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Führung als sozialer Prozess impliziert, dass es mehr ist als die reine Verteilung von Arbeit.

Das, was die Kernaufgaben einer personalen Führungskraft sind, darüber finden sich in der Führungsliteratur unterschiedliche Ansätze, Auffassungen und Perspektiven. Die vorlie-gende Arbeit folgt einem konstitutionellen Verständnis, d.h. welche Aufgaben auf der je-weiligen Führungsebene des jeje-weiligen Unternehmens zu erfüllen sind hängt nicht vom Er-messen der handelnden Personen (Führungskräfte) ab, sondern liegen der Organisation selbst zugrunde.101 Nach dem konstitutionellen Verständnis von Führung findet das Was der Führung, also die wesentlichen Aufgaben der personalen Führungskraft (weitestgehend) un-abhängig des jeweiligen Unternehmens statt. Das Wie der Führung, also der Prozess selbst ist abhängig von zahlreichen Einflussfaktoren (betriebsintern z.B. die Persönlichkeiten und Fähigkeiten der involvierten Personen, die Führungssituation; betriebsextern: z.B. Demo-grafie, technische Entwicklungen).

Für eine Annäherung an die wesentlichen Führungsaufgaben stößt man in der Führungslite-ratur zum einen auf eine teils unsaubere Abgrenzung zwischen den Aufgaben einer mitar-beiterbezogenen (bzw. personalen) Führungskraft und einer am Managementprozess orien-tierten Führungskraft.102 Zudem ist festzustellen, dass die Aufgaben nicht homogen als sol-che bezeichnet werden. So wird beispielsweise „Zielorientierung“ bei Lorenz (2018) als Führungs-Kompetenz bezeichnet103, bei Malik (2006) als Führungs-Aufgabe104 und bei Wastian/Braumandl/Weisweiler (2012) als ein Führungsinstrument.105

Für eine saubere Einordnung der Führungsaufgaben in den Führungskontext spricht Kaehler (2020) vom Führungshandeln in dessen Rahmen die Führungsaufgaben mittels routinen und geeigneter Instrumente umgesetzt werden. Kaehler bezeichnet das Führungs-handeln als „der Schlüssel zur Verbesserung der Führungsqualität“106. Nachstehende Abbil-dung 5 veranschaulicht die Verknüpfung der Begriffe Führungsaufgaben, Führungsroutinen

101 Vgl. Malik, F. (2008): Die richtige Corporate Governance, 3. Aufl., Frankfurt am Main, S. 275.

102 Vgl. Schirmer/Woydt (2016), S. 12.

103 Vgl. Lorenz, M. (2018): Digitale Führungskompetenz. Was Führungskräfte von morgen heute wissen soll-ten, Wiesbaden, S. 63.

104 Vgl. Malik (2006), S. 176.

105 Vgl. Wastian, M./Braumandl, I./Weisweiler, S. (2012): Führung in Projekten. Eine prozessorientierte Zu-kunftsperspektive, in: Grote, S. (Hrsg.): Die Zukunft der Führung, Berlin u.a., S. 75–102, 86.

106 Vgl. Kaehler (2020), S. 105.

und Führungsinstrumenten. Grau hinterlegt sind diejenigen Bereiche, welche von dieser Ar-beit berührt werden.

Abbildung 5: Verknüpfung von Führungshandeln, Führungsaufgaben, Führungsroutinen und Führungsinstrumenten

In Anlehnung an: Kaehler, B. (2020): Komplementäre Führung. Ein praxiserprobtes Modell der Personalfüh-rung in Organisationen, 3. Aufl., Wiesbaden, S. 189–190.

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf den Führungsaufgaben. Das Führungshandeln wird über Führungsaufgaben (z.B. Festlegung von Zielen) ausgeführt, die im Rahmen von Führungs-routinen (z.B. im Mitarbeitergespräch) umgesetzt und optional unter Anwendung von Füh-rungsinstrumenten (z.B. Festlegung von Fristen) unterstützt werden. Die Wahl der geeigne-ten Führungsroutinen und -instrumente ist abhängig von der jeweiligen Führungssituation bzw. dem jeweiligen Unternehmen selbst.107 Die zwei grundlegenden Funktionen von Füh-rung, Lokomotion und Kohäsion, stellen die Basis bzw. den „gemeinsamen Nenner“ der unterschiedlichen Aufgaben einer Führungskraft dar.108

Die Umsetzung der Aufgaben im Rahmen der Handlungen des Führenden hängt dennoch in gewissem Maße von der Person des Führenden, ihrem Verhalten, Erfahrungen, Kompeten-zen, der Führungssituation und den Geführten ab. Der Fokus liegt hier nicht auf den Eigen-schaften oder Kompetenzen einer Führungskraft, da unterschiedliche Persönlichkeiten auf unterschiedliche Weise erfolgreich sind.109 Vielmehr soll hier die Wirksamkeit des Füh-rungshandelns über die Kernaufgaben einer Führungskraft aus Sicht der geführten Mitarbei-ter:innen evaluiert werden. Darüber hinaus umfassen die Handlungen einer Führungsperson u.a. auch die „Führung nach oben“ durch Unterstützung des/der eigenen Vorgesetzten,

107 Vgl. Kaehler (2020), S. 189.

108 Vgl. Schirmer/Woydt (2016), S. 48.

109 Vgl. Sternad/Mödritscher (2018), S. 240.

mittels

unterstützt durch

Führungsaufgaben Führungsroutinen Führungsinstrumente

Führungshandeln

Handlungen im Rahmen der Selbstführung oder das Verfügen von aktuellem Wissen über das eigene Fachgebiet.110

Die wesentlichen Führungsaufgaben einer Führungskraft liegen in ihrer Funktion selbst, d.h.

in der Lokomotion (Ordnungsaufgaben) und der Kohäsion (Unterstützungsaufgaben), wobei sich die Dimensionen meist überschneiden. In der Führungsforschung wird dies teilweise als eigener Führungsstil bezeichnet (Aufgabenorientierung vs. Mitarbeiterorientierung).111 In dieser Arbeit werden die Führungsaufgaben anhand von Aufgabenmodellen betrachtet.

Aufgabenmodelle beschreiben Führung als Aufgabenbündel und betrachten das konkrete Führungshandeln.112 Ein Aufgabenmodell kann dabei als Anforderungskatalog verstanden werden, in welchem die Führungsaufgaben als deskriptiv oder normativ verstandener Ge-staltungsrahmen gelten.113

Eine Zusammenführung der Forschungen zu den Dimensionen des Führungsverhaltens der letzten 50 Jahre geben Yukl/Lepsinger (2005). Neben der Dimension der Effizienzsteigerung und der Innovationsförderung, identifizieren sie zur Verbesserung der „Human Resources“

folgende Aufgaben: 1) Unterstützung und Empowerment leisten, 2) Beiträge der Geführten anerkennen, 3) Coaching anbieten, 4) Sich mit anderen über Entscheidungen beraten, 5) De-legieren, 6) Kooperation und Teamarbeit fördern.114

Schmidt-Huber/Dörr/Maier (2014) entwickeln ein „evidenzbasiertes Kompetenzmodell ef-fektiver Führung“, das folgende Führungsaufgaben beinhaltet: 1) Strategieorientierung:

Marktchancen erkennen, Zukunftsperspektiven formulieren, Innovationen treiben; 2) Ergeb-niserreichung: Ziele vereinbaren, Probleme analysieren, Ergebnisse bewerten; 3) Mitarbei-terentwicklung: Verantwortung übertragen, Mitarbeiter coachen, Feedback geben, Perspek-tiven übernehmen; 4) Umfeldgestaltung: effektiv kommunizieren, Ressourcen bereitstellen, Konflikte managen, Veränderungen umsetzen, Arbeitsbeziehungen gestalten; 5) Personale

110 Vgl. Rosenstiel/Regnet/Domsch (2003), S. V–VI.

111 Vgl. Kaehler (2020), S. 73.

112 Vgl. Kaehler (2020), S. 188–189.

113 Vgl. Kaehler (2020), S. 105.

114 Vgl. Yukl, G./Lepsinger, R. (2005): Why Integrating the Leading and Managing Roles Is Essential for Organizational Effectiveness, in: Organizational Dynamics, Vol. 34, Issue 4, pp. 361–375, p. 363.

Einflussnahme: Selbstvertrauen ausstrahlen, Authentizität vermitteln, Ambiguitäten mana-gen.115

Ein weiteres Beispiel für ein Aufgabenmodell ist das so genannte Führungsrad von Malik (2006). Neben Führungsgrundsätzen und -Werkzeugen, zählt Malik zu den fünf wesentli-chen Führungsaufgaben 1) Für Ziele sorgen, 2) Organisieren, 3) Entscheiden, 4) Kontrollie-ren, Messen, Beurteilen und 5) Fördern von Menschen.116 Malik hat dabei die Aufgaben bewusst vereinfacht formuliert, damit diese „offen und anpassungsfähig“ für die praktische Umsetzung in individuellen, unternehmensspezifische Funktionsbereichen sind.117 Trotz un-terschiedlicher Unternehmensgrößen, -branchen und der involvierten Persönlichkeiten sind diese Aufgaben nach Malik universell und kulturunabhängig anwendbar, während die situ-ativen Bedingungen unterschiedliche Anforderungen an Führungskräfte stellen.118 Demnach ist beispielsweise die Aufgabe „Förderung der Mitarbeiter:innen“ im virtuellen Kontext ebenso wie im „realen“ Kontext erforderlich. Was bei der virtuellen Führung im Vergleich zur „realen“ Führung anders ist, ist der „Grad der Beherrschung“ von guter Führung, z.B. ob die Führungskraft die Mitarbeiter über gute Kommunikationskompetenzen fördern kann.119 Schreyögg/Koch (2014) zählen zu den Kernaufgaben der Führung 1) Steuerung der Arbeits-handlungen, 2) Motivation, 3) Kommunikation und 4) Konfliktbereinigung.120

Nach Berger (2018) sind die Aufgaben der Führungskraft folgende: 1) Ziele setzen, 2) Leis-tungserbringung kontrollieren, 3) Mitarbeiter:innen motivieren und beurteilen, 4) Entschei-dungen treffen; Führungskraft auf Partnerin in sozialen Beziehungen: 5) Vertrauen schaffen, 6) Leistung der Mitarbeiter:innen anerkennen, 7) Fördern und Entwickeln; Führungskraft als Gestalterin der Unternehmenskultur: Wandel gestalten und Veränderungen managen.121 Aus systemischer Sicht beschreibt Pinnow (2012) Führung anhand zehn Grundsätzen, die sich auch als Aufgabenbündel verstehen lassen: 1) sich selbst kennen, 2) kommunizieren, 3)

115 Vgl. Schmidt-Huber, M./Dörr, S./Maier, G. W. (2014): Die Entwicklung und Validierung eines evidenzba-sierten Kompetenzmodells effektiver Führung (LEAD: Leadership Effectiveness and Development), in:

Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Jg. 58, Nr. 2, S. 80–94, S. 84.

116 Vgl. Malik (2006), S. 378.

loslassen, 4) Gegensätze aushalten, 5) Veränderung managen, 6) Sinn stiften, 7) Macht ha-ben, 8) Orientierung geben und Entscheidungen treffen, 9) Menschen begeistern und 10) Menschen lieben.122

Nachstehende Tabelle 2 zeigt eine Zusammenstellung der häufig genannten Führungsaufga-ben der ausgewählten Autoren/Autorinnen. Aufgrund der umfassenden Anzahl an Literatur zu den Aufgaben einer Führungskraft stellt dies lediglich einen Überblick dar.

Autoren, Jahr

Führungsaufgaben Yukl / Lepsinger (2005) Schmidt-Huber /rr / Maier (2014) Malik (2006) Schreyögg / Koch (2014) Berger (2018) Pinnow (2012)

Delegieren, Steuerung der Arbeits-handlungen

x x x x

Entscheiden x x x x

Mitarbeiter:innen fördern, entwi-ckeln, coachen

x x x x

Begeistern, Motivieren x x x x

Zielvorgaben x x x

Beurteilen, Kontrollieren x x x

Sinnstiftung, Anerkennung x x x

Kommunikation x x x

Veränderungen managen x x x

Feedback geben x x x

Arbeitsbeziehungen gestalten x x

Gegensätze aushalten x x

Konfliktbereinigung x x

Verantwortung abgeben x x

Vertrauen x x

122 Vgl. Pinnow (2012), S. 175–245.

Organisieren x

Ressourcen bereitstellen x

Yukl / Lepsinger (2005) Schmidt-Huber /rr / Maier (2014) Malik (2006) Schreyögg / Koch (2014) Berger (2018) Pinnow (2012)

Tabelle 2: Zusammenstellung häufig genannter Führungsaufgaben

Tabelle 2 zeigt, dass in der Literatur unterschiedliche Ansichten darüber existieren, was die wesentlichen Führungsaufgaben sind. Dies liegt auch darin, dass die genannten Autoren je-weils ein unterschiedliches Führungsverständnis vertreten. So nimmt Malik eine ergebnis-orientierte Sicht auf Führung ein, während Pinnow aus systemischen Blickwinkel und mit Fokus auf eine beziehungsorientierte Führung argumentiert. Dennoch lässt sich aus Tabelle 2 ein gewisser Konsens bezüglich der Aufgaben „Delegieren“, „Entscheiden“, „Mitarbei-ter:innen fördern“ und „begeistern“ erkennen. „Organisieren“ und „Ressourcen bereitstel-len“ werden jeweils einmal genannt. Kaehler (2020) spricht diesbezüglich von allgemeinen Elementaraktivitäten, da etwa Organisieren, Entscheiden, Kommunizieren für viele andere Tätigkeiten relevant sind und weniger Führungstätigkeit im Speziellen darstellen.123 Folgende Führungsaufgaben lassen sich nach Sichtung der Literatur als wesentliche Tätig-keiten einer personalen Führungskraft zusammenfassen: Zielsetzung, Delegation, Feedback, Vertrauen, Sinnstiftung, Förderung.

Nachdem die grundlegenden Führungsbegriffe erläutert wurden (virtuelle Führung, Füh-rungskraft, Führungsqualität, Führungsaufgabe) wird im nächsten Abschnitt auf ein wesent-liches Mittel in der Umsetzung von Führung eingegangen – die menschliche Kommunika-tion im Allgemeinen und die virtuelle KommunikaKommunika-tion im Speziellen.

123 Vgl. Kaehler (2020), S. 106.