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4.3 Konstruktion und Gestaltung eines Advance Organizer

4.3.2 Neuformulierung von Konstruktionsschritten und Gestaltungs-

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Tabelle 22 - 4 Schritte zur Konstruktion eines Advance Organizer nach Martenstein et al. (2013)

1 Ableitung

(15 bis 20 Begriffe aus einer Sachstrukturanalyse) 2 Bündelung

(der Begriffe sowie Abstrahierung von übergeordneten Bezeichnungen) 3 Sortierung

(der übergeordneten Bezeichnungen und In-Verbindung-Setzen dieser) 4 Didaktische Inszenierung

(mit Mehrfachkodierung, Schüleraktivierung und vorbereiteten Satzanfängen)

Die Konstruktion eines Advance Organizer erfolgt nach Martenstein et al. (2013) ausgehend von der Sachstruktur und nicht wie bei anderen Autoren (u.a.

Ausubel, 1978; Callihan & Bell, 1978) ausgehend von dem Vorwissen der Lernenden. Nach der Bündelung der Sachstrukturbegriffe erfolgt, wie von Ausubel (1960, S. 268) vorgegeben, die Generierung von Begriffen mit höherer Abstraktion, Generalität und Reichweite. Durch Sortieren und Verbinden der Begriffe soll dann eine Expertenstruktur entstehen, mit der die inhaltliche Struktur abgebildet werden kann. Die Präsentation des Advance Organizer wird zusammenfassend in dem vierten Prinzip angeführt. Hierbei ist anzumerken, dass die Aktivierung der Schüler während der Präsentationsphase explizit erwähnt wird. Zudem wird das Vorformulieren von Sätzen bzw. Satzanfängen für Lehrkräfte vorgeschlagen, um eine adäquate Lehrerpräsentation zu gewährleisten.

Nach der ersten Beschreibung des Advance Organizer nach Ausubel (1960) lassen sich in der Literatur sehr unterschiedliche Prinzipien zur Konstruktion und Gestaltung eines Advance Organizer finden. Diese variieren sowohl im Umfang der Kriterien als auch sehr stark im Inhalt. Im Folgenden wird das Ergebnis einer Synthese dieser Prinzipien dargestellt und eine vereinheitlichende Reformulierung der Prinzipien vorgeschlagen.

4.3.2 Neuformulierung von Konstruktionsschritten und

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Ausgestaltung eines lernförderlichen Organizer, müssen jedoch stets an die Voraussetzungen der Lerngruppe angepasst werden.

Konstruktionsschritte

Die Schwierigkeit bei der Erstellung eines Advance Organizer besteht darin, dass eine bloße Abbildung der Themenstruktur nicht ausreichend ist. Ferner ist es entsprechend der Assimilationstheorie das Ziel, geeignete Ankerpunkte in der Wissensstruktur der Lernenden zu aktivieren, um eine geeignete Anknüpfung neuer Inhalte zu ermöglichen. Um diese Funktionsweise sicherzustellen, bedarf es einer schrittweisen Anleitung zur Entwicklung eines Advance Organizer.

Vier zentrale Konstruktionsschritte (Tabelle 23) lassen sich als Ergebnis der Synthese herausstellen. Dabei werden lediglich die Aussagen berücksichtigt, die sich auf die inhaltliche Ausgestaltung des Advance Organizer beziehen bzw. den Entstehungsprozess betreffen.

Tabelle 23 - Synthese der Schritte zur Konstruktion eines Advance Organizer Konstruktions-

schritte

Themen-struktur

Kontext-einordnung

Vorwissens-konzepte

Ziel-formulierung Ausubel (1960, 1978,

1980) X X

Callihan & Bell (1978) X X

Lenz et al. (1987) X X X

C. K. West et al. (1991) X X X X

Joyce & Weil (2003) X X

NETnet (2005) X X X

Wahl (2005, 2011) X X

Ludwig & Herold (2007) X X X

Martenstein et al.

(2013) X X

Die aus der Synthese ermittelten Schritte werden nachfolgend in der Reihenfolge beschrieben, wie sie sich für die Erstellung eines Advance Organizer eignen.

1. Visualisierung der Themenstruktur: Ausgangspunkt für die Erstellung eines Advance Organizer, der als Einstieg in eine Unterrichteinheit bzw. -stunde genutzt werden kann, stellt der Inhalt bzw. das Thema selbst dar. Mit Hilfe einer Sachstrukturanalyse bzw. geeigneten Quellen kann der Inhalt in eine graphische Struktur gebracht werden. Mit Blick auf die weiteren Schritte ist hierfür eine hierarchische Struktur zu empfehlen, wobei das Thema selbst an der höchsten Stelle anzusiedeln ist (Abbildung 16). Bei der Erstellung dieser graphischen Inhaltstruktur ist zu berücksichtigen, dass lediglich die Themenfelder angeführt werden, die auch in der Unterrichtseinheit vorkommen. An dieser Stelle sollte bereits eine didaktische Reduktion (Lehner, 2012, S. 9) erfolgen.

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Abbildung 16 - Hierarchische Inhaltsstruktur zum Themenfeld Nahrung

2. Einordnung in den Kontext: Das zentrale Kennzeichen eines Advance Organizer besteht in der höheren Abstraktion, Generalität und Reichweite (Ausubel, 1960, S. 268) der Inhalte im Vergleich zu den Inhalten der Unterrichtsstunde. Hierfür bietet es sich an, die zuvor erstellte Themenstruktur nach „oben“ hin zu erweitern (Abbildung 17). Dies bedeutet, dass der für das Thema relevante Kontext abgebildet wird.

Abbildung 17 - Erweiterte hierarchische Inhaltsstruktur zum Thema Nahrung Nahrung

Gesunde Ernährung

Obst

Apfel Birne

Gemüse

Tomate Karotte

Süßig-keiten

Schoko-lade Keks

Lebe-wesen

Stoff-wechsel

Abgabe Aufnahme

Nahrung

Gesunde Ernährung

Obst

Apfel Birne

Gemüse

Tomate Karotte

Süßig-keiten

Schoko-lade Keks

Wachstum Evolution

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3. Integration der Vorwissenskonzepte: Ziel eines Unterrichtseinstiegs mit dem Advance Organizer, ist die Aktivierung von bereits vorhandenem Wissen auf Seiten der Lernenden, um die neuen Inhalte auf geeignete Weise abzuspeichern.

Inwiefern die Wissenselemente des Kontextes entsprechend der erweiterten hierarchischen Inhaltstruktur bei den Schülern vorhanden sind, muss für die weitere Konstruktion eines Advance Organizer ermittelt werden. Ausubel (1978, S. 252) empfiehlt hierfür eine Prätestung. Diese muss jedoch nicht im Sinne einer Leistungsdiagnostik erfolgen. Es eignen sich ebenso Brainstorming-Verfahren, bei denen die Lernenden ihre vorhandenen Ideen zum Thema unstrukturiert sammeln (Siebert, 2010, S. 123).

4. Formulierung des Ziels: Abschließend muss eine sogenannte Brücke (Ausubel et al., 1980, S. 210) zwischen dem Kontext des Themas und dem speziellen Thema der Einheit bzw. der Stunde hergestellt werden. Dies kann über die Formulierung einer Zielstellung erfolgen, mit der folgende exemplarische Fragen beantwortet werden: 1) Wozu dient die Kontexteinordnung? 2) Warum ist das Kontextwissen wichtig? 3) Inwiefern unterstützt dieses Wissen das Lernen in der Stunde/Einheit?

Diese vier Schritte bilden die inhaltliche Struktur des jeweiligen Themas ab und stellen damit die zentrale Grundlage des Advance Organizer dar. Dennoch reicht diese Themenstruktur inklusive einer Zielstellung nicht aus, um das Vorwissen der Lernenden umfassend zu aktivieren. Hierfür ist eine intensivere Fokussierung der Voraussetzungen der Lerngruppe notwendig und dessen Berücksichtigung bei der konkreten Ausgestaltung des Organizer.

Gestaltungsprinzipien

Ausgehend von der Themenstruktur und dem Themenkontext gelten für die Gestaltung eines Advance Organizer sechs Prinzipien. Diese müssen jedoch sowohl an die Lerngruppe, an die Inhalte und Struktur der genauen Stundeninhalte als auch an die Rahmenbedingungen des Unterrichts angepasst werden, um das Lernen optimal zu unterstützen.

Die sechs ermittelten Gestaltungsprinzipien der Synthese (Tabelle 24) beziehen sich zum einen auf das konkrete Design des Advance Organizer und zum anderen auf die Präsentation dessen.

Tabelle 24 - Synthese der Prinzipien zur Gestaltung eines Advance Organizer Gestaltungs-

prinzipien

Mehrfach-codierung

konkrete Bespiele

kurze

Präsen-tation

schritt-weise

Präsen-tation

Aktivie-rung

Wieder-holung/

Verfüg-barkeit C. K. West et al.

(1991 X

Joyce & Weil

(2003) X X X

NETnet (2005) X X X X X

Wahl (2005,

2011) X X X X

Ludwig & Herold

(2007) X

Martenstein et al.

(2013) X X X X X X

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5. Design: Wahl (2011) verwendet die Bezeichnung „Mehrfachcodierung“ und meint damit die Darstellung eines Inhaltes durch unterschiedliche Modalitäten, d.h. mit Visualisierungen, verbalen und schriftlichen Wörtern. Vor allem die Verwendung von Visualisierungen wird von mehreren Autoren erwähnt. Ziel dieser verschiedener Wahrnehmungs- und Verarbeitungsmodalitäten ist die möglichst umfassende Aktivierung des Vorwissens aller Lernenden, welches jedoch sehr unterschiedlich abgespeichert sein kann. Neben der multimodalen Abbildung der Inhalte ist ein Advance Organizer durch konkrete Bespiele gekennzeichnet. Obwohl die Forderung bei der Konstruktion nach einer höheren Abstraktion der Advance Organizer-Inhalte besteht, gibt es keinen Widerspruch, dies mit konkreten Beispielen auszufüllen.

6. Präsentation: Die Darbietung des Advance Organizer erfolgt in der Phase des Unterrichtseinstiegs, sodass lediglich ein kurzer Zeitrahmen für die Präsentation besteht. Zusätzlich empfiehlt es sich, die Präsentation schrittweise zu gestalten.

Parallel zum Aufbau der Unterrichtseinheit sollte ein Advance Organizer in mehrere Abschnitte gegliedert werden. Zu Beginn der entsprechenden Unterrichtsstunden wird jeweils ein Abschnitt des Advance Organizer vorgestellt.

Innerhalb einer Präsentation sollten sukzessiv immer weitere Begriffe, Visualisierungen und Beispiele angeführt werden. Diese schrittweise Vorgehensweise bietet den Lernenden die Möglichkeit die Kontext- und Themenstruktur kleinschrittig nachzuvollziehen und reduziert die Gefahr einer Überforderung durch die Konfrontation mit einer umfangreichen Themenstruktur.

Dies kann zudem durch eine gezielte Aktivierung der Lernenden während der Präsentation berücksichtigt werden. Gezielte Nachfragen bzw. der bewusste Einbezug unterstützt die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler.

Abschließend sollte der Advance Organizer nicht nur vereinzelt zu Beginn ausgewählter Unterrichtsstunden zum Einsatz kommen. Um das Lernen während einer gesamten Unterrichtseinheit zu unterstützen, sollten die Inhalte regelmäßig wiederholt werden. Dies kann mittels eines regelmäßigen Bezugnehmens zu den Inhalten des Advance Organizer erfolgen. Durch eine ständige Verfügbarkeit des Advance Organizer in Form eines Plakates oder Arbeitsblattes kann diese Wiederholung zudem individuell und je nach Bedarf im Unterricht erfolgen.

Diese sechs Konstruktions- und Gestaltungsprinzipien können als Leitfaden für die Erstellung eines Advance Organizer dienen. Ausgehend von der inhaltlichen Struktur muss die Gestaltung des Advance Organizer immer durch Anpassung an die Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler und die konkrete Unterrichtsgestaltung erfolgen. Inwiefern ein derartiger Advance Organizer von Nutzen für das Lernen, die Informationsverarbeitung und das Lernen mathematischer Inhalte ist, wird nachfolgend diskutiert.