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4. Kommunikationstheoretische Fundierung

4.2. Radiotheorien

4.2.1. Brechts Radiotheorie

Eine der bekanntesten Theorien, die sich mit dem Medium Radio beschäftigt, ist die häufig erwähnte Radiotheorie von Bertolt Brecht. Sie gilt als die erste Theorie auf diesem Gebiet.

Dabei handelt sich es aus wissenschaftlicher Sicht aber nicht unbedingt um eine Theorie an sich, sondern Brechts Ausführungen stellen vielmehr einen vortheoretischen Ansatz dar, mit dem er versucht seine Vorstellungen vom Medium Radio theoretisch zu begründen. (vgl.

Lindner, 2007: S. 35)

Entstanden ist die Theorie von 1927 bis 1932. Wie bereits erwähnt, kann die Theorie des Radios nach Brecht aber keinesfalls als in sich geschlossenes Theoriekonstrukt verstanden werden, sondern es handelt sich überwiegend um eine Sammlung von verschiedenen Schriften und Aufsätzen Brechts, in denen er sich mit dem Medium Rundfunk

auseinandersetzt. Brecht selbst hat seine Ausführungen auch niemals als Theorie beschrieben, stattdessen ist seinen Texten der Titel „Radiotheorie“ erst später, als man seine Notizen fand, hinzugefügt worden. (vgl. Lindner, 2007: S. 36f)

Prinzipiell setzt sich Bertolt Brecht in seinen Schriften zum Radio vor allem mit der Frage nach dem Nutzen des Mediums auseinander. Für ihn stellt der Hörfunk zur damaligen Zeit einen reinen Distributionsapparat dar, der seiner Meinung nach aber falsch genutzt wird.

Seine Haltung gegenüber dem Radio ist überwiegend kritisch, dennoch sieht er Verbesserungsmöglichkeiten des Hörfunks – weg vom Distributionsapparat, hin zum Kommunikationsapparat. (vgl. Lindner, 2007: S. 37f; vgl. Wall, 2009: S. 49f)

Brechts Wunsch und Idealvorstellung des Hörfunks ist es, aus dem Radio einen demokratischen Kommunikationsapparat zu machen, der eine wechselseitige und bidirektionale Kommunikation zwischen Sender und Empfänger ermöglicht. Brecht möchte, dass die Hörerschaft aktiv am Medium Radio und am Radiomachen selbst, beteiligt ist und so Teil des Kommunikationsprozesses wird. (vgl. Lindner, 2007: S. 39)

„Der Rundfunk wäre der denkbar großartigsten Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen.“ (Brecht, 1982: S. 129)

Brecht fordert zuzusagen einen „Wandel in der Art der Partizipation der Zuseher“ (Wall, 2009: S. 49) und kritisiert, dass die Hörer keine Möglichkeit der aktiven Teilnahme am Radioprogramm haben. Er sieht im Medium Radio ein interaktives Potential, welches dem Publikum Partizipation, also eine aktive Mitarbeit, ermöglicht. Für ihn stehen die direkte Verbindung und der Austausch zwischen Sender und Empfänger im Vordergrund. Als Kommunikationsapparat kann der Hörfunk seiner Meinung nach einen wechselseitigen Diskurs in der Gesellschaft ermöglichen und zum gegenseitigen Austausch genutzt werden.

Die Demokratisierung der Gesellschaft und des Radios selbst spielt für Brecht in Verbindung mit dem Hörfunk eine zentrale Rolle. Das betont er deutlich in einem seiner Texte, ein Brief der an den Intendanten des Rundfunks adressiert ist:

„Meiner Ansicht nach sollten Sie aus dem Radio eine wirklich demokratische Sache zu machen versuchen. In dieser Hinsicht würden Sie zum Beispiel schon allerhand erreichen, wenn Sie es aufgäben, für die wunderbaren Verbreitungsapparate, die Sie zur Verfügung haben, immerfort nur selbst zu produzieren, anstatt durch Ihre bloße Aufstellung und in besonderen Fällen noch durch ein geschicktes zeitsparendes Management die aktuellen Ereignisse produktiv zu machen. “ (Brecht, 1982: S. 121)

Brecht spricht in seinen Ausführungen nicht nur das Medium Rundfunk an sich an, sondern bezieht sich dabei auch auf die gesellschaftlichen Strukturen und Systeme dahinter. Er hält den Rundfunk für ein Medium der Bourgeoisie und verlangt deshalb ein Aufbrechen der bestehenden Strukturen durch die Aktivierung des Publikums und das Einsetzen der Hörer als Produzenten, mit dem Ziel so Öffentlichkeit für alle herzustellen. (vgl. Wall, 2009: S. 51) Dies liegt vor allem daran, dass Brecht „im Radio ein großes Potential zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse“ (Lindner, 2007: S. 96) sieht. Seiner Meinung nach ist mit dem Hörfunk ein Medium geschaffen worden, welches wesentlich zu einer Veränderung der Gesellschaft beitragen kann und somit seine Existenzberechtigung innerhalb dieser Gesellschaft erlangt. „Dass seine Vorschläge in dieser Gesellschaftsordnung utopisch waren, war ihm bewusst, er strebte auch nur zweitrangig eine Änderung der Besitzverhältnisse im Rundfunk an. Brecht wollte eine Änderung der bestehenden Gesellschaftsordnung.“ (Lindner, 2007: S. 96)

Obwohl Brecht eine Veränderung des Radios verlangt hat und einen Kommunikationsapparat forderte, erwähnte er jedoch auch, dass die Gesellschaft mit der Interaktivität des Radios und der damit verbundenen Aktivität des Publikums gar nicht umgehen könnte. Er fordert zugleich also einen gesellschaftlichen Wandel. Nach seinen Ausführungen sei das Publikum noch gar nicht bereit mit dieser Form des Hörfunks umzugehen, deshalb muss ein gesellschaftlicher Wandel mit dem Wandel des Mediums einhergehen, ansonsten können die Potentiale und Möglichkeiten des „partizipativen Radios“, so wie Brecht es sich vorstellt, gar nicht voll ausgenützt werden. Dennoch hat er versucht aufzuzeigen, wozu der Hörfunk eigentlich fähig wäre und in seinen theoretischen Ausführungen immer wieder stark betont, dass Radio für das Publikum eigentlich viel mehr

Bertolt Brecht hat also das Potential des Radios bereits sehr früh erkannt und gefordert die Möglichkeit der bidirektionalen Kommunikation zwischen Sender und Empfänger auch zu nutzen. Durch eine aktive Einbindung des Publikums kann seiner Meinung nach die volle Leistung des Mediums ausgenutzt werden und eine Verwendung als Distributionsapparat wäre hinfällig. Diese Art des Mediengebrauchs ist heute aus unserer Gesellschaft kaum noch wegzudenken und der Grundstein der Kommunikation und des Journalismus mittels Internet und Web 2.0. (vgl. Wall, 2009: S. 52)