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Bundesrepublik Deutschland:

Verstetigung internationaler Diffusion

2.4.3 Bundesrepublik Deutschland in Periode 4

2.4.3.1 Bundesrepublik Deutschland:

Das politisch-administrative System in Periode 4

Die Marktförderung erneuerbarer Energien ist in der Bundesrepublik über lange Zeit, insbesondere vom Wirtschaftsministerium mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass es keine geeignete Technik gegeben hätte (Jacobsson et al. 2006, 262). Spätestens nach dem Erfolg dänischer Windtechnologie auf dem kalifornischen Markt, greift dieses Argument nicht mehr. Angesichts massiver öffentlicher Diskussionen über Atomkraft und erneuerbare Energien, gelingt es dem Wirtschaftsministerium seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre nicht mehr, sich mit seiner Blockadehaltung durchzusetzen. Auch die Wirtschaftspresse entdeckte die Windenergie: ,Politik und EVU müssen für eine faire Startchance sorgen. Strom aus Windkraftanlagen kann auch hierzulande durchaus wirtschaftlich werden...Voraussetzung ist allerdings, dass man die Nutzung wirklich will – und das ist eine politische Entscheidung.' 297

Im Vorfeld der Wahlen vom Januar 1987 forderte die Regierung Kohl die EVU zur Nutzung erneuerbarer Energien auf, u.a. um das Image der ansonsten umweltpolitisch weniger profilierten CDU aufzubessern (vg. WPM 12/86, 8). Nachdem die Aufforderung der EVU, auf freiwilliger Basis verbesserte Rahmenbedingungen für die Nutzung erneuerbarer

296 Windpower Monthly (6/86, 7) verweist in diesem Zusammenhang auf einen zeitgenössischen Bericht im ,Spiegel'. Angesichts des GAU wurden 20 Mio. DM für Windenergieforschung als ,etwas dürftig' betrachtet. Der Artikel moniert die Erfolge kommerzieller Windkraft Dänemarks (1200 Inlandanlagen, Exporterfolge),

wohingegen in der Bundesrepublik keine vergleichbare Entwicklung abzusehen wäre.

297 Handelsblatt vom 12.11.1986, zitiert nach: Tacke 2004, 171f.

Energien zu schaffen, wirkungslos blieb, distanzierten sich Teile der CDU-geführten Bundesregierung vom Wirtschaftsministerium (Jacobson 2006, 264).

Eine endgültige Zäsur der Windkraftpolitik markiert die Verabschiedung des 100MW-Programms für Windkraft im Jahr 1988. Wichtige Impulse erhält dieser Schritt bereits in den Vorjahren als die Bundesregierung,, unter Regie des BMFT, verschiedene Maßnahmen zur Förderung der Windanlagenhersteller und -betreiber durchführen ließ. Darüber hinaus startete das Land Niedersachsen bereits im Februar 1987 ein 100MW-Programm zur Windkraft. Schaubild 2.4.3a bietet eine Übersicht der Rahmenbedingungen zur Neuorientierung der deutschen Förderpolitik.

Schaubild 2.4a Rahmenbedingungen zur Transformation der deutschen Windenergiepolitik

100 MW Programm FANE-Programm des

Landes Niedersachsen

GAU von Tschernobyl Anti-AKW-Bewegung übt Druck aus

Entstehung inländischer Windanlagen-industrie

Scheitern des LSP-Programms

Einfluss der Fördergesellschaft Windenergie

Erfolge kommerzieller Windkraft in Dänemark und Kalifornien

Förderaktivitäten des BMFT und der Bundesländer vor dem Start des 100MW-Programm Bereits im Juni 1980 eröffnete das BMFT ein Testfeld für kleine WEA auf Pellworm, dass unter die Obhut der Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schifffahrt und Schiffbau (GKSS) gestellt wurde. Vier Jahre später wurde es geschlossen, weil es den Herstellern der geprüften Modelle an Mitteln fehlten. Anlagenplanung, Produktion und Installation auf dem Testfeld mussten von den kleinen Firmen selbst getragen werden. Ausschließlich die Versuchskosten übernahm das BMFT (Tacke 2004, 157), dass für die Testanlage insgesamt

4,6 Millionen DM aufwendete (Oelker et al. 2005, 83). Im Rahmen des LSP-Programms stellt die Testanlage eine Besonderheit dar. Die Namen kleiner Unternehmen wie Noah Energiesysteme GmbH und Wind- und Wasserkraftanlagen KG tauchten ansonsten in den Aktivitäten des BMFT nicht auf. Ein wichtiges Ergebnis besteht in der Feststellung der Rückständigkeit der deutschen, gegenüber der dänischen Windindustrie. Von den neun getesteten Anlagen konnten nur drei das Testprogramm vollständig absolvieren, die anderen erlitten Totalschäden (Oelker et al. 2005, 82). Die einzige dänische WEA (Hersteller Windmatic) war zugleich das einzige Modell mit zufriedenstellenden Ergebnissen (Tacke 2004, 157).

1986 ließ das BMFT im Rahmen des ,Sonderdemonstrationsprogramm für Windenergieanlagen bis 250kW Nennleistung' die Testaktivitäten fortsetzen. Bis 1988 wurden insgesamt 48 Maschinen von 13 Herstellern getestet (Oelker et al. 2005, 364).298 1986 startete das BMFT ein weiteres Demonstrationsprojekt: ,Errichtung und Betrieb eines Windparks mit 1 MW Leistung'.299 Im August 1987 wird der Windpark Westküste im Kaiser-Wilhelm-Koog bei Dithmarschen300 von der Schleswag AG in Betrieb genommen. Der Windpark umfasst Modelle von Enercon, MAN, Südwind und Köster. Das Erkenntnisziel des Vorhabens besteht darin, die ,technische Machbarkeit des Netzparallelbetriebs' nachzuweisen und ,genehmigungsrechtliche Belange' aufzuzeigen (Heymann 1995, 428).301 Faktisch war der erste kommerzielle Windpark in Deutschland entstanden – und zwar mittels einer staatlichen Förderquote von 75% (2,4 Mio. DM). Heymann (ebd.) bezeichnet das Projekt als ,revolutionären Schritt' innerhalb der deutschen Forschungspolitik für Windkraft:

,Erstmals übersprang das BMFT die bisher sehr eng gezogenen Grenzen von Forschungs- und Technologieförderung.'

Seit 1987 erhält die kommerzielle Windkraftnutzung auch seitens einiger Bundesländer Unterstützung.302 Mit dem Start des ,Förderprogramms zur forcierten Anwendung und Nutzung neuer und erneuerbarer Energieträger' (FANE) im Februar 1987 ist Niedersachsen das erste Bundesland, dass kommerzielle Windkraft förderte (Oelker et al. 2005, 364).

Private Anlagenkäufer erhielten dort einen Investitionszuschuss von 30%, in Ausnahmefällen sogar 50% (WPM 4/90, 12). 1988 legte das Land Nordrhein-Westfalen mit dem REN (Rationale Energieverwendung und Nutzung unerschöpflicher Energiequellen) ein ähnliches Programm auf, durch das u.a. die Installierung von über 700 Windanlagen unterstützt wurde

298 Getestet wurden bis zu fünf Exemplare eines Typs. Alle teilnehmenden Hersteller mussten ihre Produkte einem Messverfahren unterziehen lassen.

299 Innerhalb der Bundesregierung bestand eine Kontroverse über die Einführung der Investitionszuschüsse für WEA zwischen dem BMFT und dem Umweltministerium einerseits, sowie dem Wirtschafts- und

Finanzministerium andererseits. Erstere befürworteten die Förderung, letztere lehnten sie ab (Tacke 2004, 172).

,Da sich das von der FDP geführte Bundeswirtschaftsministerium prinzipiell staatlichen Förderprogrammen zur Markteinführung von Windkraftanlagen widersetzte, ersann das BMFT einen neuen Typ von

Forschungsvorhaben: sogenannte ,Demonstrationsprojekte’' (Heymann 1995, 428). Zum Demonstrationsprojekt wurde der Windpark Westküste erst dadurch, dass der Betrieb 1987 bis 1989 von einem Messprogramm begleitet wurde (ebd.); Zur Kritik an der FDP-Position vg. auch: Tacke 2004, 175f.

300 Dabei handelte es sich um den Growian-Standort. Forschungspolitische Kontinuitäten zwischen dem Windpark Westküste und Growian gab es dagegen kaum. Das Gegenteil behauptete Frede Jörgensen, Direktor von Vestas Westdeutschland: ,The first farm is being installed in Ditmarschen and will comprise 20 small machines of various design. The intention is to centralize control with them. That will never be possible as here we have another example a la Growian machine. After spending 100 Millions on it, the giant turbine is being pulled down as it doesn’t work. One can’t avoid the feeling that conscious efforts are being made to discredit wind power. In addition we were turned down as suppliers to the first windfarm because Vestas turbines are fully tested and they only wanted machines which hadn’t been tested.' (zitiert nach: WPM 6/87, 8). Anscheinend war Frede Jörgensen vor allem über den Absatz seines Unternehmens besorgt.

301 Berichtsblatt des Projekts, in: Windenergienutzung, Geförderte Projekte seit 1980, S.90 (vg. Heymann 1995, 428).

302 Das Interesse der windigen Bundesländer Westdeutschlands war relativ jung. Zu dieser Zeit setzten viele Landes- und Kommunalpolitiker einiges daran, potenziellen Windmüllern die Baugenehmigung zu versagen.

(Suck 2004, 25). Seit Januar 1989 erhielten auch die Windmüller Schleswig-Holsteins, eine Investitionsförderung von bis zu 30% ihrer Kosten (Oelker et al. 2005, 366).303

100/ 250 MW-Programm

1988 beschloss der Bund, weitere Fördermaßnahmen zum Aufbau von 100MW Windenergiekapazität bis zum Jahr 1995. Das erklärte Ziel bestand darin, die labile Windanlagenindustrie zu stärken. 1989 wurde das föderale Windbudget stark ausgeweitet.

Standen im Vorjahr noch 16 Mio. DM zur Verfügung, waren es 1989 bereits 34 Mio. DM.304 Mit dem 100MW-Programm dehnte sich die Förderung der Windkraft erstmals auf das gesamte Bundesgebiet aus. Dennoch wurden die meisten Windturbinen weiterhin in den Küstenregionen und Nordrhein-Westfalen errichtet.

Auch das 100MW-Programm galt offiziell als Demonstrationsvorhaben. Daher wurden an den Turbinen umfangreiche Messungen und Evaluierungsarbeiten durchgeführt.

Forschungsminister Riesenhuber gesteht ein, dass er ,mit diesem Großprojekt bis an die Grenze seine Zuständigkeit gegangen' sei (Süddeutsche Zeitung vom 10.3. 1989, zitiert nach:

Tacke 2004, 177).

Ist die Windkraftnutzung in Deutschland bis 1988 eher ein Randphänomen, so erhält sie von nun an einen bemerkenswerten Aufschwung:

Tab. 2.4.3a Windkraft in der Bundesrepublik Deutschland (1985-1997)

1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997

pro Jahr installierte Nennleistung (MW)

0,4 0,6 2 5 19 41 42 73 151 298 505 409 535

Nennleistung kumuliert (MW)

0,4 1 3 8 27 68 110 183 334 632 1137 1546 2081

Quelle: Oelker et al. 2005, 368ff.

Seit März 1989 erhielten die Windmüller acht Pfennig pro Kilowattstunde vom BMFT.

Darüber hinaus zahlten die Netzbetreiber für den eingespeisten Strom durchschnittlich etwa neun Pfennig (Berechnungsgrundlage: vermiedene Kosten), so dass sich insgesamt eine Vergütung von etwa 17 Pfennig pro kWh ergab. Privatpersonen (häufig Landwirte) hatten darüber hinaus die Option, sich anstatt der Pauschale von acht Pfennig für einen 50%igen Investitionszuschuss zu entscheiden (Suck 2004, 26f. FN 17).

Bevor eine Windanlage sich für das Investitionsprogramm qualifizierte, musste sie ein Testverfahren durchlaufen und ein Zertifikat erlangen. Die Anforderungen an die Hersteller waren dabei vergleichsweise niedrig. Ein Modell sollte zumindest das Potenzial zur Serienfertigung haben, wobei man dieses Kriterium recht niedrig angesetzte. So wurden auch Unternehmen mit sehr geringen Verkaufszahlen gefördert. Die meisten deutschen Hersteller erhielten schließlich Zertifikate für ihre Produkte.305 Um die Industrie systematischer zu unterstützen, begrenzte man die Mittelvergabe auf inländische Hersteller (WPM 1/89, 13).306

303 Als erstes Bundesland verabschiedete Schleswig-Holstein bereits im September 1984 verbindliche Richtlinien für den Aufbau und Betrieb von Windanlagen (ebd., 362). Die Bedeutung solcher Regelungen wird deutlich, wenn man die Probleme betrachtet, mit denen in NRW agierende Windmüller zu kämpfen hatten, bevor sie von der Landesregierung eine Genehmigung erhielten (s.u.).

304 Tatsächlich abgerufen wurden davon letztlich nur 12 Mio. Die Industrie war außerstande, die Aufträge rechtzeitig zu erfüllen. Daher wurde der Etat 1990 auf 27 Mio. reduziert (WPM 4/90, 13).

305 Abgelehnt wurden Vorschläge, traditionelle Windmühlen mit elektrischen Generatoren auszustatten sowie Selbstbauer, die für kommerzielle Produktfertigung ungeeignet schienen (WPM 10/89, 9).

Bei der Kernforschungsanlage Jülich, welche für die Vergabe von Genehmigungen zuständig war, gingen bis zum 8. August 1989, fünf Monate nach dem Start des Programms, bereits Anträge zur Förderung von etwa 500 WEA ein. 67 der insgesamt 400 Projektplanungen hatten zu diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erhalten, was auf eine effiziente Arbeitsweise dieser Behörde schließen lässt.

Viele Projekte wurden zusätzlich von Länderseite gefördert. So kam es, dass sich die Zuschüsse mitunter auf das definierte Fördermaximum von 75% addierten. Ohne die zusätzliche Flankierung durch die Länder hätte das 100MW-Programm kaum eine solche Anfangsdynamik entfalten können. Erwartungsgemäß verzeichneten jene Länder die größte Windanlagen-Nachfrage, in die Windkraft ohnehin gefördert wurde. 93% der beantragten WEA und 97% der Windenergie-Kapazität stammten aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen (WPM 10/89, 9).

Da sich das 100MW-Programm als erfolgreich erwiesen hat, kündigte das BMFT noch im Oktober 1989 eine Ausweitung auf 200MW an. Ansonsten hätten viele der beantragten Projekte nicht mehr realisiert werden können (WPM 11/89, 6). Zum März 1991 erfolgte eine weitere Ausdehnung auf 250MW. Für das gesamte Programm hatte das BMFT 350 Mio. DM zur Verfügung gestellt (WPM 2/91, 10).

Stromeinspeisungsgesetz (SEG)

Mit dem Beschluss des Stromeinspeisungsgesetzes vollzog der Bundestag am 7. Dezember 1990 einen weiteren entscheidenden Schritt in der Windkraftpolitik. Tacke (2004, 176) geht davon aus, dass der einstimmige Beschluss des Bundestags zur Annahme des SEG für die Branche sehr wichtig war. Dadurch erhielt die mittelständische Windindustrie einen starken Rückhalt, der sie zu Investitionen für die Entwicklung neuer Konzepte ermutigte (ebd., 205f.). Das zum 1. Januar 1991 in Kraft getretene Gesetz garantierte unabhängigen Produzenten von Strom aus erneuerbaren Energien den Netzzugang. Von nun existierte ein Rechtsanspruch der Windmüller, Energie in das nächstgelegene Stromnetz zu speisen.307 Der Betreiber des Netzes musste für die Energie mindestens 90% des durchschnittlichen Stromtarifs für Privatkunden bezahlen.

Zuvor wurden erneuerbare Energien wie die Windkraft als Möglichkeit wahrgenommen, fossile Energie einzusparen. Daher rührte die Festlegung des Einspeisepreises auf Höhe der vom Stromproduzenten vermiedenen Kosten. Das SEG legte den Preis deutlich oberhalb dieses Niveaus fest. Dabei stellte das Gesetz in Rechnung, dass es sich um saubere Energiequellen handelte, für welche ein ,politischer Preis' zu zahlen sei (WPM 10/90, 10). Für die Windmüller brachte das SEG erstmals weitreichende Planungssicherheit. Zuvor hatte es grundsätzlich in der Macht der EVU gelegen, die Stromabnahme zu verweigern. Die Versorger hatten letztlich Definitionsmacht über die Höhe vermiedener Kosten. In den meisten Fällen wurde die Tarife zu ungunsten der Windmüller bestimmt. Im SEG waren sie an die Strompreishöhe gekoppelt, deren Senkung einzig als Folge sinkender Strompreise denkbar war.

Mit Einführung des SEG lief eine grundlegende Transformation des Fördersystems einher.

Durch die im SEG festgeschriebenen Abnahmepreise war eine zusätzliche Subventionierung,

306 Dieser ,Protektionismus' verstieß einem Gerichtsurteil zufolge nicht gegen entsprechende EU-Gesetze, weil es sich bei dem 100MW-Programm um F&E-Aktivitäten handelte (WPM 1/89, 13).

307 Das Phänomen der Stromeinspeisung durch unabhängige Akteure war auf dem deutschen Elektrizitätsmarkt kein Novum. Bereits vor der Kommerzialisierung der Windkraft waren EVU-fremde Betreiber industrieller Kraftwerke auf dem Sektor präsent. Geregelt wurde die Einspeisung durch eine Vereinbarung zwischen dem Bundesverband der Industrie e.V. (BDI), dem Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) und dem Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. (VIK). Dabei handelte es sich um eine Selbstverpflichtung der Netzbetreiber. Für viele Stadtwerke und Regionalversorger bedeutete die Einspeisung ein lukratives Geschäft, weil sie den Strom unterhalb der Grenze vermiedener Kosten vergüteten (Suck 2004, 26f.).

wie sie im Rahmen des 250MW-Programms gewährt wurde, überflüssig geworden. Zudem bewertete das BMFT die Windkraft mittlerweile als eine so ausgereifte Technologie, dass sie nicht länger Forschungsgelder zu erhalten brauchte. Daher wurde das 250MW-Programm Ende 1991 abgebrochen (WPM 3/92, 11). Diese Entwicklung wirkte sich zum Nachteil der EVU aus. Denn im Rahmen der bisherigen Förderung waren sie unabhängigen Stromproduzenten gleichgestellt. Das SEG hatte sie als Betreiber dagegen nur eingeschränkt vorgesehen. So galt das Gesetz nur für Windparks, die zu mehr als 75% in privater Hand lagen (vg.§1).308 Im Falle eigener Windparks war es den EVU demnach nicht erlaubt, die Tarife des SEG auf die Strompreise zu schlagen. Dadurch leistete das SEG einer weiteren Polarisierung zwischen EVU und Windmüllern Vorschub. Erst mit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 war es den EVU erlaubt, für eigene, mit regenerativen Energieträgern betriebene Kraftwerke, die EEG-Tarife an die Stromkunden weiterzugeben.309 In den Jahren zuvor herrschte zwischen den beiden Akteuren eine permanente Konfliktsituation. Die EVU klagten mehrfach gegen das SEG. Der VDEW forderte seine Mitglieder sogar dazu auf, die Zahlung der Einspeisetarife zu verweigern. Erst ein Urteil des Europäischen Gerichtshof, durch welches das SEG bestätigt wurde, schaffte eine gewisse Beruhigung der Situation.

Standorte für Windanlagen

Bei der Vergabe von Baugenehmigungen waren im Untersuchungszeitraum sowohl die Bundesländer, als auch kommunale Verwaltungen die wichtigsten Akteure. Regelungen auf föderaler Ebene existierten während der Pionierphase nicht. Im Bundesbaugesetz waren WEA nicht vorgesehen. Generell lässt sich sagen, dass sämtliche Verwaltungen, bis in die zweite Hälfte der 80er Jahre hinein, gegenüber der Installation von Windanlagen, eine restriktive Haltung aufwiesen. Dort, wo es den Windmüllern vor 1986/87 gelungen ist, eine Genehmigung zu erhalten, musste ein hohes Maß an Ausdauer, Idealismus und Kampfgeist an den Tag gelegt werden. Die ersten verbindlichen ,Richtlinien für die Auslegung, Aufstellung und das Betreiben von Windkraftanlagen' wurden 1984 von Schleswig-Holstein herausgegeben und von den übrigen Bundesländern weitgehend übernommen (Tacke 2004, 170).

Vor 1989 wurden nur vereinzelt Anträge für Baugenehmigungen gestellt. Seit 1989/90 ging bei einigen Behörden, etwa in den Landkreisen Nordfriesland und Dithmarschen, eine regelrechte Antragsflut ein. Mit dem bisherigen Verfahren, jeden Antrag einzeln zu bearbeiten, hätten die Anträge gar nicht bewältigt werden können. Häufig war im Zuge der Prüfung des fraglichen Standorts festgestellt worden, dass ein Windpark zu Landschaftsverschandlungen geführt, oder der Tourismusindustrie hätte Schaden zufügen können. Daher gingen einige Behörden zu einem neuen Verfahren über. Sie erstellten Gesamtflächenpläne in denen bestimmte Gebiete für Windparks reserviert wurden (WPM 2/91, 11). Ihnen kommt damit eine Pionierrolle in einer zweckmäßigen Gestaltung der Genehmigungsverfahren zu. Entsprechende Pläne wurden später von anderen Bundesländern und Landkreisen erstellt. Seit 1992 erhielt der Bau von WEA im niedersächsischen Landes-Naturschutzgesetz einen privilegierten Status. Eine ähnliche Reform wurde 1994 in Nordrhein-Westfalen beschlossen. Von daher kamen entscheidende Impulse zur Abänderung des Bundesbaugesetzes im Jahr 1996. Von nun an war eine Bevorzugung der Windanlagen gegenüber alternativer Nutzung auch bundesrechtlich verankert. Diese Neuerung erweiterte die Planungskompetenz der Kommunen: Ihnen wurde

308 http://www.umwelt-online.de/recht/energie/einspei.htm, Abruf vom 14.5.2009

309 Ferner hob das EEG gewisse Unsicherheit im Abnahmepreis auf. Von nun an wurde über fünf Jahre lang ein fester Preis von 17,8 Pf. pro Kilowattstunde gezahlt, anschließend noch 13,8Pf. Darüber hinaus unterlagen diese Tarife einer Degression, die durch technische Innovation kompensiert werden sollte (Byzio et al. 2002, 353f.; vg.

auch Suck 2004, 40ff.).

offiziell das Recht zugesprochen, Vorranggebiete für Windparks zu definieren. Dadurch konnten andere Gebiete als potenzielle Standorte ausgeschlossen werden konnten (Suck 2004, 31). Um die Wertschöpfung aus dem Stromverkauf der Region zugute kommen zu lassen, waren viele Gemeinden bemüht, lokale Akteure in ihren Planungen zu bestärken, während sie den Aufbau von Windparks durch auswärtige Investoren zu verhindern suchten (Toke 1999, 6).

Ergebnisse

Auf Grundlage des SEG erhält die Windkraft in der Bundesrepublik seit 1991 einen enormen Aufschwung (vg. Tabelle 2.4.3a). Bis zur Verabschiedung des Gesetzes muss eine Reihe von Lernprozessen durchlaufen werden. Nach dem Scheitern Growians bilden erste Versuche mit kommerzieller Windturbinentechnik den Auftakt zu einer erfolgreichen Neuausrichtung der Windenergiepolitik. Die ersten umfangreichen Investitionsprogramme stammen aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. In Bezug auf den Start des 100MW-Programms durch das BMFT, kommt insbesondere dem Land Niedersachsen eine Vorreiterrolle zu. Diese ersten, aufeinander aufbauenden Schritte - kleine Demonstrationsprogramme des Bundes, Länderinitiativen und das erfolgreiche 100/250MW-Programm - bilden das Fundament des Stromeinspeisungsgesetzes. Auch Regionen und Kommunen tragen zu den Erfolgen bei. Sie entwickelten effiziente Verfahren zur Bestimmung von Windanlagenstandorten. In diesem Zusammenhang ist die hohe Planungsautonomie der Kommunen, gegenüber den höheren Ebenen sehr zweckmäßig.