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Franz Stephan aus dem Hause Lothringen - Fluch oder Segen?

5 MARIA THERESIA VON ÖSTERREICH UND FRANZ STEPHAN VON

5.2 Das Ehegeschehen

5.2.2 Franz Stephan aus dem Hause Lothringen - Fluch oder Segen?

Mit Hennings Worten lässt sich dieses Unterkapitel ideal einleiten:

„(...) Er habe sich zwar die Gnade des Kaisers ziemlich erworben und sich allseits beliebt gemacht; es stehe jedoch dahin, ob es ihm gelingen würde, diese Beliebtheit Jahre hindurch zu erhalten."204

Ein Zeitungsartikel aus dem Jahre 1864 singt ein Loblied auf Franz Stephan. So habe er das Herz Karl VI. und seiner Gattin bereits im zarten Alter von fünfzehn im Sturm erobert.

Überdies wird er als äußerst klug, aufrichtig und mutig beschrieben. Die Leitung der Finanzen

200 Vgl. HENNINGS F., Und sitzet zur linken Hand (...) S. 313.

201 Kretschmayr geht davon aus, dass der berühmte Satz, Liebe Fürstin, wir haben beide viel verloren, den Maria Theresia am Todestag ihrer Rivalin gegenüber aussprach, Hinweis darauf ist, dass es Gerüchte waren und bleiben. (vgl. KRETSCHMAYR H., Maria Theresia. S. 172) Interpretationssache, denn wieder andere Literatur verweist hierbei erneut auf die Güte und das Mitgefühl der Regentin, da sie wusste, dass der Verlust des Kaisers sie beide betraf (vgl. BIEDERMANN K., Deutschlands Geistige, sittliche und gesellige Zustände. Erster Teil:

Bis zur Thronbesteigung Friedrich des Großen (1740). S. 158).

202 Vgl. KRETSCHMAYR H., Maria Theresia. S. 172.

203 Vgl. http://www.habsburger.net/de/kapitel/franz-stephan-im-schatten-maria-theresias (Einstieg am:

08.04.2018)

204 HENNINGS F., Und sitzet zur linken Hand (...) S. 67.

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verstand er besser als die Kriegsführung und die Ehe basierte auf ehrbarer Liebe zu seiner Frau.205

Eine Hochschulschrift der Universität Wien greift ebenfalls das finanzielle Geschick des Herzogs auf und spricht davon, dass er unberechtigterweise am Hofe verkannt gewesen sei.

Als Maria Theresia ihren vielgeliebten Franz Stephan im März 1755 das Schloss Hof als Geschenk präsentierte, war jener ganz zugetan.206 Wichtig an dieser Stelle anzumerken ist, dass nicht nur das gefolgt zitierte Werk eindeutig vermerkt, Franz Stephan persönlich hätte das Schloss erstanden, sondern auch mehrere an dieser Stelle aber nicht angeführte.207

Das aus einer weiteren Quelle entnommene Zitat, lässt hingegen Zweifel aufkommen:

„Der Kaufvertrag für »Hof an der March, Niederweiden, Markt Witzelsdorf und Dorf Groissenbrunn« abgeschlossen zwischen dem Herzog von Sachsen-Hildeburghausen und Maria Theresia, datiert vom 12. März 1755."208

Um auf das Wesentliche zurückzukommen, muss erneut Franz Stephans finanzielles Händchen zur Sprache kommen. Neben dem, dass er noch vor Maria Theresias politischer Laufbahn, im Jahre 1732, zum Statthalter von Ungarn ernannt wurde, sorgte er mitunter auch dafür, dass Schloss Hof auch wirtschaftlichen Einsatz fand. Weiters erwarb er hinuntergewirtschaftete Waren und schlug daraus, durch lukrative Ansätze, wie zum Beispiel durch ausgeklügelte Mitarbeiterführung, erneut Gewinn. Auch Spekulationen an der Börse und die Geldmarktgeschäfte Venedigs, Genuas und Amsterdams reizten ihn. Laut jener Quelle wusste Maria Theresia um das Zahlengeschick ihres Gatten Bescheid und war daher beruhigt, es in seinen Händen zu wissen. Bis zu seinem Tod 1765 soll Franz Stephan ein immenses Privatvermögen, es wird auf 17 Millionen Gulden geschätzt, erfasst haben. Im Jahre 1763 soll er sich sogar als führende Persönlichkeit der Staatsschuldentilgung angenommen haben.209

Auch aus Dullers Werk lässt sich diesbezüglich entnehmen, dass Maria Theresias Gatte durch sogenannte Ersparungssysteme pro Jahr um die 12 Millionen Gulden erwirtschaftet hat,

205 Vgl. Hrsg. Paulusvereine zu Graz, Red. HEBENSTREIT Al., Die Kaiserin Maria Theresia in ihren Bedrängnissen. in: Katholischer Wahrheitsfreund, S. 237.

206 Vgl. KAMLANDER Sophie Theres, Schloss Hof unter Kaiser Franz II./I. im Kontext der zeremoniellen Nutzung. Diplomarbeit der Universität Wien, Wien: o. V., 2013, S. 28.

207 Vgl. RITTERBAND Charles, Dem Österreichischen auf der Spur: Expeditionen eines NZZ-Korrespondenten.

Wien: Böhlau Verlag, 2010, S. 279.

208 ZEDINGER R., Franz Stephan von Lothringen (1708-1765): Monarch, Manager, Mäzen. S. 229.

209 Vgl. KAMLANDER S. T., Schloss Hof unter Kaiser Franz II./I. im Kontext der zeremoniellen Nutzung. S. 28 - 30.

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welche wiederum vom Krieg verschlungen wurden. Nicht unerwähnt bleibt, dass Maria Theresia in jener Angelegenheit ihren Ehemann vollste Handlungsfreiheit einräumte.210 Einer weiteren Quelle nach zu urteilen, die ebenfalls seine

hervorragenden Eigenschaften als Ökonom lobt, kann man auch davon ausgehen, dass Franz Stephan große Interessen bezüglich der Kunst, der Forschung und der Münzkunde hegte. Dies beweist sogar ein Ölgemälde seiner Person, welches ihn als Wissenschaftler abbildet (siehe Abbildung 5).211

Ein Journalartikel in der wissenschaftlichen Zeitschrift Der Globusfreund druckt, dass Franz Stephan von Lothringen sogar ein äußerst wertvolles Paar Coronelli-Globen nach Wien gebracht hätte. Weiters wird seine naturwissenschaftliche Offenheit erneut untermauert.212

Abbildung 5: Franz Stephan als Wissenschaftler

Auch Ramshorn schwärmt über die Brillanz seines Charakters. Mit seiner reizenden Wesensart bezirzte er die Kaiserfamilie. Karl VI. ernannte ihn sogar kurzerhand zum Oberfeldherrn, wobei er Kriegsschauplätze stets aus verschiedensten Gründen verlassen musste.213

Mit äußerster Diskretion und vollstem Respekt gegenüber seiner Person wird minimal Kritik geübt. So verweist die Quelle auf eine Gewichtszunahme im Laufe der Jahre:

„Über Franz Stephan´s schöne Persönlichkeit ist schon früher geredet worden, nur muß dem hier noch beigefügt werden, daß er in den späteren Jahren seines Lebens etwas corpulent (sic!) wurde und, weil er den Kopf sehr nach vorn hielt, etwas gebückt erschien."214

210 Vgl. DULLER E., Maria Theresia und ihre Zeit. Band 3, S. 321.

211 Vgl. Hrsg. Forschungsstelle für Personalschriften, Aut. GRIEMERT A., Franz I. Stephans Leichenpredigten als Medien theresianischer Erinnerungspolitik – Da er bestimmt war ein Vater eines [. . . ] Joseph zu seyn. in:

Leben in Leichenpredigten, S. 2 u. 3.

212 Vgl. WAWRIK Franz, HÜHNEL Helga, Das Globenmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek. in : Der Globusfreund, Wissenschaftliche Zeitschrift für Globenkunde, Wien: International Coronelli Society for the Study of Globes, Nr. 42, Jänner 1994, S. 5.

213 Vgl. RAMSHORN C., Maria Theresia und ihre Zeit. S. 32, 33, 41.

214 Ebd. S. 519.

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Aktuelle Literatur steht jenen Ehrenbezeugungen mehr als kritisch und kontrovers gegenüber.

Am Hofe, so Stollberg-Rilinger, war der Kaiser alles andere als beliebt. So galt er, gänzlich kontrovers zu bereits Geschildertem, als gebrechlich, ohne Arbeitswillen, ängstlich und unentschlossen und nervenschwach hinsichtlich ihm auferlegter Aufgaben. Preislich zu minderwertige Präsente215 anlässlich der Vermählung und das nicht rechtzeitige Zeugen - und im Zuge dessen lange Ausbleiben - von männlichen Nachkommen verstärkte den Unmut des Hofes. Jede noch so kleine Schwäche seitens Franz Stephan wurde auf die Waagschale gelegt und uferte in massive Geringschätzung aus. Auch Karl VI. sei bereits in äußersten Missmut hinsichtlich seines Schwiegersohnes verfallen.216

Selbst Badinter äußert sich dahingehend kritisch. Sie vermerkt, dass Karls anfänglich überschwängliche Begeisterung gegenüber Franz Stephan mehr Schein als Sein gewesen sei, da er keineswegs Bemühungen anstellte, ihn überhaupt am Wiener Hofe zu behalten. Das lag nicht zuletzt daran, dass Maria Theresias Vermählung kurzzeitig in den Hintergrund rückte, da seine Gattin abermals schwanger war und er somit nach wie vor auf einen männlichen Erben hoffte, was sich aber als vergebens herausstellte.217

Dagegen sprechen wiederum Ramshorns Worte, der 1861 schrieb, dass als Kaiser Karl VI. im Oktober 1740 im Sterben lag, er Franz Stephan noch persönlich den Segen erteilte.218 Ein weiteres, bereits zitiertes Magazin druckt 1842, dass Karl VI. Franz Stephan wie seinen eigenen Sohne erzog und er ihn auf all seinen Reisen begleiten durfte.219 Darüber hinaus sollen laut einer weiteren, jedoch aktuelleren Quelle Tagebuchaufzeichnungen die Wertschätzung des Kaisers gegenüber Franz Stephan beweisen.220

Überdies schien Franz Stephan, im Gegensatz zu seiner späteren Gattin zwischenmenschlich gehemmt zu sein. Öffentliche Auftritte wusste er, so gut es ging, zu meiden und offizielle Reden lagen ihm nicht221. Sein konfliktvermeidendes Verhalten gegenüber seiner Frau stellte ihn darüber hinaus noch weiter ins Abseits, da ihm angelastet wurde er würde die Verkehrung

215 Aus der bereits zitierten Hochschulschrift geht hervor, dass seine von Kindheit her ruhende Notlage in Sachen Geld ihn zu einem sparsamen jungen Mann erzogen, womit das Bild am Hofe, er wäre eine geizige Persönlichkeit gewesen, ihm ungerechtfertigt nachgesagt wurde (vgl. KAMLANDER S. T., Schloss Hof unter Kaiser Franz II./I. im Kontext der zeremoniellen Nutzung. S. 29, auch Hennings schreibt, dass ihm sein Vater Leopold nach seinem Tode um die neun Millionen Livres an Schulden hinterließ (Vgl. HENNINGS F., Und sitzet zur linken Hand (...) S. 34 u. 118).

216 Vgl. STOLLBERG-RILINGER B., Maria Theresia - Die Kaiserin in ihrer Zeit: Eine Biographie. S. 61 u. 62.

217 Vgl. BADINTER E., Maria Theresia: Die Macht der Frau. S. 44.

218 Vgl. RAMSHORN C., Maria Theresia und ihre Zeit. S. 46.

219 Vgl. Hrsg. Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse, Red. WEBER J., Maria Theresia, deutsche Kaiserin. in: Das Pfennig-Magazin für Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse, S. 121.

220 Vgl. EGGHARDT H., Maria Theresias Männer: Ihre Lieben, ihre Ratgeber und die Stützen ihres Throns. S.

10.

221 Kretschmayr spricht dem Erzherzog jedoch eindeutig die Eigenschaften vital und redegewandt gewesen zu sein zu (vgl. KRETSCHMAYR H., Maria Theresia. S. 37).

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der geschlechterbezogenen Rangordnung widerstandslos hinnehmen. Die stets ihn bevormundende222 Maria Theresia verminderte sein Ansehen um ein Vielfaches.223

„Franz Stephan musste mit der Tatsache leben, dass er bei Hof der Schwächere war."224

Badinter ergänzt mit ihrem Werk, dass die Hofgesellschaft nach der Vermählung nahezu selbstverständlich davon ausging, dass Maria Theresia von ihrer erlangten Erbmacht keinen wesentlichen Gebrauch machen würde und, wie es nun mal Usus war, die Zügel ihrem Gemahl in die Hände legen würde. Doch die Erzherzogin verzichtete nicht darauf zu regieren.225

Ramshorn greift auch in seinem Werk jene die Unbeliebtheit betreffende Vorwürfe auf, erörtert sie aber ein weiteres Mal auf eine taktvoll und schonendende Art und Weise. So schreibt er, dass das öffentliche Klima Österreichs hinsichtlich Franz Stephan anfänglich gegen ihn war. Ein Standpunktwechsel jener Ansätze fand aber kurz darauf statt, welches mit Zuneigung, Wertschätzung, Verehrung und Liebe gleichzusetzen war. Schließlich liebte ihn das Volk seiner Ehrlichkeit wegen.226

Wer denkt, Eduard Duller würde den Worten Ramshorns gleichziehen, der täuscht sich. Er verweist zwar, ebenfalls sehr vorbildlich, auf das ansehnliche Wesen des Kaisers, konnotiert jene Aussage jedoch mit einem großen „Aber". Er weist, wie bereits andere Quellen in dieser wissenschaftlichen Arbeit bereits angeführt haben, abermals auf seine kraftlose und schlappe Herangehensweise an Dinge hin und ergänzt dazu:

„Überdies hatte sich nicht bloß die öffentliche Meinung von ihm abgewandt, sondern auch bei Hof war seine Stellung eine sehr ungünstige geworden. Der hohe Adel betrachtete ihn als einen Fremdling."227

222 Generell muss festgehalten werden, dass auch ältere Quellen beweisen, dass Franz Stephan stets im Schatten seiner Ehefrau stand. „Nach dem Tode ihres Vaters (...) bestieg sie den Thron der österr. Monarchie, worauf sie (...) ihren Gemahl als Mitregenten annahm, doch ohne demselben jemals einen namenhaften Einfluß einzuräumen." (Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände: Conversations-Lexicon.

Konradin - Mauer 9. Leipzig: Brockhaus, 1866, S. 852).

223 Vgl. STOLLBERG-RILINGER B., Maria Theresia - Die Kaiserin in ihrer Zeit: Eine Biographie. S. 150 - 153 u. 157.

224 Vgl. ebd. S. 263.

225 Vgl. BADINTER E., Maria Theresia: Die Macht der Frau. S. 41.

226 Vgl. RAMSHORN C., Maria Theresia und ihre Zeit. S. 518.

227 DULLER E., Maria Theresia und ihre Zeit. Band 1, S. 64 u. 65.

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Trotz kontroversen Behauptungen steht eines fest, Maria Theresia stand stets hinter ihrem Gatten und liebte ihn bis zu ihrem Tode im Jahre 1780, was umgehend zum nächsten Unterkapitel überleitet.