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2.5 Künstliche Besamung

2.7.2 Pathologie der Geburt

Dystokien treten bei vielen Elefantengeburten auf (FOERNER 1999, LANGE et al. 1999, HAUFELLNER et al. 1999). FOERNER (1999) listet drei Hauptursachen für eine Dystokie beim Elefanten auf. Zum einen kann die Gebärmutter infolge Insuffizienz der Uterusmuskulatur oder durch uterine Vorerkrankungen eine Dystokie verursachen. Zweitens können Lage-, Stellungs- und Haltungsanomalien der Frucht zur Schwergeburt führen.

Insbesondere Kopffehlhaltungen in Vorderendlage und die Hüftbeugehaltung in Hinterendlage stellen ein häufiger auftretendes Geburtshindernis dar, während Extremitäten selten falsch positioniert sind. Häufigste Ursache einer Dystokie ist nach FOERNER (1999) jedoch der Fruchttod mit anschließender Fruchtwasserresorption. In vielen Fällen ist es unmöglich zu differenzieren, ob primär der Fruchttod die Geburtsstörung auslöst oder ob die verschleppte Geburt ihrerseits den Fruchttod verursacht. VAN DER KOLK et al. (2008) vermuten, dass Elefanten in Gefangenschaft oft eine Hypokalzämie aufweisen, die sich unter der Geburt in einer Wehenschwäche zeigen kann. Die Autoren fordern, die zurzeit aufgestellten Normwerte für ionisiertes Kalzium zu überprüfen.

Abzugrenzen gegenüber den pathologischen Geburtsstörungen ist die psychologische Unterbrechung oder Verzögerung der Geburt. Die Elefantenkuh ist in der Lage, den Geburtsvorgang bei externen Störfaktoren zu unterbrechen (LANG u. EGGENBERGER 1991, FOERNER 1999).

Totgeburten treten in europäischen Zoos bei 16 % aller Geburten auf (HAUFELLNER et. al 1993, SCHMID 1998). KURT und MAR (1996) nehmen an, dass Totgeburten bei wilden und in Gefangenschaft lebenden Elefanten in Asien sehr selten sind. In ihrer vergleichenden Studie über Elefantengeburten in europäischen Zoos und bei extensiv gehaltenen Arbeitselefanten in Asien zeigen KURT und MAR (1996) auf, dass totgeborene Kälber ein signifikant höheres Körpergewicht aufweisen (durchschnittlich 125 kg) als lebendgeborene Kälber (durchschnittlich 92 kg). Das erhöhte Körpergewicht totgeborener Kälber korreliert in ihrer Studie sowohl mit der relativen Körpermasse der Mutterkuh (ermittelt als Körpergewicht/Schulterhöhe) als auch mit der Trächtigkeitsdauer positiv. Damit postulieren die Autoren als einen möglichen Grund für die hohe Anzahl an Totgeburten in zoologischen Einrichtungen ein Übergewicht seitens der Muttertiere. Es erhöht das Risiko einer

Schwergeburt und damit das Risiko des perinatalen Todes. KURT (1999) beschreibt die meisten Kühe in europäischer Gefangenschaft als übergewichtig. Neben Geburtsstörungen aufgrund von übergewichtigen Kälbern können andere nicht-infektiöse und infektiöse Ursachen zu Totgeburten führen. Im Tierpark Berlin war als Ursache für das intrauterine Absterben eines voll entwickelten männlichen Elefantenkalbs eine generalisierte Pockeninfektion diagnostiziert worden (CZUPALLA et al. 1998, STRAUSS et al. 1998b, WISSER et al. 2001). Bei dem Virus handelte es sich um ein kuhpockenähnliches Virus aus der Familie der Orthopoxviridae. Die Infektion wurde in Zusammenhang gebracht mit einer vorangegangenen Pockeninfektion unter Bibern und Katzenbären im Zoo Berlin. RICHMAN et al. (1999) berichten über ein totgeborenes Kalb mit diffusen epikardialen und plazentaren Hämorrhagien. In der Plazenta wiesen die Autoren Herpesvirus nach. MERKT et al. (1985a, b) und SCHAFTENAAR (1996) erwähnen jeweils als Ursache für den pränatalen Tod zweier weiblicher Elefantenkälber eine um einen Hinterlauf gewickelte und stark gequetschte Nabelschnur. Totgeburten treten vor allem bei primiparen Elefantenkühen auf, die im Alter von über 20 Jahren erstmals erfolgreich gedeckt werden (HAUFELLNER et al. 1999).

Neben der hohen Anzahl von Totgeburten stellt der postpartale Infantizid ein bedeutendes Problem in zoologischen Einrichtungen dar (KURT 1994, KURT u. MAR 1996, TAYLOR u.

POOLE 1998). Bei zahlreichen Geburten kommt es zu erhöhter Aggressivität der Mutterkuh gegenüber ihrem Neugeborenen (LANG u. EGGENBERGER 1991, FLÜGGER 1992, RIETKERK et al. 1993, LYON 1996, GRIEDE u. VAN DIJK 1998, FLÜGGER et al. 2001, OCHS et al. 2001, EULENBERGER et al. 2002). Nicht selten werden die Kälber dabei so stark verletzt, dass sie an den Verletzungen sterben. LYON (1996) berichtet über multiple Schädelfrakturen bei einem Neugeborenen. Zu Infantizid neigen insbesondere solche Kühe, die früh von der Mutter abgesetzt worden sind, die ohne Kontakt zu älteren Kühen aufwuchsen und/oder Kühe, die zwischen zoologischen Einrichtungen ausgetauscht wurden (KURT u. HARTL 1995, KURT u. MAR 1996). SCHMID (1998) diskutiert zudem, dass die Geburt in zoologischen Einrichtungen häufig begleitet ist von Unruhe durch Publikum, Fernsehkameras und/oder veterinärmedizinische Eingriffe. Diese Umstände können zu einer erhöhten Aggressivität des Muttertieres beitragen. FLÜGGER et al. (2001) stellen fest, dass Mütter vor allem dann zu Aggressivität neigen, wenn die Geburt isoliert von der Gruppe in der üblichen Kettenhaltung stattfindet. Der schützende Einfluss erfahrener Kühe wurde bereits erwähnt.

2.7.3 Geburtshilfe

Da die Kuh in der Lage ist, die Geburt bei externen Stressfaktoren zu verzögern (LANG u.

EGGENBERGER 1991, FOERNER 1999, HERMES et al. 2008b) und da Unruhe bei der Geburt möglicherweise zu einer erhöhten Aggressivität der Kuh beiträgt (SCHMID 1998), sollte eine tierärztliche Intervention wenn möglich vermieden werden. Dennoch gibt es Situationen, die eine tierärztliche Intervention dringend erfordern.

Hinweise für eine Geburtsstörung sind nach FOERNER (1999) die Abwesenheit von Wehen 30 Tage nach dem errechneten Geburtstermin bzw. die Abwesenheit von Wehen zwei bis vier Wochen nach Beginn sinkender Serumprogesteronkonzentrationen. Nach dem Abgang des Schleimpfropfs sollte das Kalb innerhalb von fünf Tagen und nach dem Blasensprung innerhalb von 24 Stunden geboren sein. Auch SCHMIDT (1999) postuliert für die Geburt eines lebenden Kalbs ein Zeitfenster von zwölf bis 24 Stunden nach Blasensprung. Störung des Allgemeinbefindens, Erhöhung der weißen Blutkörperchen im Blut und andauernde unproduktive Wehentätigkeit sind nach FOERNER (1999) ebenfalls hinweisend auf eine Geburtsstörung. Nach SCHAFTENAAR et al. (2001) und HERMES et al. (2008b) sollte diagnostisch und wenn nötig auch therapeutisch eingegriffen werden, wenn das Kalb nicht 24 Stunden nach dem Abfall des Progesterons unter die Nachweisgrenze bzw. zwei Stunden nach Platzen der Fruchtblasen ausgetrieben ist. HERMES et al. (2008b) empfehlen die transrektale Sonographie alle acht Stunden nach Abfall des Serumprogesterons zur Beurteilung von Öffnungsgrad der Zervix und Integrität der Fruchthüllen. Die Autoren weisen darauf hin, dass zwischen Abfall des Progesterons unter die Nachweisgrenze und der beginnenden Geburt mitunter bis zu 14 Tage vergehen können (pers. Beobachtung in HERMES et al. 2008b). In der Regel kommt das Kalb jedoch innerhalb der nächsten fünf Tage zur Welt (BROWN u. LEHNHARDT 1995, NIEMULLER et al. 1998, CARDEN et al.

1998)

Die Größe und Anatomie des Genitaltrakts gestattet nur eine sehr eingeschränkte Diagnostik bezüglich Art und Schweregrad der Störung (LANGE et al. 1999).

Die rektale Palpation liefert erste Aussagen zum Geburtsstand. Sie ermöglicht jedoch nur eingeschränkte Aussagen über Lage, Stellung und Haltung der Frucht. Lebenszeichen der Frucht sind palpatorisch nicht sicher festzustellen. Sonographisch können transrektal Teile des Fötus, der Öffnungsgrad der Zervix und die Beschaffenheit der Fruchtwässer untersucht werden. Stark eingedickte und somit echoreiche Fruchtwässer deuten auf eine abgestorbene Frucht hin. Können aber die fetalen Beinvenen sonographisch dargestellt werden, ist dies ein

Hinweis auf eine noch lebende Frucht (LANGE et al. 1999). Bei abgestorbenen Feten gelingt die Darstellung fetaler Beinvenen nicht.

Die manuelle Untersuchung des weiblichen Genitale ist aufgrund der Länge des Urogenitalkanals in der Regel wenig aufschlussreich. Öffnungsgrad der Zervix und eventuell vorhandene Fruchtteile können jedoch endoskopisch beurteilt werden. FOERNER (1999) verwendet dafür ein drei Meter langes humanmedizinisches Kolonoskop, welches am stehenden Tier über den Urogenitalkanal bis vor die Zervix vorgeschoben wird. LANGE et al.

(1999) benutzen ein flexibles Endoskop in einer Länge von 1,80 – 2,50 m. Dieses führen sie durch ein vorher in den Urogenitaltrakt eingebrachtes Führungsrohr ein. Zur manuellen Untersuchung der Zervix steht dem Tierarzt zudem der Dammschnitt zur Verfügung. Die Entscheidung zum Dammschnitt als reines Diagnostikum fällt jedoch nicht leicht, da es infolge des Eingriffs häufig zu Komplikationen mit Bildung einer permanenten Vestibularfistel gekommen ist (MERKT et al. 1985b, SCHAFTENAAR 1996, STRAUSS et al. 1998a).

Ein wichtiges Diagnostikum stellt unter der Geburt auch die Messung der Serumkalziumkonzentration dar. Sie beträgt normal 2,5 – 3,2 mmol/l (RÜEDI 1995) oder 10 – 11 mg/dl (MedARKS, SCHAFTENAAR 1996). VAN DER KOLK et al. (2008) vermuten, dass asiatische Elefanten in Gefangenschaft fast regelmäßig eine subklinische Hypokalzämie aufweisen, die sich klinisch in einer Wehenschwäche und verzögerten Geburt manifestieren kann. Sie postulieren eine normale Gesamtkalziumkonzentration im Plasma von etwa 3,6 mmol/l bzw. eine Konzentration von ionisiertem Kalzium von 1,25 mmol/l. Sie fordern daher generell, die Kalziumration in der Nahrung zu erhöhen, insbesondere um die nahende Geburt herum und die zurzeit geltenden Normwerte zu überprüfen.

Für den Fall, dass eine Geburtsstörung festgestellt wird, stehen manuelle, medikamentöse und chirurgische Maßnahmen zur Verfügung.

Die manuelle Geburtshilfe spielt bei Elefanten eine untergeordnete Rolle aufgrund der speziellen anatomischen Verhältnisse der Tiere (LANGE et al. 1999). Die wichtigste Form der manuellen Geburtshilfe ist die Massage des Beckenbodens. Hierdurch wird der Ferguson-Reflex stimuliert und es kommt zur endogenen Freisetzung von Oxytocin aus dem Hypophysenhinterlappen und dem Uterus (HERMES et al. 2008b). SCHAFTENAAR et al.

(2001) empfehlen die transrektale Massage begleitend zu anderen geburtshilflichen Eingriffen alle zwei Stunden nach Blasensprung für die Dauer von jeweils mindestens zehn Minuten. Nach HERMES et al. (2008b) kann die transrektale Massage vier bis fünf Mal mit dazwischen liegenden Ruhephasen von zwei bis drei Stunden durchgeführt werden.

Medikamentöse Geburtshilfe ist nach HERMES et al. (2008) indiziert, wenn 48 Stunden nach Abfall des Serumprogesterons noch keine Erweiterung der Zervix zu erkennen ist. Bei noch geschlossenen Geburtswegen empfehlen LANGE et al. (1999) eine vorbereitende Östrogenisierung über 24 Stunden. Auch FOERNER (1999) erwähnt die Möglichkeit der Relaxation der Zervix durch parenterale Gabe von Östrogenen. STRAUSS et al. (1998a, b) und LANGE et al. (1999) beschreiben erstmals den Einsatz von Östrogenen bei der Geburt asiatischer Elefanten. Sie applizierten 20 mg Estradiolbenzoat (Sesinjec-N®, Fa. Intervet).

HERMES et al. (2008b) empfehlen den Einsatz von Östradiol in einer Dosierung von 600 bis 800 mg transkutan oder transrektal. Sie schlagen eine Kombination aus Östrogenen und Prostaglandin E zur Erweiterung der Zervix vor. Zur Verfügung stehen das Prostaglandin E2 Dinoproston, welches transrektal über der Zervix in einer Dosierung von 1,5 bis 2,5 mg appliziert werden kann, und das Prostaglandin E1 Misoprostol, welches alternativ auch per oral in einer Dosierung von 1000 µg alle zwölf Stunden bis maximal 4000 µg alle vier Stunden eingesetzt werden kann. Die Autoren raten einen umsichtigen Einsatz an und warnen vor einer uterinen Überstimulation.

Für den Fall, dass die Zervix ausreichend relaxiert ist, eine Normokalzämie vorliegt, das Kalb in richtiger Lage, Stellung und Haltung im Geburtsweg liegt und ausreichend Fruchtwasser vorhanden ist, kann Oxytocin für die medikamentöse Geburtshilfe eingesetzt werden (HERMES et al. 2008b). Die Autoren warnen jedoch vor der Möglichkeit einer Uterusruptur infolge des unachtsamen Einsatzes von Oxytocin. Auch wird das Risiko einer herabgesetzten Blutzirkulation in der Nabelschnur infolge Uterusspasmen diskutiert.

Oxytocin ist bislang häufiger erfolgreich eingesetzt worden (DITTRICH 1967, LANG u.

EGGENBERGER 1991, RÜEDI 1995, FLÜGGER 1999, FLÜGGER et al. 2001). Die verwendeten Mengen liegen zwischen 30 und 400 IE/Tier. DITTRICH (1967) konnte nach mehrmaliger Injektion von 200 IE Oxytocin intramuskulär und intravenös und einem Schlussbolus von 400 IE Oxytocin intravenös ein totes Elefantenkalb per vias naturales entwickeln. LANG und EGGENBERGER (1991) erreichten die Geburt eines lebendigen Kalbs nach mehrmaliger intravenöser und intramuskulärer Injektion von 30 IE Oxytocin.

FLÜGGER (1999) konnte mit 150 IE Oxytocin intramuskulär gute Wehentätigkeit auslösen, zur Geburt der toten 160 kg schweren Frucht waren aber noch zwei Injektionen von 235 IE Oxytocin nötig. FOERNER (1999) beschreibt gute Wehenstimulation nach der Verabreichung von 5 bis 20 mg Oxytocin intravenös. SCHAFTENAAR et al. (2001) raten zu einer Anfangsdosis von 50 IE Oxytocin intramuskulär oder subkutan, die im Laufe der Geburt auf maximal 100 IE erhöht werden sollte. Auch LANGE et al. (1999) beschreiben eine anfänglich sehr gute Wehentätigkeit nach intravenöser Gabe von 45 bzw. 50 IE. Bei

sinkender Ansprechbarkeit erhöhten die Autoren die Dosis auf 200 IE und setzten begleitend das Spasmoanalgetikum Denaverinhydrochlorid (Spasmotitrat®, Fa. Veyx Pharma) in einer Dosis von täglich 800 mg bzw. 1200 mg subkutan ein (STRAUSS et al. 1998 a, b, LANGE et al. 1999). Denaverinhydrochlorid soll den weichen Geburtsweg weiten, den Geburtsschmerz herabsetzen und eine koordinierte Wehentätigkeit ermöglichen. Die Autoren beurteilen die Kombination beider Präparate als positiv. Zur vollständigen Luteolyse wurde der Elefantenkuh im Tierpark Berlin zudem 1000 µg des Prostaglandin F2α-Agonisten Cloprostenol (Estrumate®, Fa. Essex) intramuskulär verabreicht. Das Präparat soll über eine Luteolyse zu einer gesteigerten Kontraktilität des Myometriums führen.

Eine wichtige Kontrolle im Rahmen der medikamentösen Geburtshilfe stellt die Überwachung der Kalziumkonzentration unter der Geburt dar (VAN DER KOLK et al. 2008).

Kalziumglukonat ist mehrmals im Rahmen der Geburtshilfe eingesetzt worden (SCHAFTENAAR 1996, STRAUSS et al. 1998a).

Schreitet die Geburt trotz medikamentöser Therapie nicht voran oder verschlechtert sich das Allgemeinbefinden der Kuh unter der Therapie, muss die Frucht chirurgisch extrahiert werden.

Aufgrund der besonderen Anatomie der Elefanten ist die manuelle Extraktion schwer möglich. Bislang ist nur eine manuelle Extraktion beim narkotisierten Tier in Seitenlage per vias naturales gelungen (LANG 1963). Über den Urogenitalkanal gelang die Anfesselung beider Hintergliedmaßen. Das lebende Kalb wurde mit „sanfter Gewalt“ mit der Zugkraft von 20 Personen entwickelt. LANG (1963) diskutiert bereits die Möglichkeit der Extraktion des Kalbs über einen Dammschnitt.

Ein Dammschnitt (Synonym Episiotomie, Vestibulotomie) bietet über Eröffnung des Vestibulum vaginae etwa handbreit unterhalb des Anus die Möglichkeit, die im Geburtskanal befindliche Frucht anzuketten und kontrolliert zu extrahieren. Eine Vestibulotomie ist bislang vier Mal beschrieben worden (MERKT et al. 1985 a, b, SCHAFTENAAR 1996, STRAUSS et al. 1998 a, b, THITARAM et al. 2006). In allen beschriebenen Fällen wurde zwar eine tote Frucht extrahiert, jedoch konnte das Leben der Mutterkuh durch den Eingriff gerettet werden.

Vorraussetzung für einen Dammschnitt ist das Vorhandensein fetaler Strukturen im Geburtsweg.

MERKT et al. (1985 a, b und 1986) führten die Vestibulotomie am liegenden, narkotisierten Tier mit halb nach rechts gelagerter Hinterhand durch. SCHAFTENAAR (1996) und THITARAM et al. (2006) beschreiben die Durchführung der Vestibulotomie am sedierten, stehenden Tier unter Infiltration der Schnittlinie mit Lokalanästhetikum. Nach

SCHAFTENAAR et al. (2001) sollte auf eine Sedation möglichst ganz verzichtet werden, um die Wehentätigkeit besser ausnutzen zu können. Im Tierpark Berlin wurde die Vestibulotomie unter Neuroleptanalgesie durchgeführt (STRAUSS et al. 1998 a, b, LANGE et al. 1999). Ein Niedergehen wurde durch Anlegen eines Hängezeugs verhindert. Auch in diesem Fall wurde die Schnittlinie zusätzlich mit Lokalanästhetikum infiltriert.

Für die Durchführung des Dammschnittes wird die Kuh an den Hinterbeinen angekettet. Ein etwa 1,20 Meter langes Rohr wird in den Urogenitalkanal eingebracht. Das Perineum wird handbreit unterhalb des Sphincter ani auf einer Länge von 35 bis 40 cm senkrecht in der Medianen über dem Rohr durchtrennt. MERKT et al. (1985 a, b) berichten über die Notwendigkeit eines zusätzlichen seitlichen Entlastungsschnitts für die Extraktion des Kalbs.

Über die Schnittwunde kann Lage, Haltung und Stellung des Kalbs manuell untersucht werden. Liegen keine Anomalien vor, werden starke Ketten um die erreichbaren Gliedmaßenenden angelegt. Geburtsketten nach GÖTZE für Pferd und Rind haben sich nicht als ausreichend stabil erwiesen (MERKT et al. 1985b). Der Geburtskanal wird durch künstliches Fruchtwasser möglichst gleitfähig gemacht. Mittels Flaschenzug oder über die Zugkraft von bis zu vier Personen je Extremität wird der Auszug durch abwechselnden gekreuzten Zug an den Extremitäten unternommen. Falls das Kalb das knöcherne Becken nicht passieren kann, kann eine Drehung nach 90° oder das vollständige Zurückschieben des Kalbs in die Gebärmutter zu einem erfolgreichen Auszug verhelfen. In etwas veränderter Position passiert das Kalb den Geburtskanal möglicherweise leichter (SCHAFTENAAR 1996, SCHAFTENAAR et al. 2001).

SCHAFTENAAR (1996) erwägt die Anbringung einer zusätzlichen Öse am Stallboden in der Mitte zwischen den angeketteten Hinterbeinen, wodurch eine ventrale Zugrichtung ermöglicht wird. Er erörtert die Möglichkeit, über diese Öse den Auszug durch den Urogentialkanal hindurch zu unternehmen. Diese Methode hätte den Vorteil, dass für die Extraktion ein wesentlich kleinerer Schnitt nötig wäre.

Bei zwei der drei in der Literatur beschriebenen Vestibulotomien traten infolge des Auszugs Verletzungen des Geburtswegs auf (MERKT et al. 1985 a, b, STRAUSS et al. 1998 a, b), die soweit wie möglich versorgt werden sollten (MERKT et al. 1985b). Postpartale Spülung der Gebärmutter mit kaltem Wasser (SCHAFTENAAR 1996) und Gabe von Oxytocin (MERKT et al. 1985b) unterstützen den Abgang der Nachgeburt. SCHAFTENAAR et al. (2001) raten die prophylaktische Versorgung von Vagina und Uterus mit antibiotikahaltigen Uterusstäben an.

Bislang sind bei drei der vier beschriebenen Vestibulotomien postoperativ Nahtdehiszenzen aufgetreten. Trotz mehrmaliger Wundrevision ist es in diesen Fällen nicht gelungen, eine permanente Fistelbildung zu verhindern. LANGE et al. (1999) und SCHAFTENAAR et al.

(2001) raten aufgrund der Erfahrungen dazu, nur die Vestibulumschleimhaut zu vernähen und Unterhaut und Haut per secundam abheilen zu lassen. Im Gegensatz dazu nähten THITARAM et al. (2006) die Wunde in zwei Schichten. Eine Naht verband Schleimhaut, Muskulatur und Subkutis, die Haut wurde anschließend in Einzelheften vernäht. Während die tieferen Schichten per primam abheilten, heilte die Hautwunde im Verlauf von acht Wochen per secundam vollständig zusammen. THITARAM et al. (2006) weisen darauf hin, dass eine geschlossene Hautwunde die Kontamination tieferer Wunden verhindere. Um eine Kontamination der Schleimhautwunde zu verhindern, schlagen SCHAFTENAAR et al. (2001) vor, die Harnblase nach der Geburt für einige Tage zu katheterisieren.

Alle Autoren sind sich einig, dass die Entscheidung zu einem Dammschnitt frühzeitig fallen sollte. Eine noch lebende Frucht in einem noch gleitfähigen Geburtskanal lässt sich weitaus leichter entwickeln als eine abgestorbene Frucht nach verschleppter Geburt (MERKT et al.

1985b, SCHAFTENAAR 1996, STRAUSS et al. 1998a, LANGE et al. 1999).

Kann ein Kalb trotz Episiotomie nicht entwickelt werden, bleiben dem Praktiker unter der Geburt nur noch wenige Möglichkeiten, um das Leben der Kuh zu retten. Eine Fetotomie ist schwierig, da die Schnitte aufgrund der anatomischen Größenverhältnisse schlecht durchgeführt werden können (MERKT et al. 1985b). Bislang gibt es erst einen Bericht über eine Fetotomie nach einer verschleppten Geburt. Das bereits emphysematöse Kalb wurde nach Fetotomie erfolgreich entwickelt, die Mutterkuh verstarb jedoch drei Tage post partum (HILDEBRANDT et al. 2003). Alle Kaiserschnitte haben bislang zum Tod der Mutterkuh geführt (GOWDA 1972, FOERNER 1999, LANGE et al. 1999). FOERNER (1999) erwägt alternativ, die Kuh mittels Infusionstherapie und unter antibiotischem Schutz vor einer Septikämie zu schützen und den Fetus intrauterin zu belassen. Da ein Kaiserschnitt keine Option darstellt, ist dieses Vorgehen auch die einzige Alternative, wenn das Kalb per Dammschnitt nicht zu erreichen ist. Es sind mehrere Fälle bekannt, in denen es Monate bis Jahre nach dem eigentlichen Geburtstermin zum (un)vollständigen Fruchtaustrieb gekommen ist (MELENS 1996, THITARAM et al. 2006, HERMES et al. 2008b). Nach HERMES et al. (2008b) können Kühe nach einem verzögerten Fruchtaustrieb wieder die Zyklusaktivität aufnehmen und erfolgreich gedeckt werden. Für die Autoren stellt die aktive Entscheidung zum Nichteingreifen in manchen Fällen die beste Option der Geburtshilfe dar.