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Zu den Chancen der virtuellen Kommunikation zählen insbesondere die zeitliche und örtli-che Flexibilisierung. Die Herausforderungen der virtuellen Kommunikation beziehen sich vor allem auf die zwischenmenschliche Komponente. Nachstehende Tabelle 8 zeigt eine Auflistung möglicher Vor- und Nachteile der Nutzung von virtueller Kommunikation, wobei diese letztlich individuen- und kontextabhängig sind.

239 Vgl. Konradt/Hertel (2002), S. 88–89.

Chancen Herausforderungen

schnelle Verfügbarkeit von Informatio-nen und Zeitersparnis (z.B. E-Mail)

zeitliche Flexibilität im Abruf von Infor-mationen

Bessere Vorstrukturierung und Doku-mentation

Produktivitätssteigerung

größere Gleichberechtigung der Betei-ligten

erschwerte Koordination und Kommuni-kation (z.B. erhöhtes Risiko von Miss-verständnissen)

zeitlich verzögertes Feedback (je nach Medium)

Gefühle der Anonymität

reduzierte sozio-emotionale Signale

Tabelle 8: Chancen und Herausforderungen der virtuellen Kommunikation

Quelle: Hertel, G./Konrad, U. (2007): Telekooperation und virtuelle Teamarbeit, München, S. 75–76.

Der Aspekt der „Gleichberechtigung“ bezieht sich auf die mögliche Reduzierung von Vor-urteilen, da über computergestützten bzw. virtueller Kommunikation Effekte wie Status, Herkunft, hierarchische Position im Unternehmen ausgeblendet werden können.240

Die in Tabelle 8 aufgelisteten Chancen und Herausforderungen wirken sich auf die Interak-tion zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:innen aus. Die reduzierte Anzahl der genutzten Kommunikationskanäle und der reduzierte persönliche Kontakt können die Koordination untereinander erschweren. Zeitlich verzögertes Feedback kann zu Missverständnissen und Konflikten führen und Gefühle der Anonymität können den Vertrauensaufbau und die Iden-tifikation behindern. Die größte Herausforderung virtueller Kommunikation wird in der Re-duktion sozio-emotionaler Informationen gesehen, die nonverbal über Emotionen, Mimik und Gestik kommuniziert werden und Wünsche und Bedürfnisse ausdrücken.241

Der Aspekt des Vertrauens findet in der Literatur zu virtueller Kommunikation besondere Aufmerksamkeit und wird als eine wesentliche Herausforderungen in der Nutzung virtueller Kommunikationskanäle genannt. Vertrauen wird als eine wichtige Komponente der Zusam-menarbeit betrachtet, das den Aufbau von Commitment und Kohäsion sowie die Entwick-lung von Innovationen fördert.242 Im Zusammenhang mit virtueller Kommunikation wird zumeist davon ausgegangen, dass der Vertrauensaufbau ohne physischen Kontakt

240 Vgl. Hertel, G./Konradt, U. (2007): Telekooperation und virtuelle Teamarbeit, München, S. 75.

241 Vgl. Hertel/Konradt (2007), S. 75.

242 Vgl. Henttonen, K./Blomqvist, K. (2005): Managing distance in a global virtual team. The evolution of trust through technology-mediated relational communication, in: Strategic Change, Vol. 14, Issue 2, pp.

107–119, p. 108.

Kommunikation eingeschränkt ist.243 In der Literatur herrschen unterschiedliche Auffassungen des Vertrau-ensaufbaus im virtuellen Kontext. Handy (1995) etwa spricht von „trust needs touch“ und betont, dass der physische Kontakt wesentlich für den Aufbau und Erhalt einer vertrauens-vollen Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in ist.244 Hentto-nen/Blomqvist (2005) dagegen finden heraus, dass Vertrauen auch im virtuellen Kontext aufgebaut werden kann, auch wenn dies unter schwierigeren Bedingungen stattfindet.245 Darüber hinaus beeinflusst die kulturelle Herkunft der Beteiligten den Prozess der Vertrau-ensbildung.246 Wie „gut“ oder „schlecht“ ein vertrauensvolles Arbeitsklima im virtuellen Kontext aufrechtzuerhalten ist, ist bis dato in der Literatur nicht vollständig geklärt. Konsens besteht darin, dass der Vertrauensaufbau ohne physischen Kontakt zumindest anders statt-findet und eine Herausforderung für Führungskräfte darstellen kann. In Bezug auf die Füh-rungspraxis sprechen Henttonen/Blomqvist (2005) diesbezüglich von handlungsbasiertem Vertrauen, welches z.B. durch das Einhalten von Versprechen und dem Erfüllen der gesetz-ten Ziele entsteht.247

Ferner sind in der Anwendung der neuen Medien die rechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, insbesondere bezüglich des Datenschutzes und der Urheberrechte. Mit den moralischen Folgen der Digitalisierung beschäftigen sich Teilbereiche der Ethik u.a. die Technik- und Informationsethik und Wirtschaftsethik („Digital Corporate Responsibi-lity“248). Der Begriff „Digital Corporate Responsibility“ bezieht sich überwiegend auf die Sicht der Verbraucher:innen, wobei etwa Datensicherheit ebenso die betriebsinternen Be-schäftigten betrifft. Auf die ethischen Fragen zur Digitalisierung von Kommunikationspro-zessen kann hier nur am Rande eingegangen werden und würde vom Ziel der vorliegenden Arbeit abweichen.

243 Vgl. Gallenkamp, J. et al. (2010): Die Dynamik von Führung, Vertrauen und Konflikt in virtuellen Teams, in: Gruppendynamik und Organisationsentwicklung, 41. Jg., Nr. 4, S. 289–303, S. 295.

244 Vgl. Handy, C. (1995): Trust and the virtual organization, in: Harvard Business Review, Vol. 73, Issue 3, pp. 40–50, p. 46.

245 Vgl. Henttonen, K./Blomqvist, K. (2005), p. 115.

246 Vgl. Gallenkamp, J. et al. (2010), S. 296.

247 Vgl. Henttonen, K./Blomqvist, K. (2005), p. 117.

248 Vgl. Thorun, C. (2018): Corporate Digital Responsibility. Unternehmerische Verantwortung in der digita-len Welt, in: Gärtner, C./Heinrich, C. (Hrsg.): Fallstudien zur Digitadigita-len Transformation. Case Studies für die Lehre und praktische Anwendung, Wiesbaden, S. 173–191, S. 176–177.

5 Zusammenfassung der Theorieerkenntnisse und Herleitung der Hypothesen

Im Folgenden werden die zentralen theoretischen Erkenntnisse zusammengefasst und daraus die Hypothesen abgeleitet, welche dann anhand der empirischen Daten überprüft werden.

Führung im Sinne der Personalführung wurde definiert als sozialer Einflussprozess der Füh-rungskraft auf die Geführten in Hinblick auf gewisse Ziele. In der vorliegenden Arbeit wird Führung auf der Ebene der direkten, alltäglichen Interaktion zwischen Führungskraft und den zu führenden Mitarbeiter:innen untersucht. Die Qualität von Führung und ihre Messung ist zentrales Erkenntnisinteresse der Führungsforschung und der entwickelten Führungsthe-orien. Führungsqualität wurde hier definiert als der Grad der Befähigung der Führungskraft, ihre Führungsrolle wirksam auszuführen. Sie misst sich an der wirksamen Umsetzung der Führungsaufgaben. Die Identifikation der essentiellen Aufgaben einer personalen Führungs-kraft ist komplex und abhängig vom Führungsverständnis des Autors/der Autorin. Eine Ana-lyse ausgewählter Autoren ergab im Konsens folgende Kernaufgaben, die eine Führungs-kraft in der alltäglichen Interaktion mit ihren Mitarbeiter:innen im Wesentlichen ausführt:

1. Zielsetzung

2. Delegation Lokomotionsfunktion 3. Feedback

4. Vertrauen

5. Sinnstiftung Kohäsionsfunktion 6. Förderung

Führung und die Umsetzung der Führungsaufgaben erfolgt über Kommunikationsprozesse.

Kommunikation wird auch als das zentrale Führungsmittel bezeichnet. Grundsätzlich ver-steht sich Kommunikation als der Austausch von Informationen zwischen einem Sender/ei-ner Senderin und (mindestens) einem Empfänger/eiSender/ei-ner Empfängerin. Informationen bezie-hen sich dabei sowohl auf die Sachebene (Wissen, Fakten etc.), als auch auf die Beziehungs-ebene (Gefühle, Emotionen etc.).

Die Grundlagenforschung zu Personalführung betrachtet den Führungseinfluss zum einen unter den Bedingungen der herkömmlichen Arbeitsweise, d.h. dass Führungskraft und Mit-arbeiter:in grundsätzlich am selben Dienstort tätig sind (potentielle Präsenz). Zum anderen

wird angenommen, dass Führung den persönlichen Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in benötigt (tatsächliche Präsenz). Hieraus wurden folgende Hypothesen abge-leitet:

H1a: Je geringer die potentielle Präsenz, desto weniger zufrieden sind die Mitarbei-ter:innen mit der Führungsqualität ihrer Führungskraft.

H1b: Je höher die tatsächliche Präsenz, desto zufriedener sind die Mitarbeiter:innen mit der Führungsqualität ihrer Führungskraft.

„Virtuell“ führen heißt, die Mitarbeiter:innen ohne physischen Kontakt und über virtuelle Kommunikationskanäle zu führen. Die gängigsten digitalen Medien im Führungsprozess sind Video- und Audiokonferenzen, Chats und E-Mails. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf den synchronen Kommunikationsmedien.

Die wesentlichen Merkmale des virtuellen Führungskontextes sind 1) das Führen auf Dis-tanz, 2) das Führen unter dem Einsatz digitaler Medien und 3) Das Führen mit neuen Bezie-hungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in aufgrund des fehlenden physischen Kon-takts.

Nach aktuellem Kenntnisstand ist sich die Forschung einig, dass die Einflussnahme der Füh-rungskraft auf die Mitarbeiter:innen über virtuelle Kommunikationskanäle zumindest anders verläuft als im direkten persönlichen Kontakt. Nach den Theorien der rationalen Medien-wahl (Media Richness-Theorie und Media Synchronicity-Theorie) wird davon ausgegangen, dass der Einsatz eines digitalen Kommunikationsmediums im Vergleich zur face-to-face In-teraktion eine gewisse Reduktion nonverbaler Botschaften mit sich bringt und daher die Auswahl des Mediums entscheidend für die Effektivität der Kommunikation ist. Nach der Media-Richness-Theorie gilt: Je komplexer die Situation, desto reichhaltiger sollte das Me-dium sein. Die Synchronizität eines MeMe-diums hängt vom Grad der Parallelität sowie davon ab, wie schnell Rückmeldungen möglich sind. Nach der Media-Synchronicity-Theorie gilt:

Je komplexer die Situation, desto höher sollte die Synchronizität eines Mediums sein. Aus diesen beiden Theorien lässt sich folgende Hypothese ableiten:

H2: Je dichter die virtuelle Kommunikation, desto weniger zufrieden sind die Mitar-beiter:innen mit der Führungsqualität ihrer Führungskraft.

Zusätzlich zu den Hypothesen 1 und 2 wurden zwei weitere Annahmen aufgestellt, die an-hand der erhobenen Daten überprüft werden.

H3: Je älter die Mitarbeiter:innen, desto weniger zufrieden sind sie mit der Führungs-qualität ihrer Führungskraft.

H4: Diejenigen Personen, die gegenüber der virtuellen Kommunikation positiv einge-stellt sind, sind auch zufriedener mit der Führungsqualität.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszufinden, inwiefern der Präsenzgrad einerseits und der Einsatz von virtueller Kommunikation andererseits die Zufriedenheit mit der Führungs-qualität aus Sicht der Mitarbeiter:innen beeinflussen. Die Hypothesen 3 und 4 untersuchen das Alter der Befragten und die Einstellung zu virtueller Kommunikation als weitere mögli-che Einflussfaktoren auf die wahrgenommene Führungsqualität. Im nachfolgenden Ab-schnitt erfolgt die Erläuterung des methodischen Vorgehens sowie die Erhebung und Aus-wertung der empirischen Daten.

6 Empirische Untersuchung

Der empirische Teil der vorliegenden Arbeit gliedert sich in drei Schritte: erstens der zeptionalisierung des Forschungsvorhabens (Operationalisierung der theoretischen Kon-strukte, Wahl der Erhebungsmethode, Beschreibung des Untersuchungsdesigns und des Ab-laufs der Befragung), zweitens der Aufbereitung der erhobenen Daten und drittens der Da-tenauswertung (deskriptive Analyse, Hypothesenprüfung).