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4.3 Konstruktion und Gestaltung eines Advance Organizer

4.3.1 Kriterien verschiedener Autoren

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Die Assimilationstheorie nach Ausubel lässt erkennen, dass diese Theorie sich

„unmittelbar auf jene Lernprozesse und auf jene Umgebungsbedingungen, die in der Schule eine Rolle spielen“ (Straka & Macke, 2006, S. 89) bezieht. Für die Gestaltung von Lernprozessen lassen sich aus diesen theoretischen Grundlagen vielfältige praktische Schlüsse ziehen. Dies soll im Folgenden für den Advance Organizer geschehen, mit dem das sinnvoll rezeptive Lernen und Behalten unterstützt wird und die Prinzipien der progressiven Differenzierung und integrativen Vereinigung Berücksichtigung finden.

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Tabelle 14 - Konstruktions- und Gestaltungskriterien eines Advance Organizer nach Ausubel (1960, 1978; Ausubel et al., 1980)

1

Prätestung

(Durchführung einer Prätestung, um vorhandene Vorwissenskonzepte zu ermitteln (Ausubel, 1978, S. 252))

2

Begrifflichkeiten des Advance Organizer sind auf einer höheren Ebene der Abstraktion, Generalität und Reichweite als das Lernmaterial

(Ausubel, 1960, S. 268)

3

Auswahl zwischen erläuterndem und vergleichendem Advance Organizer

(Erläuternde Organizer bieten sich bei der Einführung in völlig unbekannte Themen an, während vergleichende Organizer bei vorhandenem Wissen bzw.

bekannten Inhalten zur Abgrenzung gegenüber den neuen Lerninhalten eingesetzt werden (Ausubel, 1978, S. 252f.; Ausubel et al., 1980, S. 211)

Ausubel (1978, S. 252) setzt der eigentlichen Konstruktion eines Advance Organizer einen Schritt voraus. Um feststellen zu können, welche Wissensinhalte bei den Lernenden schon vorhanden sind, bietet sich eine Prätestung an. Dieses Vorgehen ermöglicht eine fundierte Datenbasis für die Anpassung der Methode an die jeweiligen Realisierungsbedingungen und ermöglicht im Sinne des adaptiven Unterrichts einen effektiven Einsatz dieser Methode. Im zweiten Aspekt ist das zentrale Kriterium eines Advance Organizer enthalten (Ausubel, 1960, S. 268). Jedoch fehlt eine konkrete Beschreibung, wie dieses Kriterium erfüllt bzw. umgesetzt werden kann. In Bezug auf die konkrete Ausgestaltung werden zwei unterschiedliche Formen eines Organizer (erläuternder und vergleichender Organizer) genannt (Ausubel, 1978, S. 252f.; Ausubel et al., 1980, S. 211). Konkrete Beschreibungen, wie diese konstruiert bzw. gestaltet werden können fehlen jedoch. Ausubel (1978, S. 251) begründet dies wie folgt:

Apart from describing organizers in general terms with an appropriate example, one cannot be more specific about the construction of an organizer; for this always depends on the nature of the learning material, the age of the learner, and his degree of prior familiarity with the learning passage.

Doch sowohl für den Einsatz eines Advance Organizer in der Praxis als auch für die wissenschaftliche Überprüfung der Effektivität dieser Methode ist die Operationalisierung eine zentrale Voraussetzung. Diesen Bedarf sehen auch weitere Autoren und formulieren verschiedene Konstruktions- und Gestaltungsprinzipien.

Callihan und Bell (1978, S. 435) nutzen in ihrer Studie zwei Richtlinien (Tabelle 15) für die Gestaltung eines Advance Organizer in einführender Form.

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Tabelle 15 - Richtlinien zur Konstruktion eines einführenden Advance Organizer nach Callihan und Bell (1978, Übers. d. Verf.)

1

Identifikation der relevanten Vorwissenskonzepte mit den entsprechenden/jeweiligen Bezeichnungen/Begriffen, die das Lernen neuer Informationen erleichtern

2

Nutzen der zuvor identifizierten Begrifflichkeiten (als Vertreter für die Vorwissenskonzepte) für die Formulierung des Organizer, sodass diese Begrifflichkeiten auf einer höheren Ebene der Abstraktion, Generalität und Reichweite das Subsumieren der neuen Lerninhalte ermöglichen

In diesen Richtlinien wird die von Ausubel (1960, S. 268) formulierte Beschreibung von Advance Organizer, „a much higher level of abstraction, generality, and inclusiveness“, direkt aufgegriffen. Ebenso verdeutlichen diese Richtlinien, das von Ausubel (1960, S. 271) geforderte Ziel von Advance Organizer, die Aktivierung bereits bekannter Inhalte zur besseren Verankerung neuer Lerninhalte in die kognitive Struktur. Diese genannten Richtlinien stellen somit zwei wesentliche Schritte zur Konstruktion eines Advance Organizer dar.

Jedoch lassen sich bei Callihan und Bell (1978) keine näheren Ausführungen über die Gestaltung von Advance Organizer finden.

Lenz, Alley und Schumaker (1987, S. 56) formulieren zwölf Komponenten, die einen effektiven Advance Organizer kennzeichnen (Tabelle 16). Diese Komponenten werden basierend auf einem Review der Literatur über Advance Organizer sowie der Literatur über Organisationsschwierigkeiten bei Jugendlichen zusammengetragen und in einem Review-Prozess von elf Experten aus den Bereichen Curriculum, Lernpsychologie und Sonderpädagogik begutachtet sowie überarbeitet (Lenz et al., 1987, S. 55).

Tabelle 16 - Komponenten eines Advance Organizer nach Lenz et al. (1987, Übers. d. Verf.)

1 Lernende über das Ziel des Advance Organizer informieren

2 Klären der Form der Aufgaben, die vom Lehrer übernommen werden 3 Form der Aufgaben klären, die vom Lernenden übernommen werden 4 Thema der (Lern-)Aufgabe darstellen

5 Unterthemen in Bezug auf die (Lern-)Aufgaben darbieten 6 Hintergrundinformationen zur Verfügung stellen

7 Ziele, die erreicht werden sollen, benennen 8 Ziele, die erreicht werden sollen, verdeutlichen 9 Lernende durch Begründungen motivieren

10 Neue Wörter und Begrifflichkeiten einführen und wiederholen

11 Organisatorischer Rahmen für die Lernaufgabe zur Verfügung stellen 12 Gewünschtes Ergebnis darstellen, das durch einen engagierten

Lernprozesses erreicht werden kann

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Bei der Verwendung dieser Konstruktionskomponenten ist zu berücksichtigen, dass Lenz et al. (1987, S. 56) den Advance Organizer als eine Methode darstellen, mittels der Verhaltensweisen im Vorhinein antizipiert werden. Es wird somit nicht die Unterstützung für das Lernen und Behalten in den Blick genommen, wie dies bei Ausubel (1960) vorgesehen ist. Dennoch sollten derartige Verhaltenskomponenten nicht außer Acht gelassen werden. Wie bereits Ausubel und Kollegen herausstellen, ist für sinnvolles Lernen „eine entsprechende Lerneinstellung“ (1980, S. 51) notwendig. Ursachen von Beeinträchtigungen im Lernen können auch im Verhalten liegen, sodass die Unterstützung eines geeigneten Lern- und Arbeitsverhaltens nicht unberücksichtigt bleiben sollte (Kapitel 2.2).

C. K. West, Farmer und Wolff (1991) beschreiben sieben Merkmale, die einen Advance Organizer kennzeichnen. Dabei werden sowohl Aussagen zu der formalen Ausgestaltung, die Zielstellung für den Einsatz eines Advance Organizer sowie die Funktion dessen, d.h. in welcher Art und Weise der Organizer den Lernprozess beeinflussen soll, thematisiert.

Tabelle 17 - Eigenschaften eines Advance Organizer nach C. K. West et al. (1991, Übers. d. Verf.)

1 Er ist ein kurzer, abstrakter, schriftlicher Abschnitt.

2

Er ist eine Brücke, die neue Informationen mit Bekanntem verbindet.

(Die Basis bilden Ähnlichkeiten bzw. Gemeinsamkeiten zwischen den alten und neuen Inhalten. Ohne eine zentrale Gemeinsamkeit ist der Advance Organizer nicht zielführend.)

3 Er ist die Einführung in eine neue Unterrichtsstunde, Unterrichtseinheit oder ein neues Unterrichtsfach.

4 Er ist ein abstrakter Entwurf der neuen Informationen und eine Neuformulierung des Vorwissens.

5 Er unterstützt die Lernenden mit einer Struktur der neuen Inhalte.

6 Er fordert die Lernenden zum Transfer oder Anwendung ihres vorhandenen Wissens auf.

7 Er beinhaltet Informationen, die eine Bedeutung und einen Sinn enthalten und nicht nur allgemein bekannt sind.

Diese ersten drei Eigenschaften entsprechen den Merkmalen des Advance Organizer, welcher von Ausubel (1960) erstmals empirisch auf die Wirksamkeit überprüft wurde. Hierbei muss besonders die Charakterisierung als kurzer, abstrakter Textabschnitt kritisch betrachtet werden. Diese Form stellt weder für den Prozess der Assimilation eine Voraussetzung dar, noch werden die Merkmale nach Ausubel (1960; 1980) für einen Advance Organizer beachtet. Die übrigen vier Merkmale fokussieren die Wirksamkeit, die durch einen Advance Organizer im Lernprozess erreicht werden sollen. Dennoch bieten diese Eigenschaften keine Anleitung für die praktische Konstruktion eines Organizer, sondern können eher nach dem Lernprozess zur Reflexion der Lehrkräfte mit den Schülerinnen und Schülern über den Nutzen des Advance Organizer verwendet werden.

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Nach Joyce und Weil (2003, S. 273) beinhaltet das Lehrkonzept des Advance Organizer drei Phasen: In der ersten Phase erfolgt die Präsentation des Advance Organizer, in der zweiten Phase wird die Lernaufgabe bzw. das Lernmaterial präsentiert und abschließend erfolgt die Festigung der Organisation der neuen Inhalte innerhalb der vorhandenen. Nach der Klärung der Stundenziele kennzeichnet sich die Phase der Organizer-Präsentation durch vier Kriterien (Tabelle 18), wobei gezielt das vorhandene Vorwissen sowie die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler genutzt werden sollen.

Tabelle 18 - Kriterien der Präsentation eines Advance Organizer nach Joyce und Weil (2003, Übers. d. Verf.)

1 Festgelegte Merkmale /Eigenschaften benennen 2 Geeignete Bespiele und Visualisierungen anbieten 3 In den Kontext einordnen

4 Wiederholen

In diesen Kriterien findet der Konstruktionsprozess für die praktische Erstellung eines Advance Organizer keine Berücksichtigung. Mit den Präsentationskriterien wird hingegen keine Präsentationsform, d.h. ausschließlich schriftlich, mündlich oder visuell, vorgegeben. Es werden lediglich zentrale Merkmale genannt, die das Lernen auf unterschiedlichen Wegen unterstützen: Die zentralen Inhaltsmerkmale sollen sowohl visuell (Prinzip 2) als auch verbal (Prinzip 4) dargestellt werden. Das dritte Prinzip ähnelt den ursprünglichen Kriterien nach Ausubel (1960, S. 268), der höheren Abstraktion, Generalität und Reichweite.

Githua und Nyabwa (2008, S. 448) verwenden in ihrer Studie für die Konstruktion eines Advance Organizer sechs Schritte, die durch NETnet (2005) veröffentlicht werden (Tabelle 19).

Tabelle 19 - Schritte zur Konstruktion eines Advance Organizer nach NETnet (2005, Übers. d. Verf)

1

Beschreibung des Unterrichtsziels

(Präsentation des Advance Organizer in Form eines Handouts, einer Tabelle, eines Diagramms, einer mündlichen Präsentation oder in Form einer Concept Map. Eine Concept Map eignet sich dafür, die Beziehungen zwischen verschiedenen Aspekten darzustellen, um somit die neuen Inhalte zu bereits gelerntem Wissen in Beziehung zu setzen)

2

Präsentation der Materialien

(Präsentation des Materials in einer gut strukturierten Form, Reihenfolge des Lernmaterials verdeutlichen: generelle Ideen zu Beginn auf die schrittweise mehr Details und Besonderheiten folgen)

3

Integrative Verbindungen nutzen

(Vermittlung eines größeren Bildes des Themengebietes, bei dem Beziehungen zwischen neuen und bereits gelernten Inhalten hergestellt werden. Wiederholung von Definitionen und den Gebrauch von neuen Begrifflichkeiten in Diskussionen fördern. Anregen zum kritischen Reflektieren der Materialien, indem die wichtigsten Merkmale der neuen Inhalte zusammengefasst und Unterschiede in den Materialien herausgearbeitet werden)

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Tabelle 19 (Fortsetzung)

4

Unterstützung des aktiven Lernens

(Mithilfe einer Concept Map oder eines Diagramms wird das neue Wissen in Bezug zum Vorwissen gesetzt, indem neue Beispiele formuliert werden sollen und anhand dessen verdeutlicht wird, was neu gelernt wurde. Um flexible Denkprozesse anzuregen, kann das Lernmaterial von einer anderen Perspektive betrachtet werden und zu widersprüchlichen Erfahrungen oder Wissen in Bezug gesetzt werden)

5

Anregen einer kritischen Auseinandersetzung mit der Thematik

(Untersuchung des Lernmaterials auf Annahmen, die zwischen den Zeilen stehen. Aktive Rolle der Lernenden im Lernprozess verlangen, indem Beurteilungen vorgenommen oder Folgerungen aus möglichen Widersprüchen gezogen werden)

6

Klären, Verdeutlichen

(Vermittelte Informationen wiederholen und die neuen Inhalte hervorheben.

Neu gelernte Informationen abfragen, indem die Informationen auf neue Probleme oder Beispiele angewendet werden)

Diese Schritte greifen an verschiedenen Stellen die theoretischen Grundlagen der Assimilationstheorie sowie die von Ausubel (1980) beschriebenen Kennzeichen von Advance Organizer auf: Sowohl in Schritt 1 „Beschreibung des Unterrichtsziels“ als auch in Schritt 3 „Integrative Verbindungen nutzen“ wird die Verknüpfung von neuen mit bekannten Inhalten vorgeschlagen. Im zweiten Schritt „Präsentation der Materialien“ wird das von Ausubel et al. (1980, S. 149) beschriebene Prinzip der progressiven Differenzierung aufgegriffen. Die Konstruktionsprinzipien von NETnet (2005) werden zudem näher erläutert, indem konkrete Umsetzungsmöglichkeiten gegeben werden. In Schritt 1 „Beschreibung des Unterrichtsziels“ werden unterschiedliche Gestaltungsformen für einen Advance Organizer angeführt. In Schritt 4 „Unterstützung des aktiven Lernens“ und in Schritt 5 „Anregen einer kritischen Auseinandersetzung mit der Thematik“

werden konkrete Aufgabenformate beschrieben, die zur Umsetzung der Schritte genutzt werden können. Kritisch zu betrachten ist die geringfügige Unterscheidung zwischen der Konstruktion eines Advance Organizer als Methode für den Unterrichtsbeginn und der Gestaltung eines Lernprozesses innerhalb einer Unterrichtsstunde. Die Konstruktionsprinzipien von NETnet (2005) sehen den Einsatz eines Advance Organizer sowohl zu Unterrichtsbeginn in Schritt 1 als auch für die Erarbeitung und Vertiefung von Lerninhalten in den Schritten 3, 4 und 5 sowie für den Abschluss einer Unterrichtsstunde durch Schritt 6 vor. Dies bedeutet folglich, dass der Advance Organizer nicht nur als Methode für den Unterrichtsbeginn aufgefasst wird, sondern die Gestaltung einer gesamten Lerneinheit beeinflusst. Dabei ist zu erwähnen, dass sich nicht alle curricularen Inhalte eignen, um sie in der von NETnet (2005) vorgeschlagenen Form umzusetzen. Darüber hinaus ist kritisch anzumerken, dass eine Vermischung von verschiedenen Methoden erfolgt. In Schritt 1 sowie 2 wird auf die Verwendung einer Concept Map verwiesen. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass zwischen den Methoden des Advance Organizer und einer Concept Map große Differenzen vorhanden sind: Während Concept Maps zur Visualisierung von Zusammenhängen und Beziehungen zwischen Begrifflichkeiten einer Thematik dienen (Dunker, 2010, S. 15), zielen Advance

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Organizer darauf ab, die kognitive Struktur für das Lernen und Behalten neuer Inhalte vorzubereiten. Ein weiterer Unterschied liegt in den Einsatzmöglichkeiten:

Während Concept Maps sowohl von einer Lehrkraft für Schüler als auch von jedem Schüler individuell erstellt werden können, gelten Advance Organizer hingegen als eine lehrerzentrierte Methode. Der gemeinsame Aspekt, die Verknüpfung von Inhalten untereinander, ist somit nicht ausreichend, um die Methoden äquivalent zu nutzen.

Im deutschsprachigen Raum hat Wahl (2005, 2011) sechs Prinzipien zur Konstruktion eines Advance Organizer aufgestellt, wobei der Schwerpunkt dieser auf der Ausgestaltung und Präsentation liegt (Tabelle 20). Diese Prinzipien finden im englischen Sprachraum bisher keine Verwendung.

Tabelle 20 - Konstruktionsprinzipien eines Advance Organizer nach Wahl (2005, 2011)

1

Erstellen einer Expertenstruktur

(15 bis 20 Begriffen der Thematik in deren Zusammenhang mittels der Struktur-Lege-Technik setzen)

2

Problemstellung

(Formulierung einer interessanten Problemstellung zur Motivierung und Aufmerksamkeitssteigerung für das Thema)

3

Mehrfachcodierung

(Aktivierung des Vorwissens durch Verwenden von bekannten Begrifflichkeiten, konkreten Beispielen bzw. Situationen, Vergleichen bzw.

Analogien und visuelle Unterstützung durch Hervorhebungen, Bilder, Veranschaulichungen; wenig Text wird durch eine mündliche Präsentation ausgeglichen)

4 Entwickelnd Präsentieren

(die Bestandteile des Advance Organizer schrittweise präsentieren) 5 Nicht zu kurz und nicht zu lange präsentieren

(Präsentationsdauer zwischen fünf und 15 Minuten) 6

Verfügbar machen

(Advance Organizer in Form einer Kopie, eines Plakates o.ä. dauerhaft während der Lerneinheit zur Verfügung stellen)

Die Konstruktionsprinzipien nach Wahl (2005, 2011) stellen eine geeignete Grundlage für die Gestaltung eines Advance Organizer dar. Mit den Prinzipien 2 bis 6 werden konkrete Handlungsmöglichkeiten beschrieben, die durch vielfältige Beispiele näher ausgeführt werden. Im Vergleich zu den zuvor dargestellten Konstruktionsprinzipien bieten die von Wahl (2005, 2011) formulierten Prinzipien eine praxisrelevante Darstellung für die Ausgestaltung eines Advance Organizer.

Bei der Verwendung dieser Prinzipien ist jedoch zu berücksichtigen, dass die von Ausubel (1960, 1968) beschriebenen Merkmale eines Advance Organizer nur begrenzt berücksichtigt werden. Im dritten Prinzip nimmt Wahl (2005, S. 146) sehr allgemein Bezug auf das Ziel eines Advance Organizer, nämlich die Vorwissensaktivierung. In dem ersten Prinzip, der Erstellung der Expertenstruktur, gibt es weder einen Bezug zu der von Ausubel et al. (1980) beschriebenen Assimilationstheorie noch zu dem zentralen Kriterium eines Advance Organizer, „a much higher level of abstraction, generality, and

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inclusiveness“ (Ausubel, 1960, S. 268). Darüber hinaus thematisiert lediglich das Prinzip 1 die Konstruktion, wohingegen die Prinzipien 2 bis 6 die Ausgestaltung näher erläutern. Somit fehlt eine konkrete Handlungsanleitung für die Konstruktion eines Advance Organizer.

Ludwig und Herold (2007, S. 115f.) formulieren für die Konstruktion und Gestaltung eines Advance Organizer vier grundlegende Bestandteile (Tabelle 21). Entsprechend der Betitelung der vier Elemente fassen sie diese als „4-B-Formel“ (Ludwig & Herold, 2007, S. 115) zusammen.

Tabelle 21 - Grundelemente eines Advance Organizer nach Ludwig und Herold (2007)

1

Bedeutung

(entsteht durch den Einsatz des Advance Organizer in der jeweiligen Lernsituation)

2

Begriffe

(zur Beschreibung des Lerninhaltes Begriffe generieren und aus geeigneten Begriffseinheiten übergeordnete Begriffe formulieren, die als Ankerpunkte dienen)

3 Beziehungen

(ausgehend von den gesammelten Begriffen eine Struktur legen) 4

Bilder

(dienen der Ergänzung bzw. Ersetzung der gesammelten Begrifflichkeiten;

erleichtern das Erfassen und Erinnern der Begriffsstruktur)

Die von Ludwig und Herold (2007) beschriebenen Grundelemente stellen eine kompakte Zusammenstellung von Konstruktions- und Gestaltungsprinzipien dar.

Dabei ist der Titel „4-B-Formel“ (Ludwig & Herold, 2007, S. 115) eine gute Unterstützung zur Verinnerlichung der Vorgehensweise. Wie auch in den Konstruktionsprinzipien nach Wahl (2005, 2011) erfolgen in einem ersten Schritt die Generierung von Begriffen und dann die Verknüpfung der Begrifflichkeiten in einem Struktur-Lege-Prozess. Ebenso wird der Einsatz von Bildern zur Unterstützung zur Verständlichkeit vorgeschlagen. Dennoch ist anzumerken, dass lediglich in dem zweiten Aspekt, der Generierung von Begriffen, der theoretische Bezug zur Assimilationstheorie hergestellt wird. Die zentrale Forderung, dass die Begriffe des Advance Organizer auf einer höheren Ebene der Abstraktion, Generalität und Reichweite als das Lernmaterial zu formulieren sind, findet keine Verwendung. Wenig erläutert wird der erste Aspekt, die Bedeutung eines Advance Organizer. Hier lässt sich vermuten, dass die Klärung der Zielstellung dieser Methode, wie es auch Lenz et al. (1987) in der ersten Komponente anführen, beabsichtigt ist. Jedoch fehlt eine konkrete Beschreibung, wie dies erreicht werden kann.

Martenstein et al. (2013, S. 5) formulieren ausgehend von den Konstruktionsprinzipien nach Wahl (2005, 2011) vier Konstruktionsschritte. Dabei erfolgt jedoch eine stärkere Fokussierung auf die Erstellung der sogenannten Expertenstruktur und gleichzeitig eine Reduktion bezüglich der konkreten Ausgestaltung.

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Tabelle 22 - 4 Schritte zur Konstruktion eines Advance Organizer nach Martenstein et al. (2013)

1 Ableitung

(15 bis 20 Begriffe aus einer Sachstrukturanalyse) 2 Bündelung

(der Begriffe sowie Abstrahierung von übergeordneten Bezeichnungen) 3 Sortierung

(der übergeordneten Bezeichnungen und In-Verbindung-Setzen dieser) 4 Didaktische Inszenierung

(mit Mehrfachkodierung, Schüleraktivierung und vorbereiteten Satzanfängen)

Die Konstruktion eines Advance Organizer erfolgt nach Martenstein et al. (2013) ausgehend von der Sachstruktur und nicht wie bei anderen Autoren (u.a.

Ausubel, 1978; Callihan & Bell, 1978) ausgehend von dem Vorwissen der Lernenden. Nach der Bündelung der Sachstrukturbegriffe erfolgt, wie von Ausubel (1960, S. 268) vorgegeben, die Generierung von Begriffen mit höherer Abstraktion, Generalität und Reichweite. Durch Sortieren und Verbinden der Begriffe soll dann eine Expertenstruktur entstehen, mit der die inhaltliche Struktur abgebildet werden kann. Die Präsentation des Advance Organizer wird zusammenfassend in dem vierten Prinzip angeführt. Hierbei ist anzumerken, dass die Aktivierung der Schüler während der Präsentationsphase explizit erwähnt wird. Zudem wird das Vorformulieren von Sätzen bzw. Satzanfängen für Lehrkräfte vorgeschlagen, um eine adäquate Lehrerpräsentation zu gewährleisten.

Nach der ersten Beschreibung des Advance Organizer nach Ausubel (1960) lassen sich in der Literatur sehr unterschiedliche Prinzipien zur Konstruktion und Gestaltung eines Advance Organizer finden. Diese variieren sowohl im Umfang der Kriterien als auch sehr stark im Inhalt. Im Folgenden wird das Ergebnis einer Synthese dieser Prinzipien dargestellt und eine vereinheitlichende Reformulierung der Prinzipien vorgeschlagen.

4.3.2 Neuformulierung von Konstruktionsschritten und