• Keine Ergebnisse gefunden

3. Kommunikationswissenschaftliche Begrifflichkeiten

3.5. Interaktivität

„Interaktivität ist das Schlüsselwort der neuen Informations- und

Kommunikationstechnologie, das ihre spezifische Differenz und den Vorsprung gegenüber den ‚alten’ Print-, Ton und Bildmedien markieren soll.“ (Leggewie / Bieber, 2004: S. 7)

Interaktivität im Zusammenhang mit Medien spielt in der heutigen Informationsgesellschaft eine zunehmend bedeutsame und übergeordnete Rolle. Wer nicht interaktiv ist, ist für Rezipienten uninteressant und umgekehrt. Auch die aktive Rolle der Seher, Hörer und Leser selbst hat für Medienunternehmen einen großen Stellenwert eingenommen. Durch die neuen technologischen Möglichkeiten der vergangenen Jahre hat sich die Medienbranche weiterentwickelt und ist somit für Rezipienten zugänglicher, interessanter und partizipativer geworden. Doch wie ist der Begriff der Interaktivität in Zusammenhang mit der Mediengestaltung zu verstehen?

Interaktivität ist in erster Linie durch das Aufkommen des Internets und die Entwicklung von quartären Medien, also „Medien um Computer mit Online-Verbindung“ (Haas, 2008: S. 34) zu einem wichtigen Begriff in der Kommunikationswissenschaft geworden. Insbesondere das Medium Internet ist im Zusammenhang mit der Definition von Interaktivität entscheidend und „interaktives Handeln in virtuellen Räumen ist also nicht gleichzusetzen mit der Interaktion zwischen physisch Anwesenden“ (Haas, 2008: S. 34). Außerdem bedeutet Interaktivität nicht immer gleich Interaktion:

„Interaktivität ist an ein bestimmtes technisches Setting gebunden und ermöglicht eine andere Qualität der Kommunikationsbeziehung.“ (Haas, 2008: S. 34)

Ein Merkmal, welches Interaktivität in Verbindung mit Medien kennzeichnet, ist die

„Rückkanalfähigkeit“ (Leggewie / Bieber, 2004: S. 7). Diese technische Eigenschaft bezieht sich auf den einfachen Rollentausch zwischen Sender und Empfänger und beruht auf dem klassischen Modell des Informationsaustausches:

„Die Teilnehmer eines Kommunikationsaktes behalten die Kontrolle über dessen technische Voraussetzungen, die Dauer und Taktung es Austauschs und ihre Möglichkeiten zum Rollenwechsel.“ (Leggewie / Bieber, 2004: S. 7)

Leggewie und Bieber (2004) führen dazu an, dass es wichtig ist den Begriff der Interaktivität von sozialer Interaktion zu unterscheiden und zudem eine Differenzierung von Massenkommunikation und interaktiven Medien vorzunehmen. Auch diese beiden Autoren weisen also darauf hin, dass die beiden Begriffe Interaktivität und Interaktion differenziert voneinander zu betrachten sind.

3.5.1. Die Rolle der User

Das wichtigste Merkmal des partizipativen Web und der Interaktivität in Zeiten von Internet und Social Media ist die Aktivität der Rezipienten, in diesem Fall der „User“. Im Internet wird dem Nutzer die Möglichkeit geboten selbst zu bestimmten und auszuwählen welche Informationen und Inhalte er von welchem Medium und in welchen Ausmaß „konsumieren“

will. „Per Tastatur und Maus hat der User die Befehlsgewalt über das Online-Medium, er navigiert selbsttätig durch Hypermedia.“ (Hooffacker, 2004: S. 26)

Das besondere Merkmal des Internets sind die aktiven User, die nicht nur selbstbestimmt Auswählen können, sondern auch die Möglichkeit haben direkt mit anderen Usern, und auch den Journalisten selbst, zu interagieren und zu kommunizieren. Dies macht einen Vergleich mit den Rezipienten der klassischen Medien wie Zeitung oder Fernsehen beinahe unmöglich, denn hier fehlt die aktive und vor allem direkte Beteiligung der Rezipienten.

Die Ebene der User ist es, die das journalistische Arbeiten im Internet vom klassischen Journalismus unterscheidet. Der moderne Journalist, der mit Web 2.0 Elementen arbeitet und deren Interaktivität aufgreift, muss bereits beim Recherchieren und vor allem beim Schreiben, den User beachten und dessen mögliche Wünsche und Bedürfnisse in Betracht ziehen. (vgl. Hooffacker, 2004: S. 26)

Durch diese Interaktivität der User mit dem Medium und den Journalisten, hebt sich der Journalismus des 21. Jahrhunderts von früheren, klassischeren journalistischen Rollen ab und ist heutzutage stark von dem direkten Austausch mit dem Publikum geprägt und auch davon abhängig. Das Verhalten der User spielt in diesem Fall eine tragende Rolle. Deshalb sind Studien über deren Verhalten, Wünsche und Einstellungen von großer Bedeutung für

die journalistischen Tätigkeiten im Netz. „Studien über User im Netz sind für das Planen erfolgreicher Online-Angebote notwendige Hilfsmittel.“ (Hooffacker, 2004: S. 27)

Dennoch heißt Interaktivität nicht immer gleich Interaktivität. In der Literatur wird immer wieder zwischen zwei divergierenden Formen von Interaktivität gesprochen und oft diskutiert, ob tatsächlich von einem aktiven Austausch zwischen Rezipient und Kommunikator ausgegangen werden kann. Hierzu lassen sich zwei unterschiedliche Zugänge zum Begriff Interaktivität im Bezug auf Medien und Internet anführen:

Die Befähigungsthese: Es wird von einem User ausgegangen, der aktiv in das Informationsgeschehen der Massenmedien eingreift.

Die Illusionsthese: Hierbei ist lediglich von einer sogenannten „Schein-Interaktivität“ die Rede, nach der der Einfluss von Rezipienten auf die Entstehungs- und Verwertungszusammenhänge von Massenmedien nur vorgetäuscht ist.

(vgl. Trappel / Uhmann, 2006: S. 29)

Interaktivität bezieht sich demnach auf zwei verschiedenen Positionen:

„Zum einen bezeichnet Interaktivität die Möglichkeit, seitens der User direkt, ohne Medienbruch und ohne mediatisierte Intervention mit den Kommunikatorinnen und Kommunikatoren in Verbindung zu treten. Zum anderen bezeichnet Interaktivität eine Vergrößerung der Wahlmöglichkeiten von Usern, die selbstständig und nach persönlichen Selektionskriterien aus dem massenmedialen Angebot auswählen.“

(Trappel / Uhmann, 2006: S. 29)

Jan van Dijk (2004) unterscheidet wiederum vier weitere Ebenen der Interaktivität. Er bezeichnet Interaktivität als eine Sequenz von Aktion und Reaktion und geht davon aus, dass Interaktivität auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden kann, die so den „Stärkegrad“ der Interaktivitätsmöglichkeit eines Mediums festhalten. Interaktion kann nach Van Dijk in folgende Ebenen unterteilt werden:

1. Space Dimension: Establishing two-sided or multilateral communication.

2. Time Dimension: The degree of synchronicity that is being established. The best level is an uninterrupted sequence of action and reaction.

3. Behavioural Dimension: The ability to switch roles at any moment. (sender ↔ receiver) It refers to the level of control during the process of interaction.

4. Mental Dimension: Acting and reacting with an understanding of meaning and contexts. This is the necessary condition for full interactivity.

(vgl. Van Dijk, 2004: S. 147f)

Diese vier Dimensionen beziehen sich aber nicht nur auf das Internet und Journalismus an sich, sondern schließen alle digitalen Medien (z.B. E-Mail, etc.) mit ein. Das Internet lässt sich nach dieser Einteilung nach Van Dijk (2004) auf der höchsten Ebene, der „Mental Dimension“, einordnen.

Die Meinungen über die Interaktivität und den Rollentausch von Kommunikator und Rezipient im Internet, gehen dennoch weit auseinander. Prinzipiell lässt sich aber festhalten, dass Online Medien, insbesondere der partizipative Journalismus, ein großes Potential an Interaktivität mit sich bringen und so den Journalismus auf eine höhere Ebene stellen. Eine neue Form des Journalismus wird dadurch ermöglicht, der sich so von der Struktur der klassischen Medien unterscheidet.

3.5.2. Interaktivität mit Usern via Social Media

Vor allem durch das Aufkommen des Internets und die Entwicklung quartärer Medien hat Interaktivität im Journalismus mittlerweile einen äußerst hohen Stellenwert. Insbesondere in Verbindung mit der Einbindung von Rezipienten und Rezipientinnen spielt Interaktivität eine große Rolle. In Zeiten von sozialen Netzwerken und dem partizipativen Web wird der interaktive Charakter von Medien immer deutlicher. Durch den Social Media Auftritt und die aktive Nutzung von Facebook Fanpages seitens der Redaktion, werden die Rezipienten, die ebenfalls Teil dieser Social Community sind, dazu aufgefordert aktiv zu werden, interaktiv mit zu gestalten und sich am Programm zu beteiligen. Sie haben nicht nur die Möglichkeit Kommentare zu posten, sondern können auch Bilder und Videos teilen und somit im Kommunikationsprozess aktiv werden. (vgl. Hobusch, 2008: S. 198) „So erhält die Kommunikationsplattform Community-Charakter.“ (Hobusch, 2008: S. 198)

Die Interaktivität mit den Rezipienten und Usern auf Facebook kann zudem durch Gewinnspiele und Themenvotings für das aktuelle Sendeprogramm gesteigert werden.

Dabei muss aber beachtet werden, dass durch diese Art der Interaktion lediglich eine Art

„Scheinteilhabe“ entsteht. Abstimmungen, die innerhalb eines sozialen Netzwerkes stattfinden, können in diesem Sinn also nicht als Mitgestaltung betrachtet werden. Sie werden jedoch häufig angewendet, um so den Anschein von Partizipationschancen und der Möglichkeit der Mitbestimmung, zu erwecken. (vgl. Wagner, 2011: S. 164ff)