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Kritik an Eisenhowers NSC

Im Dokument Kennedys rechte Hand (Seite 44-47)

1 VORAUSSETZUNGEN

1.2 Der nationale Sicherheitsrat (1945 - 1960)

1.2.2 Kritik an Eisenhowers NSC

Cutlers Nachfolger Gordon Gray realisierte 1958, dass das NSC-System seine Flexibli-tät verloren hatte. Zu viel Zeit wurde fürs Lesen von Papieren und für die Erörterung sprachlicher Feinheiten verwendet, zu viele gesetzlich nicht vorgeschriebene Berater hatten die Erlaubnis, an den wöchentlichen Sitzungen teilzunehmen, und zu oft neigte das Aussenministerium dazu, wichtige Probleme gar nicht mehr in die NSC-Sitzungen einzubringen.82

Die Demokraten wählten daher das NSC-System Eisenhowers als Wahlkampfthema für die Präsidentschaftswahlen von 1960 aus. Senator Kennedy hatte sich bereits 1957 in der renommierten Fachzeitschrift Foreign Affairs kritisch zu Eisenhowers System geäussert und diesen Vorwurf 1959 in seiner Sammlung von Wahlkampfpositionen, dem Büchlein The Strategy of Peace, wiederholt.83 Wortführer dieser demokratischen Kampagne war Senator Henry Jackson aus dem Staat Washington. Mitte April 1959 hatte er mit dem Argument, der Kongress wisse zu wenig über den NSC, eine Senats-untersuchung gefordert. Er wurde etwas später Vorsitzender eines Senatsausschusses und interviewte ab 1960 unter anderem Sidney Souers und Robert Cutler, nicht aber Goodpaster oder Gray.84

Für die Organisation seiner Präsidentschaft hatte Kennedy Professor Richard E.

Neustadt, ein Mitglied des Jackson-Komitees, verpflichtet. Dieser hatte 1960 ein vielbeachtetes Buch über die amerikanische Präsidentschaft geschrieben, in welchem er den informellen Ansatz der Regierungsausübung Franklin D. Roosevelts gelobt und mit dem unflexiblen Modell Eisenhowers kontrastiert hatte.85 Bereits im September und Oktober 1960 hatte er auf Kennedys Wunsch hin zwei wichtige Memoranden über die Organisation der Übergangsperiode und über das Vorgehen bei der Personensuche

81 Vgl. Nelson, „National Security I“, 229-262; Destler, Our Own Worst Enemy, 168-172; Prados, Keepers of the Keys, 27-56; Bierling, Nationale Sicherheitsberater, 24-30.

82 Nelson, „National Security I“, 245-252; Prados, Keepers of the Keys, 57-95; Bierling, Nationale Sicherheitsberater, 31-38.

83 John F. Kennedy, „A Democrat Looks at Foreign Policy“, Foreign Affairs 36, No. 1 (October 1957): 56f.; John F. Kennedy, The Strategy of Peace (New York: Harper & Row, 1960), 209.

84 Vgl. Karl Inderfurth and Loch Johnson, Decisions of the Highest Order. Perspectives of the National Security Council (Pacific Grove, CA: Brooks/Cole, 1988): 78-88.

85 Richard E. Neustadt, Presidential Power and the Modern Presidents: The Politics of Leadership from Roosevelt to Reagan (New York: The Free Press, 1990 [Erstausgabe 1960]).

für die neue Administration verfasst. Darin hatte er sich gegen einen zu mächtigen Sicherheitsberater ausgesprochen und Kennedy dazu ermahnt, diesen Posten erst nach der Ernennung des Aussen- und Verteidigungsministers zu besetzen.86

Kennedys Äusserungen nach seinem Wahlsieg machten klar, dass er auf die Kritik an Eisenhowers NSC reagieren würde. So sagte er Ende November 1960, er habe vor, den Stab des Weissen Hauses zu reduzieren und die Stabsfunktionen in einer weniger hierarchischen Art und Weise durchzuführen.87 An seinem ersten Treffen mit Präsident Eisenhower erkundigte er sich nach vielen Details des komplizierten und bürokrati-schen Systems der Eisenhower-Administration.88 Analytische Hilfe für die Organisati-on seines eigenen NSC-Systems bekam Kennedy im Dezember erneut durch ein wichtiges Memorandum Neustadts. In „The National Security Council: First Steps“

empfahl Neustadt, entgegen seiner früheren Position, die Kompetenzen von sechs Eisenhowerbeamten im Bereich der nationalen Sicherheit einem einzigen Sicherheit s-berater zu übertragen.89 Er beschrieb, welche Rolle der Nationale Sicherheitsberater innerhalb der Administration spielen sollte und empfahl Kennedy auch gleich, wer seiner Ansicht nach für den Job geeignet sei:

The role is a personal assistantship to you, involving staff-work on foreign-military policy matters, police-work on inter-departmental relations, and management of NSC machinery.

The role should be created and the man should be identified before your Cabinet designees develop fixed ideas about their roles. Otherwise your man would be at a perpetual disadvan-tage in his dealing with them. [...] The sort of man you need to fill the role is well exempli-fied by Robert Tufts, or by Paul Nitze if you do not use him elsewhere. On reflection, I in-cline to favor Tufts over Nitze for this particular assignment since it seems to me

„anonymous“, pure staff-work, perhaps too confining for Nitze’s personal force and public standing.90

Neustadt riet ihm, den NSC als persönliches Beratungsgremium einzusetzen und die Teilnehmerzahl so gering wie möglich zu halten. Auch der Sicherheitsberater sollte weniger als ein Administrator des NSC, sondern vielmehr als ein persönlicher Assis-tent des Präsidenten eingesetzt werden:

Treat your NSC assistant from the outset as a full-fledged member of your staff circle [...].

Moreover, his relationship to NSC should not restrict your use of him for ad hoc staff

assis-86 Memoranden, Neustadt an JFK, „Memorandum on Organizing the Transition“, 15.9.60, Box 31, SC, POF, JFKL, pp. 7f.; „Memorandum on Staffing the President-Elect“, 30.10.60, Box 64, SM, POF, JFKL, p. 20.

87 NYT (22.11.1960): A1, A18.

88 Vgl. „Informal List of Subjects to be Discussed at Meeting of President Eisenhower and Senator Kennedy“, 5.12.60, Box 29a, SC, POF, JFKL. Vgl. Smith, National Security Council, 2f.

89 Memorandum, Neustadt an JFK, „The National Security Council: First Steps“, 8.12.60, Box 64, SM, POF, JFKL, p. 1.

90 Ibid., p. 2.

tance of the sort you claim from others. He should stand ready, when need be, to take his turn at trouble shooting, fire-fighting, without undue concern about the confines of his

„specialty“.91

Ausserdem erhielt Kennedy im November und Dezember 1960 von Jackson direkt Vorabdrucke der Kommissionberichte der Senatsuntersuchung: Die Kommission kritisierte, dass das NSC-System Eisenhowers dem Präsidenten keine Alternativen präsentiere, sondern das kleinste gemeinsame Vielfach aus den Positionen aller Departemente. Die umfangreichen und komplexen Planungspapiere, die der NSC produzierte, würden deshalb von den Departementen weitgehend ignoriert.92

Trotz der konstruktiven Kritik Neustadts und Jacksons an Eisenhowers NSC blieb Kennedy recht vage, was Bundys Funktionen in der neuen Administration anbelangte.

In seiner Pressemitteilung über die Ernennung Bundys zum Sicherheitsberater vom 31.

Dezember 1960 sagte er nur gerade:

I have asked Mr. Bundy to review with care existing staff organization and arrangements, and to simplify them wherever possible toward the end that we may have a single, small, but strongly organized staff unit to assist me in obtaining advice from, and coordinating op-erations of, the government agencies concerned with national security affairs. Mr. Bundy will serve as my personal assistant on these matters and as director of whatever staff we find is needed for the purpose. It will be part of his assignment to facilitate the work of the National Security Council as a body advisory to the President. It is my hope to use the Na-tional Security Council and its machinery more flexible than in the past. I have been much impressed with the constructive criticism contained in the recent staff report by Senator Jackson’s Subcommittee on National Policy Machinery. The Subcommittee’s study pro-vides a useful starting point for the work that Mr. Bundy will undertake in helping me to strenghten and to simplify the operations of the National Security Council.93

Mit den Formulierungen „assist me“, „my personal assistant“ und „helping me“

deutete Kennedy allerdings an, dass Bundy und sein Stab direkt für ihn arbeiten würden und nicht wie bisher unter Eisenhower für den NSC, den Planungs- und den Koordinationsausschuss. Damit würde Bundy grösseren Einfluss auf die amerikanische Aussenpolitik ausüben können als vor ihm Cutler und Gray.

91 Ibid., p. 5.

92 Briefe, Jackson an JFK, 15.11.60 und 15.12.60, beide in Task Force Reports, Transition Files, JFKL. Vgl. Roger Hilsman, To Move a Nation: The Politics of Foreign Policy in the Administra-tion of John F. Kennedy (Garden City, NY: Doubleday, 1967), 20-25.

93 Kennedys Presseerklärung zur Ernennung Bundys ist im Originalwortlaut abgedruckt in Henry M.

Jackson, The National Security Council: Jackson Subcommittee Papers on Policy-Making at the Presidential Level (New York: Praeger, 1965), 302f. Vgl. NYT (1.1.1961): A18.

Im Dokument Kennedys rechte Hand (Seite 44-47)