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Bundys Reform von Eisenhowers NSC-Mechanismen

Im Dokument Kennedys rechte Hand (Seite 55-59)

2 BAY OF PIGS: BUNDY ALS „PROZESSMANAGER“ (1961)

2.1 Anpassung des NSC an Kennedys Regierungsstil

2.1.3 Bundys Reform von Eisenhowers NSC-Mechanismen

Die Deinstitutionalisierung von Eisenhowers NSC-System begann konkret mit der Auflösung des Planungs- und des Koordinationsstabs (OCB) unmittelbar nach Kenne-dys Amtsantritt. Besonders das OCB symbolisierte für Kennedy und das Jacksonkomi-tee die Stagnation der Eisenhowerjahre. Kennedy wollte sein eigener Manager in Fragen nationaler Sicherheit sein und benötigte deshalb zwischen sich und den Departementen keine Hilfsorganisationen. Rostow widmete sich in einem Memoran-dum an Bundy am 27. Januar 1961 den zahlreichen Funktionen des OCB und schlug vor, wer dessen Kompetenzen nach einer allfälligen Auflösung übernehmen sollte: Die Implementation von präsidialen Entscheidungen sollten die Kabinettsmitglieder gewährleisten; interdepartementelle Konflikte oder Alternativen sollten durch regel-mässige Lunchsitzungen erkannt werden; informelle Kontakte zu Vertretern der unteren Ebenen in den Departementen sollten durch den NSC-Stab geknüpft werden:

Perhaps the most impressive aspect of the OCB is the extent to which certain members of the staff have developed relations of confidence and intimacy with the desk levels in the government. If the formal machinery of the OCB is abolished, it will clearly be a part of the duty of our staff, as it is restructured, to redevelop an equivalent ability to know what is

go-118 Brief, MB an JFK, 8.2.61, Box 320, SM, M&M, NSF, JFKL.

119 Brief, Kissinger an MB, 8.2.61, Box 320, SM, M&M, NSF, JFKL.

120 Brief, MB an Kissinger, 18.2.61; Brief, Kissinger an MB, 22.2.61; beide in Box 320, SM, M&M, NSF, JFKL.

121 Memorandum, R. Johnson an MB, „The Development of Staff Support for you and Mr. Bundy“, 27.2.61; Brief, MB an John Macy (Civil Service Commission), 21.2.61; beide in Box 283, D&A, NSF, JFKL.

ing on and what is troubling the working levels before issues arise at a high level. This is part of the general communications problem that concerns you.122

Rostow zog aus seinen Vorschlägen die folgenden Schlussfolgerungen: Das OCB sollte abgeschafft werden, und seine Kontrollfunktion sollte von Bundys NSC-Stab in interdepartementellen Arbeitsgruppen wahrgenommen werden. Bundy war vom Memorandum Rostows derart beeindruckt, dass er seine Sekretärin mit einer Randno-tiz anwies, das Memorandum für eine „ernsthafte Besprechung“ mit Rostow am 30.

Januar beiseite zu legen.123 Das OCB wurde wenig später, am 19. Februar, von Präsident Kennedy formell aufgelöst. Die Aufgaben dieser während der Eisenhower-Jahre wichtigen Planungs- und Implementationsgremien nationaler Sicherheitspolitik wurden vornehmlich an das Aussenministerium zurückgegeben. Kennedy machte sowohl Aussenminister Rusk als auch Bundy klar, dass das Aussenministerium seine Hauptquelle für eine starke amerikanische Aussenpolitik darstellen würde.124

Von Bundy und seinem Stab verlangte Kennedy die Koordination der Planung und Umsetzung der amerikanischen Aussen- und Sicherheitspolitik. Für Planungsarbeit würde unter Kennedys Präsidentschaft der Politische Planungsrat im Aussenministeri-um (Policy Planning Council, PPC) verantwortlich sein. Kennedy lag allerdings generell weniger an einer längerfristigen Politikplanung als an einer pragmatischen Tagespolitik. Von Bundy forderte er deshalb hauptsächlich, ihn über die Tagesaktuali-täten zu informieren und ihn bei den täglichen präsidialen aussenpolitischen Entschei-dungen zu unterstützen. Bundy bildete dabei die Drehscheibe zwischen dem Präsiden-ten und den verschiedenen DepartemenPräsiden-ten und Agenturen.

Einerseits war er Teil der sogenannten „Dienstagsgruppe“: Jeden Dienstag trafen sich Bundy und sein Stellvertreter Rostow, George McGhee, der Direktor des PPC, U.

Alexis Johnson und Roger Hilsman vom Aussenministerium, Paul Nitze und William Bundy vom Büro für Fragen der internationalen Sicherheit (ISA) des Pentagons sowie Ed Murrow von der Informationsbehörde (United States Information Agency, USIA) und Bissell von der CIA und diskutierten beim Mittagessen über Planungsfragen.

Dieser Informationsaustausch sollte Eisenhowers formell etablierte Strukturen des Planungsstabs ersetzen. Andererseits traf sich Bundy ebenso häufig mit Budgetdirektor David Bell, Vizeaussenminister Chester Bowles und dem Vizeverteidigungsminister Roswell Gilpatric. Diese Gruppe widmete sich der Umsetzung von präsidialen Ent-scheidungen in den diversen Departementen und sollte die Kontinuität der

Kompeten-122 Memorandum, Rostow an MB, „OCB Functions“, 27.1.61, Box 284, D&A, NSF, JFKL.

123 Ibid., p. 1: „Hold for a serious talk with Mr. Rostow on Monday. McG. B.“

124 Rostow, Diffusion of Power, 167.

zen von Eisenhowers OCB gewährleisten, bis das Aussenministerium diese vollum-fänglich übernommen hatte.125

Ende Februar 1961 fasste Bundy in einem kurzen Memorandum an Pressesprecher Pierre Salinger Kennedys Handhabung des NSC-Systems zusammen:

Because the President called off the NSC meeting last week and does not expect to have one this week, there may well be a question to you [...] about his procedures in this area. I think the best answer is the straight one: he is spending more time on national security af-fairs than on any other class of problems and he is meeting frequently with those most di-rectly concerned with each specific question. He finds this method on the whole more effec-tive than frequent scheduled meetings of the whole group.126

Diese Sicht der Präsidentschaft entsprang Kennedys mangelhafter Exekutiverfahrung.

Im Gegensatz zum routinierten Befehlshaber Eisenhower trat Kennedy die Präsident-schaft nur mit der Erfahrung an, wie man ein Senatsbüro oder eine Wahlkampagne führte. Bundy bemerkte zu den organisatorischen Unterschieden zwischen Eisenhower und Kennedy schlicht: „All Senators are disorderly.“127 Bundy sollte dem Präsidenten deshalb als persönlicher Assistent helfen, die amerikanische Aussenpolitik im Weissen Haus in einem personenzentrierten und kollegialen Stil zu führen. Mit dem ehemaligen Dekan von Harvard würde Kennedy aussenpolitische Entscheidungsgrundlagen im Stile eines Harvardseminars in kleinen Diskussionsgruppen erarbeiten. Es erstaunt deshalb nicht, dass Bundy bei der Rekrutierung von fähigen Mitarbeitern mit Kaysen und Kissinger gleich zwei Professoren Harvards aufgefordert hatte, von Cambridge nach Washington zu kommen und ihm dabei zu helfen, Kennedy im Bereich der amerikanischen Aussenpolitik zu assistieren.

2.1.4 Fazit

In den Diskussionen mit Gordon Gray und aus den Unterlagen, welche ihm von Eisenhowers NSC-Stab zur Verfügung gestellt wurden, hatte sich Bundy ein Bild gemacht über Möglichkeiten und Grenzen des NSC. Bereits in den ersten Amtstagen schlug er Kennedy vor, den NSC flexibler handzuhaben, die Teilnehmerzahl und die

125 Diese organisatorischen Änderungen entsprachen einem Entwurf von NSC-Stabsmitglied R. H.

Johnson, „Possible Actions to Simplify Policy Planning and Operations Coordination in the Na-tional Security Area“, [27.1.61], Box 283, D&A, NSF, JFKL. Vgl. Rostow, Diffusion of Power, 167.

126 Memorandum, MB an Salinger, 28.2.61, Box 398, MBC, NSF, JFKL.

127 Int. MB, zit. aus Beschloss, Crisis Years, 68. Vgl. Int. Bromley Smith durch Dennis O’Brien, 27.7.1970, OHC, JFKL, p. 17: „All this was part of the process of shifting a senator with a politi-cal background and a small, tight staff to an executive - a president who was the head of a team yet wanted to deal with individuals.“

Häufigkeit der Sitzungen zu reduzieren. In den ersten drei Monaten kam es nur gerade zu drei NSC-Sitzungen. Bundy und Rostow überzeugten Kennedy davon, Eisenhowers NSC-Instrumente, den Planungs- und Koordinationsstab, aufzulösen und anstelle der formalisierten Entscheidungsprozesse informellere Gremien einzusetzen: Die „Diens-tagsgruppe“ traf sich einmal wöchentlich zum Meinungsaustausch über Planungsfra-gen; die Bundy-Bell-Bowles-Gilpatric-Gruppe überwachte die Umsetzung von präsidialen Entscheiden in den Departementen. Bundy und Rostow dominierten den NSC-Stab, in dem einige Mitarbeiter aus der Eisenhower-Administration verblieben waren. Bundy hatte sich aber bereits in den ersten Tagen auf die Suche nach fähigen Intellektuellen gemacht, welche den NSC-Stab substantiell verstärken sollten, und war mit Kaysen und Kissinger besonders in der Harvard Universität fündig geworden.

Dass Bundy sich in den ersten Wochen als persönlicher Assistent Kennedys für tägliche operationelle Problemen etablierte, war von Kennedy keineswegs vorgesehen gewesen. Trotz Grays Empfehlung, Bundy müsse unbedingt ins Weisse Haus umzie-hen, begannen Bundy und Rostow ihre Tätigkeit im Alten Regierungsgebäude vis-à-vis vom Weissen Haus. Die Koordination von Kennedys Tagespolitik sollte eigentlich Ralph Dungan, Kennedys Stabssekretär im Weissen Haus, handhaben. Doch Kennedys informeller und aktionsbetonter Regierungsstil sowie Bundys kompetitive Fähigkeiten als „take-over guy“ führten bereits in den ersten Wochen dazu, dass die ursprünglich relativ bescheidene Rolle Bundys als Nationaler Sicherheitsberater stetig anwuchs und Bundy im Weissen Haus an Einfluss gewann.

Die Euphorie der ersten goldenen Tage, in der Bundy als eine Art „Ein-Mann-NSC“

Kennedys Erwartungen voll und ganz erfüllte, währte nicht sehr lange. Kurz nach Amtsantritt wurde die flexible und informelle Handhabung der Aussen- und Sicher-heitspolitik nämlich durch die Planung eines Umsturzes auf Kuba erstmals auf ihre Tauglichkeit hin getestet.

Im Dokument Kennedys rechte Hand (Seite 55-59)