6.1 Konzeptionalisierung
6.1.1 Operationalisierung der Konstrukte „Zufriedenheit mit der
Der erste Schritt der Umsetzung des Forschungsproblems besteht aus der Operationalisie-rung der in den Hypothesen auftretenden theoretischen Begriffe, die als „Konstrukte“ nicht unmittelbar beobachtbar sind und daher einer Messung zugänglich gemacht werden müs-sen.249 Den Konstrukten werden dabei direkt beobachtbare Variablen zugeordnet, die als Indikatoren bezeichnet und durch Skalen numerisch erfasst werden.250 Die Indikatoren las-sen sich dabei als beobachtbare „Folgen“ der nichtbeobachtbaren Variable des theoretischen Konstrukts betrachten.251 Im Folgenden werden die Operationalisierungsschritte der Kon-strukte „Zufriedenheit mit der Führungsqualität“ und „Dichte der virtuellen Kommunika-tion“ dargestellt.
Zufriedenheit mit der Führungsqualität
Zur Erfassung komplexer, mehrdimensionaler Konstrukte wie die Wahrnehmung der Füh-rungsqualität bieten sich sogenannten Itembatterien an, einer Zusammenstellung mehrerer Aussagen bzw. Items zu einem Indikator.252 Die Indikator entsprechen den im Theorieteil definierten Führungsaufgaben. Nachstehende Abbildung 13 veranschaulicht die Kette der Ableitungen des Konstrukts hin zu einem Instrument.
249 Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 3.
250 Vgl. Raithel (2006), S. 34, S. 39.
251 Vgl. Raithel (2006), S. 37.
252Vgl. Raithel (2006), S. 38.
Abbildung 13: Skizze zur Ableitung des Konstruktes „Zufriedenheit mit der Führungsqua-lität“
In Anlehnung an: Raithel, J. (2006): Quantitative Forschung, 1. Aufl., Wiesbaden, S. 39.
Das Konstrukt K entspricht hier der Zufriedenheit mit der Führungsqualität. Im Theorieteil wurde der Begriff Führungsqualität definiert als die wirksame Umsetzung der Führungsauf-gaben. Ebenso wurde geklärt, dass sich die Führungsaufgaben in die Dimensionen Lokomo-tion und Kohäsion einteilen lassen (in Abbildung 13 sind diese als D1 und D2 dargestellt).
Die Indikatoren entsprechen den auf den Theorieerkenntnisse basierten Führungsaufgaben.
Mittels dieser Aufgliederung des Konstruktes konnten sogenannte Items formuliert werden.
Items sind Testaufgaben, welche zusammen ein Konstrukt erfassen.253 Für das Konstrukt
„Zufriedenheit mit der Führungsqualität“ wurden 18 Items formuliert, anhand denen dann der Grad der Zufriedenheit der Befragten gemessen wird (Tabelle 9).
253 Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 194.
Konstrukt Dimensionen Indikatoren/Variablen Items
i1
V1 i2
D1 V2 i3
K1 V3
V4
D2 V5
V6
Tabelle 9: Operationalisierung des Konstruktes „Zufriedenheit mit der Führungsqualität“
Bei den Items wurde auf eine kurze und präzise Formulierung geachtet, um ein schnelles Verständnis zu gewährleisten und einem vorzeitigen Abbruch seitens der Befragten entge-genzuwirken.254 Potentieller Erklärungsbedarf wurde zu Beginn der jeweiligen Frage kurz erläutert, um sicherzustellen, dass die jeweilige Frage bei allen befragten Personen gleich
254 Vgl. Thielsch, M. T./Lenzner, T./Melles, T. (2012): Wie gestalte ich gute Items und Interviewfragen? In:
Thielsch, M. T./T. Brandenburg (Hrsg.): Praxis der Wirtschaftspsychologie. Themen und Fallbeispiele für Studium und Anwendung, Band 2, Münster, S. 221-240, S. 225.
Dimensionen Indikatoren/
“neue“ Variablen Items
D1 Lokomotion
V1 Zielsetzung
i1 Meine Aufgaben sind genau definiert i2 Meine Arbeitsziele empfinde ich als
realis-tisch
i3 Es finden regelmäßig Zielvereinbarungsge-spräche statt
V2 Delegation
i4 In Entscheidungsprozesse werde ich mit ein-bezogen
i5 Ich erhalte Hilfestellung im Arbeitsprozess i6 Über die Hintergründe und die Bedeutung
meiner Aufgabe werde ich informiert
V3 Feedback
i7 Ich erhalte Feedback hinsichtlich der Zufrie-denheit mit meiner Leistung
i8 Mögliche Fehler und Unsicherheiten können angesprochen werden
i9 Konflikte werden offen ausgetragen
D2 Kohäsion
V4 Vertrauen
i10 Auf meine Motivation und Leistungsfähigkeit wird vertraut
i11 Als Person fühle ich mich wertgeschätzt i12 Getroffene Zusagen werden eingehalten
V5 Sinnstiftung
i13 Meine Vorgesetzte/mein Vorgesetzter weiß, was mich auf der Arbeit antreibt
i14 Mit den Zielen und Visionen meines Unter-nehmens kann ich mich identifizieren
i15 Ich habe das Gefühl, mit meiner Arbeit einen sinnvollen gesellschaftlichen Beitrag zu leis-ten
V6 Förderung
i16 Es besteht Interesse an meinem beruflichen Fortkommen
i17 Meine Eigenständigkeit und Selbstverantwor-tung werden gefördert
i18 Neue Ideen kann ich einbringen
verstanden wird, beispielsweise um die Zeitspanne zu spezifizieren.255 Die Reihenfolge der Items ist beliebig angeordnet. Insgesamt wurde darauf geachtet, dass der Fragebogen mit einfachen Fragen beginnt und aufhört.
Da in dieser Arbeit nach der Einstellung der Mitarbeiter:innen zu dem Führungsverhalten ihrer Führungskraft gefragt wird, bietet sich die Likert-Technik als Messverfahren an. Die Likert-Skala ist aufgrund ihrer Einfachheit und Praktikabilität in der Sozialforschung recht etabliert.256 Der Vorteil der Likert-Skala besteht darin, dass von den Befragten mehrere Test-aufgaben bzw. Items durch dieselbe Antwortskala beantwortet werden können.257 Dabei ge-ben die Befragten zu jedem Item ihre Zustimmung auf einer verbalen 4-Punkte-Antwortskala
„trifft nicht zu“ – „trifft wenig zu“ – „trifft eher zu“ – „trifft voll zu“ an. Es wurde eine gerade Antwortzahl gewählt, um zu vermeiden, dass auf eine mittlere Kategorie ausgewi-chen wird. Zusätzlich wurde die Ausweichkategorie „weiß nicht“ angeboten.
Dichte der virtuellen Kommunikation
Der Virtualitätsgrad versteht sich grundsätzlich als der Grad der „virtuellen“ Eigenschaften einer Arbeitssituation. Hierzu lassen sich verschiedene Kriterien aufstellen, z.B. die Anzahl der Personen von verschiedenen Standorten, Zeitzonen und Kulturen sowie dem Ausmaß von Technologie und Kommunikation.258 Für die vorliegende Untersuchung versteht sich der Virtualitätsgrad als die Dichte der virtuellen Kommunikation im persönlichen Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in. Der Fokus liegt dabei auf den synchronen Kom-munikationskanälen, dazu zählen Video- und Audiokonferenzen sowie Chats. Die Dichte der virtuellen Kommunikation wurde wie folgt definiert:
(1) 𝐷𝑖𝑐ℎ𝑡𝑒 𝑑𝑒𝑟 𝑣𝐾 = 𝐴𝑣
𝐴𝐺
𝐴𝐺 gibt an, wie häufig Führungskraft und Mitarbeiter:in tatsächlich im persönlichen Aus-tausch sind. Es geht dabei um den persönlichen AusAus-tausch insgesamt, d.h. unabhängig
255 Vgl. Thielsch, M. T./Lenzner, T./Melles, T. (2012): Wie gestalte ich gute Items und Interviewfragen? In:
Thielsch, M. T./T. Brandenburg (Hrsg.): Praxis der Wirtschaftspsychologie. Themen und Fallbeispiele für Studium und Anwendung, Band 2, Münster, S. 221-240, S. 231.
256 Vgl. Diekmann, A. (2016): Empirische Sozialforschung, 10. Aufl., Reinbek bei Hamburg, S. 240.
257 Vgl. Thielsch, M. T./Lenzner, T./Melles, T. (2012): Wie gestalte ich gute Items und Interviewfragen? In:
Thielsch, M. T./T. Brandenburg (Hrsg.): Praxis der Wirtschaftspsychologie. Themen und Fallbeispiele für Studium und Anwendung, Band 2, Münster, S. 221–240, S. 232.
258 Vgl. Schmidt, G. B. (2014): Virtual Leadership: An Important Leadership Context, in: Industrial and Or-ganizational Psychology, pp. 182–187, p. 182.
davon, ob die Beteiligten virtuell oder face-to-face kommunizieren. Av gibt an, wie häufig der persönliche Austausch virtuell-synchron stattfindet. Der Quotient ergibt die Dichte der virtuellen Kommunikation.
Die Antwortkategorie „herkömmliche Telefonie“ wird in den Fragebogen mitaufgenommen, auch wenn analoge Telefonie streng genommen kein virtueller Kanal ist. Da das herkömm-liche Telefonieren im Arbeitsalltag nach wie vor häufig genutzt wird, erscheint eine Tren-nung zwischen analoger und virtueller Telefonie an dieser Stelle wenig sinnvoll, zumal es hier primär um die Kommunikation ohne face-to-face-Kontakt geht.