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4. Kommunikationstheoretische Fundierung

4.3. Partizipationstheorien

Neben der Interaktivität und der Einbindung von Facebook und UGC in die Programmgestaltung von Radiosendern, spielt vor allem auch eine theoretische Auseinandersetzung mit Partizipation im Journalismus eine wesentliche Rolle für die hier vorliegende Magisterarbeit.

Durch die Kommunikation von österreichischen Radiosendern via Facebook scheint es, als ob der Hörerschaft eine Möglichkeit gegeben wird, direkt mit einem Medium und den Medienmachern zu interagieren. Somit wird den Hörern das Gefühl vermittelt ein wesentlicher Teil der Programmgestaltung zu sein, zudem können sie aktiv mitgestalten und mitwirken. Der Kommunikationsprozess zwischen Sender und Hörer erhält damit einen partizipativen Charakter.

Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht gibt es bisher kaum Auseinadersetzung mit Partizipationstheorien. Diese sind hingegen eher in der Politikwissenschaft anzusiedeln und befassen sich überwiegend mit politischer Partizipation und Demokratietheorien. Dennoch sollen im folgenden Kapitel einige Partizipationsmodelle besprochen und aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht betrachtet werden.

4.3.1. Medien und Partizipation

Prinzipiell gibt es in der Literatur viele verschiedene Partizipationsmodelle und -theorien, welche nicht nur auf politische Partizipation anspielen, sondern auch in Verbindung mit Medien und Kommunikation betrachtet werden. Haller, Davatz und Peters (1995), beispielsweise, unterscheiden aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht folgende Modelle und Arten von Partizipation:

1. die organisierte politisches Partizipation der stimmfähigen Erwachsenenbevölkerung, ablesbar am Stimmverhalten bei Urnengängen;

2. die informelle politische Partizipation bei der Erwachsenenbevölkerung, ablesbar an der Nutzung von Informations- und Diskussionsangeboten (wie: Veranstaltungen, Broschüren, Ad-hoc-Versammlungen, Foren);

3. die kommunikative Partizipation der Erwachsenenbevölkerung, ablesbar an ihrem Artikulationsverhalten (wie: Leserbriefe, Redebeiträge, Diskussionsvoten an

4. die mediale Partizipation, ablesbar am öffentlichen Informationsprozess (Äusserungen [sic!] gegenüber den lokalen Massenmedien, sei es als Urheber, Informanten, Experten, Zeugen, Betroffene, Entscheidungsträger, usw.).

(Haller / Davatz / Peters, 1995: S. 12)

Die Autoren unterscheiden demnach in zwei Formen der politischen Partizipation und zwei Arten von medialer, beziehungsweise kommunikativer Partizipation, welche auch für die hier vorliegende Forschungsarbeit von Relevanz sind.

Rezipienten beteiligen sich nach den letzen beiden Partizipationsmodellen also aktiv am medialen Kommunikationsprozess, indem sie mit den Medien interagieren, Feedback geben und teilweise auch an der Programmgestaltung (z.B. als Informanten, Experte, etc.) mitwirken. Die Autoren halten hierbei jedoch auch fest, dass die Medien lediglich indirekt partizipationsfördernd wirken, indem sie Informationen bereitstellen, auf die Mediennutzer reagieren und so aktiv in den Kommunikationsprozess einsteigen, ohne direkt von den Kommunikatoren dazu aufgefordert zu werden. (vgl. Haller / Davatz / Peters, 1995: S. 12) Demnach stellt sich also weiterhin die Frage nach der Möglichkeit der aktiven Partizipation, die direkt von den Medienmachern gefordert wird. Gibt es diese und gewinnt der direkte Aufruf seitens der Medien an das Publikum immer mehr an Bedeutung?

Durch das Aufkommen des Internets und die verstärkte Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in Verbindung mit Medien und Journalismus scheint genau diese Aufforderung zur aktiven Partizipation seitens der Rezipienten immer wichtiger für die Medien geworden zu sein. Zudem hat sich dadurch auch die Kommunikation und Partizipation innerhalb der Gesellschaft verändert und weiterentwickelt. Das ursprüngliche Modell der unidirektionalen, sowie der bidirektionalen Kommunikation scheint längst überholt zu sein. Stattdessen gibt es nun eine neue Kommunikationsform, bei der der partizipative Charakter und eine stärke Einbindung des Publikums im Vordergrund stehen – das polydirektionale Modell der Kommunikation. Beim polydirektionalen Kommunikationsmodell nach Scheuch (2003) sind, im Gegensatz zur bidirektionalen Kommunikation zwischen Sender und Empfänger, mehrere Teilnehmer am Kommunikationsprozess beteiligt und können somit auch abwechselnd als Sender und Empfänger auftreten. (vgl. Scheuch, 2003: S. 42)

(Abd. 9: Polydirektionales Modell der Kommunikation, Scheuch, 2003: S. 42)

Diesem Modell der polydirektionalen Kommunikation, bei dem vor allem die Beteiligung der Bürger am Kommunikationsprozess eine wichtige Rolle spielt, kommen demnach also vor allem „partizipatorische und deliberative Demokratietheorien“ (Scheuch, 2003: S. 49) entgegen, welche ebenfalls die erhöhten Partizipationschancen der Gesellschaft in den Fokus stellen. (vgl. Scheuch, 2003: S. 49)

4.3.2. Die Partizipatorische Demokratietheorie und Medien

Wie bereits erwähnt, wird die Frage nach der Partizipation von Rezipienten im Journalismus in der Literatur vor allem in Zusammenhang mit Demokratietheorie und politischer Partizipation behandelt. Eine besonders bekannte Theorie aus diesem Feld ist die partizipatorische Demokratietheorie. Diese Theorie bezieht sich vor allem auf die Beteiligung des Volkes in einer Demokratie und spielt somit auf den partizipativen Charakter einer Gesellschaft an. Zentraler Kern der partizipatorischen Demokratietheorie und somit die eigentlich Idee dahinter, ist die „politische Beteiligung möglichst vieler über möglichst vieles, und zwar im Sinne von Teilnehmen, Teilhaben und sein Teil-Geben einerseits und innerer Anteilnahme am Geschehen und Schicksal des Gemeinwesens andererseits“ (Schmidt, 2000:

S. 251). Demnach spielt also auch hier, ähnlich wie bei Brechts und Benjamins Radiotheorien, die aktive Beiteilung und Mitgestaltung des Publikums, in diesem Fall der Gesellschaft, eine wichtige Rolle. Auch bei der Partizipationstheorie der Demokratie steht die „Maximierung von Partizipationschancen“ (Schmidt, 2000: S. 252) im Vordergrund und soll somit oberstes Ziel einer demokratischen Gesellschaft sein.

Der Ursprung dieser Demokratie lässt sich bis in die griechische Antike zurückverfolgen, welche das miteinander Reden und gemeinsames politisches Handeln als zentrale Aufgabe

Recht an Mitbestimmung zugesprochen wird und es somit aktiv am politischen Prozess teilnehmen kann.

Die partizipatorische Demokratietheorie knüpft zudem „an die identitätstheoretischen Überlegungen des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau“ (Beierwaltes, 2000: S.

159) an. Er griff die Grundidee der Demokratie der griechischen Antike ebenfalls auf und erhob den Anspruch diese zur Messlatte und zum Grundprinzip aller modernen Demokratien zu machen. (vgl. Beierwaltes, 2000: S. 159)

Einen Aufschwung erlebte die Partizipationstheorie der Demokratie gegen Ende der 60er durch die Aufforderung zur Mitbestimmung seitens der Bevölkerung. Vor allem durch Bürgerinitiativen, Studentenproteste oder beispielsweise Friedensbewegungen wurde die Nachfrage nach Partizipationschancen in der Demokratie und im politischen Kommunikationsprozess zunehmend verstärkt und die Möglichkeit der Mitbestimmung auch öffentlich und von der Gesellschaft selbst vermehrt gefordert. Dieser Aufschwung wurde in den 70ern und 80ern durch erhöhtes Partizipationsverlangen in den USA weiter ausgeprägt.

Die Forderung nach einer partizipativen Demokratie wurde nach und nach verstärkt und so gewann dieses Modell vor allem in der Politikwissenschaft an Bedeutung. (vgl. Beierwaltes, 2000: S. 159ff)

Der Schwerpunkt der partizipatorischen Demokratietheorie liegt, wie bereits kurz angesprochen wurde, in der „Beteiligung des Bürgers am Setzen der politischen Agenda, am Austausch von Meinungen und Argumenten und an der Herausarbeitung von Problemlösungen. Der Eigenwert dieser Beteiligung, die Maximierung von Partizipations- (Teilhabe-) Chancen steht im Zentrum der Betrachtungen, aber auch die Ausweitung der Beteiligung auf andere gesellschaftliche Bereiche, wie die Arbeitswelt.“ (Scheuch, 2003: S.

53). Es geht in der partizipatorischen Demokratietheorie insbesondere also um die Stimmberechtigung und das Mitspracherecht der Bürger. Das Anliegen dieser Partizipationstheorie besteht in der Ausweitung der Entscheidungsmöglichkeiten und Entscheidungsfähigkeiten der Bevölkerung. Demokratie wird somit als gesamtgesellschaftlicher Prozess verstanden, deren Ziel es sein sollte Herrschaftsformen zu verringern und eine Gleichstellung aller anzustreben. (vgl. Schmidt, 2000: S. 255f)

Dabei sind vor allem auch die Medien und das Mediensystem einer Gesellschaft von besonderer Bedeutung:

„Auf der Suche nach den (technischen) Trägern eines solchen politischen Diskurses wird die Partizipationstheorie, wie jeder andere Ansatz auch, an der Struktur der jeweiligen Mediensysteme nicht vorbeikommen. Sie alleine können letztendlich Träger eines umfassenden Diskurse und größere Nationalstaaten in ihrem kommunikativen Zusammenhang unterstützen.“ (Beierwaltes, 2000: S. 175)

Die partizipatorische Demokratietheorie lässt sich in diesem Sinn also auf die Medien anwenden und kann durch sie aktiv gefördert werden. Da die Medien ein wichtiger Teil in Demokratien sind und die politische Beiteilung sowie die gesellschaftlichen Prozesse an sich beeinflussen, spielt die aktive Beteiligung der Bürger bei den Medien selbst ebenso eine wichtige Rolle. Diese angesprochene Partizipation kann durch die neuen Kommunikationstechnologien und die daraus entstanden „Neuen Medien“ weiter ausgeprägt und gefördert werden. Wie diese Beteiligung konkret umgesetzt werden kann, soll in den weiteren Kapiteln dieser Arbeit genauer besprochen werden.

4.3.3. Das Publikum als Produzent

Die geforderte Mitbestimmung der Bevölkerung, welche in der partizipatorischen Demokratietheorie angesprochen wird, kann in diesem Sinn also, wie bereits erwähnt, auf die Medien übertragen werden. Durch die aktive Mitgestaltung der Rezipienten im Kommunikationsprozess eines Mediensystems kann demnach auch die Partizipation innerhalb einer Gesamtgesellschaft gefördert werden. Ziel dabei ist es das Publikum zum Produzenten zu machen und es mitgestalten zu lassen:

„‘PUBLIKUM MACHT PROGRAMM‘ – das kann eine große Hoffnung sein, weil es nach anderthalb Jahrhunderten vor allem wissenschaftlichen und technischen Fortschritts endlich eine handgreifliche Möglichkeit zu erhöhter individueller und sozialer Selbstverwirklichung anzubieten scheint. Damit aber diese Chance nicht, wie schon so viele Erwartungen in diesem zwanzigsten Jahrhundert, entweder umgebracht oder – schlimmer noch – umgedreht, d.h. in ihr Gegenteil verwandelt wird, müssen wir nicht

nur wachsam, sondern auch phantasievoll und erfinderisch sein…“ (Jungk, 1978: S. 487 zit. nach Fabris, 1979: S. 9)

Die Frage danach, ob das Publikum als Produzent in Erscheinung treten solle bzw. kann, wurde, wie bereits weiter oben erwähnt, schon um 1930 von Bertolt Brecht in seiner Radiotheorie aufgegriffen. Ein erneutes Aufflammen dieser Diskussion fand Ende der 60er in vielen Ländern und deren Rundfunkanstalten statt. Dabei setzte man sich im Wesentlichen mit Aspekten der „Mitbeteiligung an einzelnen Sendungen, der Durchschaubarkeit der Medienproduktion und ihrer Eigengesetzlichkeit und der Kontrollmöglichkeiten des Publikums“ (Fabris, 1979: S. 164) auseinander. Auch in den 60ern ging es also wieder um die Frage, wie das Publikum aktiv am Kommunikationsprozess und Entstehungsprozess medialer Inhalte teilnehmen könnte. Die Diskussion darüber stellte sich aber schnell wieder ein, nachdem sich die Beteiligung seitens der Rezipienten lediglich auf eine Form des

„Mitspielens“ beschränkte oder sich in der Reaktion auf die jeweiligen Medienangebote zeigte. Eine tatsächlich Mitbeteiligung und Mitbestimmung findet laut Fabris also nur dann statt, wenn das Publikum direkt am Produktionsprozess teilnimmt und in Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse miteinbezogen wird. (vgl. Fabris, 1979: S. 165)

Die technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit ließen das aber nicht weiter zu und so blieb die Partizipation und Beteiligung der Rezipienten weiterhin ungenützt. Dennoch spricht auch bereits Fabris in seiner Publikation die zukünftigen Möglichkeiten der Computertechnologie an und sieht im Computer; spezifischer gesagt im Internet; „die Chance, die angesichts der Massengesellschaft illusorisch gewordene Vorstellung der direkten Beteiligung aller Staatsbürger an der politischen Willensbildung auf einer höheren technischen Entwicklungsstufe verwirklichen zu können“ (Fabris, 1979: S. 168).

Durch das Internet und die neuen technischen Kommunikationsmöglichkeiten scheint dieser Weg also erleichtert worden zu sein und ist dadurch womöglich bereits umsetzbar. Genau diese Frage soll also im empirischen Teil der hier vorliegenden Arbeit untersucht und so gut wie möglich beantwortet werden.

7 Jungk, Robert (1978): Publikum macht Programm – Hoffnungen und Hindernisse. In: Massenmedien spontan.