu lateraler Länge des Anregungsvolumens.

Abbildung 5-10: Autokorrelationskurve einer Partikeldispersion von S482-NH-PDI, angeglichen mit zwei Korrelationszeiten (τ1 = 3.2 ms, entspricht rh = 42.6 nm und τ2 = 0.0083 ms, entspricht rh = 0.1 nm. Die Referenzierung erfolgte mit Rhodamin 6G (τ = 0.044 ms), dessen Diffusionskoeffizient von 5.890 ⨯ 10-10 m²s-1 wurde aus der Literatur entnommen[205] (Adaptiert mit Genehmigung aus Stempfle, B.

et al., Anomalous diffusion in thermoresponsive polymer-clay composite hydrogels probed by wide-field fluorescence microscopy. Langmuir 2014, 30 (46), 14056.. Copyright 2014 American Chemical Society.)

Die Angleichung (Abbildung 5-10) mit zwei Komponenten ergab für eine Lösung von PDI markiertem S482 für τ1 = 3.2 ms (D = 5.75 ⨯ 10-12 m²s-1) eine deutlich höhere Diffusionszeit als für ein einzelnes Molekül. Das ist ein weiterer Hinweis auf eine erfolgreiche Fluoreszenzmarkierung. Die zweite Komponente liegt mit τ2 = 0.0083 ms nicht im Bereich einer translatorischen Diffusion, sondern eher im Zeitbereich photokinetischer Vorgänge, wie einer Triplettlebensdauer. Deswegen wurden die Daten mit einer Autokorrelationsfunktion GT,D (τ) für das Auftreten von Diffusion und Triplettzustand angeglichen[78, 152]:

(5-2)

Mit dem Anteil der Triplettkomponente T, der Triplett-Lebenszeit τT und der Diffusionszeit τD.

Für die vermutliche Triplettkomponente ergab sich τt = 0.013 ms, für die Diffusion τD = 2.9 ms (D = 6.35 ⨯ 10-12 m²s, r = 38.6 nm) wie in Abbildung 5-11 gezeigt.

Für freie Farbstoffe in Lösung liegt die Triplett-Lebenszeit in der Regel bei kürzeren Zeiten.[4, 78] So wurde für ein wasserlösliches PDI-Derivat in Wasser eine Triplett-Lebenszeit von 1.5 µs bis 2 µs gemessen.[206] Deutlich längere τt werden beobachtet, wenn die Farbstoffe in einer Matrix gebunden sind. So wurde für ein in Polyvinylalkohol eingebettetes PDI-Derivat eine Triplett-Lebenszeit von 0.3 ms[206] bestimmt und für ein anderes PDI-Derivat in PMMA eine Lebenszeit von 0.15 ms.[207] Die untersuchten PDI-Farbstoffe sind zwar nicht in eine Matrix eingebettet, jedoch sind sie an die Partikel gebunden. Eine Beeinflussung der Triplett-Lebenszeit ist dadurch nicht ganz auszuschließen.

Die für τ2 erhaltene Diffusionszeit war deutlich kürzer als man für einen freien Farbstoff erwarten würde. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich kein freier Farbstoff in Lösung befindet. Damit kann auf eine erfolgreiche Markierung der Tonplättchen geschlossen werden, auch wenn die Ausbeute des zweiten Schritts sehr gering war.

Abbildung 5-11: Autokorrelationskurve einer Partikeldispersion von S482-NH-PDI, angeglichen mit einer Diffusionskomponente (τD = 2.9 ms, entspricht rh = 38.6 nm) und einer Triplettkomponente τT = 0.013 ms.

Wasser eingewogen, wobei für Wasser eine Dichte von 1 g/ml angenommen wurde. Das Polymer, welches in dieser Arbeit verwendet wurde, wurde von Anna Große (AG Arndt) für diese Arbeit freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Das PNIPAM wurde über radikalische Polymerisation mit AIBN (99%, Sigma Aldrich) aus NIPAM (99%, Sigma Aldrich) hergestellt und besaß ein Mw von 116 kg/mol, ein Mn von 60 kg/mol und einen Polydispersitätsindex (PI) von 1.95 [208].

Des Weiteren wurde eine Stammlösung der Tonpartikel XLG, XLS und S482 mit c = 120 g/L angesetzt. Dazu wurden markierte und unmarkierte Tonpartikel im Verhältnis von ca. 8600:1 gemischt, um eine für Weitfelduntersuchungen geeignete Fluorophorkonzentration zu erhalten. Da Lösungen der Tonpartikel in Wasser nur bedingt stabil sind, wurden von den Partikelstammlösungen immer nur Mengen im Bereich von 1 ml hergestellt, welche dann direkt weiterverwendet wurden. Dazu wurde zu der entsprechenden Menge der Tonpartikelmischung das berechnete Volumen entionisiertes Wasser mit einer Mikroliterpipette zugegeben. Die Tonpartikel wurden durch Rühren und Behandlung mit Ultraschall dispergiert. Die Stammlösung von XLG stellte sich dabei als zu instabil heraus. Noch während des Dispersionsvorgangs der Partikel gelierte sie. Auf Grund dessen wurden keine Hydrogele mit diesem Ton hergestellt.

Für die Herstellung des Hydrogels wurde die entsprechende Menge der Tonpartikelstammlösung in einem Schraubdeckelglas vorgelegt. Dann wurde entionisiertes Wasser mit einer Mikroliterpipette zugegeben. Nach Zugabe des Wassers wurde die Polymerstammlösung langsam unter Rühren zugetropft. Die Mischung trübte sich und wurde viskos. Das Hydrogel wurde noch einige Stunden gerührt, viskosere Proben zusätzlich geschüttelt. Über Nacht klarten die Proben merklich auf, die Trübung verschwand jedoch nie vollständig, bei viskoseren Proben dauerte der Prozess ca. zwei Tage.

Für die Weitfeldmikroskopiemessungen wurden die Proben in Mikrofluidikkanäle für die Mikroskopie der Firma ibidi (µ-Slide I 0.4 Luer, ibiTreat) eingefüllt und die offenen Enden mit Parafilm verschlossen. Die Kammer wurde auf einem Zellenheiztisch (Pecon Erbach) befestigt. Mit dem Heiztisch ist es möglich, den Halter der Kammer und das Mikroskopobjektiv zu heizen. Die Temperatur der Kammer wurde mit einem IR-Thermometer kontrolliert, das über dem Mikroskop angebracht war. Der Messpunkt des Thermometers befand sich ca. 3 mm neben dem Messbereich um die

Fluoreszenzmessung nicht zu beeinträchtigen. Bei Vergleichsmessungen konnte kein Temperaturunterschied zwischen den beiden Messbereichen festgestellt werden.

Vermutlich ist die Wärmeübertragung vom beheizten Objektiv über das Öl auf die Probe effizient genug.

5.9 Weitfeldmikroskopieuntersuchungen an Nanokomposit-Hydrogelen Bei den Weitfeldaufnahmen der Nanokomposit-Hydrogele wurde in allen Proben, unabhängig von der verwendeten Tonpartikelspezies und Temperatur, neben einer langsam diffundierenden Spezies, eine zweite, deutlich schneller diffundierende Fraktion mit einem Diffusionskoeffizient größer als 10-12 m²s-1 beobachtet. In seltenen Fällen konnte auch beobachtet werden, dass einzelne Partikel ihre Diffusionsgeschwindigkeit signifikant änderten. Teilweise wurden schnell diffundierende Partikel deutlich langsamer, es wurden manchmal aber auch zunächst weitgehend immobile Partikel beobachtet, die begannen sich schneller zu bewegen.

Aufgrund ihrer schnellen Diffusion konnten von dieser zweiten Fraktion keine Trajektorien erstellt werden. Deswegen beschränkt sich die Diffusionsanalyse in den folgenden Teilen auf die langsamer diffundierenden Partikel.

Bei der Analyse des mittleren Verschiebungsquadrats MSD wurde in den untersuchten Proben ein von der normalen Diffusion deutlich abweichendes Diffusionsverhalten beobachtet. Um den verallgemeinerten Diffusionskoeffizienten Kα zu ermitteln, wurden die MSD-Daten mit der Gleichung für anomale Diffusion angeglichen:

(5-3)

Dabei ist α der Anomalie-Parameter. Je näher der Exponent α an eins liegt, desto eher entspricht die Bewegung der normalen Diffusion, bei der α = 1 ist. Die Dimension von Kα ist [m² s-α]. Für 0 < α < 1 spricht man auch von anomaler Subdiffusion. In Kapitel 3.5.1 werden verschiedene Szenarien beschrieben, in denen diese auftritt. Im Fall des Nanokomposit-Hydrogels zeigt das zeitlich gemittelte MSD eine deutliche Anomalität.

5.9.1 Konzentrationsabhängiges Verhalten

Es wurden Weitfeldmessungen an drei verschiedenen Proben mit gleichem Polymer- zu Tongehalt (1:1) aber unterschiedlicher Gesamtkonzentration durchgeführt, um genauere Aussagen über das konzentrationsabhängige Diffusionsverhalten der Tonpartikel in den Nanokomposit-Hydrogelen machen zu können. Die Konzentrationen der untersuchten Proben sind in Tabelle 5-1 aufgeführt.

Tabelle 5-1: Polymer- und Tonpartikelgehalt der untersuchten Proben und durch Angleichen ermittelter Diffusionskoeffizient und Anomalie-Parameter bei Raumtemperatur. Belichtungszeit 0.3 s, verwendete Tonpartikel: XLS

Polymer- gehalt [g/L]

Tonpartikel- gehalt [g/L]

Kα ⨯10-15

[m² s-α] α

Probe 1c 28 28 12.3 0.56

Probe 1.25c 35 35 2.5 0.39

Probe 1.5c 42 42 0.37 0.054

Die Konzentration von Polymer und Tonpartikeln ist in Probe 1c am niedrigsten. Hier werden die schnellste Diffusion und der höchste Anomalie-Parameter beobachtet (Abbildung 5-12 und Tabelle 5-1).

Abbildung 5-12: MSD der XLS-Partikel in unterschiedlich konzentrierten Hydrogelen bei 22°C.

Angleichungen (durchgezogene Linien) mit der Funktion y = 4Kαtα, Werte für Kαund α sind in Tabelle 5-1 aufgeführt.

Wird die Konzentration der Bestandteile des Nanokomposit-Hydrogels erhöht, sinkt der verallgemeinerte Diffusionskoeffizient Kα in der Reihenfolge der zunehmenden Konzentration von Probe 1c zu Probe 1.5c. Der Anomalie-Parameter zeigt bei steigendem Feststoffgehalt einen ähnlichen Trend, wobei bei Probe 1.5c ein besonders niedriges α beobachtet wird.

Die Erhöhung der Feststoffkonzentration führt also nicht nur zu einer Abnahme des verallgemeinerten Diffusionskoffizienten Kα sondern auch zu niedrigeren Anomalie-Parametern. Dies spricht dafür, dass eine Konzentrationssteigerung der Komponenten nicht nur zu einem dichteren sondern auch einem weniger elastischen Netzwerk führt, in dem die Tonpartikel stärker in ihrer Diffusion beschränkt werden.

5.9.2 Temperaturabhängiges Verhalten

Im folgenden Kapitel wird über das temperaturabhängige Diffusionsverhalten der Tonpartikel berichtet. Als besonders geeignetes Modellsystem erwies sich hierbei ein Gel mit Polymer- zu Tongehalt von 1.5:1 (PNIPAM: 42 g/L; Ton (S482) 28 g/L).

Abbildung 5-13: MSD der markierten S482-Partikel zwischen 25 °C und 38 °C. Zusammensetzung des Hydrogels: Polymergehalt 42 g/L, Tonpartikelgehalt 28 g/L (Verhältnis Polymer/Ton 1.5:1). Für die

In Abbildung 5-13 sind die MSD-Kurven von markierten S482-Tonpartikel für ausgewählte Temperaturen von 22 °C bis 38 °C gezeigt. Die Kurvenform ändert sich abhängig von der Temperatur. Zwischen 22 °C und 28 °C verlaufen die Kurven relativ ähnlich, dann aber nimmt die Steigung zu bis bei der Volumenphasenübergangs-Temperatur von 31 °C die höchste Kurvensteigung erreicht wird. Danach nimmt die Kurvensteigung stetig ab, bis bei 38 °C die niedrigste Kurvensteigung beobachtet wird.

In Abbildung 5-14 wurden die aus allen gemessenen Kurven ermittelten Werte von Kα

und α gegen die Temperatur aufgetragen. Wie in Abbildung 5-13 ist zu erkennen, dass sich zwischen 22 °C und 28 °C die Werte des MSD kaum änderten, Kα liegt um ca.

3.5⨯10-15 m² s-α, α um ca. 0.57. Bei der Volumenphasenübergangs-Temperatur von 31 °C steigt Kα bis auf 4.70⨯10-15m² s-α und α auf 0.68 an.

Abbildung 5-14: Temperaturabhängige Entwicklung der Koeffizienten Kα (blaue Punkte, linke Achse) und α (rote Quadrate, rechte Achse) zwischen 22 °C und 38 °C. Die schwarzen Kreuze entsprechen der nach Stokes-Einstein berechneten Zunahme des Diffusionskoeffizienten bei Temperaturerhöhung ausgehend vom Wert bei 24 °C aufgrund der Abnahme der Viskosität in diesem Bereich. (Adaptiert mit Genehmigung aus Stempfle, B. et al., Anomalous diffusion in thermoresponsive polymer-clay composite hydrogels probed by wide-field fluorescence microscopy. Langmuir 2014, 30 (46), 14056. Copyright 2014 American Chemical Society.)

Wird die Temperatur über die Volumenphasenübergangs-Temperatur hinaus weiter erhöht, nehmen Kα und der Anomalie-Parameter α wieder ab. Wie in Abbildung 5-14 zu erkennen, sind Kα und α schon wenige Grad oberhalb der VPÜ-Temperatur unter die

Werte bei Raumtemperatur gesunken. Bei 38 °C werden schließlich Kα = 3.4⨯10-16 und α = 0.43 erreicht.

Wie hängen also die Struktur des Nanokomposit-Hydrogels und die oben beschriebene Entwicklung der anomalen Subdiffusion zusammen?

Bei Temperaturen deutlich unterhalb der Volumenphasenübergangs-Temperatur sind die PNIPAM-Ketten stark gequollen (s. Abbildung 5-15). Dadurch ist das Netzwerk recht elastisch und besitzt nur eine geringe Dichte. Trotzdem beobachtet man keine freie Diffusion, sondern ein viskoelastisches Verhalten. Die Partikel können nicht frei diffundieren, da sie durch die auf ihrer Oberfläche adsorbierten Polymerketten eingeschränkt werden. Dadurch werden die Partikel in ihrer Diffusion so gehindert, dass statt normaler Diffusion mit linear verlaufendem MSD eine anomale Subdiffusion mit α < 1 beobachtet wird. Auf die Eigenschaften des Netzwerks und damit auf die Diffusion, wirkt sich nicht nur die Konzentration der Komponenten Polymer und Wasser aus, wie in Kapitel 5.9.1 gezeigt. Da hier als Polymerkomponente PNIPAM eingesetzt wurde, beeinflusst auch die Temperatur die Netzwerkstruktur.

Beim Erhöhen der Temperatur steigt Kα ab 28°C bis zur Volumenphasenübergangs-Temperatur an. Eine Ursache für die Erhöhung der Diffusionsgeschwindigkeit bei steigender Temperatur könnte die sinkende Viskosität sein. Bei 24 °C beträgt die Viskosität von Wasser 0.9115 mPa s und bei 30 °C 0.7977 mPa s.[209] Damit kann mit Hilfe der Stokes-Einstein-Gleichung (3-2) die temperaturabhängige Änderung von Kα

aufgrund der sinkenden Viskosität in diesem Temperaturbereich abgeschätzt werden.

Die so, mit Hilfe von Literaturwerten,[210] berechneten allgemeinen Diffusions-koeffizienten werden in Abbildung 6-14 durch schwarze Kreuze dargestellt, welche zur Orientierung mit einer gestrichelten Linie verbunden sind. Für Kα(30 °C, berechnet) ergibt sich ein Wert von 3.94⨯10-15m² s-α, gemessen wurde jedoch ein Kα(30 °C) von 4.32⨯10-15m² s-α. Der Anstieg des Diffusionskoeffizienten ist im Temperaturbereich vor dem VPÜ stärker, als der aus dem Sinken der Lösungsmittelviskosität berechnete.

Dieser verläuft in diesem Bereich linear, wogegen Kα bei 30 °C und 31 °C deutlich stärker steigt. Um zu beurteilen, ob der Anstieg von K signifikant höher liegt, müsste

Auch α steigt im Temperaturbereich zwischen 28 °C und 31 °C an, bei niedrigeren Temperaturen ändert α sich dagegen kaum. Das Diffusionsverhalten der Tonpartikel nähert sich vor dem VPÜ also der normalen Diffusion an. Bei DLS-Messungen in verdünnter Lösung wurde im Bereich vor dem Volumenphasenübergang ein leichtes Schrumpfen der Aggregate aus Tonpartikeln und Polymer beobachtet.[192]

Möglicherweise wird dadurch die Viskoelastizität des Netzwerks in der untersuchten Probe zunächst verringert. Vor diesem Hintergrund ist durchaus denkbar, dass die Zunahme von Kα vor dem VPÜ nicht nur auf die Abnahme der Viskosität des Lösungsmittels zurückzuführen ist.

Abbildung 5-15: Schematische Darstellung der Netzwerkstrukur in einem Nanokomposit-Hydrogel.

Unterhalb der VPÜ-Temperatur (links) ist das Polymer gequollen, wodurch der markierte Tonpartikel stark beweglich ist. Oberhalb der VPÜ-Temperatur (rechts) ist das Netzwerk kollabiert, wodurch die Beweglichkeit des markierten Partikels stark eingeschränkt wird. (Adaptiert mit Genehmigung aus Stempfle, B. et al., Anomalous diffusion in thermoresponsive polymer-clay composite hydrogels probed by wide-field fluorescence microscopy. Langmuir 2014, 30 (46), 14056. Copyright 2014 American Chemical Society.)

Wird die Temperatur über den VPÜ erhöht, sinkt die Löslichkeit der Polymerketten. Bei NMR-Studien[214] wurde vor der Abgabe von Lösungsmittel eine Aggregation der Ketten beobachtet. Wenn das Netzwerk kollabiert wird eine Art Makronetzwerk mit größeren Maschen gebildet. Durch die Bildung der Polymer-Tonpartikel Aggregate wird die Beweglichkeit und die Elastizität des Netzwerks deutlich verringert.[215] Dieses Bild wird durch die EMWFM-Untersuchung gestützt. Oberhalb der VPÜ-Temperatur sinkt durch die Bildung des Makronetzwerks die Beweglichkeit der Tonpartikel innerhalb eines sehr kleinen Temperaturbereichs sehr stark, bis sie schließlich bei 38 °C in den Weitfeldmessungen weitgehend immobil erscheinen. Durch die geringere Elastizität des

Netzwerks erfahren die Tonpartikel zusätzlich eine stärkere Einschränkung in ihrer Beweglichkeit, wodurch auch α deutlich sinkt.

Die Beobachtungen zum Diffusionsverhalten des Tons bestätigen und vervollständigen die bisherigen Untersuchungen mit NMR[214, 215] und DLS.[196] Zudem konnte gezeigt werden, dass die Weitfeldmikroskopie geeignet ist, um die Dynamik und das Diffusionsverhalten in diesen komplexen Systemen zu studieren.

6 Beschreibung und Evaluierung eines Tracking-Algorithmus für Einzelmoleküle

Das Fluoreszenzsignal einzelner Moleküle kann blinken oder irreversibel bleichen.

Dadurch wird das Tracking von einzelnen Molekülen im Vergleich zum Partikeltracking erschwert. Zudem ist das Signal-zu-Rauschverhältnis in Einzelmolekülexperimenten oft niedriger und es treten Änderungen in der individuellen Signalintensität eines Moleküls auf.

Aufgrund dessen wurde von D. Wöll in Zusammenarbeit mit A. Karrenbauer ein neuer, vollautomatischer, einzelmolekülgeeigneter Tracking-Algorithmus entwickelt, der im Rahmen dieser Arbeit getestet und mit dem vorherigen, semi-automatischen Programm verglichen wurde. Bei der neu entwickelten Routine werden die Signale den Molekülspuren nach dem Prinzip der Kostenoptimierung zugeordnet.[104] Dazu werden allen Verbindungen von Punkten Kosten zugeordnet. Diese Kosten hängen von der räumlichen und zeitlichen Entfernung der beiden Punkte ab. Die Gewichtung von örtlicher und zeitlicher Distanz kann über die Kostenfunktion frei vorgegeben werden.

Zusätzliche Kosten entstehen für Start oder Ende einer Trajektorie, so dass die Fragmentierung von Trajektorien verringert werden kann. Es erfolgt dann eine globale Kostenoptimierung aller möglichen Verbindungsmöglichkeiten aller Punkte in allen Bildern. Dies führt zu einem linearen Programmierproblem, das z.B. mit CPLEX schnell und effizient gelöst werden kann. Die Robustheit der Routine wurde von D. Wöll an simulierten Daten überprüft.

Eine Trajektorie enthält die Änderung der räumlichen Koordinaten x und y innerhalb eines Zeitintervalls t. Die Kostenfunktion ist Δx²+Δy²+Δt². D.h. es werden nicht nur die räumlichen Parameter Δx und Δy optimiert, auch der zeitliche Abstand zwischen zwei Positionen muss mit Kosten belegt werden. Ansonsten ist es in manchen Fällen kostengünstiger, eine zu weit entfernte Zwischenposition auszulassen und stattdessen die vorhergehende direkt mit der nachfolgenden zu verbinden, wenn diese nah beieinander liegenden. Das kann dazu führen, dass aus der Spur eines Moleküls zwei Trajektorien generiert werden, wie in Abbildung 6-1 gezeigt.

Abbildung 6-1: Trajektorien des gleiches Moleküls ohne (links) und mit (rechts) Berücksichtigung der Kosten für Zeit.

Fehlerhafte Verbindungen lassen sich in zwei Kategorien einteilen: falsch positive und falsch negative. Falsch positive Verbindungen sind solche, die erkannt werden, obwohl die beiden Positionen nicht zu einer Trajektorie gehören. Daraus resultiert ein Ergebnis, das durch nicht existierende Verbindungen verfälscht ist. Des Weiteren ist es möglich, dass Positionen nicht verbunden werden, obwohl sie zur gleichen Trajektorie gehören.

Diese fehlenden Verbindungen werden als falsch negativ bezeichnet. Auf den ersten Blick wird das Ergebnis dadurch nicht negativ beeinflusst, da Daten „nur“ nicht erfasst werden. Wird allerdings immer der gleiche Datensatz - z.B. die langen Schritte – ignoriert, sinkt die Genauigkeit durchaus (Abbildung 6-2).

Abbildung 6-2: Vergleich von Einzelmoleküldaten bei den Suchradien 15 (rot) und 5 (blau). Durch die Ignorierung der langen Schritte (falsch negative Verbindungen) bei Radius 5 wird das Ergebnis im Vergleich zu Radius 15 sichtbar verfälscht.

einem Molekül zugeordnet werden. Simulationen haben gezeigt, dass dadurch viele falsch positive Verbindungen ermittelt werden. Die Anzahl der Überkreuzungen ist von der Diffusionsgeschwindigkeit und der Farbstoffkonzentration abhängig. Die Diffusionsgeschwindigkeit ist systemabhängig und kann nicht beeinflusst werden.

Deswegen ist für eine einfache und eindeutige Auswertung eine angepasste Fluorophorkonzentration sehr wichtig. Bei zu hoher Konzentration überkreuzen sich die Pfade der Moleküle zu oft, außerdem ist die Hintergrundfluoreszenz hoch (niedriges SRV), wodurch schnellere, schwächere Moleküle nicht erkannt werden können. Werden zu wenig Fluorophore eingesetzt, ist es aufwändig eine statistisch relevante Anzahl Trajektorien zu bekommen. Wenn man davon ausgeht, dass die Menge an Verunreinigungen aus den Chemikalien und von den Glasgeräten ungefähr gleichbleibt, erhöht sich zusätzlich die Wahrscheinlichkeit fluoreszierende Verunreinigungen mit Farbstoffmolekülen zu verwechseln.

Durch die Simulationen konnte gezeigt werden, dass für falsch positive Verbindungen die Diffusionsgeschwindigkeit weniger entscheidend ist. Sie entstehen eher gehäuft bei niedrigem SRV. In der Praxis muss die Intensitätsgrenze für die Positionierung so weit gesenkt werden, dass Molekülpositionen selbst dann noch als solche erkannt werden, wenn ihre Signalstärke kurzzeitig etwas schwächer wird. Ist die Signalintensität insgesamt schwach, muss die Positionierungsgrenze eventuell so weit gesenkt werden, dass teilweise auch Hintergrundsignale als Positionen erkannt werden. Sind es nur wenige Falschpositionen relativ zu den Molekülsignalen, sind sie für die Analyse nicht störend, denn in der Regel werden Falschpositionen nur in einem Bild erkannt. Die Wahrscheinlichkeit ist eher gering, dass in der näheren Umgebung (abhängig von Trajektorienradius und Wartezeit) weitere falsche Positionen erkannt und zu einer ausreichend langen Trajektorie verbunden werden. Wenn sich ein Molekül in der Nähe befindet, kann es allerdings vorkommen, dass diese falsche Position zum Weg hinzugefügt wird. Die Trajektorie kann unter Umständen mit dieser falschen Position abbrechen, wenn das eigentliche Molekül wegdiffundiert ist und sich keine weiteren Signale in der Nähe befinden.

Daher muss ein Kompromiss gefunden werden, denn bei einem zu hohen Suchradius werden zu viele falsch positive Verbindungen erkannt, während bei einem zu kleinen Radius Verbindungen ignoriert werden. Wenn die Moleküldichte nicht zu hoch ist kann ein Trajektorienradius von 5 Pixel (bei diesem Aufbau 0.26 µm) bis D~10-13 m2s-1

zuverlässige Ergebnisse liefern. Bei höherem Diffusionskoeffizient wurden die längsten Schritte nicht erfasst, wodurch der errechnete Diffusionskoeffizient niedriger war als der simulierte. Daher sind hier größere Suchradien nötig.

Die Untergrenze für den bestimmbaren Diffusionskoeffizient Dlim wird von der Lokalisierungsgenauigkeit bestimmt, welche durch die Intensität des Molekülsignals, der Hintergrundfluoreszenz und durch die Orientierung der Moleküle[108] limitiert wird.

Eine Verlängerung der Belichtungszeiten zur Erhöhung des SRV schafft nicht notwendigerweise Abhilfe, da Instabilitäten des Systems dann einen größeren Einfluss haben. Wie in Abbildung 6-3 dargestellt, scheint sich bei immobilen Molekülen durch die Ungenauigkeiten der Positionierung das Molekül zu bewegen, wodurch ein zu hoher Diffusionskoeffizient ermittelt wird.

Abbildung 6-3: Schwankungen der Positionierungsposition bei einem immobilen Molekül. Um Positionierungsfehler zu minimieren wird bei langsamer Diffusion i.d.R. eine längere Belichtungszeit gewählt, um ein möglichst hohes SRV zu erhalten.

Bis zu welchen Bereichen ist die Diffusion nun mit herkömmlicher Weitfeldmikroskopie bei der Benutzung von absoluten Molekülpositionen zugänglich? In einer von D. Wöll durchgeführten Simulation konnten bei einer Lokalisierungsgenauigkeit von 50 nm (entspricht ca. 0.5 Pixel) erst ab D = 10-14 m2s-1 wirklich zuverlässige Ergebnisse für D erzielt werden.[104] Flier et al.[95] verglichen experimentelle Tracking-Daten von Perylendiimid in dünnen Polystyrolfilmen mit simulierten Werten. Daraus konnte eine Lokalisierungsgenauigkeit im Experiment von 10 nm bis 15 nm abgeleitet werden.

geringer als die an Modellsystemen bestimmte Genauigkeit.[64] Bei den in Kapitel 4 beschriebenen Experimenten konnte bei einer Belichtungszeit von 0.03 s kein

geringer als die an Modellsystemen bestimmte Genauigkeit.[64] Bei den in Kapitel 4 beschriebenen Experimenten konnte bei einer Belichtungszeit von 0.03 s kein