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Ausubel (1960, S. 268) beschreibt den Advance Organizer in seiner ersten Studie als Einführungsmaterial, welches Hintergrundwissen für das Lernmaterial enthält und abstrakter, genereller und umfassender als das Lernmaterial ist.

Ausubel erweitert diese Beschreibung, um folgende Merkmale:

 Ein Advance Organizer wird vor dem neuen Lernmaterial präsentiert (Ausubel, 1970, S. 6; Ausubel, Novak & Hanesian, 1980, S. 212).

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 Der Advance Organizer selbst muss erlernbar sein (Ausubel et al., 1980, S.

212), d.h. bereits bekannte Elemente enthalten.

 Die Inhalte des Advance Organizer beziehen sich auf Informationen, die bereits in der Wissensbasis vorhanden sind (Ausubel, 1970, S. 6).

 Ein Advance Organizer ist nicht vergleichbar mit einer Zusammenfassung oder einem Überblick (Ausubel & Robinson, 1972, S. 316; Ausubel et al., 1980, S. 209), da diese sich bezüglich der Generalität, Abstraktion und Reichweite nicht vom Lernmaterial unterscheiden, sondern vor allem durch die Wiederholung sowie die Hervorhebungen zentraler Inhalte wirken.

Im deutschen Sprachraum hat sich bisher weder eine einheitliche Übersetzung noch eine übereinstimmende Definition durchgesetzt. Ausubel spricht in deutschen Veröffentlichungen von einem „Vororganisator“ (Ausubel et al., 1980, S. 149) bzw. von „Organisationshilfen“ (Ausubel et al., 1980, S. 209; Ausubel &

Thol, 1983, S. 64). Darüber hinaus lassen sich die Bezeichnungen „kognitive Vorstrukturierung“ (Ballstaedt, 1997, S. 23) sowie „Vorausorganisator“ (Frey &

Frey-Eiling, 2010, S. 101) finden. Neben diesen uneinheitlichen Übersetzungen lassen sich unterschiedliche Schreibweisen des Begriffs finden. Sowohl in der englisch- als auch in der deutschsprachigen Literatur wird die Bezeichnung

„advanced organizer“ (Peterson, Thomas, Lovett & Bright, 1973; Padberg, 1979;

Brünken & Seufert, 2006; Preiss & Gayle, 2006) verwendet. Dennoch ist diese Schreibweise als kritisch zu bewerten. Einerseits entspricht sie nicht der originalen Schreibweise, wie sie von Ausubel (1960) eingeführt wurde.

Andererseits ist der Begriff „advanced“ nicht zutreffend, da es sich um Einführungsmaterialien handelt, die im Voraus präsentiert werden („advance”) und nicht um Materialien, die fortschrittlicher, weiterentwickelter („advanced”) sind. Um diese Vielfalt an Bezeichnungen für dieselbe Methode nicht weiter auszugestalten, ist es empfehlenswert die originäre Bezeichnung „Advance Organizer” zu verwenden. Zudem erleichtert die Verwendung dieses Begriffes die eindeutige Zuordnung zu der von Ausubel erstmals beschriebenen Methode.

Bereits West und Fensham (1974) konstatieren, dass der Begriff bzw. die Methode weiter geschärft werden muss: „need to be refined much further“ (ebd., S. 77). Diese Forderung wird von weiteren Autoren (Barnes & Clawson, 1975, S.

653; Mayer, 1979, S. 162; Corkill, 1992, S. 62) unterstützt. Mayer stellt in seiner Definition das Ziel bzw. die Funktion eines Advance Organizer heraus:

A good advance organizer provides an organized conceptual framework that is meaningful to the learner, and that allows the learner to relate concepts in the instructional material to elements of the framework (Mayer, 1979, S. 162).

Corkill (1992) erstellt als Ergebnis ihres Reviews eine Definition für Advance Organizer und berücksichtigt vordergründig die Gestaltung:

Advance organizer should: (a) be presented before the to-be-learned material, (b) be in written paragraph form, (c) be written in concrete fashion, and (d) contain an example that encourages the reader to note the analogous relationship between ideas in the advance organizer and the ideas to come in the to-be-learned material (Corkill, 1992, S. 63).

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Wahl (2005, 2011) nimmt für den deutschsprachigen Raum eine Art Übersetzung des Begriffs vor, indem er folgende Begriffsbestimmung vornimmt:

Damit (mit dem Advance Organizer, Anm. d. Verf.) ist eine im Voraus (in advance) gegebene Lernhilfe gemeint. Diese soll die Inhalte organisieren und strukturieren (‚organizer). Es handelt sich folglich um einen ‚organizer in advance’, also eine früh im Lernprozess vermittelte Expertenstruktur (Wahl, 2005, S. 139).

Die Definition von Wahl (2005, 2011) impliziert erstmals, dass der Advance Organizer eine Lehrmethode ist, d.h. diese Methode kann der „Vermittlung von Lehrzielen und Lehrinhalten dienen, also Lernen bewirken“ (Einsiedler, 1981, S.

17). Dennoch bleibt offen, welcher Dimension von Lehrmethoden (Klauer &

Leutner, 2007, S. 151) der Advance Organizer zuzuordnen ist – eine Methode für den „vom Lehrer gesteuerten Unterricht“ (ebd.) oder eine Methode, bei der die

„Lernenden weitgehend Verantwortung für die Lernaktivität selbst übernehmen“ (ebd.).

In der Definition nach Niegemann et al. (2008) wird die schriftliche Präsentationsform des Advance Organizer wie auch bei Corkill (1992) als ein elementares Merkmal angeführt. Daneben erfolgt die Darstellung der Funktion eines Organizer für die Lernenden.

Advance Organizer sind einem Text vorangestellte kurze Texte, die Vorwissen explizit thematisieren. Sie zeigen dem Lernenden auf, über welches Wissen er bereits verfügen sollte und wo sein Wissen Anknüpfungspunkte für das neu im Text vorgestellte Wissen aufweist (Niegemann et al., 2008, S. 628).

Martenstein, Melzer und Reinck (2013) beantworten mit ihrer Definition, welcher Dimension von Lehrmethode der Advance Organizer zuzuordnen ist:

Der Advance Organizer ist eine Organisationshilfe, die einem neuen Lerninhalt vorausgeht und dessen Verinnerlichung unterstützt. Er ist eine lehrerzentrierte Unterrichtsmethode, die von Ihnen (den Lehrkräften, Anm. d.

Verf.) als Unterrichtseinstieg dargeboten wird (Martenstein et al., 2013, S. 3, Hervorhebungen im Original).

In allen dargestellten Definitionen wird der Aspekt der Organisation als Ziel eines Advance Organizer berücksichtigt. Der Aspekt der zeitlichen Position, nämlich vor der Vermittlung neuer Lerninhalte, wird jedoch nur teilweise aufgegriffen.

Daneben fehlt in allen Definitionen das zentrale Element, womit Advance Organizer nach Ausubel (1978) charakterisiert werden:

In all cases I define advance organizer as introductory material at a higher level of abstraction, generality, and inclusiveness than the learning passage itself (Ausubel, 1978, S. 252).

Eine Definition des Advance Organizer sollte sowohl eine Erklärung des Anglizismus enthalten, als auch die von Ausubel festgelegten Definitionsaspekte enthalten. Die folgende Definition erfüllt diese Ansprüche und ist darüber hinaus in Form einer klassischen, aristotelischen Definition mit „genus proximum” und

„differentia specifica” (Roelcke, 2010, S. 62) aufgebaut:

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Ein Advance Organizer ist eine lehrerzentrierte Unterrichtsmethode, die als Einführung vor neuen Wissensinhalten eingesetzt wird (‚in advance’) und deren Inhalte abstrakter, genereller sowie umfassender als die neuen Lerninhalte sind, um als Organisationshilfe (‚organizer’) bereits bekannte mit neuen Inhalten verknüpfen zu können.

Diese Definition erleichtert die Abgrenzung zu Unterrichtsmethoden, die ähnlich sind, jedoch den zentralen Merkmalen eines Advance Organizer nicht entsprechen. Wie bereits erwähnt, grenzt Ausubel den Advance Organizer von Methoden wie Überblicken und Zusammenfassungen ab (Ausubel & Robinson, 1972, S. 316; Ausubel et al., 1980, S. 209). Diese erfüllen einerseits nicht die Forderung, dass sie im Voraus, d.h. vor neuen Lerninhalten eingesetzt werden.

Grundsätzlich ist ein Einsatz dieser Methoden vor der Einführung neuer Lerninhalte möglich, allerdings ist diese zeitliche Stellung nicht zwingend notwendig, wodurch ein deutlicher Unterschied zum Advance Organizer besteht.

Andererseits ist es sowohl für einen Überblick als auch für eine Zusammenfassung nicht zutreffend, dass die Inhalte auf einer höheren Ebene der Abstraktion, Generalität und Reichweite verfasst sind. Beide Methoden greifen lediglich die neu zu lernenden Inhalte auf und stellen Sie in einer anderen Weise, aber auf der gleichen Ebene dar. Somit ist die Beschreibung, der Advance Organizer ermöglicht „einen ersten Überblick“ (Thal & Vormdohre, 2009, S. 31), nicht passend.

In der deutschsprachigen Literatur findet sich ferner der Vergleich des Advance Organizer mit einer „Lernlandkarte“ (Herold & Landherr, 2005, S. 10; Wilms, 2005, S. 32; Wenzel, 2010, S. 28). Eine nähere Betrachtung der Beschreibung von Lernlandkarten verdeutlicht jedoch, dass dieser Vergleich bzw. diese Übersetzung ungeeignet sind. Wildt (2009) beschreibt Lernlandkarten wie folgt:

Sie "visualisiert das kognitive Netz einer Person von einem bestimmten Lerngegenstand" (ebd., S. 4). Hier wird bereits ein zentraler Unterschied deutlich:

Während Lernlandkarten im Laufe bzw. am Ende des Lernprozesses zur Abbildung des Wissensstandes einer Person eingesetzt werden, wird ein Advance Organizer zur Einführung neuer Wissensinhalte verwendet. (ebd.) unterscheidet zwischen fremd- und selbsterstellten Lernlandkarte, womit sich ein weiterer Kontrast zum Advance Organizer zeigt. Ein Advance Organizer ist eine lehrerzentrierte Methode, die durch die Konstruktion und Ausgestaltung der Lehrkraft gekennzeichnet ist. Das gemeinsame Ziel, eine bessere Orientierung im Lernprozess (Wildt, 2009, S. 4; Wahl, 2011, S. 200), ist nicht ausreichend, um die Methoden Advance Organizer und Lernlandkarte äquivalent zu nutzen.

Ein weiterer Unterschied des Advance Organizer zu anderen Methoden ist, dass dieser auf der Grundlage einer Theorie des Lernens entwickelt worden ist. Diese Theorie soll im Nachfolgenden dargestellt werden, um einerseits die Einordnung des Advance Organizer als lernunterstützende Methode nachvollziehen und andererseits das zentrale Merkmal von Advance Organizer, die Anordnung der Inhalte auf einer höheren Ebene der Abstraktion, Generalität und Reichweite, verstehen zu können.

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