• Keine Ergebnisse gefunden

Zur Untersuchung des Einflusses der Farbstoffgröße auf die Diffusionseigenschaften, wurden zwei Derivate eines Perylendiimidfarbstoffs (PDI-G0 und PDI-G3) verwendet.[53] Ihre Strukturformeln sind in Abbildung 4-11 dargestellt. Beide Farbstoffe besitzen ein Perylendiimid-Grundgerüst. Dieses ist in der bay-Region durch Dendrimere zweier verschiedener Generationen (G0 und G3) modifiziert. Die Abschätzung des hydrodynamischen Radius[79] ergab für PDI-G0 einen Radius von ca. 1 nm und für G3-PDI von ca. 3.2 nm.

Die Diffusionsgeschwindigkeit der beiden verwendeten Farbstoffe erstreckt sich während der Polymerisation über einen Bereich von mehreren Größenordnungen. Um diesen komplett abzudecken, wurden zwei verschiedene Methoden zur Einzelmolekülfluoreszenzdetektion verwendet: Fluoreszenzkorrelationsspektroskopie (FCS) und Einzelmolekülweitfeldfluoreszenzmikroskopie (EMWFM). Mit FCS kann die Diffusion von Farbstoffen in Lösungen vergleichsweise niedriger Viskosität untersucht werden. Steigt der Umsatz der Polymerisation und damit die Viskosität, wird mit der Zeit die Bewegung der Moleküle zu langsam, um während der Messzeit eine Umsatz Mw MMA [g mol-1] MW Styrol [g mol-1]

~10% 180 000 (1800) 54 000 (521)

~20% 211 000 (2110) 55 000 (530)

ausreichende Fluktuation des Signals zu erzeugen. Damit ergibt sich in der Praxis eine untere Grenze der messbaren Diffusionsgeschwindigkeit.

Abbildung 4-11: PDI-Derivat, das in der bay-Region (–R) mit Dendrimeren zweier verschiedenen Generationen (G0 und G3) modifiziert wurde.

Im Bereich der mittleren bis hohen Viskosität kommt daher die EMWFM zum Einsatz.

Aufgrund der begrenzten Ausleserate der als Detektor eingesetzten CCD-Kamera können mit dieser Technik wiederum schnelle Molekülbewegungen im Bereich D > 10-12 m²s-1 nicht aufgelöst werden.

Werden FCS und EMWFM kombiniert, kann die Diffusion während der gesamten Polymerisation trotz der starken Änderung des Diffusionskoeffizienten verfolgt werden.

In einem engen Bereich der mittleren Diffusionsgeschwindigkeit ist es sogar möglich beide Methoden anzuwenden. Allerdings liegt der mit EMWFM bestimmte Diffusionskoeffizient etwas unter dem mit FCS ermittelten, da in diesem Grenzbereich mit EMWFM selektiv die langsameren Moleküle eines Ensembles detektiert werden.

Erst wenn die Diffusionsgeschwindigkeit weiter abnimmt, liegen alle Moleküle im Detektionszeitfenster der Weitfeldmikroskopie.

Abbildung 4-12 zeigt einen Vergleich der Diffusionskoeffizienten der Farbstoffe PDI-G0 und PDI-G3 während der Polymerisation von Styrol bzw. MMA mit dem Initiator V70 bei Raumtemperatur. Um die Diffusion von beiden Farbstoffen besser vergleichen zu

den beiden Monomeren nur gering, da die Viskosität von Styrol (0.76 mPa s bei 20 °C) und MMA (0.6 mPa s bei 20 °C) vergleichbar ist.[156] Der Unterschied zwischen PDI-G0 und PDI-G3 ergibt sich aus der Größe. Über die Stokes-Einstein-Beziehung erhält man DG0 × rh G0 = DG3 × rh G3. Setzt man für den hydrodynamischen Radius die aus der Literatur bekannten Werte[79] ein (s.o.), so erhält man DG0 ≈ 3×DG3. Dieser Wert entspricht dem beobachteten Unterschied.

PDI-G0

PDI-G3

Abbildung 4-12: Abhängigkeit des relativen Diffusionskoeffizienten (rel. D) vom Umsatz in Prozent;

geschlossene Symbole repräsentieren FCS-Daten, offene WFM-Daten (FCS-Daten gemessen von Dr. Maren Dill). (Stempfle, B.; Dill, M.; Winterhalder, M. J.; Müllen, K.; Wöll, D., Single Molecule Diffusion and its Heterogeneity during the Bulk Radical Polymerization of Styrene and Methyl Methacrylate. Polym. Chem.

2012, (3), 2456;Reproduziert mit Erlaubnis von The Royal Society of Chemistry)

Die Änderung des relativen Diffusionskoeffizienten (rel. D) ist abhängig vom Polymerisationssystem und von der Größe des Farbstoffs. Bei niedrigen Umsätzen ist die Diffusion in beiden Systemen sehr ähnlich, erst im Laufe der Polymerisation beginnt sich ein Unterschied zu entwickeln. Für PDI-G0 ist das bei ca. 40% Umsatz der Fall. Hier nimmt der relative Diffusionskoeffizient bei der MMA-Polymerisation stärker ab als bei der Styrolpolymerisation. Bei Styrol beobachtet man diese starke Abnahme erst bei 70% Umsatz. Nach Ende dieser Periode ändert sich rel. D praktisch nicht mehr, während der Umsatz noch leicht zunimmt. Die Moleküle sind bei den gewählten Aufnahmebedingungen praktisch immobil.

Wird PDI-G3 als Sonde eingesetzt, beobachtet man, dass rel. D bei der MMA-Polymerisation schon ab 25% Umsatz beginnt stärker abzunehmen. Dieser Vorgang korrespondiert mit dem Einsetzen der Selbstbeschleunigungsphase (s. Abbildung 4-9).

Der relative Diffusionskoeffizient sinkt in diesem Bereich zwar auch in Styrol, allerdings weniger stark. Eine weitere Phase mit einer starken Abnahme von rel. D beobachtet man in MMA bei 40% Umsatz. In diesem Bereich findet bei der MMA-Polymerisation die größte Umsatzänderung pro Zeit statt (vergleiche Abbildung 4-9). Bei Styrol beobachtet man die stärkste Abnahme von rel. D ab einem Bereich von 60% Umsatz, also ebenfalls während der Phase der Selbstbeschleunigung. Die Änderung des relativen Diffusionskoeffizienten spiegelt also die Änderung der Reaktionskinetik während einer Polymerisation wieder.[149, 165, 166]

Vergleicht man die einzelnen Farbstoffe während der Styrolpolymerisation, zeigt sich dass der relative Diffusionskoeffizient beider Farbstoffe bis 20% Umsatz recht ähnlich verläuft (Abbildung 4-13, oben). Danach sinkt rel. D von PDI-G3 etwas stärker als von PDI-G0. Der Abstand steigt bis zum Einsetzen der Selbstbeschleunigungsphase bei

~60%. Während dieser nimmt der Unterschied zwischen beiden Farbstoffen nochmals zu, da die starke Abnahme von rel. D von PDI-G3 bei ~15% niedrigerem Umsatz stattfindet als mit PDI-G0. Gegen Ende der Polymerisation hat sich rel. D beider Farbstoffe wieder angenähert.

Während der MMA-Polymerisation (Abbildung 4-13, unten) zeigt sich ein größerer

Bereich um 40% Umsatz, in dem rel. D von PDI-G3 stark abnimmt. Gegen Ende der Polymerisation bleibt der Abstand dann aber weitestgehend konstant.

Styrol

MMA

Abbildung 4-13: Änderung des relativen Diffusionskoeffizienten von PDI-G0 und PDI-G3 während der Styrolpolymerisation (oben) und während der MMA-Polymerisation (unten), in Abhängigkeit vom Umsatz in Prozent; geschlossene Symbole repräsentieren FCS-Daten (aufgenommen von Dr. Maren Dill), offene Symbole WFM-Daten.

In beiden Systemen wird die Diffusion des größeren Farbstoffs PDI-G3 im mittleren Umsatzbereich stärker eingeschränkt als die des kleineren PDI-G0, allerdings ist der Unterschied im MMA-System größer als im Styrol-System.

Die Diffusion der unterschiedlich großen Farbstoffe wird durch das physikalische Netzwerk, welches sich im Lauf der Reaktion bildet, beeinflusst.[79] Der größere

Farbstoff wird durch die geringer werdende Maschengröße des Netzwerks bereits bei einem niedrigeren Umsatz stärker behindert als der kleinere. Dadurch nimmt der relative Diffusionskoeffizient von PDI-G3 schneller ab als PDI-G0. Während der MMA-Polymerisation scheint dieses Phänomen wesentlich ausgeprägter zu sein als während der Styrolpolymerisation.