• Keine Ergebnisse gefunden

Kalifornien: Das politisch-administrative System in Periode 3

Technische Innovation und Entstehung des Ursprungsmarktes

2.3.1 Kalifornien in Periode 3

2.3.1.1 Kalifornien: Das politisch-administrative System in Periode 3

Der von 1975 bis 1983 amtierende Gouverneur Kaliforniens, Edmund G. Brown, war ein Fürsprecher regenerativer Energien. Nachdem die Pläne zum Bau der Atomkraftwerke zunächst von der California Energy Commission (CEC) genehmigt wurden, reagierte der Gouverneur auf Proteste der Anti-AKW-Bewegung und Beschwerden der Anrainer. Die geplanten Atomreaktoren sollten durch erneuerbare Energien überflüssig gemacht und Strompreise gesenkt werden. Zudem stand die Verringerung der Öl- und Gasabhängigkeit auf der energiepolitischen Agenda Browns. Hoffnungsträger des Gouverneurs war die Windkraft, welche bis zum Jahr 2000 einen Anteil von zehn Prozent an der kalifornischen Stromversorgung erreichen sollte.188

Die Realisierung der Ideen Browns setzten einen deutlichen Pfadwechsel der Energiepolitik voraus. In der Administration galt noch immer das grow-and-built-Paradigma, dass auf der Nutzung konventioneller Energieträger und Atomkraft basierte. Seit dem Beginn seiner Amtszeit nahm Brown grundlegende Umstrukturierungen der Administration und personelle Neubesetzungen vor. 1976 gründete er das Office for Appropriate Technology (OAT)189, dass für die Entwicklung kleiner WEA zuständig war. Darüber hinaus berief er Fürsprecher regenerativer Energien in die CEC und die California Public Utilities Commission (CPUC), um deren Ausrichtung zu modifizieren (van Est 1999, 35). Jan Hamrin erinnert sich an folgende Worte Browns, die er an die neuen Mitarbeiter seiner Administration richtete und durch die der innovative Politikstil des Gouverneurs auf den Punkt gebracht wird:

,I want you to try something new. Whatever we have been doing hasn’t worked that well. If you can think of some new way to do something, try it. That’s what I want in my Administration. I want people to try new things.' (zitiert nach: van Est 1999, 35)

Brown umgab sich mit ,whiz kids, Ph.D. progressive types', die nun eine Gelegenheit bekamen, ihre Ideen zu realisieren. Solche wurden in Kalifornien schneller aufgegriffen als anderswo. Aufgrund positiver Erfahrungen mit technischen Neuentwicklungen dominiert in der kalifornischen Gesellschaft eine aufgeschlossene Haltung.190,Sacramento just became a hot-bed of renewable energy ideas' (Righter 1996, 196).

188 1980 äußerte sich Brown in einer Broschüre der California Energy Commission (CEC):

,Energy from the wind is nondepletable, nonpolluting, and abundant. Wind energy is a good investment, and will conserve our limited nonrenewable resources. California has established a goal that 10 percent of the state’s electricity come from wind generation by the year 2000, saving 40 million barrels of oil per year.' (zitiert nach:

Heymann 1995, 395).

189 Die Gründung des OAT kann als der Versuch der Institutionalisierung der Appropriate Technologie Bewegung interpretiert werden. Diese stellt das in der US-amerikanischen Gesellschaft tief verankerte Wachstumsdenken in Frage (van Est 1999, 42).

190 ,Modern physics is built upon the pioneerung work at the University of California. Apollo, and the author’s beloved microcomputer, all bear the ,Made in California’ stamp.' (van Est 1999, 17); ,California is the science center of this planet.' (Georges B. Leonard 1962, 30; zitiert nach: van Est 1999, 17)

Kalifornien verfügte also nicht nur geografisch, sondern auch gesellschaftlich und politisch über optimale Ausgangsbedingungen für Experimente zur Etablierung einer neuen Technologie wie der Windkraft.

Was spricht aus Sicht des Jahres 1980, angesichts dieser Bedingungen gegen die Annahme, dass man in Kalifornien bald ebenso so gute und vielleicht bessere WEA produzieren würde als in Dänemark? Tausende US-Windanlagen würden exportiert und die Windenergie schon nach kurzer Zeit als proven technology gelten. Der tatsächliche Verlauf ist ein anderer, denn die US-Windindustrie scheiterte daran, ausgereifte und zuverlässige WEA zu entwickeln.

,1981 standen die meisten Anlagen aus technischen Gründen etwa die Hälfte der Zeit still, die besten liefen 60%

der Zeit, die schlechteren kaum 10%, einige gingen nie in Betrieb. Viele Anlagen scheiterten bereits kurz nach ihrer Inbetriebnahme an technischen Defekten oder Totalschäden...Nur ein Drittel der in den 80er Jahren in Kalifornien installierten Anlagen waren erfolgreich.' (Heymann 1995, 399) 191

Wie war es möglich, dass solche Produkte serienweise produziert und staatlich gefördert worden sind? Zur Klärung dieser Frage ist es wichtig, die Funktionsweise des US-Fördersystems zu verstehen. Zusätzlich zu den föderalen tax credits beschloss die Brown-Administration 1978 weitere Abschreibungsmöglichkeiten für den Kauf regenerativer und dezentraler Kraftwerke wie Windturbinen.192 Seit 1980 addierten sich die Abschreibungen damit auf 50 Prozent der Investition (Heymann 1995, 395). Seitens der California Public Utility Commission (CPUC) wurden die vermiedenen Kosten im Interesse der Windanlagenbetreiber auf eine Höhe von $0,07 pro Kilowattstunde definiert (Heymann 1995, 395). In Washington, Oregon, Idaho und weiteren Staaten des mittleren Westens lag der Preis nur bei $0,01 bis $0,02 je Kilowattstunde (Righter 1996, 204). Trotz zusätzlicher Abschreibemöglichkeiten, die auch von anderen Bundesstaaten eingeführt wurden, etablierte sich die Windkraft nur in Kalifornien. Weder die Förderhöhe, noch die Gesamtkombination diverser relevanter Faktoren eines anderen Bundesstaates reichte an die kalifornischen Ausgangsbedingungen heran.193

In Kalifornien wurden die höchsten Kilowattstundenpreise gezahlt. Doch auf diesen ,Extra-Bonus’ waren die Käufer gar nicht angewiesen. Denn für sie lohnte sich eine solche Investition allein aufgrund der tax credits, was durch das folgende Beispiel veranschaulicht wird: Bei einer Investition von $150.000 erhielt man bereits nach einem Jahr $75.000 an eingesparten Steuern zurück. Hinzu kamen durchschnittlich $12.000 an jährlichen Einnahmen aus dem Stromverkauf, die als reine Profite angesehen werden können (van Est 1999, 304 Fußnote 69). Sollten die WEA ihre prognostizierte Lebensdauer von 15 Jahren erreichen, erhielt der Investor allein aus den Abschreibungen eine Rendite von 137,8% (Righter 1996, 218).

Als der NEA 1978 verabschiedet wurde, existiert in Kalifornien mit dem Private Energy Producer Act bereits eine Einspeiseregelung. Dieses Gesetz verpflichtete die Netzbetreiber jedoch nur zur Abnahme von Strom in Höhe des Eigenverbrauchs. Dem PURPA zufolge musste jede beliebige Energiemenge abgekauft werden (ebd., 44f.). Damit war der Weg für den Markteintritt von Investorgruppen geebnet. Das OAT war darum bemüht, auch Kommunen und Einzelkäufer zum Kauf von Windanlagen zu ermutigen. 1979 gab das OAT eine Broschüre heraus, die sich vor allem an diese Käufergruppen richtete. Neben technischen Fragen wurden auch rechtliche, wirtschaftliche und soziale Belange erörtert. In erster Linie wahrgenommen wurde die Broschüre allerdings nicht von diesen Adressaten, sondern von Unternehmen, die Windkraftwerke vor allem zu kommerziellen Zwecken erwerben wollten (ebd., 43). Als die Förderung um Mitte der 80er Jahre stark reduziert wurde und die

191 Zum technischen Stand vg. auch: Gipe 1995, 474f. und van Est 1999, 304 F65

192 Auch andere Bundesstaaten hatten zusätzliche tax credits verabschiedet, bspw. Arkansas, Hawaii, North Dakota, Ohio und Oklahoma (Righter 1996, 205). Righter (ebd.) zufolge stießen die Initiativen deshalb bei den Investoren auf keinerlei Resonanz, weil dort keine Forschungsergebnisse über regionalen Windresourcen zur Verfügung standen. In Kalifornien dagegen hatte die California Energy Commission bereits 1977 einen Windatlas erstellt (Gipe 1995, 28).

193 Zur damaligen Situation in Minnesota und Hawaii vg.: Righter 1995; WPM 8/86, 19f.; WPM 11/86, 19f.

Energiepreise sanken, bricht der kalifornische Markt zusammen.194 Ende 1985 liefen sowohl der federal energy tax credit, als auch der federal investment tax credit aus. Zudem wurde 1986 der kalifornische tax credit auf 15% reduziert, so dass sich Investitionen in Windkraft nicht mehr lohnten (Gipe 1995, 35).

Zentrale Schwächen des kalifornischen Fördersystems

Der wichtigste Grund zur Erklärung der Misere des kalifornischen Windmarktes und insbesondere der kalifornischen Windindustrie besteht darin, dass es den Anlagenkäufern ermöglicht wurde, in mangelhafte Anlagentechnik gewinnbringend zu investieren. Ob und wie viel Strom eine Windanlage produzierte war für die Höhe der Einnahmen zweitrangig.

Wichtig war vor allem die Höhe der Investition: je höher die Investition, desto höher die tax credits. Windkraftpionier Paul Gipe berichtet in einem Interview mit Rinie van Est (1999, 305 F82) von der Inspektion einer WEA:

,I went to one windmill in Tehachapi. I climbed at the top and there was nothing inside it! It had a big bolt that came out in front that had a big peace of wood on it...It was advertised in all the alternative energy magazines.' Solche Auswüchse hätten durch die Wahl eines anderen Fördersystems vermieden werden können.

Sinnvoller gewesen wäre es, weniger die Investition an sich, als vielmehr die produzierte Energie zu subventionieren. Auch obligatorische Zertifikationsverfahren wären hilfreich gewesen. Es war viel zu einfach, tax credits zu erlangen. Angeblich plante die Brown-Administration bereits 1978 die Einführung eines Prüfverfahrens zum Schutz der Käufer vor unseriösen Anbietern. Ein entsprechendes Verfahren für Solaranlagen war bereits vorhanden. Für die Windkraft sei eine solche Regelung deshalb zunächst ausgeblieben, weil die Nachfrage stark unterschätzt wurde (van Est 1999, 53).

Zwar existierte eine Forschungs- und Teststation für kleine Windanlagen in Rocky Flats. Eine Bedeutung, die annähernd mit Risoe vergleichbar gewesen wäre, erlangte das National Renewable Energy Laboratory (NREL) zu keiner Zeit. Für die Zwecke der Fragestellung genügt es, einige wichtige Charakteristika der Arbeit des NREL zusammenzufassen und sie mit der dänischen Teststation zu vergleichen. Zunächst war das NREL kaum auf die Zusammenarbeit mit kommerziellen Herstellern ausgerichtet. In erster Linie arbeitete es mit den Konzernen zusammen, deren Aktivitäten das Energieministerium bspw. im Rahmen des Mod-Programms ohnehin unterstützte. Garud/ Karnoe (2003, 292) kritisieren die Verschleppung von Testergebnissen, mangelnde Systematik und Informativität sowie die Tatsache, dass das NREL hinter der technischen Entwicklung zurückblieb:

,The weak linkage between the SERI/NREL and industry was especially noticeable in the lack of a systematic testing program for commercial turbines. There were tests conducted, but the first reports were delayed by several years. Nor were the reports themselves very informative. Tests, when conducted at all, tended to be done using small older machines, with no follow-up using full-scale newer ones. For example, in 1992, the largest turbine at the test site was a small 20kW, 12-year-old machine.'

Das NREL war offensichtlich kaum an Modellen interessiert, deren Hersteller nicht dem LSP-Umfeld entstammten. Ansonsten hätte das NREL spätestens 1984-85, nachdem in Kalifornien Tausende mittelgroße WEA von unabhängigen Herstellern verkauft wurden, von seiner bisherigen Orientierung abrücken müssen. Für kommerzielle Hersteller wie Zond stand fest, dass sie auf die Unterstützung des NREL nicht zählen konnten. Entsprechend äußerte sich Kevin Cousineau, ein Sprecher der Firma: ,When we need blades, we built our own (rather then wait for NREL)...When NREL decided to build a strain gauge test, we’d had ours in operation for several years.' (zitiert nach: Gipe 1995, 92).

194 Näheres zu den Hintergründen des abrupten Abbruchs der Förderung: vg. Righter (1996, 215f.). Die Beendigung der tax credits hat innerhalb der Republikaner zu Spannungen geführt. In Zeiten hoher Erwerbslosigkeit arbeiteten etwa 20.000 Kalifornier in der Wind- und Solarbranche, wo Umsätze von $100 Mio.

erwirtschaftet wurden (van Est 1999, 55). Ein Grund der Reduktion der tax credits in Kalifornien ist die Haltung des neuen republikanischen Gouverneurs zu erneuerbaren Energien. Deukmejian, der Nachfolger Browns, hielt die Förderung alternativer Energien für wachstumsschädlich. Aus demselben Grund löste er das von Brown eingeführte OAT auf (ebd., 126). Nicht zuletzt ist das Versagen der US-Windindustrie als ein Grund der Abkehr von der Windkraftförderung zu bewerten.

Eine wichtige Erfolgsvoraussetzung von Risoe ist der vorsichtige Umgang mit technischen Details, welche an die Teststation weitergegeben wurden. Anders im NREL: 1980 verließen einige Mitarbeiter das Labor. Auf Basis des Know-hows, dass sie bei den Testaktivitäten erworben hatten, gründeten sie die Firma Energy Scieces Incorporated (ESI) und produzierten selbst Windanlagen. ,Well informed about the state of art wind turbine technology and acquainted with the market demand for larger turbines, the former public servants developed the biggist machine of the day, the 50kW version of the ESI-54.' (van Est 1999, 304). Dieser eine Fall genügte, um das Misstrauen der Industrie gegenüber dem NREL zu schüren.195

Das Fördersystem unterstützte nicht nur ineffiziente Windturbinentechnik. Es bot auch keine Anreize, die Anlagen instand zu halten. Viele WEA blieben über Monate außer Funktion, obgleich nur geringfügige Defekte aufgetreten waren. Der Windpark von Cabazon am San Gorgonio Pass war bis 1988 weitestgehend außer Funktion. Righter (1996, 171) zufolge wird Cabazon beschrieben als ,an eyesore of broken and twisted blades just off I-10 about ten miles east of Palm Springs.'

Die aktuelle Funktionsfähigkeit musste vom Betreiber kaum nachgewiesen werden. Durch kontinuierliche Prüfungen hätte leicht verhindert werden können, dass tax credits für Windanlagen gewährt wurden, die seit geraumer Zeit stillstanden. Erst 1984 wurden die Betreiber von WEA mit insgesamt mehr als 100kW verpflichtet, die CEC vierteljährlich über den Funktionsstatus der Anlagen in Kenntnis zu setzen (van Est 1999, 304 Fußnote 71).

Es fragt sich, weshalb ein offensichtliche Mängel wie fehlende Meldepflicht über Jahre hin nicht korrigiert, die Meldepflicht erst 1984 eingeführt wird. Van Est zufolge (1999, 53) befürchteten die Fürsprecher des Gesetzes, ,schlafende Hunde zu wecken': ,The fact that proponents, for fear of its abolishment, were kept from raising this matter, prevented improvement of the tax credit program.'

Eine weitere eklatante Schwäche des Fördersystems besteht in fehlender Kontinuität. 1980, als in Kalifornien die tax credits eingeführt wurden, existierte außerhalb von Dänemark kein Unternehmen, dass mittelgroße WEA herzustellen vermochte. Infolge des Marktrückgangs mussten die meisten Hersteller zu einem Zeitpunkt Konkurs anmelden, als sich entsprechende Lernprozesse noch im Anfangsstadium befanden. Die folgende Tabelle 2.3.1a fasst die wichtigsten Charakteristika des kalifornischen und dänischen Fördersystems zusammen.

Tabelle 2.3.1a Förderung privater Windkraft in Kalifornien und Dänemark

Kalifornien Dänemark

Einnahmen der Betreiber profitabel Senkung von Stromkosten möglich

Technischer Status quo beim Start der Förderung

Industrie ist noch nicht in der Lage, zuverlässige Windturbinen herzustellen

seit 1980/81: Herstellung von 55kW-Windanlagen mit guter Zuverlässigkeit Adressaten wohlhabende Investoren Privatpersonen, die ihre Stromkosten

reduzieren wollten Teststation NREL ist nicht auf Zusammenarbeit mit

unabhängigen Herstellern mittelgroßer Turbinen orientiert; NREL hält nicht mit der technischen Entwicklung Schritt.

Risoe leistete wichtige Beiträge zur technischen Weiterentwicklung und arbeitete erfolgreich mit den Herstellern führten diese Abweichungen eher zur Entstehung neuer Barrieren, als dass Probleme gelöst wurden. Unabhängig von der Veränderung äußerer Bedingungen wie fallender Energiepreise

195 1986 war ESI das Unternehmen mit dem siebtgrößten Marktanteil, also kommerziell sehr erfolgreich. Die Tatsache, dass ESI-Anlagen technisch weitestgehend versagten (durchschnittlicher Kapazitätsfaktor von sechs Prozent, bis einschließlich 1986, (Heymann 1995, 400) ) dürfte dem Unmut der Konkurrenz keinen Abbruch getan haben.

und der Regierungsübernahme durch die Republikaner, erscheint es, insbesondere vor dem Hintergrund der Bewährung des dänischen Modells offensichtlich, dass ein Fördersystem mit so eklatanten Schwächen nicht langfristig aufrechterhalten werden konnte.