• Keine Ergebnisse gefunden

Niederlande: Windanlagenindustrie in Periode 4

Verstetigung internationaler Diffusion

2.4.2 Niederlande in Periode 4

2.4.2.2 Niederlande: Windanlagenindustrie in Periode 4

Die Anfänge der niederländischen Windindustrie gehen auf die späten 70er Jahre zurück. Bis 1980 ist ein knappes Dutzend kleiner Firmen mit weniger als zehn Beschäftigten präsent (Kamp 2002, 90f.). Zunächst werden ausschließlich Einzelexemplare gefertigt, die auf internationalen Märkten, also insbesondere Kalifornien und Dänemark, nicht konkurrenzfähig sind. Bevor die erste WEA in Serie gefertigt werden, vergehen noch mehrere Jahre.

Dänische Hersteller verzeichneten 1983 bereits deutliche Erfolge. Dort ist seit 1979 das kontinuierliche Anwachsen eines Turbinenmarktes zu beobachten. Seit 1983 werden große Stückzahlen produziert und nach Kalifornien exportiert. Im selben Jahr gibt das niederländische ECN einen Bericht heraus, der auf Testergebnissen mehrerer Modelle niederländischer Hersteller basiert. Darin kommt der ECN zum Schluss, dass sich sämtliche WEA noch im Prototyp-Status befanden. Ähnlich wie bei dänischen Herstellern während Periode 1 hatten auch die Niederländer große Probleme mit der Konstruktion aerodynamischer Bremssysteme. Des öfteren kam es bei Sturm zu Totalschäden, weil die Bremsen versagten. Alle getesteten Modelle wiesen Fehler im elektrischen System auf.

Darüber hinaus schätzten sämtliche Produzenten die Energieausbeute zu optimistisch ein (Kamp 2002, 96f.). Die Forschungspolitik im Rahmen des NOW hat Innovationsprozesse im kommerziellen Sektor kaum vorangebracht. Der ECN ist zu theoretisch ausgerichtet, als dass die Hersteller von dessen Erfahrungen hätten profitieren können. Das dänische Beispiel zeigt die Wichtigkeit sukzessiven Lernens.

Solche Lernprozesse werden erst mit Einführung des IPW und daraufhin zunehmender Nachfrage ermöglicht. Daher setzt die Betrachtung niederländischer Anlagenhersteller erst 1986/87 ein. Im Zentrum stehen dabei die Fragen, ob und wie Hersteller durch das IPW gefördert werden und inwiefern sich das IPW in der technischen Gestaltung widerspiegelte.

Ähnlich wie in Dänemark bereits während der Stabilisierungsperiode (1979-82) setzte auch hier, infolge des IPW, ein Professionalisierungsprozess der Branche ein. Zu dessen wichtigsten Kennzeichen zählt die Einbeziehung wissenschaftlicher Methoden in die Entwicklung der Anlagenkonzepte. Dadurch verringerte sich die Distanz zwischen den Herstellern und der Test- und Forschungsanlage des ECN. Aufgrund des hohen Zeit- und Konkurrenzdrucks, der durch das IPW erzeugt wurde, blieb für die Hersteller kaum Zeit, die Korrekturvorschläge des ECN zu berücksichtigen (Kamp 2002, 119).

An der Entstehung des Konkurrenzdrucks hatten auch die Hersteller einen Anteil. Ein Teil der Mittel des IPW wurde für projektbezogene Forschungsförderung ausgewählter Unternehmen reserviert. Der Branche war es freigestellt, Konsortien zwecks gemeinsamer Nutzung der Mittel zu bilden, oder sich als einzelne Hersteller um Förderung zu bewerben. Aufgrund des gegenseitigen Misstrauens kam die Bildung solcher Konsortien nicht zustande (ebd., 105f.).

Ziel der Förderpolitik war es, die Mittel auf diejenigen Hersteller mit den aussichtsreichsten Konzepten zu konzentrieren. U.a. dadurch reduzierte sich die Zahl der Unternehmen während des IPW-Zeitraums (1986-90) von zwölf auf drei. Bis 1988 erhielten sechs niederländische und zwei dänische Hersteller Projektförderung. Elf Modellen von acht Produzenten kam bis 1987 die Investitionsförderung zu, nachdem sie entsprechende Zertifikate erhalten hatten. Im folgenden werden die drei Firmen näher betrachtet, die aus dem Auswahlverfahren des IPW als Sieger hervorgingen und das Ende der Pionierphase überdauerten: Lagerwey, Windmaster und Nedwind. Bei Lagerwey handelt es sich um das einzige unabhängige Unternehmen, während die übrigen Tochterfirmen von Maschinenbaukonzernen waren, die kleinere Windanlagenhersteller aufkauften und in technische Neuentwicklungen investierten.

Lagerwey

Gegründet wurde das Unternehmen 1979 durch Elektroingenieur Henk Lagerwey. Um das 75kW-Modell zu verbessern, wurde Lagerwey mit IPW-Mitteln gefördert. Im Juni 1987 erhält sie als erste WEA das IPW-Zertifikat, d.h. ihr Kauf wird seitdem bezuschusst (s.o.) Die in

Periode 1 entstandene Komponentenwindmühle hat auf dem niederländischen Markt eine geringere Bedeutung. Anders als Windmaster und Nedwind produzierte Lagerwey nicht alle Komponenten selbst. So äußerte sich Henk Lagerwey über seine Unternehmensstrategie:

,Others often make their own blades because that is the most vital part for reliability and cost effectivness. But we have found that a close cooperation with blade sub-contractors works just as well. Effective development of a wind turbine is the selection of the optimum configuration of standard components, where this is possible. The blades are our own design, but our sub-contractors are very much involved in the design and mould processes' (WPM 5/92).

Von den meisten Herstellern wurden wissenschaftliche Berichte bspw. aus dem ECN kaum zur Kenntnis genommen. Lagerwey dagegen, stand in engem Kontakt mit der Technischen Universtität von Delft. Von dort erhielt er wichtige Impulse zur Verbesserung seiner Anlagenkonzepte (Kamp 2002, 112).271 Im Unterschied zu den großen Produzenten hatte Lagerwey nicht die EVU als Hauptabnehmer vor Augen. 1991 bspw. verkaufte das Unternehmen nur fünf Prozent der Produktion an EVU (ebd.). Gern grenzt sich Lagerwey von seiner Konkurrenz ab: ,We will never develop large turbines simply because the utility market is asking for them' (WPM 5/92).

Die meisten Anlagen verkaufte Lagerwey an dezentrale Akteure wie Kooperativen, Landwirte und Kleinunternehmen. Während die anderen zur Entwicklung größerer Modelle übergingen, hielt Lagerwey bis in die 90er Jahre hinein an der 75/80kW-Maschine fest. Dieses Vorgehen entsprach den Interessen seiner Zielgruppe: ,The bulk of our consumers are farmers. They have the land and the capital for installation of 75 kW turbines' (WPM 3/91, 19).

Der Zweiflügler mit 15m-Rotordurchmesser verkaufte sich hundertfach. Dadurch war dieser sehr gut erprobt und konnte sukzessive verbessert werden. Zudem führte die Serienfertigung zu Kostensenkungen (Kamp 2002, 111).

Erst 1992 startete Lagerwey die Entwicklung eines größeren Designs mit 250kW-Generator, welches 1994 zertifiziert wurde. Aufgrund des Standortmangels waren die Kommunen kaum noch bereit, Standorte für Einzelanlagen auszuweisen, was die Geschäftsgrundlage des Unternehmens torpedierte. Seitdem konzentrierte sich Lagerwey verstärkt auf den Export und lieferte die meisten Exemplare des neuen 250kW-Modells auf dem indischen Markt (ebd.,122f.). Lagerwey ist erfolgreichster Akteur der Sektors. Die Firma überlebte die gesamte inländische Konkurrenz und war zeitweise der einzige Fabrikant, der netzgekoppelte WEA in größerer Stückzahl angeboten hat.

Nedwind

Nedwind entsteht 1990 aus einer Fusion von Bouma und Newinco. Bouma war zuvor ein unabhängiges Unternehmen, Newinco gehörte zu Grootint, einem Maschinenkonzern. 1989 erhielt Nedwind, damals noch als Newinco, ein Zertifikat für einen neuen 500kW-Prototyp.

Wegen technischer Probleme an den Flügelspitzen verlängerte sich die Testphase um ein halbes Jahr. Dennoch verkaufte Newinco noch im selben Jahr 15 Exemplare des Modells an den Versorger von Rotterdam (ebd., 110). Polenko, ein Tochterunternehmen des zuvor im LSP-Sektor aktiven Holec, ging ebenfalls in Nedwind auf (WPM1/91, 12). Nedwind setzte die Strategie Newincos fort und produzierte vor allem für den EVU-Markt. 1990 und 1991 verkaufte Nedwind 71% seiner Produktion, 51 WEA, an Energieunternehmen (ebd., 112).

Ein Ansatz zur Überwindung des Standortproblems, besteht in der Überlegung, Windturbinen auf den zahlreichen niederländischen Deichen zu installieren. Sowohl genehmigungsrechtlich, als auch die Frage der Akzeptanz betreffend, ist die Realisierung von Windparks auf den Deichen alles andere als eine Selbstverständlichkeit.272 Insbesondere die Möglichkeit von

271 Bspw. rüstete er seine Modelle mit technischen Neuerungen wie einem passiven pitch-Kontrollsystem aus und führte unterschiedliche Rotorgeschwindigkeiten ein. Darüber hinaus war er der einzige Hersteller, von dem das Versuchsfeld der Universität von Delft genutzt wurde (Kamp 2002, 112).

272 Der Vorstellung, an den Deichen irgendwelche Veränderungen vorzunehmen, stehen die meisten Niederländer grundsätzlich kritisch gegenüber. Die Gesetze besagen, dass die Deiche nicht bebaut werden

Stabilitätsverlusten der Deichfundamente, aufgrund der beim Turbinenbetrieb entstehenden Vibrationen, wurde als Problem gesehen. Bei der Entwicklung vibrationsärmerer Modelle und der Erschließung von Deichstandorten leistete Nedwind wichtige Pionierarbeit. Das Unternehmen errichtete einige Windräder nahe Enkhuizen, auf einem Deich ohne schützende Funktion. Die WEA wurden mit einer speziellen Technik ausgestattet, um die Vibrationen zu verringern (WPM 10/91, 24).

1992 startete Nedwind die Entwicklung eines 1MW-Designs und erhielt dafür Unterstützung seitens der EU. 1994 wurden zwei Prototypen installiert. Angesichts des stagnierenden niederländischen Marktes und der starken internationalen Konkurrenz, verschlechterten sich die Bilanzen Nedwinds. 1998 wurde das Unternehmen vom dänischen Konkurrenten Micon übernommen (Kamp 2002, 124f.).

Windmaster

Im Jahr 1984 gründete HMZ, eine belgische Maschinenbaufirma, den Windanlagenhersteller.1990 wurde Windmaster von der großen niederländischen Begemann Gruppe übernommen.273 Ebenso wie Lagerwey und Nedwind (Newinco) erhielt auch Windmaster im Rahmen des IPW Projektförderung.

Bis Ende 1990 bot Windmaster zwei größere Modelle mit 250-, bzw. 500/550kW-Generatoren an (WPM 1/91, 12). Windmaster gelang es im Januar 1989, als erstem niederländischen Unternehmen, eine 500kW-Anlage in Betrieb zu nehmen und damit eine neue Größenklasse einzuführen. Von Anfang an richtete sich der Hersteller auf den EVU-Markt aus. 1990 und 1991 verkaufte Windmaster ausschließlich an EVU (Kamp 2002, 112). Im Laufe der 90er Jahre investierte das Unternehmen große Summen in technische Neuerungen. Dabei überschätzte Windmaster seine Möglichkeiten, insbesondere nachdem erhoffte Innovationen ausgeblieben sind. Im Dezember 1998 meldete Windmaster Konkurs an. Die Patente der Firma wurden von Lagerwey aufgekauft, die meisten Beschäftigten übernommen. Auf diese Weise sind der Branche Fähigkeiten und Know-how Windmasters erhalten geblieben (Kamp 2002, 124). Die folgende Tabelle 2.4.2e fasst die wichtigsten Unterschiede zwischen Lagerwey, sowie Nedwind und Windmaster zusammen:

Tabelle 2.4.2e Niederländische Windanlagenhersteller

Zum Zeitpunkt der Einführung des IPW fällt die niederländische Windkrafttechnologie weit hinter den internationalen, insbesondere von dänischen Firmen gesetzten Standard, zurück.

Wie oben gezeigt, trägt das IPW nur bedingt dazu bei, an diesem Status etwas zu ändern. Das Programm förderte Konkurrenz innerhalb der Branche, kurze Testzeiten, zu schnelles Upscaling und technische Fehlentwicklungen. Grundlegende konzeptionelle Fehler konnten nicht ausgeschlossen werden. Im Jahr 1989 mussten von Windmaster, 25 Maschinen, die das Unternehmen erst zwei Jahre zuvor verkauft hatte, zurück in die Fabrik transportieren und generalüberholen lassen. Ein Großteil des LSP-Windparks von SEP (s.o.) ist außer Betrieb genommen worden, weil die meisten der 18 Prototypen versagten. Entsprechende Pannen

dürfen. Ausnahmen werden nur unter speziellen Umständen gewährt. Von 2.200 Kilometer Deichlänge eigneten sich mindestens 500 Kilometer hervorragend für Windparks. (WPM 10/91, 24).

273 Begemann erwirtschaftete 1989 einen Umsatz von ca. NLG 12 Mrd. und beschäftigte über 5.000 Mitarbeiter.

Bei Windmaster waren zur selben Zeit 200 Personen tätig (WPM 10/91, 19).

stellten sich auch bei Bouma ein: Eine Maschine des Herstellers erlitt Totalschaden, an mehreren weiteren Rotoren wurden kleine Risse festgestellt, zwei Bouma-Windparks daraufhin außer Betrieb genommen. Vergleichsweise zuverlässig arbeiteten die kleineren Modelle der 75-85kW-Klasse von Lagerwey und Newinco (WPM 5/89, 10).

Diese Schwächen führten dazu, dass die Niederländer auf dem Exportmarkt kaum Fuß fassen konnten. Zudem etablierten sich seit Ende der 80er Jahre dänische Hersteller auf dem Inlandsektor. Prinzipiell förderte das IPW auch den Kauf ausländischer Windanlagen. 1989 kaufte das holzverarbeitende Unternehmen Idufor sechs Micon Anlagen à 250kW, die an einem südwestlichen Küstenstandort in Betrieb gingen (WPM 9/89, 25). 1992 nahm Micon, gemeinsam mit der niederländischen Molens voor Millieu (Tochterfirma des Stromversorgers EGD), die Arbeiten zur Planung eines großen Windparks auf. Das 10MW-Projekt erhielt NLG 8 Mio. Förderung aus dem TWIN (WPM 5/92, 9).

Zur Erklärung der geringen Nachfrage lassen sich neben mangelnder Konkurrenzfähigkeit der niederländischen Turbinenindustrie zwei weitere Gründe heranziehen. Zum einen wurde der Absatz durch fehlende Standorte reduziert, der neben einer objektiven Grenze (kleines Land mit hoher Bevölkerungsdichte), auf die NIMBY-Mentalität vieler Anrainer sowie eine ineffiziente Planungspolitik zurückzuführen ist. Zum anderen ist die Branche durch Beendigung des von regionalen Stromverteilern ins Leben gerufenen MAP weiter geschwächt worden. Dieses war für die Industrie besonders deshalb ein Problem, weil sich die meisten großen Hersteller (ausgenommen Lagerwey) auf die EVU als Abnehmer festgelegt hatten und ihre Produkte an deren Bedürfnisse ausrichteten. Als die EVU den MAP aufgaben und einen Großteil ihrer Aufträge stornierten, fanden die Hersteller, weder im In- noch Ausland, Abnehmer für diese Windanlagen.

Ergebnisse und Ausblick

Aufgrund der Absatzschwächen der niederländischen Hersteller, die teilweise Produkt einer unzweckmäßigen Förderpolitik gewesen ist, können die WEA zumeist nur in geringer Stückzahl produziert werden. Dadurch sind sowohl Kostensenkungen, als auch Investitionen zur Optimierung weitgehend ausgeschlossen. Demgegenüber stellt die 75/80kW Turbine von Lagerwey eine Ausnahme dar. Der Erfolg des Herstellers basiert u.a. darauf, dass er, die gesamte Pionierphase hindurch, vor allem ein einziges Modell anbot: eine kleineres, häufig verkauftes Modell, dass in Kooperation mit der Universität von Delft immer weiter verbessert wurde.

Bis 1998 meldeten Windmaster und Nedwind Konkurs an. Sie sind die letzten Hersteller, die neben Lagerwey, auch nach der Pionierphase noch am Markt vertreten sind. Während der 90er Jahre wird die niederländische Anlagentechnik allmählich von dänischen Herstellern verdrängt. 1996 verkauften letztere 89 WEA auf dem niederländischen Markt, die Inländer nur 50 (Verbong 1999, 156).