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Dänemark: Windanlagenindustrie in Periode 3

Technische Innovation und Entstehung des Ursprungsmarktes

2.3.2 Dänemark in Periode 3

2.3.2.2 Dänemark: Windanlagenindustrie in Periode 3

Bis zur Mitte der 80er Jahre werden mit der 55kW-Klasse deutliche Fortschritte erzielt.

Zwischen 1981 und 1984 gelingt es, die Effizienz um 50% zu verbessern (Garud/ Karnoe 2003, 290). Liegt die Wahrscheinlichkeit des Totalschadens einer 55kW-Anlage 1979 bei 50%, so kann sie bis 1984 auf zwei Prozent verringert werden. 1985 wird eine Zuverlässigkeit von 98% erreicht (Tacke 2004, 165). Grundlage dieser Verbesserungen ist die stabile Nachfrage der Kooperativen. Angesichts der seit 1982 stagnierenden Inlandnachfrage allerdings, droht die neue Industrie an Grenzen zu stoßen. Denn ihre großen Produktionskapazitäten werden nicht annähernd ausgeschöpft. Erst der immense Nachfrageschub durch den kalifornischen Markt ermöglicht Investitionen in die Ausweitung und Optimierung der Produktion. Auf diese Weise werden Voraussetzungen für den Eintritt in eine neue Entwicklungsphase geschaffen. Zu diesem Erfolg bei der Suche nach neuen Absatzmärkten leistet der Herstellerverband FDV mit seiner Analyse des US-Marktes einen wichtigen Beitrag. Die im August 1982 veröffentlichte Studie kommt zum Ergebnis, dass in Kalifornien ein sehr großer Markt für Windenergie entstehen würde (WPM 5/85, 13).

Unmittelbar danach brechen Repräsentanten der vier großen Produzenten Vestas, Windmatic,

Bonus227 und Nordtank nach Kalifornien auf und bereiten ihren Markteinstieg vor. Noch im selben Jahr exportieren sie die ersten 40 WEA (van Est 1999, 87).

Für die dänische Windindustrie im besonderen sowie den Prozess internationaler Etablierung der Windtechnik im allgemeinen, war es ein Glücksfall, dass die 55kW-Anlage just zu diesem Zeitpunkt eine gute Reife228 erreicht und in Serien gefertigt werden kann (Heymann 1995, 413). So entstanden keine Verzögerungen, und die Dänen konnten ihr Produkt sofort liefern.

Aufgrund technischer Defizite der 15 US-Hersteller gelingt es den Dänen schnell, auf dem neuen Markt Fuß zu fassen. Auch waren dänische WEA den Modellen der europäischen Konkurrenz deutlich überlegen (Kamp 2002, 156).

Zwischen 1983 und 1986 werden jährlich etliche Hundert Turbinen exportiert, 1985 sind es 3.000 (Tab. 2.3b). Der Exporterfolg hat nicht allein technische Gründe. Der hohe Dollarkurs, der zwischen 1980 und 1985 von 5,6 auf 10,7 DKK gestiegen war, ermöglichte es ausländischen Herstellern, ihre Produkte konkurrenzlos günstig anzubieten (Heymann 1995, 417). Nach 1984 werden die meisten Exporte von dänischen Investoren finanziert, die von der Qualität und Langlebigkeit ihrer Windanlagen überzeugt waren. Diese Situation erlaubte es den Exporteuren, ihre Produkte im Rahmen sogenannter ,package deals’ anzubieten. Sie lieferten nicht nur die Windanlagen, sondern kümmerten sich auch um Finanzierung, Versicherung, Garantie229 und Serviceverträge (van Est 1999, 59).

Sowohl technisch als auch ökonomisch führt der neue Markt zu deutlichen Entwicklungssprüngen. 1984 wächst das Nettokapital der fünf größten dänischen Hersteller um Raten zwischen 100 und 250% an. Ihre Bruttogewinne belaufen sich 1984 zwischen $1,7 Mio. (Windmatic) und $8,9 Mio. (Micon230). Im Vergleich zum Vorjahr gelingt es den Unternehmen im Jahr 1984, ihre Produktion durchschnittlich zu verdoppeln (WPM 9/85, 11).

Bemerkenswert ist dabei die Höhe der Profitrate von 11,7%, welche deutlich oberhalb des Landesdurchschnitts von 6,5% gelegen ist (van Est 1999, 313 Fußnote 64). Angesichts dieser Extraprofite fällt es den Herstellern leichter, Kapazitäten auszuweiten und die Beschäftigtenzahl zu erhöhen. So verfügt die Windenergieabteilung von Vestas im Jahr 1982 über weniger als zehn Beschäftigte. 1984/85 sind es etwa 650 (www.windsofchange.dk, Abruf vom 15.4.08). In der selben Zeit vergrößert sich die Belegschaft Nordtanks von 30-35 auf circa 200 Beschäftigte (Beuse et al. 2000, 175).

Die zusätzlichen Mittel werden nicht ausschließlich genutzt, um die Produktion auszubauen.

Viele Hersteller etablieren Konstruktionsteams, deren Aktivitäten von der Herstellung in der Fabrik und dem Betrieb am Standort getrennt waren. Auch in organisatorischer Hinsicht vollziehen sich mehrere, die Interaktion mit dem Käufer betreffende Formalisierungen.

Dänische Versicherungs- und Zertifizierungskonzerne bestehen darauf, dass ihnen präzise Informationen über das Anlagendesign mitgeteilt werden. Dabei werden die

227 Danregn hatte sich 1982 in Bonus umbenannt, weil die Amerikaner Probleme mit der Aussprache ihres Namens hatten.

228 Paul Gipe vergleicht die dänischen mit den US-Anlagen: ,Sure, maybe the Danish machine would only work for three years before it needed some major fix, but the U.S. turbines would work for only one year or even shorter, before needed a big fix. To me it means three times better.' zitiert nach: van Est 1999

229 Üblich war eine Garantie von fünf Jahren auf das Gesamtprodukt und drei Jahre auf die Hauptkomponenten (van Est 1999, 59).

230 Micon wird 1983 durch Peder Moerup, einen vorherigen Mitarbeiter Nordtanks, gegründet. Micons Turbinendesign ähnelt jenem von Nordtank. Das neue Unternehmen wurde schnell sehr erfolgreich. Micon greift in deutlich höherem Umfang auf die Zulieferindustrie zurück als die Konkurrenz. Durch war es dem Unternehmen möglich, sehr schnell eine hohe Produktionskapazität zu erreichen, ohne am eigenen Standort, große Investitionen in den zeitintensiven Aufbau eigener Fabriken tätigen zu müssen (vg.

www.windsofchange.dk, Abruf vom 15.4.08). Vestas verfolgte dagegen eine andere Unternehmensstrategie: So beginnt die Firma 1982 mit der Entwicklung und Produktion eigener Komponenten wie Rotoren und Kontrollsysteme. Angestrebt wird eine maximale Unabhängigkeit von der Lieferzeit und Produktionskapazität der Zulieferer (Kamp 2002, 154).

Konstruktionsteams durch die Maschinenbauagentur Tripod unterstützt. Tripod, dessen Mitarbeiter zuvor am Nibe-Projekt beteiligt waren, hatten Messverfahren und Berechnungsprogramme entwickelt, mit denen bspw. die Aerodynamik des Anlagendesigns optimiert und Vibrationen minimiert werden konnten. Nachdem sich die anfängliche Skepsis vieler Hersteller bzgl. der Weitergabe technischer Details als unbegründet erwies, wird Tripod bald zu einem wichtigen Akteur auf dem Sektor technischer Entwicklung (Kamp 2002, 156).

Mit den Turbinenfabrikanten wachsen auch die Zulieferbetriebe. Auch ihnen stehen jetzt beachtliche Mittel zur Verfügung. In den ersten Jahren der Anlagenproduktion verwendeten die Hersteller Standardkomponenten, die ursprünglich für andere Branchen wie den Automobil- und Maschinenbau gefertigt wurden, bspw. Getriebe und Generatoren.

Angesichts der hohen Nachfrage ergibt sich für die Zulieferer sowohl die Chance, als auch die ökonomische Notwendigkeit der gezielten Spezialisierung und Optimierung ihrer Modelle (Heymann 1995, 417).

Sowohl in der Technik-, als auch der Stabilisierungsperiode ist die Bedeutung unabhängiger Rotorenhersteller stark betont worden. Hier stand insbesondere Alternegy (vormals Oekaer Vind Energi) im Zentrum des Blickpunkts. Das Beispiel der Entwicklung dieses Unternehmens in der Erprobungsperiode ist charakteristisch für die Zulieferindustrie insgesamt. Entsprechend dem Wachstum der Windturbinenhersteller expandiert auch Alternegy. Neben der Produktionsstätte von Slagelse werden die Rotoren noch an vier weiteren Standorten dänischer Lizenznehmer fabriziert. 1985 wird der 9m-, 1986 der 12m-Flügel, für die 100kW-, bzw. 150kW-Klasse entwickelt. Bereits 1984 investiert Grove-Nielsen, ursprünglicher Gründer des Rotorenfabrikanten, seine Einnahmen aus dem Lizenzverkauf (s.o.), um in Spakaer einen Testring zu installieren. In Risoe können zu dieser Zeit nur Flügel mit einer Maximallänge von elf Metern einem Belastungstest unterzogen werden. Für weitere $0,8 Mio. lässt Grove-Nielsen seinen Testring vergrößern, so dass dort 20m-Flügel geprüft werden konnten (www.windsofchange.dk, Abruf vom 15.4.08). Diese Tendenz, dass die Teststation von der Privatwirtschaft quasi ,überholt’ wird, lässt sich ebenfalls am Beispiel der Gründung von Tripod beobachten. Die Teststation wurde eingerichtet, um einzelne Kleinwindanlagen, die an dänische Stromkonsumenten verkauft werden sollten, auf Betriebssicherheit und Stabilität zu testen. Auf die Anforderungen von Exportprodukten, die in großen Serien hergestellt werden sollten, war Risoe nicht ausgelegt.

Mit dem zunehmenden Exportmarkt wächst der Einfluss der Interessenorganisation der Industrie. In der Technikperiode und der ersten Hälfte der Stabilisierungsperiode, spielt der FDV keine wichtige Rolle. Der Konflikt mit der Käuferorganisation DV schwächte den Verband (s.o.). Zwischenzeitlich löste er sich auf und wird erst 1981 wiedergegründet. In den folgenden Jahren konsolidiert sich der FDV merklich und repräsentiert 1985, etwa 80% der Windbranche Dänemarks. Er verhandelt mit dem Energieministerium, den Behörden, Energieunternehmen und Stromkonsumentenorganisationen. Die Exportgruppe des Verbands beschäftigt sich mit der Analyse neuer Märkte und nimmt an internationalen Energieausstellungen teil. Im Juni 1984 gibt der FDV eine Studie heraus, der zufolge Windkraft innerhalb der nächsten 15 Jahre kostengünstiger als moderne Kohlekraftwerke sein könnte. Der Verband kooperierte mit Risoe, in dessen Forschungskontrollgremium er Mitglied geworden ist (WPM 5/85, 11ff.).

Krise der Windindustrie

In den Jahren 1986-1988 gerät die Branche anlässlich der Schließung des kalifornischen Marktes in eine schwere Krise. Exportierten dänische Hersteller 1986 noch über 2.000 Windturbinen, reduziert sich diese Zahl 1987 auf 753 und 1988 auf 55 Anlagen. Bereits 1986 schreiben elf der zwölf Hersteller rote Zahlen (van Est 1999, 91). Im selben Jahr meldet Vestas Konkurs an, 1987 folgen Nordtank und Alternegy, 1988 sind es Wincon, Tellus,

Windmatic und Vindsyssel. (Heymann 1995, 417). Allein 1987 gehen von den 3.000 Arbeitsplätzen der Windbranche 2.400 verloren (Tacke 2004, 165).

Doch lässt sich die Krise der dänischen Industrie nicht allein auf die Beendigung der tax credits zurückführen. Denn tatsächlich beginnt die Misere der dänischen Windindustrie bereits 1985, als sieben der zwölf Unternehmen Verluste einfahren (van Est 1999, 91). Diese Situation ist deshalb bemerkenswert, weil die Krise gerade in jenem Jahr einsetzt, in dem die meisten Turbinen nach Kalifornien exportiert wurden. Es mag wenig verwundern, dass die verschlechterte Fördersituation aufgrund des rapide nachlassenden Absatzes in eine Krise führen musste. Hier wäre eher die Frage nach den Auswirkungen zu stellen und wie die betroffenen Firmen darauf reagierten. Wenn allerdings eine Industrie trotz Rekordumsätze keine positiven Ergebnisse vorzuweisen vermag, so bedarf das näherer Betrachtung. Zur Erklärung sind mehrere Faktoren wichtig. Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass die dänischen Anlagenhersteller mit dem Exportgeschäft kaum vertraut waren. Dieses ist daher ein Problem, weil sich die Situation auf dem kalifornischen Markt zunehmend verkomplizierte. Kalifornien war zu einem denkbar ungeeigneten Ort geworden, um sich Erfahrungen im Turbinenexport zu verschaffen. Jeder Fehler wurde von nun an hart bestraft.

Wodurch also sind die Gewinneinbußen verursacht worden? Hier sind zwei Faktoren zu unterscheiden: Preisverfall und Zunahme der Reparaturkosten. Ein Teil des Preisverfalls lässt sich auf den gefallenen Dollarkurs zurückführen. Der andere Teil hängt mit der sich verschärfenden Konkurrenz zusammen. Es wurde bereits diskutiert, weshalb der kalifornischen Markt verstärkt größere WEA verlangte. Zunehmend entstand ein Wettbewerb darum, die nächstgrößere Leistungsklasse herauszubringen. Das Ende der tax credits vor Augen, kämpfen die Hersteller um den schrumpfenden Markt. ,A technological rat race began, in which manufacturers were forced to develop larger and more cost-effective wind turbines as rapidly as possible.' (Kamp 2002, 157).

Einer der Gründe der Überlegenheit der dänischen Industrie besteht in der Vorsichtigkeit, neue Leistungsklassen einzuführen. Dieses galt insbesondere für die 55kW-Anlage, die lange Zeit auf dem dänischen Markt getestet und erprobt werden konnte. Erst 1984 wird die neue 75kW-Klasse serienmäßig hergestellt und angeboten. Seitdem sind, wegen der Nachfrage nach großen Anlagen, ausgiebige Tests und Qualitätskontrollen zu einem Luxus geworden, den sich die meisten Hersteller nicht mehr leisten konnten (oder wollten). Seit 1984 wird praktisch jedes Jahr ein größeres Modell herausgebracht. Mit der Einführung neuer Rotoren, deren Durchmesser zwischen 1984 und 1987 von 17 auf 25m angewachsen sind, werden leistungsstärkere Modelle realisiert. Entsprechend nimmt die kW-Zahl im gleichen Zeitraum von 75 auf 200kW zu (Heymann 1995, 407). Die bisher marktüblichen (kleineren) Turbinen können nicht länger zum ursprünglichen Preis verkauft werden, weil die nächstgrößeren Modelle bereits verfügbar waren. Bei der Entwicklung neuer Konzepte überschätzten die meisten Unternehmen ihre Möglichkeiten. Die zusätzlichen Investitionskosten werden nicht hinreichend durch kommerzielle Erfolge technischer Innovationen kompensiert (van Est 1999, 91). Stattdessen führt das Upscaling zu erhöhter Schadensanfälligkeit und damit überproportionalen Reparaturkosten.231 Jetzt sind es nicht mehr nur die US-amerikanischen, sondern auch dänische Windanlagen, bei denen sich häufige Defekte einstellten. Allmählich kommt es daher unter dänischen Investoren und Versicherungen zu Vertrauensverlusten gegenüber einer zuvor als sehr zuverlässig wahrgenommenen Technologie.232

231 Die häufigsten Probleme vieler kurzfristig auf den Markt gebrachten Turbinen bereiteten die Getriebe und Generatoren sowie deren Ölkühlung (Heymann 1995, 416).

232 Ein Projekt des dänischen Investors Difko (s.u.) stellt ein Beispiel für diese Problematik dar. 1987 mussten fast 500 Micon-Turbinen, aufgrund eines schwerwiegenden Fehlers am Design der Flügelspitzen, gestoppt werden. Rotorenlieferant Alternegy hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Konkurs angemeldet. Um längere (und imageschädigende) Gerichtsprozesse zu vermeiden, übernahm Difko zunächst die Verantwortung und trat mit der Zürich Insurance Co. in Kontakt. Letztere kam schließlich für den Schaden auf. Fälle wie diese trugen dazu bei, dass größere Investoren vorsichtiger wurden und Versicherungen davon Abstand nahmen, mit

Windparkentwicklern Verträge zu schließen (van Est 1999, 94; detailliert: WPM 3/88, 8ff.). Auch Deefond, ein

Ein großer Vorteil des dänischen Binnenmarktes besteht in der räumlichen Nähe der Hersteller zu den Turbinenstandorten. In Kalifornien können technische Mängel dagegen nicht mehr ohne Verzögerung an den Fabrikanten weitergeleitet werden. Hinzu kam, dass sich der Enthusiasmus, jede einzelne Anlage regelmäßig zu prüfen und sich bei auftretenden Mängeln mit dem Hersteller in Verbindung zu setzen, bei vielen Betreibern in Grenzen gehalten haben mochte (s.o.). Ein weiterer Grund, weshalb dänische Maschinen in Kalifornien schadensanfälliger als in Dänemark waren, besteht in den anspruchsvollen Bedingungen des heiß-kalten Wüstenklimas. Die ständigen Temperaturwechsel stellen wesentlich höhere Materialanforderungen als das gemäßigte maritime Klima Dänemarks (Hantsch 1998, 51).

Inwieweit der Vorwurf dänischer Hersteller, die kalifornischen Wartungsteams der Betreiber seien unfähig und würden schlechte Arbeit leisten (Hantsch 1998, 51) zutrifft, kann hier nicht beurteilt zu werden.

Die Situation verschärfter Konkurrenz ist die Hauptursache der Verluste. Zudem besteht die Konkurrenz nicht mehr nur zwischen dänischen und US-amerikanischen Firmen. Diesen gegenüber hatten die Dänen einen technologischen Vorsprung. Daher war für sie keine Notwendigkeit gegeben, kurzfristig Innovationen auf den Markt zu bringen. Dieses änderte sich, als dänische Exporteure sich auf dem neuen Markt begegneten und damit erstmals auf ebenbürtige Wettbewerber stießen.233

Mit dem nahenden Auslaufen der tax credits erhöhte sich die Konkurrenz weiter, und viele der hier dargelegten Schwierigkeiten vergrößerten sich. Der fallende Dollarkurs war für die Hersteller in dieser Weise nicht vorherzusehen. Zwei wirklich schwerwiegende Fehler hingegen basieren auf einer kurzsichtigen Unternehmenspolitik der meisten Exporteure.

Der erste Fehler ist die massive Ausweitung der Produktionskapazität. Diese Haltung, blind von der langfristigen Stabilität eines einzigen neuen Marktes auszugehen, lässt sich kaum anders als fatalistisch bezeichnen. Einmal gebaute Fabriken konnten nicht einfach wieder abgerissen werden. So kam es, dass 1988, dem Tiefpunkt der Krise, die Kapazitäten den Markt um das Zehnfache überstiegen (Maegaard, Interview vom 2.7.07).

Der zweite Fehler besteht in der Trägheit, welche die Hersteller angesichts der Absehbarkeit des Nachfragerückgangs aufwiesen. Die Suche nach neuen Märkten schien eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Noch 1985, als der Abbruch der Förderung unmittelbar bevorstand, resultiert noch immer der größte Anteil des Umsatzes dänischer Anlagenhersteller (2.100 von 2.275Mio. DKK) aus dem Export nach Kalifornien (Tacke 2004, 165). Beide Fehler können in besonderer Ausprägung bei Rotorenhersteller Alternegy beobachtet werden, der 1986 Konkurs anmeldete. 1984/85 errichtete die Firma in den USA zwei Fabriken. Unabhängig von der drohenden Schließung des Marktes produzierte Alternegy offenbar unbeirrt weiter. 1986 verfügte sie über ein Rotorenlager im Wert von über 30 Mio.

DKK (Beuse et al. 2000, 148).

Nicht alle Hersteller waren derart unvorsichtig. Bonus etwa durchstand die Krise ohne größere Schäden und erreichte selbst 1986, als einziger Exporteur, noch eine positive Bilanz des Geschäftsjahres. Wichtigste Unterschiede gegenüber anderen Firmen sind eine behutsamere Expansion der Kapazitäten und ein langsameres Upscaling, wobei verstärkt darauf geachtet wurde, dass die neuen Maschinen vor dem Markteintritt intensiv getestet wurden (van Est 1999, 93). Schaubild 2.3b enthält eine Übersicht der Faktoren zur Erklärung

anderer dänischer Investor, sammelte auf dem kalifornischen Markt negative Erfahrungen, allerdings mit Anlagen des belgischen Herstellers HMZ. Deefond verklagte HMZ auf die Zahlung von $15,5 Mio. (WPM 2/88, 14).

233Auf dem heimischen Markt existierte die Konkurrenz vor allem indirekt, über die Veröffentlichung von Output- und Zuverlässigkeitsstatistiken. Ein unmittelbarer Wettbewerb um den Zuschlag für bestimmte Standorte war in Dänemark insbesondere deshalb schwach ausgeprägt, weil sowohl Käufer als auch Verkäufer eine geografische Nähe zwischen Standort und Hersteller anstrebten. Insofern kamen ortsfremde Anbieter generell weniger in Betracht.

der Krise. Aufgrund diverser ,Anfängerfehler' scheitert die dänischen Windanlagenindustrie daran, den Eintritt in die (politisch geförderte) Konkurrenz um die größte WEA zu meiden.

Schaubild 2.3b Ursachen der Krise dänischer Windanlagenexporteure

tax credits fördern nicht Konkurrenz um die effizienteste, sondern größte WEA

- einseitige Fixierung auf Kalifornien als Exportmarkt - zu schneller Ausbau der Produktionskapazitäten - zu träge Reaktion auf angekündigte Beendigung der tax credits

- Absatzmöglichkeiten in Kalifornien zeitlich begrenzt - alternative Märkte der erforderlichen Größe nicht vorhanden

- kalifornischer Markt fordert große WEA

Firmen investieren in Upgrading statt Optimierung

vorhandener Konzepte

Fehler der Exporteure Kombination aus Fehlern und

Rahmenbedingungen erzwingt ,Flucht nach vorn'

Rahmenbedingungen Hauptproblem tax credits

+ =

- hohe Reparaturkosten entstehen

- teilweise müssen ganze Komponenten-Serien ausgetauscht werden extreme klimatische

Bedingungen führen zu frühzeitiger Materialermüdung

Konstruktionsfehler aufgrund zu kurzer Test- und

Entwicklungsphasen

zusätzliche Gewinneinbußen durch fallenden Dollarkurs

sich verschärfende Konkurrenz

aufgrund angekündigter Marktschließung

Krise

Der kooperative Entwicklungspfad: Ein Nebenstrang im Innovationsprozess

Zu den Merkmalen der Stabilisierungsperiode zählt die Durchsetzung des konkurrenzbasierten gegenüber dem kooperativen Entwicklungspfad der Windanlagentechnik. Unabhängig von seinem relativen Bedeutungsverlust existiert der letztere weiter. Repräsentiert wird er zum einen durch freie Zugänglichkeit von Konstruktionszeichnungen der Smedemester-, bzw. der Lollandturbine (s.o.). Letztere verzeichnete nicht nur in Dänemark gute Erfolge, sondern wurde auch nach Kalifornien exportiert.

1983 wird das Folkecenter für erneuerbare Energien gegründet. Es sollte künftig den organisatorischen Rahmen bilden, in dem die Schmiedemeistervereinigung ihre Arbeiten auf dem Windsektor durchführte. Dort arbeiteten Ingenieure, welche den Schmieden bei der Konstruktionsarbeit zur Seite standen. Ein wichtiges Kooperationsprojekt zwischen Folkecenter und Schmiedemeistervereinigung wird auf Bornholm realisiert, wo man zehn Windanlagen (je 99kW) herstellte. Die Genossenschaft Dansk Andelsenergi, welche von ihren Mitgliedern durch Einlage von 100.000 DKK je Mitglied gegründet wurde, finanzierte und koordinierte das Projekt (Beuse et al. 2000, 209f.). Insgesamt werden circa 175 Smedemesterturbinen gebaut. Diese Arbeiten sind nicht ohne Einfluss auf den kommerziellen Sektor geblieben. So entwickelten Kim Andersen und Knud Buhl, die am Design der Lolland-Turbine beteiligt waren, später die erste Windanlage für die Kesselfabrik Nordex (ebd., 209).

Das Unternehmen, das wie viele andere Windanlagenhersteller zur metallverarbeitenden Branche zählt, bringt 1985 sein erstes Modell heraus. Nordex zählt gegen Ende der 90er Jahre zu den zehn erfolgreichsten Herstellern von WEA. WindWorld ist ein weiteres Beispiel für Unternehmen, die von der Arbeit der Schmiedemeister profitieren und deren erste Turbinenkonzepte stark den Smedemesteranlagen ähneln (ebd., 211).

Das letzte große Windprojekt des Folkecenters ist eine im Jahr 1987 gestartete EU-geförderte Kooperation zwischen ihm und dem deutschen Getriebehersteller Tacke. Dabei sollten sowohl das Folkecenter, als auch Tacke jeweils in Dänemark bzw. der Bundesrepublik eine große 525kW-Anlage produzieren. Tacke stellte für das Projekt vor allem die großen 15-Tonnen-Getriebe bereit. Das deutsche Unternehmen erhielt Gelegenheit, sich umfangreiches Know-how über Lastanforderungen und Konstruktion anzueignen. 1992 wird das Projekt abgeschlossen. Beide Anlagen können im September 1992 installiert werden und arbeiteten einwandfrei.

Das Folkecenter hatte sich während der 80er Jahre vergeblich darum bemüht, die La Cour Tradition im Windsektor zu etablieren. Bis zur Mitte der 80er Jahre ist die Windkraft zu einer, praktisch ausschließlich durch Marktgesetze bestimmten Branche geworden. Kleinere Anlagenproduzenten, die ihr Konstruktionswissen aus dem Folkecenter erhielten und mitunter keine eigenen Ingenieure beschäftigten, sind auf dem Markt kaum noch überlebensfähig (Tacke 2004, 168). Da der Vorstand des Folkecenter nicht länger bereit war, Ressourcen für ein vollständig kommerzialisiertes Feld einzusetzen, gab man den Windsektor 1992 auf (Beuse et al. 2000, 211ff.).

Zusammenfassung

Für dänische Windanlagenhersteller kam die Eröffnung des kalifornischen Marktes zum richtigen Zeitpunkt. Sie trug maßgeblich zur Bewältigung der Binnenmarktkrise bei. Die Erfolge auf dem Exportmarkt waren keine Selbstverständlichkeit. Sie basieren darauf, dass es den Dänen nach jahrelanger Arbeit gelungen war, mittelgroße WEA mit hoher Zuverlässigkeit und Effizienz zu entwickeln. Bis 1984 genossen dänische Windturbinen in Kalifornien insbesondere auch deshalb einen sehr guten Ruf, weil die inländischen Hersteller

Für dänische Windanlagenhersteller kam die Eröffnung des kalifornischen Marktes zum richtigen Zeitpunkt. Sie trug maßgeblich zur Bewältigung der Binnenmarktkrise bei. Die Erfolge auf dem Exportmarkt waren keine Selbstverständlichkeit. Sie basieren darauf, dass es den Dänen nach jahrelanger Arbeit gelungen war, mittelgroße WEA mit hoher Zuverlässigkeit und Effizienz zu entwickeln. Bis 1984 genossen dänische Windturbinen in Kalifornien insbesondere auch deshalb einen sehr guten Ruf, weil die inländischen Hersteller