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Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Projekt-Phasen: 1) Literaturrecherche, 2) Daten-erhebung und -analyse sowie 3) Diskussion der Ergebnisse. Einleitungs- und Abschlusska-pitel runden die Arbeit ab. Nachstehende Abbildung 2 veranschaulicht den Aufbau dieser Masterarbeit.

21 Vgl. Bortz, J./Döring, N. (2006): Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaft-ler, 4. Aufl., Heidelberg, S. 237.

Abbildung 2: Aufbau der Masterarbeit

Die theoretische Basis für den empirischen Teil der Arbeit bilden die bisherigen Erkennt-nisse zu personaler Führung im Allgemeinen und personaler Führung im virtuellen Kontext im Speziellen aus dem Gebiet der Führungsforschung. Hierfür gibt Kapitel 2 einen Überblick über Begriffsdefinitionen von Führung, erläutert die wesentlichen Aufgaben einer Führungs-kraft und klärt den Begriff der Führungsqualität.

Kapitel 3 geht auf den spezifischen, virtuellen Kontext ein. Nach der Begriffsdefinition von virtueller Führung erfolgt die Einordnung der virtuellen Führung in die bisherigen Entwick-lungen der Führungsforschung. Es werden die Besonderheiten der praktischen Umsetzung von virtueller Führung herausgearbeitet sowie die Anforderungen an virtuelle Führungs-kräfte beschrieben.

Dem Aspekt der virtuellen Kommunikation wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Hierzu wird in Kapitel 4 zunächst im Allgemeinen der Stellenwert der Kommunikation im Führungspro-zess aufgezeigt und anschließend die virtuellen Kommunikationskanäle sowie dessen Vor- und Nachteile in der praktischen Umsetzung erläutert. Ebenso werden ausgewählte Theorien der Medienwahl betrachtet.

Kapitel 7: Analyse der Hypothesen mit Rückbezug zu den Theorieerkenntnissen, Handlungsempfehlungen für die Praxis, Implikationen für die Forschung, Limitationen

Virtualisierung der Arbeitswelt Kapitel 5 fasst die Theorieerkenntnisse zusammen und stellt die Hypothesen vor, welche die Grundlage für die empirische Untersuchung bilden.

In Kapitel 6 erfolgt die empirische Untersuchung. Es werden zunächst die Operationalisie-rungsschritte zur Messung der theoretischen Konstrukte erläutert, sowie die Vorgehensweise der Methodenauswahl, Stichprobenauswahl und Fragebogenentwicklung. In Anschluss an die Datenerhebung, folgt die Datenaufbereitung und -bereinigung, um schließlich die Hypo-thesen statistisch zu überprüfen.

Der Diskussionsteil (Kapitel 7) beginnt mit einer Zusammenfassung der zentralen Ergeb-nisse. Es folgt die Analyse und kritische Würdigung der Hypothesen mit Rückbezug zu den Theorieerkenntnissen. Darauffolgend werden Handlungsempfehlungen für die Praxis und Implikationen für weitere Forschungen abgeleitet, sowie die Limitationen der Untersuchung diskutiert.

Kapitel 8 schließt diese Masterarbeit mit einer Zusammenfassung und einem Blick auf zu-künftige Entwicklungen ab.

2 Begriffliche Grundlagen 2.1 Führung

2.1.1 Definition von Führung als Personalführung

Im Allgemeinen findet Führung überall dort statt, wo es um soziales, koordiniertes Zusam-menleben geht.22 Denn eine Führungssituation entsteht, sobald sich Menschen in einer Gruppe organisieren und Aufgaben arbeitsteilig erfüllt werden müssen.23 Diese Erkenntnis spiegelt sich in den Grundzügen kaufmännischen Denkens wider. Bereits in der Antike bil-den Haushalte und Betriebe Wirtschaftseinheiten, in bil-denen arbeitsteilig Güter hergestellt werden.24

Um sich dem Begriff der Führung aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu nähern, wird zu-nächst geklärt, was unter „Betrieb“ zu verstehen ist und warum Betriebe überhaupt existie-ren. Die Begriffe „Betrieb“, „Unternehmen“ oder „Organisation“ werden dabei als Syno-nyme verstanden.25 Ein Unternehmen lässt sich definieren als eine wirtschaftliche und juris-tische Einheit, die – vereinfacht ausgedrückt – Produkte herstellt oder Dienstleistungen an-bietet.26 Woher der gesellschaftliche und individuelle Bedarf an Produkten und Dienstleis-tungen kommt, wird in der BWL unterschiedlich diskutiert und würde den Rahmen dieser Arbeit schon zu Beginn sprengen. Diese Arbeit folgt der Annahme, dass grundsätzlich jeder Mensch gewisse Bedürfnisse hat, die sich durch Güter oder Dienstleistungen erfüllen lassen, welche wiederum von entsprechenden „Produktionsstätten“ (Unternehmen) bereitgestellt werden.27 Es kann sich dabei um Privatunternehmen oder öffentliche Organisationen han-deln.

Neben dem Zweck der wirtschaftlichen Leistung lässt sich die Existenz von Organisationen anhand zwei weiterer betriebswirtschaftlicher Funktionen begründen. Die individuelle Funktion eines Unternehmens besteht darin, „Arbeit produktiv zu machen“28, da „Arbeit“

22 Vgl. Rosenstiel, L. von (o. J.): Führung, https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/andragogik/Andrago-gik1/Andragogentag_2010/Fuehrung.pdf, o. O., S. 318.

23 Vgl. Wunderer, R. (2009): Führung und Zusammenarbeit, 8. Aufl., Köln, S. 4.

24 Vgl. Bardmann, M. (2019): Grundlagen der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre. Geschichte – Konzepte – Digitalisierung, 3. Aufl., Wiesbaden, S. 265.

25 Vgl. Straub (2012), S. 24.

26 Vgl. Straub (2012), S. 24–25.

27 Vgl. Straub (2012), S. 26.

28 Drucker (2009), S. 74.

für die meisten Menschen ein Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist und zum ande-ren, je nach Gesellschaftsordnung, Zugang zu sozialem Status und individuellem Erfolg leis-tet.29 Die dritte Funktion der Unternehmenstätigkeit sieht Drucker (2009) in der Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung, begründet aus der Tatsache, dass ein Unternehmen selbst ein Organ der Gesellschaft ist.30

Zur Erfüllung von Ziel und Zweck der Unternehmenstätigkeit (ökonomisch, individuell, ge-sellschaftlich) bedarf es der Koordination von betrieblichen Prozessen und der darin invol-vierten Menschen. Dies geht auch aus der ursprünglichen Wortbedeutung von „führen“ her-vor, nämlich im Sinne von „Richtung gebend“, „wegweisend“. Ebenso hängt „führen“ im deutschen mit „leiten“ als das „Vorangehen“, „in Gang setzen“ zusammen.31

Seit Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Führung Anfang des 20. Jahrhunderts32 hat sich eine Vielzahl an Definitionen und Theorien aus unterschied-lichen Fachdisziplinen wie Wirtschaftswissenschaften, Verhaltensforschung, Soziologie, Psychologie, Politologie, Pädagogik und Philosophie angesammelt. Vor fast fünf Jahrzenten sprach Stogdill (1974) bereits davon, dass es nahezu genauso viele Definitionen von Füh-rung gibt, wie die Anzahl der Personen, die sie aufgestellt haben.33 Anfänglich kamen diese Definitionen größtenteils aus dem europäisch-amerikanischen Kulturraum, seit Anfang der 2000er auch vermehrt aus dem kulturübergreifenden Kontext („cross-cultural Lea-dership“).34

Trotz der hohen Anzahl an Definitionen besteht in der Literatur weitestgehend Konsens dar-über, dass Führung im weitesten Sinne soziale Einflussnahme ist.35 Mit Personalführung (bzw. Mitarbeiterführung) im engeren Sinne ist insbesondere die Einflussnahme von Mitar-beiter:innen durch Führungskräfte gemeint.36 „Einfluss“ versteht sich als die (Ein-)Wirkung,

29 Vgl. Drucker (2009), S. 74.

30 Vgl. Drucker (2009), S. 76.

31 Vgl. Blessin, B./Wick, A. (2017): Führen und führen lassen. Ansätze, Ergebnisse und Kritik der Führungs-forschung, 8. Aufl., Konstanz, S. 26.

32 Vgl. Yukl, G. (2013). Leadership in Organizations, 8th ed., Boston, p. 2.

33 Vgl. Stogdill, R. M. (1974): Handbook of Leadership, A Survey of Theory and Research, New York, zitiert bei: Walenta, C./Kirchler, E. (2011): Führung, 1. Aufl., Wien, S. 9.

34 Vgl. Yukl (2013), p. 360.

35 Vgl. Rosenstiel (2003), S. 4.

36 Vgl. Felfe, J. (2009): Mitarbeiterführung, Göttingen u.a., S. 4.

die jemand auf jemanden hat.37 Die Einflussnahme ist aber erst dann „Führung“, wenn diese mit einer Absicht und in Hinblick auf gewisse Ziele erfolgt.38 Die frühere Führungsfor-schung geht davon aus, dass die Einflussnahme ausschließlich von der Führungskraft aus-geht (Führer:in-zentrierte Sicht), neuere Literatur bezieht sich vermehrt auf den beidseitigen Einfluss (prozess-zentrierte Sicht). „Sozial“ deshalb, da sich Führung auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe innerhalb einer Gesellschaft bezieht – hier im Kontext des Unternehmens aus mindestens einer Person, die führt (Führungskraft) und mindestens einer weiteren Per-son, die geführt wird (Mitarbeiter:in)39 – und ebenso die Gesellschaft selbst, sowie ihre öko-nomischen und politischen Strukturen betrifft.40

Eine gängige Definition von Führung als Einflussprozess gibt z.B. Yukl (2013):

„Leadership is the process of influencing others to understand and agree about what needs to be done and how to do it, and the process of facilitating individual and collective efforts to accomplish shared objectives.“41

Yukl betont in seiner Führungsdefinition neben dem Prozess der Einflussnahme auch die Förderung der Individuen bzw. Gruppen hinsichtlich gemeinsamer Ziele und aktueller wie zukünftiger Herausforderungen.

Mit Bezug auf die Führung von „Menschen“ gibt Pinnow (2012) eine weitere Definition aus einem systemischen Blickwinkel und mit Rückbezug auf Drucker. Demnach heißt Führung:

„Menschen durch gemeinsame Werte, Ziele und Strukturen, durch Aus- und Weiterbildung in die Lage zu versetzen, eine gemeinsame Leistung zu vollbringen und auf Veränderungen zu reagieren.“42

Pinnow spricht in seiner Definition allgemein von Menschen und schließt damit Führende und Geführte gleichermaßen mit ein, ähnlich wie Yukls Definition. „Eine gemeinsame Leis-tung zu vollbringen und auf Veränderungen zu reagieren“ lässt sich als Ziel von Führung

37 Vgl. Duden online (2021): Eintrag „Einfluss“, https://www.duden.de/node/37590/revision/37619, 2. Mai 2021.

38 Vgl. Pinnow (2012), S. 42.

39 Vgl. Schreyögg, G./Koch, J. (2014): Grundlagen des Managements. Basiswissen für Studium und Praxis, 3. Aufl., Wiesbaden, S. 408.

40 Vgl. Duden online (2021): Eintrag „sozial“, https://www.duden.de/node/169154/revision/169190, 15. April 2021.

41 Yukl (2013), p. 7.

42 Vgl. Pinnow (2012), S. 42.

betrachten. „Gemeinsame Werte, Ziele und Strukturen“ sowie „Aus- und Weiterbildung“

verstehen sich als die Mittel der Zielerreichung.

Da es sich in dieser Arbeit um die virtuelle Führung im Sinne der Personalführung handelt, im Folgenden eine konkrete Definition von Holtbrügge (2010):

„Die Personalführung beinhaltet die unmittelbare Kommunikation und Interaktion zwischen Führungskräften und den ihnen unterstellten Mitarbeitern, die auf der Basis einer durch organisatorische Regelungen festgelegten Rollendifferenzierung erfolgt und der absichtlichen Beeinflussung der Einstellungen und des Verhaltens der Mit-arbeiter im Hinblick auf die angestrebten Unternehmungsziele dient.“43

Holtbrügge fügt in seiner Definition den Aspekt der Kommunikation hinzu. Die Gestaltung der direkten und indirekten Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeiter:in-nen ist ein wesentlicher Teil des Führungsprozesses.

An dieser Stelle ist der Begriff des/der Mitarbeiter:in zu klären. Synonyme hierfür sind u.a.

Belegschaft, Beschäftigte, Humanressource oder Personal. Personal ist „die Gesamtheit der Arbeitnehmer von Organisationen, die zur Realisierung von Geschäftsprozessen und damit zur Leistungserbringung (…) beitragen“44. Mitarbeiter:in und Führungskraft sind also beide Teil des Personals eines Unternehmens. In dieser Arbeit ist mit der Bezeichnung „Mitarbei-ter:in die geführte Person gemeint, auch wenn streng genommen Führungskräfte ebenfalls

„Mitarbeiter:innen“ eines Unternehmens sind.

Aus den aufgeführten Führungsdefinitionen lassen sich folgende Kernelemente zusammen-fassen:45

• Führung ist eine zielbezogene, absichtliche Einflussnahme

• Führung erfolgt durch Steuerung und Gestaltung des Handelns anderer Personen

• Führung ist ein Gruppenphänomen, beteiligt sind mindestens zwei Personen aus Füh-rer:in und Geführte:r

43 Holtbrügge, D. (2010): Personalmanagement, 4. Aufl., Berlin u.a., S. 207.

44 Gabler Wirtschaftslexikon (2021): Eintrag „Personal“, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/per-sonal-43978/version-267300, 15. April 2021.

45 Vgl. Blessin/Wick (2017), S. 30; vgl. Kaehler (2020), S. 42.; vgl. Walenta, C./Kirchler, E. (2011): Führung, 1. Aufl., Wien, S. 10–11.

• Das Ziel bezieht sich auf den jeweiligen Organisationsrahmen und wird von Füh-rungsperson und Geführten (mehr oder weniger) geteilt

• Führung erfolgt über direkte und indirekte Kommunikationsprozesse.

Für ein umfassenden Verständnis von Führung und der Eingrenzung des Führungsverständ-nisses, wird im folgenden Abschnitt der Begriff der Personalführung zu den Begriffen Un-ternehmensführung, Personalmanagement und Leadership abgegrenzt.

2.1.2 Abgrenzung der Begriffe Personalführung, Unternehmensführung, Management und Leadership

Im Rahmen der theoretischen Auseinandersetzung mit Führung stößt man in der Literatur auf eine Vielzahl von Begriffsverwendungen. Die Bezeichnungen „Unternehmensführung“,

„Unternehmensleitung“, „Personalführung“, „Mitarbeiterführung“, „personale Führung“

bzw. „Personalmanagement“ sowie in der englischen Literatur „corporate management/lea-dership“ bzw. „Human Resource Management“ werden teilweise synonym und teilweise differenziert gebraucht.46

Personalführung und Unternehmensführung

Eine gängige Unterteilung des Führungsbegriffs ist die zwischen 1) Führung des Unterneh-mens (UnternehUnterneh-mensführung), 2) Führung der involvierten Menschen (Mitarbeiterführung bzw. Personalführung) und 3) Führung der eigenen Person (Selbstführung). Letzteres betrifft die persönliche Auseinandersetzung mit der Rolle als Führende:r, etwa dem Umgang mit Feedback, den eigenen Führungs- und Entscheidungsfähigkeiten oder mit dem persönlichen Zeitmanagement.47 Die Führung von Mitarbeiter:innen lässt sich wiederum in die Führung von Teams und in die Führung von Individuen (interpersonale Führung) unterteilen.48 Nach-stehende Abbildung 3 veranschaulicht die Abgrenzung der Führungsbegriffe. Grau hinter-legt sind diejenigen Bereiche, welche von dieser Arbeit berührt werden.

46 Vgl. Kaehler (2020), S. 54.

47 Vgl. Yukl (2013), pp. 14–18, p. 409.

48 Vgl. Yukl (2013), pp. 14–18.

Abbildung 3: Abgrenzung der Führungsbegriffe

In Anlehnung: an Yukl, G. (2013): Leadership in Organizations, 8th ed., Boston, p. 14–15.

In der Führungspraxis überschneiden sich meist die Führungsebenen Unternehmensführung, Personalführung und Selbstführung. So beeinflusst beispielsweise das Führen auf der Ebene der Gesamtorganisation automatisch auch alle Untereinheiten. Diese Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit der Führung von und durch Menschen. Daher werden hier die Begriffe

„Führung“ und „Personalführung“ synonym verwendet und im weiteren Verlauf zur Verein-fachung von „Führung“ gesprochen.

Die Führung von Teams unterscheidet sich von der Führung von Individuen im Wesentli-chen in der Verantwortungsabgabe seitens der Führungskräfte.49 Dies lässt schließen, dass sich Führung eher in der Art und Weise ihrer Umsetzung unterscheidet und weniger darin, ob sie am Team oder am Individuum ansetzt. Beispielsweise kann die Führungsaufgabe

„Mitarbeiter:in fördern“ auf Teamebene (z.B. in Sitzungen mit mehreren Teammitglieder:in-nen) oder auf individueller Ebene (z.B. im Zweiergespräch) umgesetzt werden. Umgekehrt, ob die jeweilige Aufgabe auf einzelne Mitarbeiter:innen aufgeteilt oder innerhalb eines Teams bearbeitet wird, hängt zumeist von der jeweiligen Aufgabe und dem Unternehmens-kontext ab. In dieser Arbeit geht es um die allgemeine Untersuchung von virtueller Führung, wobei das Individuum als Basis von Führung betrachtet wird.

49 Vgl. Kleinbeck, U. (2006): Das Management von Arbeitsgruppen, in: Schuler H. (Hrsg.): Lehrbuch der Personalpsychologie, 2. Aufl., Göttingen, S. 651–672, S. 661.

Führung von und in Unternehmen

Unternehmensführung Personalführung

Teamführung interpersonale Führung

Selbstführung

Personalführung und Personalmanagement

Der Unterschied zwischen Personalmanagement und Personalführung liegt in der Art der Beeinflussung, d.h. ob sie strukturell (über das Personalmanagement) oder personal (über die Personalführung) stattfindet. Zum Verantwortungsbereich des Personalmanagements zählen u.a. die Personalplanung, -beschaffung, -reduzierung, Entgeltgestaltung und strategi-sche Personalfragen.50 Bei der Personalführung steht „die direkte, persönliche und individu-elle Beziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeitern im Vordergrund“51.

Leadership und Management

Die Abgrenzung von Personalführung und Personalmanagement führt zur grundlegenden Diskussion um die Differenzierung zwischen Management und Leadership. Die Verbreitung des Managementbegriffs hat ihren Ursprung in den USA. Durch den Aufschwung von Groß-unternehmen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es notwendig, eine große An-zahl von ausgebildeten Fachkräften in ihrer produktiven Arbeit zu „managen“, woraus sich Manager:in als Beruf etablierte.52

Nach Schreyögg/Koch (2014) ist Führung eine von fünf Managementfunktionen neben Pla-nung, Organisation, Personaleinsatz und Kontrolle.53 Demnach versteht sich auch die Perso-nalführung als Teil des Personalmanagements. In der deutschen Literatur wird „Führung“

zumeist mit der Führung von Menschen (Personalführung) und „Management“ mit der Füh-rung des Unternehmens (UnternehmensfühFüh-rung) gleichgesetzt. In den Worten Yukls unter-scheidet sich Management und Führung in dem Aspekt der Einflussnahme: „Managers may be leaders, but only if they have this type of influence relationship“54. Drucker spricht davon, dass Menschen nicht „gemanagt“, sondern „geführt“ werden.55 Letztlich braucht ein erfolg-reiches Unternehmen immer beide Rollen. Für das vorliegende Untersuchungsziel, der Er-fassung der wahrgenommenen Führungsqualität im virtuellen Kontext, geht es um den di-rekten, persönlichen Einflussprozess zwischen Führungskraft und Geführten. Damit liegt der Fokus dieser Arbeit auf dem Begriff der Führung.

50 Vgl. Huf, S. (2020): Personalmanagement, Wiesbaden, S. 3–4.

51 Holtbrügge (2010), S. 207.

52 Vgl. Drucker (2009), S. 63.

53 Vgl. Schreyögg/Koch (2014), S. 8.

54 Yukl (2013), p. 7.

55 Vgl. Drucker (2009), S. 128.

Des Weiteren stellt sich die Frage, ob das englische Wort „Leadership“ das gleiche bedeutet wie die deutsche Übersetzung „Führung“. Häufig wird Leadership als „neueres“ Konzept im Vergleich zur „klassischen“ Führung genannt und im Zuge gesellschaftlicher Veränderun-gen mit weiteren Führungskonzepten ergänzt (z.B. Teamführung, kulturelle Führung, trans-formationale Führung).56 In diesem Zusammenhang wird auch häufig von „New Lea-dership“ gesprochen. In ihrer grundsätzlichen Bedeutung, der sozialen Einflussnahme, un-terscheiden sich die Begriffe Führung und Leadership kaum. Zur Vereinfachung werden in dieser Arbeit die Begriffe Führung und Leadership bzw. Führer:in und Leader:in synonym verwendet.

Zusammenfassend versteht sich Führung bzw. Personalführung als die zielbezogene Ein-flussnahme, welche im direkten Kontakt zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in statt-findet. Die hier verstandene Führung bezieht sich dabei auf die Ebene des alltäglichen Han-delns.57 Mit diesem Hintergrund erfolgt im Folgenden die Betrachtung der Personalführung im virtuellen Kontext, die „virtuelle Führung“.

2.2 Virtuelle Führung

2.2.1 Definition von virtueller Führung

Bevor es um die Definition von virtueller Führung geht, wird zunächst auf die Bedeutung von „Virtualität“ bzw. „virtuell“ eingegangen.

Wörtlich bedeutet „virtuell“ „entsprechend seiner Anlage als Möglichkeit vorhanden“ und

„nicht echt, nicht in Wirklichkeit vorhanden“58. Scholz (1994) versteht unter „Virtualität“

„[…] die Eigenschaft einer Sache, die zwar nicht real ist, aber dennoch in der Möglichkeit existiert […]“59, das heißt, in ihrer Wirkung oder Funktion der „realen“ Sache gleicht.

56 Vgl. Lang, R./Rybnikova, I. (2014): Aktuelle Führungstheorien und -konzepte: „Alter Wein in neuen Schläuchen?“, in: Lang, R./Rybnikova, I. (Hrsg.): Aktuelle Führungstheorien und -konzepte, Wiesbaden, S. 16–31, S. 16.

57 Vgl. Larsson, M./Lundholm, S. E. (2010): Leadership as Work-embedded Influence: A Micro-discursive Analysis of an Everyday Interaction in a Bank, in: Sage Publications, Vol. 6, Issue 2, p. 162.

58 Duden online (2021): Eintrag „virtuell“, https://www.duden.de/node/198732/revision/198768, 2. Mai 2021.

59 Scholz, C. (1994): Virtuelle Unternehmen – Faszination mit (rechtlichen) Folgen, in: JurPc, Nr. 2, S. 2927–

2935, S. 2927.

Demnach kann ein konkretes, physisch existierendes Objekt durch den Einsatz von „Zusatz-spezifikationen“ (z.B. digitalen Kommunikationsmitteln) „virtuell“ realisiert werden.60 Scholz bezieht sich bei seinen Überlegungen u.a. auf virtuelle Organisationen, die spezielle Formen von Organisationen darstellen. Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die Führungs-qualität in „realen“ Unternehmen zu untersuchen, weshalb virtuelle Organisationen nicht weiter betrachtet werden.

Eine weitere Definition von Virtualität geben Konradt/Hertel (2002). Sie beschreiben „Vir-tualität“ als eine von Computern zugänglich gemachte „elektronische Repräsentation“61. Demnach bedeutet die Virtualisierung der Arbeitswelt, „eine digitale Repräsentation von Inhalten und Strukturen zu entwickeln, bei der zunächst ein abstraktes Modell der realen Umgebung erzeugt und in Form einer digitalen Repräsentation umgesetzt wird“62. Inhalte und Strukturen, die sich virtuell nachahmen lassen sind z.B. Konferenzen, Gebäude, Pro-duktionsabläufe und Arbeitsgruppens.63

Aus den Definitionen von Scholz und Konradt/Hertel lassen sich zum Begriff Virtualität folgende Merkmale festhalten:

• „Virtualität“ bedeutet „nicht real“ und wird computergestützt, d.h. künstlich erzeugt.

• Virtualität repräsentiert einen bestimmten Ausschnitt der Wirklichkeit („elektroni-sche Repräsentation“).

• Virtualität ermöglicht die Erschaffung eines virtuellen Raumes.

• Um diesen virtuellen Raum zu nutzen, bedarf es bestimmter „Zusatzqualifikationen“

(u.a. digitale Medien).

In der Literatur aber auch im Alltag existiert eine Vielzahl an Bezeichnungen für „Virtuali-tät“ bzw. „virtuell“. Das Komplex der Begriffsvielfalt macht das Zitat von Woolgar (2002) deutlich: „In this usage, ‚virtual‘, like ‚interactive‘, ‚information‘, ‚global‘, ‚remote‘,

60 Vgl. Wald, P. M. (2014): Virtuelle Führung, in: Lang, R./Rybnikova, I. (Hrsg.): Aktuelle Führungstheorien und -konzepte, Wiesbaden, S. 355–386, 357–358.

61 Konradt, U./Hertel, G. (2002): Management virtueller Teams. Von der Telearbeit zum virtuellen Unterneh-men, Weinheim u.a., S. 13.

62 Konradt/Hertel (2002), S. 14.

63 Herrmann, D./Hüneke, K./Rohrberg, A. (2012): Führung auf Distanz. Mit virtuellen Teams zum Erfolg, 2.

Aufl., Wiesbaden, S. 257.

‚distance‘, ‚digital‘, ‚electronic‘ (or ‚e-‘), ‚cyber-‘, ‚network‘, ‚tele-‘, and so on, appears as an epithet applied to various existing activities and social institutions“64.

Grundsätzlich versteht sich Virtualität nicht als Gegenteil von Realität. Das Gegenteil von real wäre fiktiv (= erfunden). Virtuelle Führung versteht sich nicht als etwas Fiktives, son-dern sie existiert tatsächlich, ist also real. Der Begriff „virtuelle“ Führung stellt somit im wörtlichen Sinne ein Paradox dar, denn Führung als sozialen Einflussprozess, der zwischen

„echten“ Menschen stattfindet, kann nicht künstlich hergestellt werden. Die hier verstandene Führung ist also insofern „virtuell“, als dass sie unter virtuellen Bedingungen stattfindet.

Hierzu zählen die Standortverteilung und Standortunabhängigkeit der beteiligten Personen65 und ebenso, dass diese primär oder ausschließlich über computervermittelter bzw. virtueller Kommunikation miteinander interagieren.66 Aufgrund der irreführenden Bedeutung von

„virtuell“, als „nicht real vorhanden“ verwenden z.B. Konradt/Hertel die präzisere Bezeich-nung „telekooperativ“67.

Führung wurde hier grundsätzlich definiert als die absichtliche Einflussnahme zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in in Hinblick auf gemeinsame Ziele. Die Definition von vir-tueller Führung unterscheidet sich in der Definition von allgemeiner (Personal-)Führung le-diglich in dem Zusatz der virtuellen Kommunikation.68 Eine erste Definition geben Avo-lio/Kahai/Dodge (2001) unter der Bezeichnung „E-Leadership“ (Electronic-Leadership):

„E-leadership is defined as a social influence process mediated by AIT to produce a change in attitudes, feelings, thinking, behavior, and/or performance with indi-viduals, groups, and/or organizations.“69

Wesentliches Merkmal der virtuellen Führung ist, dass die Interaktion zwischen Führungs-kräften und Mitarbeiter:innen nicht über direkten face-to-face Kontakt erfolgt, sondern auf Basis von Informations- und Kommunikationstechnologien (engl. Advanced Information

64 Woolgar, S. (Ed.) (2002): Five rules of virtuality, in: Virtual society? Technology, cyberbo-le, reality, Ox-ford, a.o, p. 3.

65 Vgl. Picot et al. (2020), S. 126.

66 Vgl. Döring, N. (2013): Theorien der Computervermittelten Kommunikation, in: Kuhlen, R./Semar, W./Strauch, D. (Hrsg.): Grundlagen der praktischen Information und Dokumenta-tion, 6. Aufl., Berlin, S.

424–430, S. 428.

67 Konradt/Hertel (2002), S. 12–13.

68 Vgl. Wald (2014), S. 355–386, 358.

69 Vgl. Avolio, B. J./Kahai, S./Dodge, G. E. (2001): E-Leadership. Implications for Theory, Research, and

69 Vgl. Avolio, B. J./Kahai, S./Dodge, G. E. (2001): E-Leadership. Implications for Theory, Research, and