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Bundesrepublik Deutschland: Windanlagenindustrie in Periode 4

Verstetigung internationaler Diffusion

2.4.3 Bundesrepublik Deutschland in Periode 4

2.4.3.2 Bundesrepublik Deutschland: Windanlagenindustrie in Periode 4

Aus der Ferne betrachtet scheint es, als wären Anfang der 80er Jahre ausschließlich Großakteure damit beschäftigt gewesen, hoffnungslose Megawattprototypen herzustellen.

Tatsächlich existierte bereits ein rudimentärer Markt für kleine Windanlagen, zu dessen Akteuren neben den am Forschungsprogramm beteiligten Konzernen MAN, MBB und Dornier,310 auch Selbstbauer und Kleinunternehmen zählten. Im Frühjahr 1984 stammten 58% der in Deutschland betriebenen Windanlagen von Selbstbauern. Die meisten davon wurden nicht zur Netzeinspeisung, sondern zur Wärmeproduktion genutzt (Oelker et al.

2005, 84). Ähnlich wie in der dänischen Technikperiode existierte auch hierzulande ein fließender Übergang zwischen Selbstbauern311 und semi-professionell arbeitenden Herstellern.

Die Ergebnisse der Windanlagen, die zwischen 1980 und 1983 auf Pellworm getestet wurden, sind ein deutlicher Indikator der Rückschrittlichkeit der deutschen Windindustrie gegenüber den Windanlagenherstellern aus Dänemark. Die meisten Windturbinen überstanden die Dauer der Tests auf Pellworm nicht, weil sie zuvor Totalschäden erlitten.

Um die Akteursstruktur der Industrie im Untersuchungszeitraum richtig einzuordnen, ist der Rückgriff auf die erste Hälfte der 80er Jahre unerlässlich. Technische Aspekte sind zu dieser Zeit weniger relevant. Die wesentlichen technischen Pionierleistungen waren zwischen 1975

310 Die Konzerne bemühten sich um die Kommerzialisierung von Kleinanlagen, die als Modelle ihrer Großanlagen gedient hatten (Oelker et al. 2005, 46).

311 Die Landwirte Friedrich Böse und Heinrich Dove waren Pioniere im Selbstbau. Böses 10kW-Anlage erlangte einen gewissen Kultstatus. Als die Turbine 1980 in Betrieb genommen wurde, kamen 1.200 Besucher, um die Windanlage in Augenschein zu nehmen. Ähnlich wie dänische Selbstbauer verwendete auch Böse eine LKW-Achse als Antriebswelle. Seine Bauphilosophie war an die Vorgehensweise angelehnt, die in Dänemark zu dieser Zeit üblich ware: ,Lieber ein Zentner Eisen zu viel, als ein Pfund zu wenig.' (F. Böse, zitiert nach: Oelker et al. 2005, 85). Heinrich Dove trug aufgrund seiner vielen Erfindungen im Bereich Wind- und Solarenergie sowie kleinen Blockheizkraftwerken den Beinamen ,Daniel Düsentrieb aus Barenburg'. 1986 stellte Dove eine 70kW-Windanlage fertig, die seinen Hof mit Strom versorgte. Es war die größte privat hergestellte Windanlage Deutschlands, die zu 90% aus Schrottteilen gefertigt wurde (ebd.).

und 1978 in Dänemark bereits erbracht worden. Zu den wichtigsten Rahmenbedingungen der deutschen Windindustrie zählt die Tatsache, dass Mitte der 80er Jahre im nördlichen Nachbarland eine gut erprobte Technologie schon vorhanden ist. Durch Übernahme dieser Erfahrungen gelang es einigen deutschen Firmen, sich zahlreiche Lernschritte zu ersparen.

Eine weitere Verbesserung der Ausgangslage bedeutete die seit 1986 einsetzende Förderung kommerzieller Hersteller durch den Bund und einige Länder. Seit den Marktentstehungen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sind dänische Hersteller und Lagerwey aus den Niederlanden, auf dem deutschen Markt sehr aktiv geworden. Das 100MW-Programm, dass deutsche Unternehmen bevorzugte, verschaffte einigen Inländern genug Raum, um Rückstände gegenüber dieser Konkurrenz aufzuholen.

Zur Analyse der deutschen Windanlagenindustrie werden die Hersteller in zwei Gruppen geteilt: diejenigen mit guten kommerziellen Erfolgen und diejenigen ohne, bzw. geringen Erfolgen. Zur ersten Gruppen zählen alle deutschen Unternehmen, die sich zwischen 1982 und 1995 in der Top 10 des deutschen Marktes bewegen. Dabei handelt es sich um die Mittelständler Enercon, Tacke und die Husumer Schiffswerft. Die zweite Gruppe ist vergleichsweise heterogen: Zu ihr zählen Klein- und Kleinstunternehmen ebenso wie Großkonzerne. Die Analyse startet mit der zweiten Gruppe, wobei nur die relevanteren Hersteller berücksichtigt werden.

Hersteller ohne kontinuierliche wirtschaftliche Erfolge MAN, MBB und Dornier

Obgleich auch MAN's Aeroman auf Pellworm nur durchschnittliche Ergebnisse aufwies, wurde dem Modell der Status der Serienreife zuerkannt.

Der Aeroman bewährte sich nicht nur auf Pellworm. 1982 wurden fünf Exemplare des Typs ausgewählt, um auf der griechischen Insel Kythnos den ersten europäischen Windpark zu installieren. 1984 erhielt MAN den Zuschlag für das BMFT-Projekt ,Windkraftanlagen in Entwicklungsländern'. In diesem Rahmen wurden 50 Aeroman zur Netzeinspeisung errichtet, z.B. auf Mauritius, den Azoren und in Argentinien. Seit 1984 exportierte MAN den Aeroman nach Kalifornien, insgesamt über 350 Exemplare (Oelker et al. 2005, 47). Der Aeroman gilt in der zweiten Hälfte der 80er Jahre als gut erprobt. Dennoch ist die Windanlage mit ihrem 30kW-Generator zu klein geworden, um sich auf dem Markt noch durchzusetzen. Die Konzernleitung war nicht bereit, Investitionen zur Entwicklung eines größeren Modells zu tätigen. Ursprünglich setzte MAN darauf, dass EVU vom Konzern große Windanlagen erwerben würden. Jedoch blieben die Erfolge der Großwindanlagen aus und entsprechend die Kundschaft aus dem Energiesektor. Potenzielle Aeroman-Kunden, ,Bauer X und Bauer Y', wie Erich Hau es auf den Punkt bringt, passten dagegen nicht in das Verkaufskonzept des Konzerns (ebd., 49). Daher gab MAN seine Aktivitäten im Windsektor 1990 auf.

Auch MBB war neben dem Bau von Megawattprototypen, auf dem Feld kleiner Windmühlen tätig. Vor allem versuchte sich MBB an der Einflügeltechnik (,Monopetrus'). Diverse Einblattmaschinen unterschiedlicher Größe wurden produziert, von denen jedoch keine in Serie gegangen war. 1989 verkaufte der Konzern 15 kleine Einflügler an die Überlandwerke Hannover-Nord (ÜHN). Da die Anlagen schlechter als erwartet arbeiteten, wurden sie drei Jahre später wieder abgebaut. 1993 zog sich der Konzern aus der Windbranche vollständig zurück (ebd., 57f.). Auch Flugzeughersteller Dornier, der ebenfalls am LSP-Windprogramm beteiligt war, stellte Kleinwindturbinen her. Dabei handelte es sich um Darrieus-Anlagen, welche allerdings noch geringeren Absatz fanden als die Einflügler von MBB.

Generell lässt sich über das Engagement der Konzerne im Windsektor sagen, dass sich die Begeisterung für die Windtechnologie auf einzelne Mitarbeiter beschränkte. Als sich

abzeichnete, dass die erhofften kommerziellen Erfolge nicht zu realisieren waren, schwand das Interesse.

Weitere am Pellwormer Testverfahren teilnehmende Unternehmen

Neben der dänischen Windmatic, MAN und Dornier waren noch sechs weitere inländische Hersteller auf dem Pellwormer Testfeld vertreten: NOAH Energiesysteme GmbH, Hans-Dietrich Goslich (Selbstbauer), Maschinen- und Apparatebau Hüllmann (Schlossereibetrieb), Krampitz Klärtechnik GmbH, Böwe Maschinenfabrik GmbH und Brümmer Wind- und Wasserkraftanlagen KG (ebd., 81).

Hans-Dietrich Goslich, ein Ingenieur der seit den 70er Jahren an diversen Rotorkonzepten arbeitete. Als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Windenergie sprach er sich für die stärkere Förderung kleiner WEA aus. Hauptsächlich arbeitete Goslich an einem Einblattrotor mit schrägem Schlaggelenk, wodurch der Flügel plötzlichen Böen ausweichen konnte. Später brachte Südwind dieses Konzept zur Serienreife (ebd., 82).

Eine bemerkenswerte Person ist Walter Schönball (NOAH Energiesysteme). Schönball zählte zu den Begründern der modernen Windkraftbewegung. Auf seine Initiative ging 1974 die Gründung des Vereins für Windenergieforschung und -anwendung (VWFA) zurück. Der VWFA ist der früheste Vorläufer des heutigen Bundesverbandes Windenergie. Schönballs 10kW-Turbine ist die erste auf Pellworm getestete Anlage. Bei Stürmen musste Schönball aus Bonn anreisen und den Rotor per Hand, d.h. über eine Seilwinde, aus dem Wind steuern.

Als die GKSS seine Modell nach Sturmschäden demontieren wollte, stieg Schönball auf die Gondel, verschanzte sich dort und startete sogar einen Hungerstreik, um den Abriss seiner Mühle zu verhindern. Diese Erfahrung bedeutete eine schwere Niederlage für Schönball.

Darüber hinaus war er Mitte der 80er aufgrund der langsamen Fortschritte der Windbranche enttäuscht. Da er finanziell nicht von wirtschaftlichen Gewinnen aus der Windkraft abhängig war, gab er den Windmühlenbau auf (ebd., 80ff.).

Eine weiterer Pionier ist der Elektrotechniker Hermann Brümmer. Bereits in den 60er Jahren entschied er sich, das elterliche Elektrogeschäft aufzugeben und stattdessen Windräder herzustellen. Aufgrund der reichhaltigen Erfahrungen, es kein Zufall, dass Brümmers Modell, neben denen von Windmatic und MAN zu den drei besten Pellwormer Modellen gezählt wurde. Nach eigenen Angaben hatte Brümmer 380 seiner WEA verkauft und zählte zu den wenigen, die bereits in den 60er/70er Jahren mit der Windenergie Geld verdienten.

Das Unternehmen hatte immerhin bis zu zwölf Beschäftigte. Der GKSS-Abschlussbericht attestiert Brümmers Maschine, aufgrund ihrer einfachen Herstellungsweise, ,gute Wettbewerbschancen für die Fertigung und den Betrieb in Entwicklungsländern.' (ebd., 83).

Um die erforderlichen Investitionen zu tätigen, die für den Einstieg in einen internationalen Markt erforderlich waren, mangelte es Brümmer an Kapital (ebd., 83).312

Aerodyn (1983-1988)313

1983 gründen drei Konstrukteure ein Ingenieurbüro zur Entwicklung von Windkraftanlagen:

Aerodyn. Die erste zweiflügelige Prototyp-Windanlage Aerodyns, Aeolus 11 mit 18kW-Generator, wurde bis 1985 von der GKSS und dem Germanischen Lloyd auf Pellworm getestet. Die reichhaltigen Versuchsergebnisse an der Aeolus 11 bildeten später wichtige Grundlagen der vom Germanischen Lloyd erarbeiteten Auslegungsrichtlinien für Windanlagen.

Im Dezember 1987 wurden fünf Prototypen einer leicht vergrößerten Variante von Aeolus 11

312 Ein Weg wäre die Teilnahme des Unternehmens am 1984 ausgeschriebenen staatlichen Projekt

,Windkraftanlagen in Entwicklungsländern', gewesen. Obgleich Brümmer die Projektausschreibung gewann, erhielt schließlich MAN den Zuschlag für die Lieferung von 100 WEA in Entwicklungshilfeländer. Brümmer vermutete, dass man das Projekt einem Einzelkämpfer wie ihm nicht zugetraut hatte (ebd.).

313 Die Angabe des Endjahrs 1988 verweist nicht auf ein endgültiges Ausscheiden Aerodyns aus der Branche.

Nur verlagerte das Unternehmen seine Aktivitäten vom Entwicklungssektor zur technischen Beratung.

installiert. Deren Herstellung gab Aerodyn bei der Husumer Schiffswerft in Auftrag. Um eine Serienfertigung einzurichten, fehlten den jungen Ingenieuren die Mittel. Sie hätten einen Kredit aufnehmen müssen, was sie ablehnten. 1988 verkauften sie die Lizenz zur Produktion des Modells an die Husumer Schiffswerft. Aerodyn selbst konzentrierte sich anschließend auf das Windanlagendesign. Das Unternehmen wurde daraufhin zum einzigen Entwicklungsbüro, dass nicht an einen Hersteller gebunden war. Insgesamt profitierten bislang mehr als 30 Turbinenproduzenten vom Know-how Aerodyns (ebd., 119f.).

Windkraftzentrale (1981-1989)

Ebenso wie Goslich (s.o.) gehörte auch Ingenieur Horst Frees zu den Gründungsmitgliedern des VWFA. Seit 1977 erwarb Frees Windanlagen von Svend Jenssen aus Dänemark. Diese Windrosen (vg. Kap. 2.1) bot er in Schleswig-Hostein an, insbesondere zur Warmwasserbereitung. Als Jenssen 1981 Konkurs anmeldete, übernahm Frees dessen Konstruktionszeichnung. Frees erweiterte die Windrose zu einer 16flügeligen Windmühle, dem ,12kW-elektrOmat'. Daraufhin gründete er im Dezember 1981 ein eigenes Unternehmen, die Windkraftzentrale. Für 60.000 DM erlangte er 1982 die erste Typenprüfung und begann, seine Windanlage in Serie zu produzieren. Angesichts der Forderungen nach größeren und netzgekoppelten Maschinen waren die anstehenden Arbeiten von den drei festen Mitarbeitern kaum zu bewältigen. Frees tat sich schwer mit der Entwicklung und Produktion größerer Modelle. Erst im Oktober 1985 gelang es ihm, die Typengenehmigung für eine neue 20kW-Turbine zu erlangen. Zwar wurde der neue elektrOmat durchaus nachgefragt. Aufgrund problematischer Genehmigungsverfahren und mangelnder Unterstützung durch die Schleswig-Holsteinische CDU-Regierung verkaufte Frees jedoch nur wenige Exemplare.

1987 wurde ein 25kW-elektrOmat im Windpark Westküste geprüft. Zu dieser Zeit sind bereits Nennleistungen von mindestens 100kW üblich geworden. Für das erforderliche Upscaling fehlte Frees die erforderliche Liquidität. Um seine Produktion auszuweiten, scheiterte er daran, finanzstärkere Partner zu finden. 1990 verstarb der Pionier an Krebs (ebd., 86f.).

Südwind GbR/GmbH (1982-1993)

Windkraftpionier Robert Gasch von der TU Berlin gründete 1977 am Institut für Luft- und Raumfahrt (ILR) die Arbeitsgruppe Windkraftanlagen. Beteiligt waren, an der Windtechnologie interessierte Wissenschaftler, Mitarbeiter und Studierende (ebd., 114). Aus diesem Umfeld fanden sich drei junge Ingenieure zusammen, die 1982 die Südwind GbR gründeten. 1983 entwickelte Südwind den ersten Prototyp mit 15kW-Generator. Die Bewerbung für eine Prüfung auf dem Pellwormer Testfeld wurde abgelehnt. Geld verdienten die Mitglieder der GbR mit ihrem Unternehmen nicht. Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, mussten sie weiterhin am ILR arbeiten. Unterstützt wurde Südwind von windenergiebegeisterten Studenten. 1984 nahmen bspw. drei Examenskandidaten im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten die Berechnung der Statik der 15kW-Anlage vor und optimierten die Fertigungstechnologie. Im November 1986 verkaufte Südwind die erste Windanlage in den Landkreis Cuxhaven (ebd., 115). Um sich gegen finanzielle Risiken abzusichern, bildete Südwind im April 1988 eine GmbH, ergänzend zur GbR. Gefördert durch ein staatliches Demonstrationsprogramm verkaufte das Unternehmen 1989 fünf kleine WEA des neu entwickelten Typ N1230 (30kW Nennleistung/ 12,5 Meter Rotordurchmesser). Aufgrund der Investitionszulage aus dem 100MW-Programm stieg die Nachfrage seit 1990 deutlich an.

Während der frühen 90er Jahre wuchs der Mitarbeiterstamm auf 35 Beschäftigte. Produziert wurde trotz des Wachstums noch immer im zweiten Stock eines Kreuzberger Hinterhauses.

Auch bei Südwind musste man nun feststellen, dass eine 30kW-Turbine für den Markt zu klein geworden war. Um konkurrenzfähig zu bleiben, bedurfte es eines deutlichen

Entwicklungssprunges auf 200-300 kW.314 Im August 1993 installierte Südwind den ersten Prototyp ihrer neuen 270kW-Anlage, die auf einem, für die Kreuzberger, völlig neuen Konzept basierte, dem international bewährten danish Design (ebd., 116). Auch das neue Modell erwies sich als zu klein, um auf dem Markt zu bestehen. Geschäftsführer Twele war der Meinung, dass es sich bei der Südwind GmbH eher um ein Ingenieurbüro, als einen Fertigungsbetrieb handeln sollte: viel Know-how, dass zudem ständig durch neue Studierende von der TU aufgefrischt wurde, aber wenig Kapital. Das Unternehmen entschied sich daher, vor allem auf ausländischen Märkten zu verkaufen und zwar per Lizenzvergabe. Den größten Absatz erzielte Südwind durch einen Lizenzvertrag mit dem indischen Hersteller Suzlon, der zuvor in der Textilbranche tätig war.315 Auf dem deutschen Markt war Südwind trotz wechselnder, kapitalstarker Eigentümer, nicht konkurrenzfähig. 2001 ging die Südwind-Technologie in der Nordex AG auf (ebd., 117).

Erfolgreiche Hersteller der Pionierphase

Im Zeitraum 1982 bis 1995 befanden sich unter den zehn auf dem deutschen Markt führenden Turbinenproduzenten nur drei Unternehmen, die ursprünglich in der Bundesrepublik gegründet worden waren: die Mittelständler Enercon, Tacke und die Husumer Schiffswerft. Enercon und Tacke zählten über die Pionierphase hinaus zu den absatzstärksten Herstellern auf dem deutschen Markt. Gemeinsam mit der Husumer Schiffswerft verfügten sie zwischen 1982 und 1995 über 48% der Anteile installierter Kapazität und 40% der verkauften WEA (Tab. 2.4.3b).

Tabelle 2.4.3b Führende Hersteller auf dem deutschen Markt (1982-1995) Hersteller (Land) Position Installierte

Kapazität (MW)

Anteil (%) Anzahl

installierter WEA

Anteil (%)

Enercon (BRD) 1 325, 04 28,60 892 24,40

Tacke (BRD) 2 186,39 16,40 442 12,10

Vestas (DK) 3 159,11 14,00 420 11,50

Micon (DK) 4 117,06 10,30 292 8,00

AN-Bonus (DK, BRD)

5 95,47 8,40 256 7,00

Nordtank (DK) 6 67,05 5,90 183 5,00

Nordex (DK) 7 39,78 3,50 179 4,90

HSW (BRD) 8 29,55 2,60 124 3,40

Wind World (DK) 9 22,73 2,00 88 2,40

Lagerwey (NL) 10 15,91 1,40 175 4,80

gesamt 1058,09 93,1 3051 83,5

Quelle: Fleckenstein (1996), 32

Husumer Schiffswerft (1985-1999)

1985 initiierte Udo Postmeyer, ein vorheriger Betriebsleiter der Husumer Schiffswerft (HSW), die Entwicklung zweier neuer Windanlagen (100/200kW). Unterstützung erhielt er von der Kieler Landespolitik, die sich um die Erhaltung des Werftstandortes sorgte (Oelker et al. 2005, 121). Die nordfriesische Entwicklungsbehörde erhoffte sich positive Beschäftigungseffekte und Chancen, qualifizierte Arbeitskräfte in der Region zu halten (WPM 8/91, 16). So entwickelten die Konstrukteure der HSW ein 200kW-Modell nach dänischen Vorbild. Januar

314 Für ihre 30kW-Anlagen hatten die Kreuzberger noch das Konzept der Gelenkflügel von Goslich nutzen können. Man war sich bei Südwind darüber einig, dass ein solches Rotordesign für deutlich größere Modelle nicht in Frage kam. Denn der Einsatz von Gelenkflügeln bei Turbinen im Bereich von 200-300 kW bedeutete nicht nur immense Kostensteigerungen, sondern führte darüber hinaus, wegen steigender Rotormasse zu Effizienzverlusten (ebd., 86).

315 Suzlon produzierte in den 90er Jahren über 300 WEA, ohne dafür jedoch Lizenzgebühren an die Südwind GmbH zahlen zu müssen. (ebd., 117).

1987 nahmen sie einen ersten Prototyp in Betrieb. Im folgenden Jahr wurde die Anlage optimiert, mit einem 250kW-Generator ausgestattet und im Rahmen eines BMFT-Demonstrationsprogramms getestet. Im selben Jahr verkaufte HSW die ersten WEA, zunächst hauptsächlich an öffentliche Unternehmen, insbesondere Stadtwerke. Diese HSW-250 ist 1988 die größte in der Bundesrepublik erhältliche Windanlage. Für private Nutzer lohnte sich der Kauf eines so großen Modells aufgrund geringer Einspeisevergütungen zunächst nicht. Die wartungsfreundliche Turbine war das erfolgreichste Produkt von HSW. Seit 1989 betätigte sich die Werft auch als Projektentwickler. Man wollte einen großen Windpark installieren, um die Kosten der HSW 250 zu senken. 1990/91 realisierte die HSW in Nordfriesland den bis dahin größten Windpark mit 50 Exemplaren der 250kW-Klasse, insgesamt 12,5MW. Der kommerzielle Erfolg der HSW war nicht von Dauer (Oelker et al. 2005, 121f.). Die HSW 250 ist zu diesem Zeitpunkt noch wenig erprobt. Wenige Monate nach Inbetriebnahme des Windparks mussten sämtliche Generatoren ausgetauscht werden (WPM 8/91, 16). Insgesamt war die Verfügbarkeit der HSW 250 geringer als bei den ausgereifteren Modellen der Konkurrenz aus Dänemark. Aus diesem Grund entschieden sich die meisten privaten Betreiber für dänische Fabrikate. Das SEG förderte den Betrieb deutscher und internationaler Modelle gleichermaßen. Ein weiterer Grund, weshalb sich HSW nicht behaupten konnte, besteht darin, dass die HSW 250 Anfang der 90er für den deutschen Markt bereits zu klein dimensioniert war. 1993 installierte die Werft den Prototyp einer großen 750kW-Windanlage. Dieser wurde 1995, unter Mitarbeit der Aerodyn-Ingenieure, zur HSW 1000/57 ausgebaut wird (1 MW-Generator, 57m Rotordurchmesser). Seitens der Werftleitung wurde die Windsparte des Unternehmens noch immer nicht ernst genommen. Es war die Rede von ,Postmeyers Hobby' (Oelker et al. 2005, 122). Die Aktivitäten im Windsektor erhielten eine zunehmend geringere Priorität im Unternehmen.316 Trotz begrenzter kommerzieller Erfolge der HSW 1000/57 gelang es der Windsparte nicht, noch immer bestehende Defizite auszugleichen. Am 30. November 1999 meldete die HSW Konkurs an (Oelker et al. 2005, 121f.).

Renk Tacke/ Tacke GmbH/ Tacke Windtechnik GmbH (1984-1997)

Das Maschinenbauunternehmen Tacke KG wurde 1886 in Rheine gegründet. Angesichts des insgesamt stagnierenden Industriesektors strebte Betriebsleiter Franz Tacke seit Anfang der 80er Jahre eine Diversifizierung der Produktion an. Daher entschied er sich 1984 für die Annahme eines Auftrags zur Produktion von 40 Windanlagen, nachdem sich die Ingenieure positiv über die Machbarkeit des Projekts geäußert hatten. Die Windturbinen sollten nach Kalifornien exportiert werden. Wie andere, unterschätzte auch Tacke die technischen Barrieren der Windanlagentechnik ebenso wie Unwägbarkeiten des kalifornischen Marktes. Ein im kalifornischen Tehachapi errichteter Prototyp des Wagner-Rotors - benannt nach dem Konstrukteur Günter Wagner- erlitt sehr bald Totalschaden. Als das Unternehmen eine verbesserte Version der 150kW-Maschine fertiggestellt hatte, war der eigentliche Käufer bereits in Konkurs gegangen. Tacke hielt dennoch an der Windenergie fest und installierte schließlich selbst 15 Exemplare der neuen TW-150 auf dem vorgesehenen Standort (Oelker et al. 2005, 123). Bei der Entwicklung der TW-150 entschieden sich die Konstrukteure für das dänische Konzept (Tacke 2004, 179; 182). Dieselbe Bauweise verwendete Tacke für alle übrigen Modelle, welche das Unternehmen in den folgenden Jahren entwickelte. Speziell für den Export konstruierte die Firma eine 300kW-Anlage. Die internationale Nachfrage entsprach jedoch nicht den Erwartungen. Tacke musste erkennen, dass ,die dänische Konkurrenz einen 10jährigen Vorsprung hatte, der nicht in kurzer Zeit eingeholt werden konnte.' (ebd., 190).

Wichtiges Know-how erhielt Tacke aus Dänemark. Im Rahmen einer EU-geförderten Kooperation entwickelte das Folkecenter 1986, gemeinsam mit Tacke, eine größere WEA mit

316 Von 600 Beschäftigten der HSW waren 60 im Windsektor tätig. Sarah Knight zufolge (WPM 8/81, 17) hatte Windkraft bei der HSW keine hohe Priorität: ,It seems that tools are dropped in the wind workshop whenever a ship repair calls for labour.'

500kW-Generator. Tacke, der u.a. die Marine mit großen Getrieben belieferte, steuerte das 15 Tonnen-Getriebe der Windanlage bei. Im Umkehrzug erhielt Tacke aus dem Folkecenter ,eine Menge Wissen über Lastanforderungen und Konstruktion, das den deutschen bisher gefehlt hatte.' (Beuse et al. 2000, 212). Hergestellt wurden zwei Exemplare des Prototypen auf Borkum und Hanstholm. Beide Maschinen erhielten LM-Rotoren aus Dänemark. Seitdem lieferte LM die Rotoren für Tackes Windanlagen (ebd.).

1986 übernahm Tacke sämtliche Aktivitäten der MAN-Tochter Renk im Windkraftsektor.

Daraufhin entstand die Renk-Tacke GmbH. In dem neuen Unternehmen konnten beide Teile ihr Know-how im Getriebesektor gemeinsam nutzen. In erster Linie produzierte die Renk Tacke GmbH Schiffsgetriebe und Spezialgetriebe für Industrieanlagen, die weltweit verkauft wurden. Windanlagen waren eher ein untergeordnetes Geschäftsfeld (Oelker et al. 2005, 124).

Vor dem Hintergrund einsetzender Fördermaßnahmen konzentrierte sich Renk Tacke auf den deutschen Markt. Zu den ersten Kunden zählten einige Stadtwerke, welche vorwiegend die TW-150 kauften. 1990 erfolgte ein Upscaling zur TW-250 mit 250kW-Generator. Im Herbst des Jahres gründete sich die Tacke Windtechnik GmbH (TWT), die von den beiden Söhnen Tackes geleitet wurde. TWT war für die Bereiche Entwicklung, Vertrieb und Service zuständig, während die Produktion bei Renk Tacke verblieb. Als erstem Windanlagenhersteller

Vor dem Hintergrund einsetzender Fördermaßnahmen konzentrierte sich Renk Tacke auf den deutschen Markt. Zu den ersten Kunden zählten einige Stadtwerke, welche vorwiegend die TW-150 kauften. 1990 erfolgte ein Upscaling zur TW-250 mit 250kW-Generator. Im Herbst des Jahres gründete sich die Tacke Windtechnik GmbH (TWT), die von den beiden Söhnen Tackes geleitet wurde. TWT war für die Bereiche Entwicklung, Vertrieb und Service zuständig, während die Produktion bei Renk Tacke verblieb. Als erstem Windanlagenhersteller