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New York: Stevensons Blamage vor der UNO

Im Dokument Kennedys rechte Hand (Seite 74-78)

2 BAY OF PIGS: BUNDY ALS „PROZESSMANAGER“ (1961)

2.2 Bay of Pigs

2.2.5 New York: Stevensons Blamage vor der UNO

Die Entwicklung der Beziehung zur Sowjetunion beeinflusste Kennedy in seiner Entscheidung, den Plan der CIA mehrmals zu modifizieren. Als Anfang April 1961 Chruschtschows positive Antwort auf seinen Vorschlag eines Gipfeltreffens eintraf, hatte die Aussicht auf ein Gipfeltreffen Einfluss auf Kennedys Denken: Um die politischen Risiken einer zu offensichtlichen amerikanischen Beteiligung an einer Invasion Kubas zu reduzieren, war Kennedy bereit, die militärischen Notwendigkeiten des Plans weniger zu gewichten.181 Der Glaube der Kennedy-Administration, die amerikanische Beteiligung an der Landung der Exilkubaner würde unerkannt bleiben, entbehrte jedoch jeglicher realen Grundlage. Seit längerer Zeit berichteten nämlich amerikanische Zeitungen, darunter die Nation und die New York Times, über die

CIA-179 Wyden, Bay of Pigs, 164.

180 Brief, MB an C. F. O. Clarke, 13.4.61, Box 398, MBC, NSF, JFKL.

181 Zur These eines möglichen Zusammenhanges zwischen dem bevorstehenden Gipfeltreffen und der Schweinebucht-Planung siehe Naftali/Fursenko, „One Hell of a Gamble“, 88.

Trainingslager in Guatemala und über die bevorstehende Landung von Exilkubanern in Kuba. Die verdeckte Aktion der CIA war längst ein offenes Geheimnis geworden.182 Am Vorabend der geplanten D-2-Luftangriffe, welche die Weltöffentlichkeit davon überzeugen sollten, es würde sich bei der Invasion um ein rein kubanisches Unterneh-men ohne amerikanische Beteiligung handeln, schaltete sich Kennedy auf Anraten von Rusk und Bundy direkt in die Details der militärischen Planung ein und mahnte ohne Absprache mit McNamara oder den JCS zur Diskretion. Ursprünglich waren für die Attacke sechzehn B-26 vorgesehen gewesen, doch Kennedy teilte Bissell am Telefon mit, er solle die Luftangriffe minimieren. Bissell entschied daraufhin aus eigenem Antrieb, den Angriff nur mit der Hälfte der geplanten Flugzeuge durchzuführen. Durch die Bombardierungen am 15. April 1961 wurden rund die Hälfte von Castros Kamp f-flugzeugen ausser Gefecht gesetzt.183

Doch Castro überraschte die CIA-Planer mit einigen raschen Reaktionen: Erstens liess er seinen Aussenminister Raul Rao, der zu einer UNO-Session nach New York gereist war, vor den Delegierten eine provokative Rede halten, welche die USA als Verursa-cher dieser Luftangriffe brandmarkte. Zweitens liess er rund 100’000 Regimekritiker verhaften, so dass die von der CIA gewünschte Rebellion des Volkes gegen Castro zum Zeitpunkt der Landung praktisch verunmöglicht wurde. Ausserdem liess Castro die verbleibenden Flugzeuge seiner Air Force verteilen und setzte seine Streitkräfte zur Verteidigung Kubas in höchste Alarmbereitschaft.184

Der amerikanische UNO-Botschafter Adlai Stevenson war am 8. April 1961 von Schlesinger und dem CIA-Agenten Tracy Barnes in groben Zügen in die geplante Invasion durch Exilkubaner eingeweiht worden. Der liberale Stevenson hatte das Vorgehen kritisiert und sich versichern lassen, dass die USA in keinerlei Hinsicht an dem rein kubanischen Unternehmen partizipieren würden und dass die Landung erst nach der UNO-Generalversammlung im April 1961 stattfinden würde. Wichtige Fakten waren Stevenson absichtlich verschwiegen worden, und nachträglich gab die CIA zu, dass die Orientierung Stevensons irreführend gewesen sei.185

182 Schlesinger, Thousand Days, 244f.

183 Bericht, „An Analysis of the Cuban Operation by the DD/P“, 18.1.62, Part IV, p. 5, Beilage zum IG-Bericht, NSA. Vgl. Bissell, Reflections, 183.

184 William B. Breuer, Vendetta: Castro and the Kennedy Brothers (New York: John Wiley, 1997), 120-123; Tad Szulc, Fidel: A Critical Portrait (New York: Morrow, 1986), 542-546.

185 Phillips, Night Watch, 106; Vandenbroucke, Perilous Options, 39f.; Thomas, Very Best Men, 254.

Aus diesem Grund reagierte Stevenson vehement auf die Vorwürfe des kubanischen Aussenministers Rao und negierte nach bestem Wissen und Gewissen jegliche ameri-kanische Beteiligung an den Luftangriffen. CIA-Agent Dave Philips, der für das Ablenkungsmanöver der Landung eines kubanischen Piloten in Florida verantwortlich war und davon ausging, Stevenson wisse davon, bewunderte dessen Schauspielkunst - bis ihm der Verdacht aufkam, Stevenson könnte allenfalls gar nicht über das kurzfris-tig geplante Szenario informiert worden sein. Die Story des angeblichen kubanischen Deserteurs flog noch am Tag der Luftangriffe auf. Als Stevenson realisierte, dass er von seiner eigenen Regierung irregeführt worden war, sandte er ein zorniges Tele-gramm an Rusk und erwog ernsthaft den Rücktritt.186 Bei seiner Ernennung zum UNO-Botschafters hatte er von Kennedy die Versicherung erhalten, bei sämtlichen wichtigen Entscheidungen der Administration in den Entscheidungsprozess eingeschlossen zu werden und seine Meinung äussern zu können.187 Stevensons Blamage vor der UNO sollte in den nächsten Tagen die Politiker in Washington stark beeinflussen.

Kennedy war an diesem Wochenende zusammen mit seiner Familie in sein Landhaus in Glen Ora verreist. Am Sonntag, dem 16. April 1961, liess er Bissell um 13:45 Uhr via Bundy telefonisch mitteilen, die Landung solle nicht abgesagt werden („no diversion“).188 Da Dulles an diesem Wochenende eine vorher arrangierte Verpflichtung in Puerto Rico nicht hatte absagen wollen, war sein Stellvertreter Pete Cabell während der kritischen Stunden handelnder CIA-Direktor. Bevor er am Sonntag abend die Luftangriffe für den D-Day autorisierte, rief er Rusk an. Der Aussenminister war aufgrund der Vorfälle um Stevenson skeptisch, was die Luftangriffe betraf, und sprach mit Bundy darüber. Auch Bundy war um die Glaubwürdigkeit von UNO-Botschafter Stevenson besorgt. Beide waren deshalb der Meinung, es sollten keine weiteren Luftangriffe stattfinden. Als Rusk Kennedy telefonisch über die D-Day-Angriffe informierte, erinnerte sich der Präsident zuerst nicht mehr an dieses für die CIA und die JCS zentrale Element des Plans und entschied sich schliesslich gegen weitere Luftangriffe. Erneut waren politische Überlegungen, vor allem das Mitleid mit Stevenson, wichtiger als militärische Notwendigkeiten, und einmal mehr erfolgte die präsidiale Entscheidung ohne Involvierung der JCS oder des Pentagons. Kennedys

186 Telegramm, Stevenson an Rusk, 16.4.61, 18 Uhr, FRUS 10, No. 105.

187 Vandenbroucke, Perilous Options, 39ff.

188 Memorandum, Cabell an Taylor, 9.5.61, FRUS 10, No. 108; IG-Bericht, NSA, p. 51.

Veto gegen weitere Bombardements beruhte einzig auf dem Konsens zwischen Rusk und Bundy über das weitere Vorgehen.189

Bundy teilte Cabell den negativen Entscheid Kennedys bezüglich der Luftangriffe für den nächsten Morgen telefonisch am Sonntag abend um 21:30 Uhr mit. Die B-26 der Exilkubaner dürften erst ins Geschehen eingreifen, wenn die Brigade eine Start- und Landebahn auf Kuba unter ihre Kontrolle gebracht habe. Auf diese Weise würde die Involvierung der USA weniger offensichtlich zu Tage treten. Bundy verwies für weitere Konsultationen der CIA mit Kennedy an Rusk, da er selbst in den nächsten Stunden nicht mehr erreichbar sein würde.190

Kennedy hatte entschieden, Bundy nach New York zu entsenden, um „Stevensons Hand zu halten“ („to hold his hand“).191 Eigentlich war es Rusk gewesen, der vorge-schlagen hatte, persönlich nach New York zu reisen, um Stevenson endlich in die Details der amerikanischen Involvierung in die Invasion Kubas einzuweihen. Kennedy begrüsste die Idee, jemanden zu Stevenson zu senden und ihn auf allfällige Fragen, die ihm in den nächsten Tagen zwangsläufig gestellt würden, vorzubereiten. Auch dies zeigt, wie stark die Sorge um Stevenson das Denken Kennedys, Rusks und Bundys an diesem Sonntag beeinflusste. Kennedy wollte jedoch, dass Bundy, und nicht Rusk, die heikle Mission übernahm. Dies war ein deutlicher Beweis für Kennedys Vertrauen in seinen Sicherheitsberater bereits drei Monate nach Amtsantritt: Offensichtlich traute er es eher Bundy zu, den erzürnten und frustrierten Stevenson zu besänftigen und ihn mit Einzelheiten des CIA-Plans vertraut zu machen.192

Am 17. April frühstückte Bundy deshalb mit Stevenson in New York und unterrichtete ihn im Detail über den CIA-Plan. Kurz nach neun Uhr morgens telefonierte Bundy von New York aus mit Rusk und berichtete ihm von seinem Gespräch mit Stevenson:

B said he administered the first shock - there is a morale problem there and glad he came for this reason. For various reasons he got himself in a state of mind this was not going to happen - partly because of a general conversation with our chief and partly because of a

189 Ibid. Vgl. auch Thomas, Very Best Men, 258; Bissell, Reflections, 184.

190 Memorandum, Taylor an JFK, „Narrative of the Anti-Castro Cuban Operation Zapata“, 13.6.61, FRUS 10, No. 231.

191 Int. MB, zit. aus Herbert S. Parmet, JFK: The Presidency of John F. Kennedy (New York: Dial Press, 1983), 168.

192 Kamath, Executive Privilege, 110; Joseph Alsop, The Center: People and Power in Political Washington (New York: Harper & Row, 1968), 223. Interview mit Kai Bird in Washington, D.C., 24.2.1998.

breakdown of communications. B conveyed general apologies for what happened over the week end.193

Später lobte Bundy Stevenson für sein anständiges und korrektes („very decent“) Verhalten während des Gesprächs mit ihm am Morgen des 17. April 1961:

He did not fuss about the box he was in. All he wanted was more information so he would not dig deeper holes.194

Wenige Stunden zuvor hatte die Invasion der Exilkubaner in der Schweinebucht begonnen.

Im Dokument Kennedys rechte Hand (Seite 74-78)