Die empirischen Befunde zum Advance Organizer bestätigen die positive Wirkung sowohl für das Lernen, d.h. dem direkten Zuwachs an Wissen nach einem Lernprozess, als auch für das Behalten, also die langfristige Verfügbarkeit dieses Wissens. In der vorliegenden Studie wird die Wirksamkeit für das Lernen und Behalten durch die Mathematikleistung der Schülerinnen und Schüler überprüft (Tabelle 27). Diese Outcomeparameter werden hinsichtlich spezifischer und allgemeiner Leistungen differenziert: Die spezifische Mathematikleistung umfasst den einfachen Abruf und die Anwendung domänenspezifischen Wissens. Ob das Lernen spezifischer Wissensinhalte einen Einfluss für domänenübergreifendes Wissen besitzt, soll durch die allgemeine Mathematikleistung überprüft werden. Zudem soll untersucht werden, inwiefern durch den Advance Organizer der Einfluss des Lernverhaltens für die spezifische und allgemeine Mathematikleistung verändert wird.
Tabelle 27 - Reichweite und Operationalisierung der Outcomeparameter
Reichweite Outcomeparameter Operationalisierung
proximal spezifische Mathematikleistung Wissensreproduktion Wissensanwendung distal allgemeine Mathematikleistung Wissenssynthese
Die Überprüfung des Advance Organizer soll sowohl für eine allgemeine Wirksamkeit als auch für eine differentielle Wirksamkeit für Subgruppen erfolgen.
Außerdem soll die Wirksamkeit des Advance Organizer durch Verknüpfung mit Übungsstunden betrachtet werden. Nachfolgend werden jeweils die ausformulierten Forschungshypothesen sowie die statistischen Hypothesen dargestellt. Dabei wird neben der Nullhypothese ( ) die Alternativhypothese ( ) abgebildet. Die hochgestellten Notationen ( − � ) verdeutlichen die Zuordnung zur Hypothese. Die jeweilige statistische Hypothese enthält den Vergleich zwischen dem erwarteten Mittelwert (�) oder dem gewichteten Regressionsgewicht ( ) der Experimental- ( ) und der Kontrollgruppe ( ) bzw.
der Schülerinnen und Schüler unter Risikobedingungen aus der Experimental- ( ) oder aus der Kontrollgruppe ( ). Die tiefgestellten Notationen enthalten die berücksichtigen Erhebungszeitpunkte ( für Lernen, d.h. Prä-Post-Vergleich; � für Behalten, d.h. Post-Follow-Up I-Follow-Up II- oder Prä-Follow-Up II-Vergleiche) und die Outcomeparameter ( � � für spezifische Mathematikleistung; �� für allgemeine Mathematikleistung). Die Berücksichtigung einer weiteren unabhängigen Variablen wird als Interaktion gekennzeichnet ( ∗ �).
5.2.1 Wirksamkeit für das Lernen und Behalten
Die Vorwissensaktivierung durch den Advance Organizer unterstützt das Lernen sowie Behalten von Wissensinhalten. Deshalb ist anzunehmen, dass eine allgemeine Wirksamkeit des Advance Organizer sowohl in der spezifischen als auch in der allgemeinen Mathematikleistung festgestellt werden kann.
125 Hypothese I
Schülerinnen und Schüler, die an der Präsentation des Advance Organizer teilnehmen, weisen positivere Veränderungen in den spezifischen Mathematikleistungen (gemessen mit dem Wissensquiz) im Prä-Post-Vergleich und im Post-Follow-Up I-Follow-Up II-Vergleich sowie in der allgemeinen Mathematikleistung (gemessen mit dem HRT 1-4) im Prä-Follow-Up II-Vergleich auf als Schülerinnen und Schüler, die keine Vorwissensaktivierung erhalten.
Im Prä-Post-Vergleich:
� :���. �. �� � �. �. �� � : ���. �. �� > � �. �. ��
Im Post-Follow-Up I-Follow-Up II-Vergleich:
� :���. �. �� � �. �. �� � : ���. �. �� > � �. �. ��
Im Prä-Follow-Up II-Vergleich:
� :���. �. � � �. �. � � : ���. �. � > � �. �. �
5.2.2 Wirksamkeit für Schülerinnen und Schüler unter Risikobedingungen Die bisherigen Forschungsbefunde bestätigen die Wirksamkeit des Advance Organizer auch für Schülerinnen und Schüler mit geringen Vorkenntnissen und/oder geringen allgemeinen Schulleistungen. Komponenten, die einen Lernprozess entweder positiv oder negativ beeinflussen, können sehr vielfältig sein (Matthes, 2009, S. 26; Hasselhorn & Gold, 2013, S. 70). Als Prädiktoren der Mathematikleistung gelten sowohl die Intelligenzleistung als auch mathematische Basiskompetenzen (W. Schneider et al., 2013, S. 55, 65ff.). Zudem kann das Vorwissen als eine entscheidende Einflussvariable für den Lernprozess gesehen werden (Kapitel 2.3). Für Schülerinnen und Schüler, die in einem dieser Prädiktoren einen kritischen Wert aufweisen (Tabelle 28), wird die differentielle Wirksamkeit des Advance Organizer für das Lernen und Behalten genauer betrachtet.
Tabelle 28 - Risikogruppen und deren Auswahlkriterium
Risikogruppe Auswahlkriterium
I reduzierte kognitive Leistung Intelligenzquotient ermittelt im CFT 20-R II unterdurchschnittliche allgemeine
Mathematikleistung
Prozentrang-Wert in einem der Subtests des HRT 1-4 III unterdurchschnittliche spezifische
Mathematikleistung
Prozentrang-Wert im Wissensquiz
Im Unterricht der universellen Ebene mit einer heterogenen Lerngruppe ist nicht nur die Unterstützung aller Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse von Bedeutung. Unterricht mit einer präventiven Ausrichtung entsprechend des RtI-Modells, d.h. der frühzeitigen Unterstützung bei ungünstigen Lernvoraussetzungen (D. Fuchs & Fuchs, 2006, S. 93), sollte
126
auch bei auftretenden Risikobedingungen effektiv sein. Die Vorwissensaktivierung durch den Advance Organizer kann eine derartige Unterstützung bieten.
Hypothese II
Schülerinnen und Schüler unter Risikobedingungen, die an der Präsentation des Advance Organizer teilnehmen, zeigen eine positivere Entwicklung in den spezifischen Mathematikleistungen (gemessen mit dem Wissensquiz) im Prä-Post-Vergleich und im Post-Follow-Up I-Follow Up II-Vergleich sowie in der allgemeinen Mathematikleistung (gemessen mit dem HRT 1-4) im Prä-Follow-Up II-Vergleich als Schülerinnen und Schüler unter Risikobedingungen, die vor dem Mathematikunterricht keine Vorwissensaktivierung erhalten.
Im Prä-Post-Vergleich:
�� :��� �. �. �� � � �. �. �� �� : ��� �. �. �� > � � �. �. ��
Im Post-Follow-Up I-Follow-Up II-Vergleich:
�� :��� �. �. �� � � �. �. �� �� : ��� �. �. �� > � � �. �. ��
Im Prä-Follow-Up II-Vergleich:
�� :��� �. �. � � � �. �. � �� : ��� �. �. � > � � �. �. �
5.2.3 Wirksamkeit unter Kontrolle des Lernverhaltens
Hinsichtlich der differentiellen Wirksamkeit des Advance Organizer soll zudem der Einfluss des Lernverhaltens der Schülerinnen und Schüler im Mathematikunterricht untersucht werden. Sowohl die Motivation als auch die Handlungssteuerung beeinflussen einen erfolgreichen Lernprozess (Matthes, 2009, S. 26). Ob der Einfluss des Lernverhaltens auch mit einem Advance Organizer bestehen bleibt, wird für die spezifische und allgemeine Mathematikleistung betrachtet.
Abbildung 25 - Moderatorvariable: Lernverhalten im Mathematikunterricht
Moderator Lernverhalten im Mathematikunterricht
abhängige Variable spezifische Mathematikleistung
im Posttest unabhängige Variable
spezifische Mathematikleistung im Prätest
abhängige)Variable) spezifische)Mathema. kleistung)
im)Follow7Up)II) unabhängige Variable
spezifische Mathematikleistung im Prätest
abhängige Variable allgemeine Mathematikleistung
im Follow-Up II unabhängige Variable
allgemeine Mathematikleistung im Prätest
abhängige)Variable) spezifische)Mathema. kleistung)
im)Follow7Up)I) unabhängige Variable
spezifische Mathematikleistung im Prätest
127 Hypothese III
Das Lernverhalten moderiert bei der Präsentation des Advance Organizer geringer die spezifische Mathematikleistung (gemessen mit dem Wissensquiz) im Prä-Post- und im Post- Follow-Up I-Follow-Up II-Vergleich sowie die allgemeine Mathematikleistung (gemessen mit dem HRT 1-4) im Prä-Follow-Up II-Vergleich im Vergleich zu der Moderation ohne Vorwissensaktivierung.
Im Prä-Post-Vergleich:
��� : ��∗ �. �. �� �∗ �. �. �� ��� : ��∗ �. �. ��< �∗ �. �. ��
Im Post-Follow-Up I-Follow-Up II-Vergleich:
��� : ��∗ �. �. �� �∗ �. �. �� ��� : ��∗ �. �. �� < �∗ �. �. ��
Im Prä-Follow-Up II-Vergleich:
��� : ��∗ �. �. � �∗ �. �. � ��� : ��∗ �. �. � < �∗ �. �. �
5.2.4 Wirksamkeit in Kombination mit Übungsstunden
Die empirischen Befunde bestätigen, dass nicht nur die Vorwissensaktivierung im Mathematikunterricht lernförderlich ist (Fritz & Ricken, 2008; Werner, 2009;
Simon & Grünke, 2010; Born & Oehler, 2011), sondern auch Übungsphasen (Fritz & Ricken, 2008; Scherer & Moser Opitz, 2010; Simon & Grünke, 2010;
Born & Oehler, 2011). Beide Methoden sind Teilaspekte der direkten Instruktion (Forbringer & Fuchs, 2012, S. 60), die eine der wirksamsten Methoden im Mathematikunterricht ist (Baker et al., 2002; Kroesbergen & Luit, 2003; Gersten, Chard, et al., 2009).
Hypothese IV
Schülerinnen und Schüler, die an der Präsentation des Advance Organizer und an Übungsstunden teilnehmen, profitieren in den spezifischen Mathematikleistungen (gemessen mit dem Wissensquiz) im Prä-Post-Vergleich und im Post-Follow-Up I-Follow-Up II-Vergleich sowie in der allgemeinen Mathematikleistung (gemessen mit dem HRT 1-4) im Prä-Follow-Up II-Vergleich stärker vom Advance Organizer als Schülerinnen und Schüler, die keine Vorwissensaktivierung, jedoch Übungsstunden erhalten.
Im Prä-Post-Vergleich:
�� :���. �. �� � �. �. �� �� : ���. �. �� > � �. �. ��
Im Post-Follow-Up I-Follow-Up II-Vergleich:
�� :���. �. �� � �. �. �� �� : ���. �. �� > � �. �. ��
Im Prä-Follow-Up II-Vergleich:
�� :���. �. � � �. �. � �� : ���. �. � > � �. �. �
128 Hypothese V
Schülerinnen und Schüler unter Risikobedingungen, die an der Präsentation des Advance Organizer und an Übungsstunden teilnehmen, profitieren in den spezifischen Mathematikleistungen (gemessen mit dem Wissensquiz) im Prä-Post-Vergleich und im Post-Follow-Up I-Follow-Up II-Vergleich sowie in der allgemeinen Mathematikleistung (gemessen mit dem HRT 1-4) im Prä-Follow-Up II-Vergleich stärker vom Advance Organizer als Schülerinnen und Schüler unter Risikobedingungen, die keine Vorwissensaktivierung, jedoch Übungsstunden erhalten.
Im Prä-Post-Vergleich:
� :��� �. �. �� � � �. �. �� � : ��� �. �. �� > � � �. �. ��
Im Post-Follow-Up I-Follow-Up II-Vergleich:
� :��� �. �. �� � � �. �. �� � : ��� �. �. �� > � � �. �. ��
Im Prä-Follow-Up II-Vergleich:
� :��� �. �. � � � �. �. � � : ��� �. �. � > � � �. �. �
129
6 Methodik
Die Untersuchung der Zielstellung bzw. die Beantwortung der Fragestellung erfolgt durch eine empirisch-quantitative Studie. Mit welcher Stichprobe (Kapitel 6.1) und welchem Forschungsdesign (Kapitel 6.2) dieses Forschungsvorhaben umgesetzt wird, ist nachfolgend näher aufgeführt. Ferner werden die eingesetzten Erhebungsinstrumente (Kapitel 6.3), die verschiedenen Interventionen (Kapitel 6.4) sowie zentrale Aspekte der Durchführung (Kapitel 6.5) erläutert. Abschließend werden entsprechend der zuvor aufgestellten Hypothesen die Auswertungsstrategien beschrieben, um die Ermittlung der Ergebnisse nachvollziehen zu können (Kapitel 6.6).