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Invasion

Im Dokument Kennedys rechte Hand (Seite 78-83)

2 BAY OF PIGS: BUNDY ALS „PROZESSMANAGER“ (1961)

2.2 Bay of Pigs

2.2.6 Invasion

Am Morgen des 18. April 1961, einen Tag nach dem Beginn der Invasion der Exilku-baner in der Schweinebucht, orientierte Bundy Kennedy über den ungünstigen Verlauf der Kämpfe zwischen der Brigade der Exilkubaner und Castros Armee:

I think you will find at noon that the situation in Cuba is not a bit good. The Cuban armed forces are stronger, the popular response is weaker, and air tactical position is feebler than we had hoped. Tanks have done in one beachhead, and the position is precarious at the oth-ers.195

Tatsächlich hatte die Landung der Brigade unter einem schlechten Stern gestanden:

Die nächtliche Landung hatte sich aufgrund von unerwarteten Korallenriffen bis in die frühen Morgenstunden hinausgezogen. Die Exilkubaner waren zudem auf kubanische Soldaten getroffen, und die verbliebenen kubanischen Militärflugzeuge hatten zwei Frachter der Brigade mit wichtigen Kommunikationsgeräten und Munition versenkt.196 Ein Ablenkungsmanöver der Brigade, eine vorgezogene Landung in Baracoa unweit des amerikanischen Stützpunktes Guantanamo Bay, hatte gar nicht stattgefunden, weil den 250 in South Carolina trainierten Exilkubanern der Mut fehlte, an Land zu gehen.

Gemäss dem kubanischen Sicherheitschef Fabian Escalante soll die CIA ohne Kenne-dys Wissen geplant haben, mit dieser Gruppe einen Scheinangriff auf Guantanamo Bay durchzuführen, um eine amerikanische Intervention in Kuba zu rechtfertigen. In den

193 Telefongespräch, MB (New York) und Rusk, 17.4.61, 9:11 Uhr, FRUS 10, 113; Wyden, Bay of Pigs, 209; David Wise and Thomas B. Ross, The Invisible Government (New York: Random House, 1964), 61.

194 Int. MB, zit. aus Beschloss, Crisis Years, 115.

195 Memorandum, MB an JFK, 18.4.61, FRUS 10, No. 119.

196 Haynes Johnson, The Bay of Pigs: The Leaders’ Story of Brigade 2506 (New York: Dell, 1964), 105-113; Wyden, Bay of Pigs, 217-235; Grayston L. Lynch, Decision for Disaster: Betrayal at the Bay of Pigs (Washington, DC: Brassey's, 1998). Für die kubanische Seite vgl. Albert C. Per-sons, Bay of Pigs: A Firsthand Account of the Mission by a U.S. Pilot in Support of the Cuban Invasion Force in 1961 (Jefferson, NC: McFarland, 1990), 134-139, sowie Robert E. Quirk, Fidel Castro (New York: W. W. Norton, 1993); Szulc, Fidel.

relevanten amerikanischen Dokumenten findet man aber keinen Hinweis auf eine Bestätigung dieser Verschwörungstheorie, und weder Bissell noch Hawkins erwähnten in ihren Publikationen und Interviews der letzten Jahre einen solchen Plan.197

Das Krisenmanagement in Washington erreichte seine Klimax in einem Treffen der wichtigsten aussenpolitischen Berater am 18. April 1961 kurz nach Mitternacht. Als Kennedy vorschlug, die Brigade aufgrund der milit ärischen Überlegenheit der Truppen Castros als Guerillakämpfer in die Berge im Hinterland zu schicken, erfuhr er von Bissell erst jetzt, dass eine solche Guerilla-Option wegen der undurchdringbaren Zapatasümpfe gar nicht existierte. Bissell und die JCS, vor allem Admiral Arleigh Burke, drängten Kennedy nun zu einem Militäreinsatz der USA, um die Brigade zu retten, doch Kennedy blieb konsequent.198 Er hatte während der ganzen Planungsphase jegliche US-Intervention strikte ausgeschlossen und dies am 12. April auch gegenüber der Presse erklärt. Er machte seinen Beratern klar, dass er seine Meinung diesbezüg-lich nicht ändern würde. Bundys Haltung an dieser Mitternachtssitzung wurde von Schlesinger in seinem Tagebuch festgehalten:

It is interesting that Mac Bundy said that he personally did not feel that the cancellation of the air strike had fundamentally changed the situation. Mac believes air power does not al-ter the immense Castro advantage on the ground. His conclusion is that Castro is far betal-ter organized and more formidable than we had supposed. [...] As for Bissell, Mac said that he personally would not be able to accept Dick’s estimate of the situation.199

In der Diskussion, ob die USA der Brigade militärisch zu Hilfe kommen sollten, hatte Bundy Kennedy bereits am Morgen des 18. April vor dem Druck der CIA nach amerikanischen Luftangriffen gegen Kuba gewarnt und ihm folgenden Kompromiss vorgeschlagen:

The CIA will press hard for further air help - this time by Navy cover to B-26s attacking the tanks. But I think we can expect other pleas in rapid crescendo, because we are up against a formidable enemy, who is reacting with military know-how and vigor. The immediate re-quest I would grant (because it cannot easily be proven against us and because men are in need), but the real question is whether to reopen the possibility of further intervention and support or to accept the high probability that our people, at best, will go into the mountains in defeat. In my own judgment the right course now is to eliminate the Castro air force, by neutrally-painted U.S. planes if necessary, and then let the battle go its way.200

197 Fabian Escalante, The Secret War: CIA Covert Operations Against Cuba, 1959-62 (New York:

Ocean Press, 1995), 75. Bird hat die These unkritisch übernommen. Bird, Color of Truth, 198f.

198 Vgl. zur Rolle Burkes John Patrick Madden, „Operation Bumpy Road: The Role of Admiral Arleigh Burke and the U.S. Navy in the Bay of Pigs Invasion“, MA Thesis (Old Dominion Uni-versity, 1988).

199 Schlesinger las diesen Tagebuchauszug an der Musgrove-Konferenz vor. Blight/Kornbluh, Politics of Illusions, 98.

200 Memorandum, MB an JFK, 18.4.61, FRUS 10, No. 119.

Nach einer längeren Diskussion, in welcher vor allem Rusk vor einem Einsatz von amerikanischen Streitkräften warnte, autorisierte Kennedy den von Bundy vorgeschla-genen Kompromiss. Bei zwei amerikanischen Jets wurden die Markierungen der U.S.

Air Force abgedeckt. Doch ihre Unterstützung eines Angriffs von B-26 der Exilkuba-ner gegen Castros Luftwaffe wurde durch einen Irrtum zwischen der CIA und dem Pentagon vereitelt. Die amerikanischen Jets tauchten eine Stunde zu früh vor der Küste Kubas auf, und als die B-26 eintrafen, wurden sie von Castros Luftwaffe und Luftab-wehr problemlos abgeschossen.201 Am Mittag des 19. April 1961 war der Sieg Castros über die Brigade endgültig: Fast alle Mitglieder der Brigade wurden gefangengenom-men. Die von den USA gesponsorte Invasion der Exilkubaner war gescheitert.

Bundy, so erinnerte sich später der Journalist Henry Brandon, sei an diesem Tag

„kreidenbleich“ gewesen und habe sich mitschuldig gefühlt, Kennedy einen falschen Kurs empfohlen zu haben.202 Seine spontane Ansicht von den Ursachen des Fiaskos war wenig selbstkritisch: Schuld am Debakel waren die Eisenhower-Administration203 und vor allem die Exponenten der CIA sowie die JCS:

I have the general impression that all of those concerned with this operation were gradually put into an intrinsically unsound position because of the increasingly critical Cuban situa-tion and the lack of desirable alternatives. Under these pressures the military planners, who had been given instructions by an earlier Administration, became advocates, rather than im-partial evaluators of the problem.204

Weder Kennedy noch Bundy oder sonst ein Berater hatte sich gegen Bissells „Ein-Mann-Show“ zur Wehr gesetzt oder ihn aufgefordert, die CIA-Geheimnisse dem Weissen Haus offenzulegen. Thomas Evans erklärte dies damit, dass zwischen der CIA und Kennedys junger Beratergarde, den sogenannten „New Frontiersmen“ eine spezielle Bindung bestanden habe:

Bundy was a little too trusting and admiring of Bissell, as was the president. And Bissell was too sure of himself and his plan to fully seek their advice as well as consent. The cheer-ful, damn-the-bureaucrats bond between the CIA and the New Frontiersmen was a curse.205

Ralph Dungan präzisierte in Bezug auf Bundys Rolle während der Planung:

It happened so early in JFK’s administration. On reconstructing it later, I think he was ter-ribly misled: Nobody was equipped to ask the right questions and -because of the security-

201 Als Grund des zeitlichen Missverständnisses wird einerseits der unpräzise Begriff von „Sonnen-aufgang“ (dawn) angegeben, andererseits werden die verschiedenen Zeitzonen von Guatemala und Kuba, welche eine Stunde Zeitunterschied aufweisen, angeführt. Breuer, Vendetta, 138.

202 Int. Brandon durch Joseph O’Connor, 7.2.67, OHC, JFKL, p. 13.

203 Memorandum, MB an Sorensen, 8.3.63, Box 327, M&M, NSF, JFKL.

204 Brief, MB an Taylor, 4.5.61, FRUS 10, No. 201.

205 Thomas, Very Best Men, 248.

Bundy was brand-new in that kind of role, and all those guys involved in the planning were his friends from Yale - and wherever.206

Die Vertreter der CIA und die JCS hingegen warfen Kennedy, Rusk und Bundy vor, mit ihrer Absage der Luftangriffe am D-Day und mit dem Zurückhalten der US-Streitkräfte die Brigade verraten und das Unternehmen zum Scheitern gebracht zu haben.207

Bundy gab nie richtig zu, in seiner Rolle während der Planung der Schweinebucht-Invasion konkret versagt zu haben. Er deponierte allerdings Ende April bei Präsident Kennedy ein handschriftliches Kündigungsschreiben. Der Tonfall des Briefes verriet seine Schuldgefühle und seine starke Irritation über das Fiasko:

Dear Mr. President: I think you should always have the easiest freedom in the choice and use of close associates, and so I think you ought to have at hand their resignations. Here is mine, to be accepted at your pleasure at any time. You know that I wish I had served you better in the Cuban episode, and I hope you know how I admire your own gallantry under fire in that case. If my departure can assist you in any way, I hope you will send me off - and if you choose differently, you will still have this letter for use when you may need it.

Your assistants are yours to use - and one use is in changing the air when that is needed.

Yours...Mac Bundy.208

Kissinger hingegen munterte Bundy auf und riet ihm von einem Rücktritt ab:

Great things must still be done. And your friends and admirers would rest easier if they knew that you will continue to play a major, indeed a leading, part in them.209

Bundys Prestige schien nach seiner schwachen Leistung in der Planungsphase des Umsturzversuchs Castros gefährdet. Seine Prominenz hatte sich zuvor deutlich gezeigt, als er selbstbewusst am Gipfeltreffen mit dem britischen Premierminister Harold Macmillan Ende März in Key West direkt an Kennedys Seite in Erscheinung getreten war. Die Zeitschrift Newsweek berichtete, Bundys Status im administrations-internen Machtgefüge habe infolge des Fiaskos etwas gelitten.210

2.2.7 Fazit

Tatsächlich hatte Bundy in seiner Rolle als Nationaler Sicherheitsberater in mancherlei Hinsicht versagt: Erstens hatte er versäumt, Kennedys Zweifel am Plan in den ver-schiedenen Departementen überprüfen und analysieren zu lassen. Geblendet von

206 Int. Dungan, zit. aus Strober, „Let Us Begin Anew“, 343.

207 Thomas, Very Best Men, 266f.

208 Brief, MB an JFK, undatiert [Ende April 1961], Box 62, SM, POF, JFKL.

209 Brief, Kissinger an MB, 5.5.61, Box 320, SM, M&M, JFKL.

210 Times (5.5.1961): 15.

Kennedys aktivistischer und charismatischer Persönlichkeit und seinem eigenen Vertrauen in die CIA-Spitze hatte er keine bessere Alternative gesucht oder eine Grundsatzdiskussion über Politikoptionen ausgelöst, sondern bloss technische Hinder-nisse des Plans beseitigt. Zweitens hatte er es in seiner Funktion als Schnittstelle zwischen der CIA und dem Weissen Haus nicht verhindern können, dass es zu zahlrei-chen Missverständnissen zwiszahlrei-chen Bissell und Kennedy gekommen war. Zentrale Voraussetzungen für das Gelingen des Planes, etwa das Vorhandensein der Guerilla-Option, die Wahrscheinlichkeit von Aufständen durch die kubanische Bevölkerung sowie die Bedeutung der Luftüberlegenheit waren von Kennedy und dem Weissen Haus zu wenig klar erfasst worden. Drittens war es mehrfach zu Verlusten wichtiger Informationen gekommen. Das informelle NSC-System Kennedys mit Bundy als Schaltzentrale funktionierte keineswegs so einwandfrei wie die vielkritisierte NSC-Maschinerie Eisenhowers, und Bundy tolerierte die chaotischen Kommunikatio nskanä-le Kennedys: Die Kritik Schnskanä-lesingers und Fulbrights wurde zwar vom Präsidenten gelesen, doch ihre Memoranden wurden nicht an andere aussenpolitische Berater verteilt. Kennedy erfuhr weder von der pessimistischen Evaluation der JCS noch vom Widerstand der CIA und der JCS gegen den neuen Landeplatz. Viertens hatte Bundy es verpasst, administrationsinternen Dissens, namentlich die kritischen Argumente von Goodwin oder Murrow, an Kennedy weiterzuleiten.

Die Aufgabe Bundys hätte unter anderem darin bestanden, die Planänderungen zwischen der Eisenhower- und der Kennedy-Administration skeptisch und objektiv zu beurteilen. Bundy hatte in seiner eng definierten Rolle als Stabsassistent darin versagt, Kennedy objektiv über die Widersprüche und die Opposition innerhalb der Regierung aufzuklären. Nach anfänglichen Zweifeln am ursprünglichen Plan hatte er seinem früheren Mentor Bissell zu stark vertraut und war ab Mitte März zu einem Befürworter und Mitgestalter von dessen neuem Plan geworden, der innert kürzester Zeit auf Kosten der militärischen Erfolgschancen an die politischen Rahmenbedingungen Kennedys angepasst worden war.

Die Frage war, wie Kennedy auf Bundys Darbietung während der Schweinebuchtpla-nung und sein Rücktrittsangebot reagieren würde. Welche Lektionen zogen Bundy und Kennedy aus der Schweinebuchtaffäre, und welche Rolle liess Kennedy seinem Nationalen Sicherheitsberater im Sommer 1961 zukommen, als sich am Horizont bereits eine Konfrontation mit der Sowjetunion um Berlin abzeichnete?

Im Dokument Kennedys rechte Hand (Seite 78-83)