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2.5 Künstliche Besamung

2.9.4 Künstliche Aufzucht

Elefantengeburten sind in zoologischen Gärten ein seltenes Ereignis. Elefantenkälber sind für die Zucht dieser bedrohten Tierart überaus wichtig. Verhält sich die Kuh nach der Geburt aggressiv gegenüber dem Neugeborenen und schlagen alle Versuche fehl, Kuh und Kalb aneinander zu gewöhnen, werden die Kälber in zoologischen Gärten in der Regel künstlich aufgezogen. Auch die unzureichende Milchproduktion mit kontinuierlicher Gewichtsabnahme des Kalbs stellt eine Indikation dar, das betroffene Kalb zuzufüttern (LANG 1963, LYON 1996, FLACH et al. 2007).

Es gibt bisher kein einheitliches Regime, nach dem Kälber künstlich aufgezogen werden.

Alle in der Literatur beschriebenen Fälle künstlicher Aufzucht sind einzelne Erfahrungsberichte (RIETKERK et al. 1993, MOSLEY 1996, LYON 1996, OCHS et al. 2001, FLACH et al. 2007).

In jedem Fall ist es für die Unterstützung des Immunsystems wichtig, dem Kalb am ersten und zweiten Lebenstag Kolostrum zukommen zu lassen. Am besten geeignet ist mütterliche Kolostralmilch, die gegebenenfalls unter Sedation zu ermelken ist (RIETKERK et al. 1993, LYON 1996). LANG (1963) berichtet über den Einsatz von Coli-Serum für die Unterstützung der Abwehrkräfte. Im Zoo Chester wurde einem Kalb in den ersten Lebenstagen ein Gemisch aus Glucose, Kuhmilch und mütterlichem Kolostrum unter Beimengung von Elektrolyten, Aminosäuren, Vitaminen und Dextrose verabreicht (LYON 1996). Ein anderes Kalb im Zoo Chester erhielt ein Gemisch aus Kolostralmilch und 1,3 Liter mütterlichem Plasma. Im Zoo Kopenhagen wurde ein neugeborenes Elefantenkalb in den ersten Lebenstagen mit Rinderkolostrum versorgt.

Für die weitere Aufzucht sind in der Vergangenheit verschiedene Milchpräparate verwendet worden. Die jeweils verwendete Diät musste in Abhängigkeit von der Gewichtszunahme und der Verträglichkeit der Inhaltstoffe ständig modifiziert werden.

Aufgrund ihrer Untersuchungen weisen MAINKA et al. (1994) darauf hin, dass sowohl Proteingehalt als auch Aschegehalt des Milchersatzes im Verlauf der Laktation nicht adjustiert werden müssen. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, den Fettgehalt auf die Bedürfnisse der Kälber abzustimmen. Aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen der Menschen- und der Elefantenmilch (PETERS et al. 1972, KUNZ et al. 1999, UEMURA et al. 2006), können humane Milchpräparate am ehesten für die künstliche Aufzucht herangezogen

werden. PETERS et al. (1972) und MAINKA et al. (1994) weisen darauf hin, das Kuhmilchpräparate aufgrund des geringen Fettanteils und aufgrund der unterschiedlichen Fettzusammensetzung weniger geeignet sind. Auch sind die Fetttropfen der Kuhmilch etwa doppelt so groß wie die der Elefantenmilch (ROBBINS 1983). Alle drei Faktoren können zu chronischer Diarrhoe beitragen. Allerdings setzte LANG (1963) bei der Zufütterung eines Elefantenkalbs ab der dritten Lebenswoche erfolgreich pasteurisierte Kuhmilch gemischt mit Reisschleim, Banane und pulverisierten Johannisbrotschoten ein, ohne dass das Kalb an Durchfall erkrankte.

Im Zoo Emmen wurde ein speziell hergestelltes Ergänzungsfuttermittel mit einem humanen Muttermilchpräparat (Nutrilon plus, Fa. Nutricia, Holland) gemischt angeboten (RIETKERK et al. 1993). Im Verlauf der Aufzucht wurde die Ergänzungsmischung fünfmal auf die Bedürfnisse des Kalbs abgestimmt. Die Fütterungshäufigkeit wurde von anfangs täglich zehn auf später sechs Fütterungen reduziert, wobei die aufgenommene Milchmenge von anfänglich 6,3 Liter auf täglich 14,6 Liter im Alter von sechs Monaten anstieg.

Im Zoo Chester wurde ein Elefantenkalb mit SMA Gold (Fa. SMA Nutrition, UK), ebenfalls ein humanes Muttermilchpräparat, aufgezogen (LYON 1996). Die ersten beiden Monate wurde SMA Gold mit Butter ergänzt und ab einem Alter von drei Monaten mit Kalzium. Mit vier Monaten wurde der Milch eine Baby-Getreidemischung (Farex, Fa. Farley’s, UK) beigemengt und ab dem sechsten Lebensmonat zusätzlich gekochter und pürierter Reis.

Auch hier wurde die Fütterungsfrequenz auf sechs Fütterungen täglich reduziert.

RÜEDI (1995) beschreibt den erfolgreichen Einsatz von Kokosnussöl in der Aufzuchtmilch.

Kokosnussöl enthält eine ähnliche Fettzusammensetzung wie Elefantenmilch, insbesondere durch einen hohen Anteil der gesättigten C12-Fettsäure Laurinsäure (ROBBINS 1983). Im Zoo Chester trat nach Zumengung von Kokosnussöl jedoch Durchfall auf, woraufhin das Öl aus der Diät wieder entfernt wurde (LYON 1996).

Mittlerweile wird in Deutschland bei einer bevorstehenden Geburt eine spezielle Michtränke für Baby-Elefanten (Fa. Salvana Tiernahrung GmbH, Deutschland) vorsorglich bereitgestellt.

Diese Milchtränke wird vor Ort aus Wasser, fettfreiem Milchaustauscher und spezieller Fettmischung für Elefanten angesetzt. Bestandteile sind u. a. Kokosfett, Laktose, Sojaisolat, Palmöl, Kaseinmolke, Rüböl, Lecithin, Vitamine und Spurenelemente. Erste Erfahrungen mit der Salvana-Milchtränke für Baby-Elefanten wurden im Zoo Berlin und im Whipsnade Wild Animal Park, GB, gesammelt (OCHS et al. 2001, OCHS 2002, FLACH et al. 2007), wobei die Akzeptanz in Whipsnade nicht besonders gut war.

2.9.5 Jungtiererkrankungen

Parasitäre Erkrankungen spielen vor allem in asiatischen Elefantencamps und bei frisch importierten Jungtieren eine Rolle. Hauptsymptome einer klinisch manifesten Parasitose sind Fieber, Abmagerung, Ödembildung, Anämie und Hämoglobinurie (RÜEDI 1995). Als klinisch bedeutsamste Parasitosen nennt RÜEDI (1995) Trypanosomen, Leberegel und einige Nematoden. Trypanosoma evansi, durch Insekten übertragbar, führt zu einer akut oder chronisch verlaufenden Allgemeinerkrankung mit rezedivierenden Fieberschüben. Leberegel können zu tödlichen Lebererkrankungen bei Jungelefanten führen, die mit Verdauungsstörungen und Abmagerung einhergehen. Askariden, Oxyuren und Strongyliden führen in der Regel nur bei Massenbefall zu klinischen Symptomen. Ankylostoma kann zu starkem Durchfall und gelegentlich auch zu Todesfällen bei Jungelefanten führen.

Die Elefantenlaus (Haematomycis elephantis) führt zu einer Ektoparasitose mit Juckreiz besonders hinter den Ohren und im Innenschenkelbereich. LYON (1996) beschreibt das Auftreten der Elefantenlaus bei einem acht Tage alten Elefantenkalb im Zoo Chester ohne dass andere Tiere aus der Herde Symptome dieser Ektoparasitose aufwiesen.

Es gibt zahlreiche bakterielle Erkrankungen bei Jungelefanten, die zu klinischen Symptomen führen können (RÜEDI 1995). Die bedeutsamste ist die Salmonellose, die häufig auch tödlich verläuft. Wichtigste Infektionsquellen sind subklinisch erkrankte Herdenmitglieder, Nager und kontaminiertes Futter. Anorexie, Abmagerung, Koliksymptome und schleimig wässriger Durchfall mit Fibrin- oder Blutbeimengungen sind wichtige klinische Symptome.

Histologisch zeigt sich eine diphteroide bis nekrotisierende Enteritis. OCHS (2002) beschreibt eine subklinisch verlaufende Salmonellen-Enteritis im 4. Lebensmonat. Eine weitere bakterielle Erkrankung, die vornehmlich Jungtiere befällt, ist die Enterotoxämie, hervorgerufen durch Clostridium perfringens und Clostridium septicum. Ursache ist eine Futtermittelkontamination oder die übermäßige Eiweißfütterung. Symptome sind Anorexie, Nervosität, stinkender Durchfall, Niederstürzen. Oft sterben die Tiere innerhalb weniger Tage. Neben Salmonellose und Enterotoxämie erwähnt RÜEDI (1995) weitere bakterielle Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Milzbrand, Tetanus und Pasteurellose, die gleichermaßen auch Alttiere befallen können. LYON (1996) beschreibt eine tödlich verlaufende nekrotisierende Enterokolitis und E.coli-Septikämie bei einem zehn Tage alten Elefantenkalb im Zoo Chester. Ein anderes Kalb erkrankte an einer milden selbstlimitierenden Staphylokokkus aureus Pyodermie. Vielfach werden in der Literatur unspezifische bakterielle Nabelentzündungen erwähnt, die mit einer Störung des Allgemeinbefindens und Fieber einhergehen und einen tödlichen Verlauf nehmen können

(SCHMIDT 1989, RIETKERK et al. 1993, LYON 1996). OCHS et al. (2001) beschreiben einen milden Verlauf einer Nabelinfektion.

Zu den bedeutendsten Viruserkrankungen gehören die Herpesvirusinfektion, die Pockeninfektion und die Maul- und Klauenseuche. Erst 1995 wurde ein dem bovinen Herpesvirus verwandtes Herpesvirus nachgewiesen und im nachhinein verantwortlich gemacht für mehrere Todesfälle unter asiatischen Jungelefanten in Nordamerika und Europa (RICHMAN et al. 1999, SCHMITT et al. 1999, MIKOTA 1999). Neben Erkrankungen und Todesfällen bei Jungelefanten kann es auch zu einer intrauterinen Infektion mit anschließendem Fruchttod kommen (BURKHARDT et al. 1999, OCHS et al. 2001). FICKEL et al. (2001) klassifiziert das Elefantenherpesvirus in das Elefantenherpesvirus-1 (ElHV-1), welches sowohl asiatische als auch afrikanische Elefanten befallen kann, einen Subtypen des Elefantenherpesvirus-1 (ElHV-1b), der bislang nur bei asiatischen Elefanten nachgewiesen wurde, und das Elefantenherpesvirus-2 (ElHV-2), welches nur afrikanische Elefanten befällt. Es wird diskutiert, dass das Virus in Gefangenschaft vom afrikanischen Elefanten auf den asiatischen Elefanten übertragen worden ist (RICHMAN et al. 1999).

Allerdings wiesen REID et al. (2006) kürzlich erstmals Elefantenherpesvirus Typ 1 bei einem Jungelefanten in Asien nach und stellen die Hypothese der Übertragung vom afrikanischen auf den asiatischen Elefanten in Frage. Das Elefantenherpesvirus ist ein endotheliotropes Herpesvirus, welches die Endothelzellen vor allem in der Leber, im Magen-Darm-Trakt, der Zunge und des Herzens befällt. Histologisch zeigen sich basophile intranukleäre Einschlusskörperchen in den genannten Organen. Klinisch zeigt sich eine perakute Allgemeinerkrankung mit Kopf- und Rüsselödem, Zyanose der Zunge, Ulzerationen der Maulschleimhaut, Leukopenie, Thrombozytopenie und petechialen Blutungen. Hinzu kommen Inappetenz, Durchfall, gelegentlich Ataxien und Bewegungsunlust (BURKHARDT et al. 1999, RICHMAN et al. 1999, SCHMITT et al. 1999, OCHS et al. 2001). Die befallenen Tiere versterben häufig infolge einer Myocarditis. Als Diagnostikum steht zurzeit nur der direkte Virusnachweis mittels PCR aus EDTA-Blut oder Gewebeproben zur Verfügung. Im Zoo Berlin konnte im Zervikalschleim und in der Plazenta einer Elefantenkuh ElHV-1 nachgewiesen werden. Das Neugeborene wies klinisch zunächst keine Symptome einer ElHV-1 Infektion auf, verstarb jedoch am 268. Lebenstag perakut infolge einer generalisierten Herpesvirusinfektion (OCHS et al. 2001). SCHMITT et al. (1999) beschreiben die erfolgreiche Behandlung zweier 16 und 17 Monate alter Jungelefanten mit Famciclovir (Famvir®, Fa. Smithkline Beecham, USA). Neben der Herpesvirusinfektion stellt eine Pockenvirusinfektion eine schwere Erkrankung für Jungelefanten dar (RÜEDI 1995, MIKOTA

1999). Der Erreger ist ein dem Kuhpockenvirus verwandtes Virus aus der Familie der Orthopoxviridae. Mäuse und Ratten dienen als Reservoir. Es gibt milde Formen mit wenigen Effloreszenzen am Kopf ohne Störung des Allgemeinbefindens. Bei einer Generalisation kommt es jedoch zur Pustelausbreitung am ganzen Körper, an den mukokutanen Übergängen, an den Schleimhäuten des Atmungsapparates und des Verdauungsapparates sowie am Hornsaum. Klinische Symptome sind Abgeschlagenheit, Fieber, Anorexie, Lahmheiten und Schmerzäußerungen. Ein septikämisch-toxischer Verlauf kann schließlich zum Tod führen. Bei tragenden Elefantenkühen kann eine Pockeninfektion zu einer Totgeburt führen (CZUPALLA et al. 1998, STRAUSS et al. 1998b, STRAUSS u. WISSER 1999, WISSER et al. 2001). Klinisch nicht zu unterscheiden von der Pockeninfektion ist die Maul- und Klauenseuche (RÜEDI 1995), die sowohl bei Jung- als auch bei Alttieren asiatischer Elefanten beschrieben ist.

Zu den nicht-infektiösen Erkrankungen bei Jungelefanten zählen die zahlreich in der Literatur erwähnten Durchfallerkrankungen bei künstlicher Aufzucht oder bei plötzlichem Wechsel der Futterzusammensetzung (RIETKERK et al. 1993, LYON 1996, MOSLEY 1996, OCHS et al.

2001). LYON (1996) erwähnt das Auftreten eines Nabelbruchs mit einem Durchmesser von vier Zentimeter. Klinische Probleme infolge der Bruchstelle sind nicht aufgetreten. ABOU-MADI et al. (2004) beschreiben die erfolgreiche chirurgische Behandlung eines sieben Zentimeter langen Nabelbruchs mit Dünndarminhalt bei einem drei Monate alten Elefantenkalb. WIEDNER et al. (2008) konnten bei zwei Kälbern konservativ durch tägliche manuelle Zurückverlagerung des Hernieninhalts einen kompletten Verschluss der Bauchwand erreichen. Eine Rachitis ist bei mehreren künstlichen Aufzuchten aufgetreten (REUTHER 1969, RIETKERK et al. 1993, LYON 1996, Anm. des Verfassers). OCHS (2002) beschreibt das Auftreten einer mit Pruritus einhergehenden Epidermisablösung zwischen den Zehennägeln und am Maul bei einem künstlich aufgezogenen Kalb zwischen dem elften und 50. Lebenstag. Der Autor vermutet ursächlich eine allergische Reaktion auf die artfremde Aufzuchtmilch.