• Keine Ergebnisse gefunden

Dänische Windanlagenindustrie in Periode 1

Technische Innovation und Entstehung des Ursprungsmarktes

2.1.2 Dänische Windanlagenindustrie in Periode 1

Im folgenden Abschnitt geht es um die frühe Kommerzialisierung der Windanlagentechnik.

Welches sind die ersten Akteure der aufkommenden Industrie? Wie ist die Anlagenproduktion aufgebaut? Welche Verbindungslinien existieren zu Grassroots-Organisationen wie der OVE?

Mit welchen Schwierigkeiten sind die ersten Hersteller konfrontiert und wie werden sie ggf.

überwunden?

Bei den meisten Herstellern handelte es sich nicht um kommerziell agierende Unternehmen, sondern um Selbstbauer (s.o.). Insgesamt wurden zwischen 1976 und 1978 etwa 170 WEA verkauft.135 Neben Riisager, der ca. 50 Windturbinen verkauft hatte, waren einige weitere Firmen auf dem Markt, deren Verkaufszahlen auf einen Status jenseits des Selbstbauers und einen gewissen Professionalisierungsgrad schließen lassen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden ausschließlich diese Unternehmen betrachtet. Darüber hinaus sind in dieser Gruppe die innovativsten Hersteller zu finden.

Riisager Moellen

Riisagers Beiträge zur Innovation liegen in der Wiederentdeckung und Kommerzialisierung des Juul-Designs sowie im Netzanschluss seiner Windmühle. Im folgenden geht es um

134 Demgegenüber ist es eine Ironie der Geschichte , dass das Monopol der EVU gerade von einem typischen Selbstversorger wie Riisager durchbrochen worden ist.

135 Die meisten dieser WEA speisten nicht in Elektrizitätsnetze, sondern dienten der Wärmeproduktion (van Est 1999, 87).

Riisagers Rolle als Unternehmer im engeren Sinne und sein Verhältnis zu den übrigen Akteuren der frühen Windkraftindustrie.

Innerhalb der Gruppe der Eigenbauer nimmt Riisager insofern eine Sonderrolle ein, als er die Vermarktung seiner WEA anstrebte. ,He was the first one who wanted to make business and sell turbines.

Many of the other selfbuilders didn’t want to. They only want to make a turbine for themselves.' (Grove-Nielsen, Interview vom 27.6.07).

Riisager Moellen ist 1976 das erste Unternehmen, das WEA zum Kauf anbot. Anders als die meisten zeitgenössischen Hersteller arbeitete Riisager vollständig außerhalb der OVE-Strukturen. Zur Anti-AKW-Bewegung und der Organisation für erneuerbare Energien hatte er keinerlei Bezug (Grove-Nielsen, Interview vom 26.7.07).

Zu den wichtigsten Eigenschaften der Riisager-Turbine zählen: Dreiflügelrotor, robuste Bauweise, horizontale Achse, Aufwindorientierung, Stall-Regulierung, niedrige Drehzahl, Asynchrongenerator (Danish Design). Mit der Produktion der von Riisager entworfenen Flügel beauftragte er LM, ein Bootsbauunternehmen, das aufgrund von Umsatzverlusten Interesse an der neuen Branche zeigte. Die Tatsache, dass die Riisager-Flügel aufgrund der schweren Bauweise und des ,etwas klobigen Designs' aus Stahl, ,nur mäßige Ergebnisse brachten' (Krogsgaard, Interview 19.9.07), tat den Verkaufszahlen keinen Abbruch. Der improvisierte Charakter der Windmühle wird offenkundig, wenn man einen Blick auf die Einzelteile wirft. So diente der Hinterradantrieb eines alten englischen Panzers als Achse, das Getriebe stammte aus einem LKW.

Anfangs baute Riisager die Maschinen gemeinsam mit dem Schmied Erik Nielsen. Nachdem die beiden ersten Exemplare 1976 verkauft wurden und sich bald als ,antriebssichere Leistungskühe' (driftsikre Hoejtydende) herausstellten (Beuse et al. 2000, 128), weitete Riisager die Produktion aus.

Seit 1977 arbeitete er mit Sonebjerg, einer etablierten Maschinenfabrik zusammen, die in Riisagers Auftrag bis 1978 die meisten seiner Windanlagen produzierte (Krogsgaard, Interview vom 19.9.07).

Mit diesem Schritt war der Tischler ein großes Risiko eingegangen. Denn ein Antrag auf Forschungsförderung wurde abgelehnt (Kamp 2002, 144). Er übernahm sich und fand 1978 in der Genossenschaft Windmatic einen neuen, finanzkräftigeren Partner.

Kongsted Moellen/ Erini

1978 gründeten der Automechaniker Ole Hansen und seine Frau die Firma Kongsted Moellen.

Hansen war ein früherer Kunde Riisagers und verwendete ein der Riisager-Maschine ähnliches Design, wobei er sich für Holz- anstatt Stahlflügel entschied. Als Achse nutzte er einen Getriebekasten von Enthegritte. In der Werkstatt des Automechanikers wurden etwa 25 WEA gefertigt. Zusätzliche Arbeitskräfte stellte Hansen nur bei Aufträgen ein. 1982 stoppte er die Produktion (Krogsgaard, Interview vom 19.9.07).

Auch Erik Nielsen, der vorherige Partner Riisagers, war kurzzeitig als Windmühlenhersteller tätig (1978-79). In seiner Schmiederei wurden jedoch nur wenige Mühlen gefertigt. Das Erini-Design entsprach dem Konzept von Riisager (www.windsofchange.dk , Abruf vom 28.1.08).

Riisager und die Hersteller Sonebjerg, Kongsted und Erini, welche Riisagers Zeichnung übernahmen, oder in dessen Auftrag produziert hatten, sowie Svend Jensen (s.u.), hatten ihre Turbinen unabhängig von den im Kontext der OVE gewonnenen Erfahrungen konstruiert, bzw. gefertigt. Wie oben dargestellt wurde, hatte die Realisierung der Komponentenmühle eine Entwicklung weitreichender Tragweite in Gang gesetzt. Um 1977/1978 bildete sich eine neue Zulieferindustrie heraus, so dass die Turbinenfertigung wesentlich erleichtert wurde. Zu den wichtigsten Pionieren der Komponentenherstellung zählte Oekaer Vind Energi, der erste unabhängige Rotorenproduzent. Daraufhin traten mit Adolfsen Moellen und Herborg Vindkraft die innovativsten Hersteller dieser Periode hinzu. Beide wiesen einige Gemeinsamkeiten auf: Sie kooperierten mit dem OVE-Umfeld, verwendeten Oekaer-Rotoren, ein dänisches Windanlagenkonzept und sind Handwerker. Gemeinsam mit Oekaer kommt Adolfsen und Herborg eine herausragende Position im Innovationsprozess während dieser Periode zu.

Oekaer Vind Energi

Anfang 1977 wurde die Herstellung der 4,5m langen PTG-Flügel mittels der Form von Energiekontor bei der Glasfiber-Werkstatt TV-Glasfiber in Auftrag gegeben. Doch es unterliefen schwere Produktionsfehler. Bereits wenige Tage nachdem der Rotor auf die selbstgebaute Windmühle des Elektrikers Leif Nielsen gesetzt wurde, löste sich bei schwachem Wind einer der Flügel. TV Glasfiber gab die Rotorenproduktion auf und Erik Grove-Nielsen kaufte die Form für 2.500 DKr. Daraufhin eröffnete er am 8. August 1977 Oekaer Vind Energi. Gemeinsam mit Christian Soerensen, dem einzigen Angestellten Grove-Nielsens, errichtete er in einer alten Scheune die erste Produktionsstätte für Glasfiberrotoren.

Aufgrund mangelnden Eigenkapitals nahm er anfangs Kredite in Höhe von 70.000 DKr (ca.

$10.500) auf. Ende November 1977 lieferte er den ersten Rotor an Adolfsen Moellen. Auch die Oekaer-Variante der PTG-Flügel, von denen Grove-Nielsen bis Januar 1978 nur vier Sets verkauft hatte, wurde den Erwartungen nicht gerecht. Als sich diese Unzulänglichkeit der Flügel herumgesprochen hatte, kaufte niemand mehr bei ihm. Schließlich rettete ihn der NIVE-Auftrag (s.o.) vor dem Bankrott. Durch die Anforderung neuer und technisch verbesserter 5m-Rotoren, die im Mai 1978 erstmals geliefert wurden, überstand Oekaer die Krise. (www.windsofchange.dk Abruf vom 29.1.2008). Während der Sommermonate verkaufte das Unternehmen zehn Sätze à drei Flügel. Zu diesem Zeitpunkt ist die Rotorentechnologie bei weitem nicht ausgereift. Bis dahin hatten die Flügel keine aerodynamische Bremsvorrichtung. In den ersten Herbststürmen gerieten daher zwei Rotoren außer Kontrolle und die Flügel verselbständigten sich. ,After that it was difficult to sleep at night during a storm. We closed down our production and decided to develop air brakes.' (Grove-Nielsen in:

Vestergaard 2003).

Unter anderen Umständen hätte darin kein größeres Problem bestanden. Denn die Stall-Technik136 war bereits an der Gedser-Mühle erprobt worden. Doch angesichts mangelnder Kapitalreserven, bahnte sich Oekaers nächste Krise an. Schadenersatzforderungen wurden erhoben. Zudem versagte der VW-Bus, der als Transportfahrzeug integraler Bestandteil der Unternehmens gewesen war, seiner Dienste. Die Bank gewährte ihm weitere Kredite.137 Grove-Nielsen erhielt Kontakt zur privaten Otto Johannes Bruuns Stiftung, wo er sich um Fördermittel bewarb und erhielt 50.000DKr.(ca. $7.000). Diese Zahlung verhinderte den Bankrott Oekaers. Die Mittel genügten, um die dringendsten Rechnungen zu begleichen, die Luftbremse zu entwickeln und den VW-Bus zu reparieren (Beuse et al. 2000, 143f.).

Bei der Konstruktion des aerodynamischen Sicherungssystems erhielt Grove-Nielsen Unterstützung durch die neuen Hersteller Svend Adolfsen und Karl Erik Joergensen (Herborg Vindkraft). Letzterer war Betreiber einer derjenigen Windmühlen, die aufgrund der fehlenden Luftbremse schwere Schäden davon getragen hatten. Im November 1978 wurde der erste Satz der neuen Oekaer-Flügel hergestellt und an der Herborg-WEA getestet. (ebd., 144). Die Luftbremse bewährte sich und Oekaer Vind Energi erhielt weitere Aufträge.

136 Das Prinzip der Stall-Bremse nutzt den aerodynamischen Effekt des Strömungsabrisses aus. Der Effekt tritt bspw. auf, wenn sich die Blattspitzen verdrehen. Diese Technik basiert auf einem einfachen Prinzip. Die Blattspitze ist durch gefederte Bolzen mit dem Flügel verbunden. Bei einer bestimmten Drehfrequenz werden die Federn durch die Zentrifugalkraft so stark komprimiert, das diese Verbindung unterbrochen wird. Anschließend klappt die Blattspitze um und rastet im rechten Winkel zum Flügel ein. Grove-Nielsen verwendete stattdessen ausfahrbare Drehspitzen, die ebenfalls zum Strömungsabriss und damit zum Einsetzen der Bremswirkung führten. Dabei handelte es sich um ein Patent von Johannes Juul aus dem Jahre 1949 (Beuse et al. 2000, 144).

137 Die niedrigen Verkaufspreise waren nach Ansicht des Firmengründers ein weiterer Grund zur Erklärung, weshalb das Unternehmen während der ersten Jahre kaum aus den Schulden herauskam: ,We didn’t make much money. In the early years I was a long-haired guy from the left wing. We thought that’s a bad thing to make profit. The price of the blades should be the price of the materials and the wages.' (Grove-Nielsen, Interview vom 27.6.07).

Adolfsen Moellen

Svend Adolfen betrieb in Knudstrup bei Viborg eine kleinere Autowerkstatt mit etwa fünf bis zehn Beschäftigten. Der Automechaniker und Elektriker interessierte sich sehr für Windräder.

Teilweise unter Verwendung des PTG-Konzeptes entwickelte Adolfsen 1977 eine kleine Windmühle mit 11kW-Generator. Dabei arbeitete er eng mit dem Energiebüro von Tvind zusammen. Das Design der elektrischen Systeme hatte er vollständig selbst entworfen (Grove-Nielsen, E-Mail vom 21.8.07). Als Achse und Getriebekasten diente ihm die Hinterwelle eines LKW. Die Rotoren kaufte Adolfsen bei Oekaer.

Auch Riisager stellte seine Rotoren nicht selbst her, sondern beauftragte LM. Anders als bei Adolfsen, stammte die Zeichnung der Rotoren von Riisager selbst. Adolfsens Windmühle war daher die erste für den Markt produzierte Komponentenmühle. Als Adolfsen mit seiner Turbine im Frühjahr 1978 eine kleine Serienfabrikation startete, wurde er zum ersten Konkurrenten Riisagers (Beuse et al. 2000, 142). Die erste Maschine verkaufte Adolfsen an einen Nachbarn. Sie wurde ca. 100 Meter von seiner Werkstatt entfernt in Betrieb genommen.

Beim Aufbau waren ihm die Käufer behilflich (Grove-Nielsen, Interview vom 27.6.07). 1979 verkaufte Adolfsen sein Patent an Kuriant, wo das Adolfsen-Design in größeren Serien produzierte wurde (vg. Kap. 2.2).

Herborg Vindkraft

Der Schmied Karl-Erik Joergensen besaß eine kleine Reparaturwerkstatt, in der er diverse Zulieferarbeiten für ansässige Unternehmen tätigte. In seiner Freizeit beschäftigte sich der Handwerker mit energietechnischen Problemen. Für seine Werkstatt produzierte er Strom mit einem alten Dieselgenerator, dessen Abwärme in das Heizungssystem gespeist wurde.

Joergensen entwickelte damit einen Vorläufer heutiger Blockheizkraftwerke. Inspiriert von zwei in der Nähe gelegenen Riisager-Mühlen, begann er mit dem Aufbau einer ,Super-Windrose’ (Beuse et al. 2000, 169). Das Ergebnis entsprach nicht seinen Erwartungen.

Damals beschäftigte sich auch der 18jährige Henrik Stiesdal mit Windturbinen. Stiesdal nutzte die Werkstatt des erfinderischen Handwerkers138 und erhielt von diesem praktische Unterstützung bei der Realisierung seiner eigenen Prototyp-Windmühle. Im Umkehrzug bat Joergensen den angehenden Technikstudenten, ihn bei der Erstellung einer Zeichnung für eine neue, größere Windanlage zu unterstützen. Stiesdal zeigte sich interessiert. Beiden fehlte es jedoch an der erforderlichen Liquidität. Zu dieser Zeit, im Frühjahr 1978, gründete das Technologische Institut (Teknologiske Institut) ein Erfinderbüro, das Innovationen im Energiesektor unterstützte. Stiesdal fertigte die Zeichnung eines einfachen dreiflügeligen Windrades an. Gemeinsam mit einer kurzen Projektbeschreibung bildete diese Zeichnung die Grundlage eines Förderantrages, den sie beim Erfinderbüro einreichten. Wenige Wochen später erhielten sie einen Check über 50.000DKr.

Die Bauphase wurde von Joergensen und Stiesdal arbeitsteilig bewältigt. Ersterer übernahm die praktischen Arbeiten: Viele Elemente, bspw. den Turm, hat er selbst hergestellt. Bei den Aufbauarbeiten wurde Joergensen zusätzlich von seinem Sohn unterstützt. Stiesdal führte die Berechnungen durch und erledigte den Einkauf der Komponenten. Er entschied sich für ein Getriebe und eine Achse von Hansen. Ebenso wie Adolfsen wählten auch Joergensen/Stiesdal die Oekaer-Flügel (Beuse 2000 et al., 171). Die elektrische Kontrolle lieferte HM Automatik.

Damit war die Herborg-Turbine in ähnlicher Weise eine Komponentenmühle wie diejenige Adolfsens. Bereits im Frühsommer des Jahres war der Prototyp betriebsbereit. Ebenso wie bei den WEA von Riisager und Adolfsen handelte es sich auch hier um ein dänisches Konzept.

Die Entscheidung für diese Bauweise wurde von Adolfsen ebenso wenig wie von Joergensen/

138 Stiesdal hat Joergensen als ,Inbegriff eines Jungunternehmers' charakterisiert, der schon in jungen Jahren eine Maschinenwerkstatt aufgebaut hatte. Für ihn gab es nichts wichtigeres als seine Arbeit. Joergensen arbeitete in Vollzeit, obgleich er aufgrund eines Krebsleidens eine 100%ige Invalidenrente erhielt (Beuse et al. 2000, 169).

Noch in den letzten Monaten vor seinem Tod kletterte er auf seine Windmühlen, bevor er 1982 verstarb (Näheres zur Person Karl Erik Joergensen, vg. Beuse et al. 2000, 169f.)

Stiesdal zufällig getroffen. Der erste Grund sind die Erfolge Riisagers.139 Der zweite und wichtigere Grund besteht in Stiesdals Verbindungen zum OVE-Netzwerk (Grove-Nielsen, per E-Mail vom 20.8.07). Auch dort hatte man sich früh für das dänische Design entschieden und das Konzept des späteren Oekaer-Rotoren entwickelt. Nachdem die Rotoren mit der aerodynamischen Bremse ausgestattet worden sind und sich Joergensens WEA im Testlauf bewährt hatte, stellte der Handwerker einige Maschinen für den Verkauf her. Die ersten vier gingen ausschließlich an seine Nachbarn. Dabei fühlte sich Joergensen persönlich verantwortlich dafür, dass die Turbinen funktionstüchtig waren (Grove-Nielsen, Interview vom 27.6.07).

Wichtiger ist weniger der kommerzielle Erfolg der Herborg-Turbine, sondern ihre Beiträge zur technischen Entwicklung der Windkraft insgesamt: ,Die Mühle ragte als eine Art Archetyp hervor für das, was für lange Zeit der Inbegriff einer modernen dänischen Windmühle sein sollte – ein dreiblättriger Rotor mit Luftbremsen, motorgesteuerter Windnachführung und Zwei-Geschwindigkeitsantrieb mit direkten, netzgekoppelten Generatoren' (Henrik Stiesdal, zitiert nach: Beuse et al. 2000, 172). Ende 1979 hatte Joergensen die Lizenz zur Fertigung dieser Windanlage an den Maschinenhersteller Vestas verkauft (vg. Kap. 2.2). Mit dem Herborg-Design erlangte Vestas bereits frühzeitig eine führende Rolle in der neuen Branche. Die Bedeutung der Kombination akademischer und handwerklicher Fähigkeiten für den Erfolg des Tvind-Projekts ist bereits aufgezeigt worden.

Diese Kombination bildete auch für Herborg Vindkraft eine entscheidende Erfolgsvoraussetzung. Denn ohne Stiesdals Fähigkeit, Berechnungen anzustellen und ohne seinen Bezug zum Grassroots-Milieu, hätten die handwerkliche Begabung und Erfahrung Joergensens nicht ausgereicht, um so frühzeitig und so weit über den technischen Stand der ,Super-Windrose’ hinaus zu gelangen.

S.J. Wind Power

Ebenfalls 1978 gründete der Elektriker Svend Jensen eine kleine Windmühlenproduktion. Er konstruierte eine Windrose. Der Rotor unterschied sich stark von den Dreiflüglern. Jensen hatte ein gutes Dutzend kleiner, aus Poly Urethane Schaum bestehender Flügel, konzentrisch um die horizontale Achse angeordnet. Mit einem 10kW-Generator und 6m-Rotordurchmesser ausgestattet, war Jensens Modell selbst für damalige Verhältnisse klein dimensioniert. Die meisten Windrosen speisten keinen Strom ins allgemeine Netz, sondern dienten der Wärmeproduktion (www.windsofchange.de, Abruf vom 29.1.08). Die größte Schwäche der Windrose war eine mangelnde Stabilität. Insbesondere im Sturm von 1981 trugen 50 der insgesamt etwa 200 verkauften Windrosen einen Totalschaden davon (Krogsgaard, Interview vom 19.9.07). Daraufhin musste Jensen Konkurs anmelden. Das Design der Windrose ,stammt weitgehend von ihm' (Krogsgaard ebd.). Ebenso wie Riisager arbeitete auch Jensen unabhängig von den OVE-Strukturen. Im Unterschied zu diesem betrat Jensen etwa zwei Jahre später den Sektor, zu einem Zeitpunkt also, als er das Rad nicht mehr neu hätte erfinden müssen.

Die neue Windanlagenindustrie

In ihrer Arbeitsweise lassen sich die Hersteller in zwei Gruppen teilen: diejenigen, die allein gearbeitet haben und solche, die direkt oder indirekt mit dem OVE-Netzwerk (Windtreffen, Energiebüros, Tvind-Leute) kooperierten. Unter den Firmen der ersten Gruppe waren ausschließlich Riisager und seine Lizenznehmer erfolgreich. Adolfsen Moellen und Herborg Vindkraft zählten zur zweiten Gruppe. Beide fertigten Komponentenmühlen und verwendeten

139 Dennoch haben in den späten 70er Jahren nicht nur viele Selbstbauer, sondern auch Unternehmer wie Svend Jensen auf andere Konzepte gesetzt.

Rotoren von Oekaer. Anders als Riisager waren sie, gemeinsam mit Oekaer, zwar nur bedingt kommerziell erfolgreich, dafür nichtsdestoweniger innovativ.140

Außer den hier genannten Firmen und S.J. Wind Power gab es keine weiteren, die sich vor 1979 gründeten und über den Selbstbauer-Status – ob mit oder ohne Teilnahme an den Windtreffen – wesentlich hinaus gelangten (vg. www.windsofchange.dk, Abruf vom 2.2.08).

Alle Hersteller, deren Produkte besonders innovativ und technisch richtungsweisend waren, d.h. Herborg, Adolphsen und Oekaer, kooperierten sowohl untereinander, als auch mit dem OVE-Netzwerk. Dort waren u.a. Ingenieure beteiligt. Sie konstruierten die PTG- und NIVE-Anlagen, stellten die Zeichnungen allen interessierten zu Verfügung und berieten die Hersteller in den Energiebüros. Die formalisierten Methoden, wie sie üblicherweise von Ingenieuren angewendet werden, waren den Herstellern, die über keinerlei akademische Ausbildung verfügten, fremd.141 Probleme wurden in der Praxis gelöst, die Fehler von Anlage zu Anlage verringert (,trail-and-error’-Prinzip).

Diejenigen, die sich mit der Windkraft selbständig machten, gingen ein wirtschaftliches Risiko ein. Ob sie ein erfolgreiches Modell produzieren würden, war völlig unklar. Große Profite hatten die ersten Hersteller weder erzielt, noch unbedingt angestrebt. Während sich Grove-Nielsen in der Anfangsphase Oekaers sogar explizit vom Gewinnstreben distanzierte, war das Geldverdienen für den ,Einzelkämpfer’ Riisager, der zunächst wirtschaftlich erfolgreicher war, als alle anderen Hersteller, durchaus nicht unwichtig.

Doch schon bald begannen andere, gegenüber Riisager Boden gut zu machen. Während jene kooperativ arbeiteten und Entwicklungsschritte daher gemeinsam vollzogen, gingen grundlegende Neuerungen an Riisager vorbei. Letzterer hielt etwa, auch nach dem Vertragsschluss mit Windmatic von 1979 (vg. Kap. 2.2), noch an Rotorblättern aus Stahl fest, anstatt auf Glasfiber umzusteigen. Zu den wichtigen Eigenschaften der Technikperiode zählt die Dominanz des kooperativen über den komparativen, also konkurrenzorientierten Entwicklungspfad technischer Innovation.

In anderen Punkten bildeten die Hersteller eine deutlich homogenere Gruppe (vg. Tab. 2.1a und Tab. 2.1b). Sämtliche Turbinenproduzenten sind Handwerker, die zwischen 1976 und 1978 in den Markt eingestiegen waren. Fertigungsorte waren die Werkstätten von Elektrikern, Tischlern, Schmieden und Automechanikern. Sie arbeiteten mit jenen einfachen und robusten Baustoffen, an die sie vielfach aus ihrer Berufspraxis gewöhnt waren und nutzten die ihnen vertrauten Faustregeln, um ihre Konzepte zu verbessern.

Die üblicherweise gewählten Anlagengrößen ähnelten einander: Rotordurchmesser von 8-10m, Generatorenkapazitäten lagen bei 10-30kW. Zwischen Herstellern und Käufern bestand eine enge regionale Beziehung. Häufig wurden Turbinen an die Nachbarschaft verkauft, so dass ein kontinuierliches Feedback gegeben werden konnte und die Turbinenbauer Anregungen zur technischen Verbesserung erhielten.142

140 Die Kooperationsbereitschaft einiger Hersteller beschränkte sich nicht nur auf ihren Bezug zum OVE-Netzwerk, sondern bestand auch untereinander. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit zwischen Karl-Erik Joergensen und Henrik Stiesdal. Die Grundlage dafür war kein Lohnarbeitsverhältnis, sondern bestand im wechselseitigen Lernen. Ein anderes Beispiel ist die Entwicklung der ersten Luftbremse für Oekaers Rotoren.

Die Entscheidung fiel auf eine Stall-regulierte Luftbremse mit Drehspitzen aus Stahl an den Flügelenden. Den ersten Satz dieser Drehspitzen produzierte Joergensen in seiner Werkstatt (Beuse et al. 2000, 144). Grove-Nielsen erinnert sich an die Kooperation mit den neuen Herstellern, die seine Rotoren, noch ohne

aerodynamische Bremsen gekauft hatten : ,Viele Diskussionen und Entwicklungen technischer Lösungen fanden in der Werkstatt oder am Küchentisch von Karl Erik Joergensen oder Sven Adolfsen statt. Selbstgebackenes Weißbrot mit Rhabarbermarmelade und Kaffee teilten den Platz mit Skizzen auf Kladdenpapier.' (ebd.)

141 Eine Ausnahme bildeten die etablierten Unternehmen Sonebjerg und LM, die allerdings nicht selbständig agierten, sondern im Auftrag Riisagers tätig wurden. Henrik Stiesdal und Erik Grove-Nielsen hatten ihr Technikstudium noch nicht begonnen, bzw. abgebrochen.

142,When something is put into production the relationsship to the customer was a fruitful thing. It helped development because the customer told you: ,This could be better.’ You could learn from his experiences. That

Alle Pioniere waren permanent unterfinanziert. Sie arbeiteten mit einfachsten Materialen und bauten Schrottteile (bspw. LKW-Hinterachsen) in ihre WEA ein, was eine ausgeprägte Improvisationsgabe erforderte. In Ausnahmefällen erhielten die Unternehmen staatliche Fördermittel und günstige Kredite, wodurch ein Bankrott verhindert werden konnte. Tab. 2.1a fasst die wesentlichen Charakteristika der Pioniere zusammen.

Tabelle 2.1a Akteursstruktur der frühen Windindustrie Gründungsjahr Zahl der

Beschäftigten Herkunft des

Designs? Ort der Produktion

Riisager Moellen 1976 2 Juul/ Riisager Schreinerwerkstatt

Riisager Moellen 1976 2 Juul/ Riisager Schreinerwerkstatt