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Oh du glückliches Lothringen!

4 DIE BEWERBER

4.1 Oh du glückliches Lothringen!

Tatsächlich war Kaiser Karl VI. einst nicht abgeneigt seine erstgeborene Tochter Maria Theresia nach Spanien zu verheiraten. Die Gattin des spanischen Infanten Don Carlos, später auch Kaiser Karl III. von Spanien genannt, hätte sie werden sollen. Es schien für den Kaiser eine sehr verlockende Angelegenheit zu sein, die spanische und habsburgische Krone zu verbinden, doch wurde auch ihm zuletzt klar, dass ein solches Heiratsbündnis eher das Hause Bourbon als das Hause Habsburg begünstigen würde.87 Duller ergänzt, dass der spanischen Seite durch eine Heirat alle mit Mühe erzielten Errungenschaften Habsburgs zuteile werden würden. Weiters entkräftet Duller die These Kretschmayrs, und tatsächlich geht auch Ramshorn davon aus88, der Kaiser wäre von der Verbindung zunächst angetan gewesen. Sie halten nämlich fest, Karl VI. hätte die Erlaubnis jener Ehe nie erteilt.89

Ramshorn baut weiter aus, dass es die spanische Königin Elisabeth war, die zu jener spanisch-österreichischen Ehe drängte. Sie soll sogar alle möglichen Geschütze aufgefahren haben, um die Vermählung zum heißersehnten Abschluss zu bringen. Als Kaiser Karl VI. am Ende trotz zugesprochener Hoffnung nicht einwilligte, soll sie ihren tiefen Hass gegen Österreich zu erkennen gegeben haben.

Überdies fügen Carl Ramshorn und Heinrich Kretschmayr hinzu, dass die habsburgische Erbtochter einem weiteren Kronprinzen, nämlich dem Preußischen Friedrich II., die Hand

85 Vgl. STOLLBERG-RILINGER B., Maria Theresia - Die Kaiserin in ihrer Zeit: Eine Biographie. S. 26 u. 27.

86 HENNINGS F., Und sitzet zur linken Hand (...). S. 37.

87 Vgl. KRETSCHMAYR H., Maria Theresia. S. 20.

88 Vgl. RAMSHORN C., Maria Theresia und ihre Zeit. S. 32.

89 Vgl. DULLER E., Maria Theresia und ihre Zeit. Band 1, S. 31.

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reichen sollte. Jene eheliche Verbindung wäre vorteilhaft gewesen, hätte man allen europäischen Beziehungen eine neue Grundlage90 geben wollen. Das mangelnde Interesse seitens Karls an jener Ehe sei der Grund gewesen, jegliche Pläne dahingehend zu verwerfen.91 Blickt man wie Hennings auf die gegnerische Seite, so war sich Herzog Leopold von Lothringen, anders als Karl VI., seit jeher einer Sache klar, nämlich der, das Hause Lothringen erneut mit dem habsburgischen zu vereinen. Aus dem Geschriebenen geht auch hervor, dass dahingehend bereits in der Vergangenheit Versuche unternommen wurden. Im Jahre 1699 wandte sich Kaiser Joseph I. bereits an Leopold und äußerte den Wunsch, seine Tochter mit seinem Sohne zu vermählen, um die gemeinsame Freundschaft erneuern zu können. Der Tod des Prinzen verwarf jedoch jegliches Kalkül. 1711 war es dann wiederum Leopolds Ansuchen, welches den Stein erneut ins Rollen brachte. Laut Hennings war Leopold dezidiert gewollt, seinen Sohn Ludwig mit der Prinzessin Josephs zu vermählen92:

„Da bot im Jahre 1711 Herzog Leopold seinerseits Kaiser Joseph I. seinen nächstgeborenen Sohn Ludwig als Bräutigam für dessen ältere Tochter an. Kurz darauf starb auch dieser siebenjährig an den Blattern. Auch Kaiser Joseph I. erlag dieser furchtbaren Seuche."93

Dem sei nur kurz angemerkt, tatsächlich verlor das lothringische Herrscherpaar im Mai 1711 drei ihrer Kinder an die Krankheit94.95

Um auf das Zitat zurückzugreifen, ist nachdrücklich festzuhalten, dass Recherchen im Rahmen der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit ergeben haben, dass Herzog Leopold von Lothringen keinen Nachkommen mit den Namen Ludwig verzeichnet, lediglich von einem Louis ist die Rede, der im Jahre 1711 im Alter von sieben Jahren verstarb.96

90 Auch eine allgemeine Literatur-Zeitung aus dem Jahre 1834 geht davon aus, wäre Maria Theresia diese Bindung eingegangen, hätte sich Friedrich als Erschaffer eines einigen Deutschlands etabliert. Deutschland wäre zu einem gewaltigen Reich aufgestiegen (vgl. Aut. PREUß J. D., Friedrich der Große: Eine Lebensgeschichte.

in: Jenaische allgemeine Literatur-Zeitung, S. 46).

91 Vgl. RAMSHORN C., Maria Theresia und ihre Zeit. S. 32 u. vgl. KRETSCHMAYR H., Maria Theresia. S.

46.

92 Vgl. HENNINGS F., Und sitzet zur linken Hand (...). S. 35 u. 36.

93 Ebd. S. 36.

94 Die Infektionskrankheit Variola, auch Pocken oder Blattern genannt, machte sich seit Anfang des 18.

Jahrhunderts seuchenartig in Europa breit. Die Krankheit galt an erster Stelle als Kinder- und Jugendkrankheit und stellte sogar die tödlichen Ausmaße der Pest in den Schatten. Berechnungen zufolge erlagen in bestimmten Jahren weltumspannend 400.000 Menschen der schrecklichen Epidemie (vgl. HAUPT H., Ein Herr von Stand und Würde: Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657 - 1712), Mosaiksteine eines Lebens. S. 250 u.

350).

95 Vgl. HENNINGS F., Und sitzet zur linken Hand (...). S. 35.

96 Vgl. http://www.saarland-biografien.de/Lorraine-Leopold-I-de (Einstieg am: 10.04.2018).

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Am Ende war es also, wenn auch durch weitere Umwege, das Hause Lothringen, dass das Rennen um die Erzherzogin für sich entscheiden konnte, welches zudem noch verschwägert97 mit der habsburgischen Dynastie war.98

Der Vater Maria Theresias, Karl VI. und der Vater Franz Stephans, Leopold, waren laut Badinter Cousins (sie wuchsen auch gemeinsam in Wien auf), demnach handelte es sich bei dem Ehepaar um Cousins zweiten Grades.99 Wiederum gegen die Theorie Badinters spricht ein Artikel aus dem Jahre 1932 in der Zeitung Neue Freue Presse, in der es unmissverständlich heißt:

„Unter den regierenden Häusern, deren Mitglieder eine Verbindung mit der Kaisertochter anstrebten, stand an erster Stelle das Haus Lothringen. Schon deshalb, weil die Mutter des regierenden Herzogs [damit gemeint Leopold] eine Schwester Karls VI. war und der Herzog auch selbst am österreichischen Hofe zu Wien erzogen worden war."100

Die Recherchen bezüglich des habsburgischen Stammbaumes ergeben nichts annähernd Vergleichbares und bekräftigen im Gegenteil Badinters Behauptung, die Väter des Paares wären Cousins gewesen.

Um sich der Familienverhältnisse auch visuell bewusst zu werden dient ein Stammbaum (siehe Abbildung 2) als unterstützender Informationsträger. Daraus geht hervor, dass Leopold I. und Eleonore Maria Josepha, beide die Kinder des KS. Ferdinand III., denkrichtig, Geschwister waren (siehe Abbildung 2 gelb). Ausgehend davon kann es demnach nur sein, dass deren Kinder KS. Karl IV. und HZ. Leopold von Lothringen Cousins ersten Grades waren (siehe Abbildung 2 grün). Nun ergibt sich, dass wiederum deren Kinder, KGN. Maria Theresia und KS. Franz I. Stephan Cousins zweiten Grades waren (siehe Abbildung 2 blau).

Auch die Worte Dullers bestätigen genau dies:

„Dieser Herzog Karl [damit gemeint Karl V.] (...), war der Gatte von Kaiser Karls VI.

Tante, von Leopolds I. Schwester Eleonore."101

97 Der Vater Maria Theresias, Karl und der Franz Stephans, Leopold waren Cousins (sie wuchsen auch gemeinsam in Wien auf), demnach handelte es sich bei dem Ehepaar um Cousins zweiten Grades (vgl.

BADINTER E., Maria Theresia: Die Macht der Frau. S. 41), eine weitere Quelle belegt ebenfalls eine nahe Verwandtschaft der beiden Häuser, Urverwandtschaftsforschungen sollen sogar einen gemeinsamen Stammvater ergeben haben (vgl. AELSCHKER E., Maria Theresia vor ihrer Thronbesteigung. S. 33).

98 Vgl. STOLLBERG-RILINGER B., Maria Theresia - Die Kaiserin in ihrer Zeit: Eine Biographie. S. 27.

99 Vgl. BADINTER E., Maria Theresia: Die Macht der Frau. S. 41.

100 Chefred. STERNBERG J., Red. GRÄFIN CLANZEL Y., Maria Theresias Vermählung. in: Neue Freie Presse, S. 12.

101 DULLER E., Maria Theresia und ihre Zeit. Band 1, S. 32.

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Abbildung 2: Stammbaum Habsburg (-Lothringen) fünf Generationen. Aufzeigen des Verwandtschaftsverhältnis zwischen Maria Theresia und Franz I. Stephan.

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Eine weitere Quelle belegt ebenfalls eine nahe Verwandtschaft der beiden Häuser.

Urverwandtschaftsforschungen sollen sogar einen gemeinsamen Stammvater ergeben haben.102

Doch im Hause Habsburg waren seit jeher eheliche Verbindungen zwischen nächsten Verwandten keine Seltenheit und dies obwohl die klerikalen Ehegesetze unmissverständlich Ehen zwischen Familienmitgliedern bis hin zum vierten Grad untersagten. So geschah es auch, dass die durch die Pragmatische Sanktion enterbten Töchter Joseph I. (siehe dazu Punkt 2) mit Heiraten innerhalb der Dynastie (genauer: mit Maria Theresias Sohn) ihren Ausschluss vom Erbe aufhoben.103