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gleichwertigen Ebene, d.h. derselben Reichweite, Generalität und Abstraktion, kombiniert, sodass diese Begriffe gemeinsame Kriteriumsattribute besitzen und in einem Verhältnis zueinander stehen. Im Vergleich der verschiedenen Assimilationsformen zeigt sich nach Ausubel (1968, S. 152), dass das subsumptive Lernen leichter als das übergeordnete und kombinatorische Lernen ist. Es ist folglich weniger aufwendig, zu dem Oberbegriff Obst weitere konkrete Beispiele, d.h. Obstsorten, zu lernen. Schwieriger ist es jedoch, die bekannten Obstsorten Kirsche, Pflaume und Nektarine im Nachhinein als Steinobst, einer übergeordneten Klassifizierung, einzuordnen.

Der Prozess der Assimilation ist jedoch nach der Verknüpfung eines neuen mit einem bekannten Inhalt, dem Lernprozess, nicht abgeschlossen, sondern es folgen weitere Prozesse, die das Behalten bzw. Vergessen der gelernten Inhalte beschreiben. Das Behalten neuer Informationen wird bereits durch die Assimilation unterstützt (Ausubel et al., 1980, S. 162f.). Die Assimilation eines neuen Inhaltes mit einer bereits vorhandenen Idee führt zu einer geeigneten Verankerung und somit zu einer günstigen Stabilität. Die Verknüpfung eines neuen Inhaltes mit einer geeigneten Ankeridee begünstigt das sinnvolle In-Beziehung-Setzen beider Inhalte zueinander und verhindert so das gegenseitige Überlagern, d.h. das Reduzieren auf vereinzelte Bedeutungen der jeweiligen Inhalte. Die Assimilation eines neuen Inhaltes mit einer relevanten Idee des Vorwissens führt zu einer sinnvollen Interaktionseinheit, die in einem Prozess des Informationsabrufes leichter wiedererkannt werden kann. Diese Prozesse unterstützen die Verfügbarkeit, d.h. das Behalten der Informationen. Nach der Assimilation unterliegt das Interaktionsprodukt einem „zersetzenden Einfluss des allgemeinen reduzierenden Trends“ (ebd., S. 164), d.h. der Abnahme der Verfügbarkeit, wodurch Informationen vergessen werden. Das Vergessen von Informationen ist notwendig, um ökonomisch und systematisch ausschließlich die relevanten und verankerten Inhalte zu behalten. Dieser Vergessensprozess setzt bereits mit der Assimilation ein, wenn eine „graduelle ‚Reduktion’“ (ebd., S. 164) durch die Modifizierung beider Inhalte, sowohl der neuen als auch der bekannten, erfolgt. Für das oben eingeführte Beispiel bedeutet dies, dass bspw.

nur die Bezeichnung „Papaya“, jedoch nicht das konkrete Aussehen der Frucht behalten wird. Für diese Informationen erfolgt keine geeignete Verknüpfung mit bereits vorhandenen Ankerideen, bspw. mit dem Aussehen anderer Obstsorten.

Dieser Prozess des Vergessens setzt sich mit der „auslöschenden Assimilation“

(ebd., S. 165) fort. Dabei werden die neu-gelernten Inhalte von ihren Ankerideen untrennbar, sodass die neue Idee nicht mehr separat von der vorhandenen Idee identifiziert werden kann. Die jeweiligen Ideen vor dem Prozess der Assimilation können dann nicht mehr beschrieben werden. In Bezug auf das Beispiel bedeutet dies, dass der Gegenstand „Papaya“ nicht mehr ohne die Zuordnung zu der Idee

„Obst“ beschrieben werden kann. Das Vergessen von Informationen bei der derivaten und korrelativen Subsumtion, die zwei Formen der untergeordneten Assimilation, bezeichnen Ausubel et al. (1980, S. 173) als „auslöschende Subsumtion“. Dabei werden neuerlernte untergeordnete Ideen vergessen, die teilweise mit einer effizienteren Nutzung der vorhandenen Wissensinhalte einhergehen. Somit könnten Details der „Papaya“, wie dem Geschmack oder dem Aussehen der Frucht vergessen werden, weil sie bei der alltäglichen

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Obstauswahl nicht zur Verfügung steht und diese Informationen somit bei der Auswahl von genüsslichem Obst nicht nützlich ist.

Kognitive Struktur

Der Wissensumfang einer Person sowie die Anordnung dieses Wissens wird als kognitive Struktur bezeichnet (Ausubel, Novak & Hanesian, 1981, S. 717), welche im Lernprozess von großer Bedeutung ist. Die Formen der Assimilation lassen bereits erkennen, dass die Anordnung von Wissensinhalten auf unterschiedlichen Ebenen erfolgt. Ausubel (1968, S. 92, 1980, S. 163) vergleicht die Anordnung von Wissen in der individuellen kognitiven Struktur mit der Form einer Pyramide. Die Inhalte sind hierarchisch organisiert, sodass sehr allgemeine und abstrakte Aspekte mit einem hohen Erklärungsgehalt im oberen Teil der Pyramide verortet sind. Weniger allgemeine und differenzierte Inhalte subsumieren sich unter diese. Der Umfang sowie die Anordnung des vorhandenen Wissens in der kognitiven Struktur beeinflussen das Lernen und das Behalten.

Die „Verfügbarkeit (von) besonders relevanten verankernden Ideen“ (Ausubel et al., 1980, S. 206f, Hervorhebung im Original) ist für das Lernen und Behalten von Bedeutung. Kann in einem Lernprozess auf vorhandene und als relevant eingeschätzte Ankerideen zurückgegriffen werden, so kann der neue Lerninhalt auf geeignete Weise in die kognitive Struktur integriert werden. Die neue Information kann in einem Prozess des Wiederabrufes gezielt identifiziert werden und steht für weitere kognitive Prozesse zur Verfügung. Sind derartige Ankerideen nicht vorhanden bzw. werden diese Anker in einem Lernprozess als nicht relevant bewertet, so kann ein neuer Lerninhalt nicht sinnvoll in die kognitive Struktur eingeordnet werden. Der neue Inhalt kann einerseits an ungünstigen Ankerideen assimiliert werden, sodass „relativ unstabile und mehrdeutige Bedeutungen von nur kurzer Dauer“ (ebd., S. 207) entstehen.

Andererseits können sich neue Lerninhalte, die ohne Verknüpfung mit relevanten Ankerideen in die kognitive Struktur einverleibt werden, als sogenanntes Inselwissen anordnen, d.h. wenig vernetzte Strukturen aufweisen (Edelmann &

Wittmann, 2012, S. 136). Dieses Wissen stellt ein in sich geschlossenes System dar, sodass keine Relation zu übrigem Wissen in der kognitiven Struktur hergestellt wird und der Informationsabruf in Transfersituationen erschwert ist.

Um diese ungünstigen Verknüpfungen neuer Informationen in der kognitiven Struktur zu vermeiden, ist der Einsatz von vorwissensaktivierenden Methoden, die relevante Ankerideen in der kognitiven Struktur verfügbar machen, bei der Wissensvermittlung empfehlenswert. Diese Unterstützung des Lernens kann durch den Advance Organizer erzielt werden. Einen weiteren Einfluss der kognitiven Struktur auf das Lernen und Behalten hat die Diskriminierbarkeit neuer von bekannten Inhalten (Ausubel et al., 1980, S. 222). Können neue Informationen nicht eindeutig von vorhandenen unterschieden werden, so sind die Bedeutungen beider nicht sinngemäß in der kognitiven Struktur verankert, sondern es entstehen „mehrdeutige Bedeutungen, die von Zweifel, Verwirrungen und alternativen oder konkurrierenden Bedeutungen durchsetzt sind“ (ebd., S.

223). Letztendlich kommt es zu einer Reduktion beider Inhalte, sodass deren Unterschied nicht eindeutig identifizierbar ist und weitere Lernprozesse in diesem Inhaltsbereich erschwert sind. Derartige Ideen sind durch wenig „Stabilität und

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Klarheit“ (ebd., S. 207, Hervorhebungen im Original) in der kognitiven Struktur gekennzeichnet. Als weiteres Merkmal wirkt sich die Stabilität und Klarheit vorhandener und neuer Informationen auf das Lernen und Behalten aus. Stabile und klare Ideen, d.h. Inhalte, die an geeigneten Positionen in der kognitiven Struktur verankert sind und eindeutig von ähnlichen Inhalten unterschieden werden können, bilden einen geeigneten Anker für neue Inhalte. Unstabile und mehrdeutige Ideen der kognitiven Struktur stellen hingegen keine günstige Basis für die Verknüpfung mit neuen Inhalten dar, sondern führen zu größerer Instabilität und weiteren Mehrdeutigkeiten. Für die Vermittlung neuer Wissensinhalte bedeutet dies einerseits, dass frühzeitig bei der Einführung in die Thematik Ähnlichkeiten und Unterschiede zu bereits bekannten Inhalten herausgearbeitet werden müssen. Hierfür empfehlen Ausubel und Kollegen

„vergleichende Organisationshilfen“ (ebd., S. 224), die eine spezielle Form des Advance Organizer darstellen (Kapitel 4.3.1). Andererseits sollten neue Lerninhalte erst dann vermittelt werden, wenn die vorhergehenden Informationen in der kognitiven Struktur gefestigt sind und eine Rückmeldung über die passende bzw. unpassende Verknüpfung der neuen Informationen in die kognitive Struktur erfolgt ist (ebd., S. 226f.).

Unterstützung des Lernens

Aus den Formen der Assimilation sowie den Merkmalen der kognitiven Struktur lässt sich schlussfolgern, dass bei der Gestaltung von Lernprozessen vorrangig das subsumptive Lernen an geeigneten Ankerideen der kognitiven Struktur initiiert werden sollte. Das untergeordnete Lernen von Inhalten lässt sich durch das Prinzip der progressiven Differenzierung umsetzen (Ausubel et al., 1980, S.

158). Dies bedeutet, dass bei der Vermittlung eines Themeninhaltes zunächst übergeordnete Inhalte vermittelt und im Lernprozess zunehmend differenzierter und detaillierter betrachtet werden. Diesem Prinzip folgt auch der Advance Organizer. So werden mit dieser Methode in der Einführung allgemeinere und umfassendere Inhalte präsentiert und bei der anschließenden Vermittlung bzw.

Aneignung spezifische Inhaltsaspekte vermittelt. Um das Verknüpfen neuer Inhalte mit bereits Bekanntem zu berücksichtigen und den Aufbau von Inselwissen zu vermeiden, sollte nach (ebd., S. 233ff.) das Prinzip der integrativen Vereinigung berücksichtigt werden. Wie bereits erläutert, beeinflussen sowohl der Umfang als auch der Aufbau der kognitiven Struktur alle weiteren Lernprozesse. Bei der Vermittlung neuer Inhalte müssen demnach frühzeitig geeignete Ankerideen in der kognitiven Struktur aktiviert werden, um das gezielte Integrieren in diese Strukturen zu unterstützen. Ebenso müssen bei der Vermittlung von Inhalten, die große Ähnlichkeiten zu bereits vorhandenen Inhalten besitzen, die Unterschiede hervorgehoben werden, sodass das gezielte Verankern der neuen Inhalte neben den bereits vorhanden möglich ist, ohne dass beide auf wenige Bedeutungen reduziert werden.

Das Assimilieren neuer Inhalte mit bereits vorhandenem Wissen in der kognitiven Struktur stellt eine Bedingung für sinnvolles Lernen dar (Ausubel, 1968, S. 21).

Im Gegensatz dazu steht das mechanische Lernen (ebd.). Mechanisches Lernen erfolgt dann, wenn der Lernende keine adäquaten Vorwissensstrukturen besitzt, um einen neuen Lerninhalt zielführend mit dem vorhandenen Wissen der kognitiven Struktur in Verbindung zu setzen. Sinnvolles Lernen führt folglich zu

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einem Assimilationsprozess, während mechanisches Lernen den Aufbau von Inselwissen fördert. Demzufolge ist auch das Behalten der Informationen in dem Prozess des sinnvollen Lernens größer als dies beim mechanischen Lernen der Fall ist. Darüber hinaus unterscheiden sich das sinnvolle und mechanische Lernen bezüglich der Lernbereitschaft. Während beim sinnvollen Lernen der Lernende eine adäquate Lerneinstellung für die Umsetzung sinnvollen Lernens einnimmt (ebd., S. 24), besitzt der Lernende beim mechanischen Lernen die Einstellung, sich einen Lerninhalt willkürlich und wortwörtlich anzueignen. Zum Aufbau eines umfassenden Wissens innerhalb eines Lernbereichs ist somit das sinnvolle Lernen dem mechanischen Lernen vorzuziehen (Ausubel et al., 1980, S. 51). Um die Prinzipien, die progressive Differenzierung und die integrative Vereinigung, zur Unterstützung der gezielten Verknüpfung neuer Inhalte mit der kognitiven Struktur systematisch umzusetzen, sollte rezeptives Lernen angewendet werden. Beim rezeptiven Lernen wird der Lerninhalt dem Lernenden vollständig präsentiert (ebd., S. 47). Neue Inhalte können folglich derart präsentiert werden, dass sowohl die Bedingungen für sinnvolles Lernen erfüllt werden als auch geeignete Assimilationsprozesse stattfinden. Demgegenüber steht das entdeckende Lernen, bei dem keine Vorstellung der Lerninhalte erfolgt.

Bei dieser Form des Lernens müssen die Lerninhalte erst vom Lernenden selbst entdeckt werden, um die Inhalte anschließend sinnvoll oder mechanisch lernen zu können. Bei dieser Form des Lernens gibt es keine Vergessensprozesse, sondern jede neue Lernaufgabe, also auch der Informationsabruf stellen einen neuen Prozess des entdeckenden Lernens dar (ebd., S. 171). Ausubel (1968, S.

23) spricht sich gegen das entdeckende Lernen aus, welches es kaum ermöglicht, Inhalte effizient aufzunehmen. Zusammenfassend ergeben sich aus diesen zwei Paaren für das schulische Lernen folgende vier Formen (Ausubel et al., 1980, S. 46):

 sinnvoll entdeckendes,

 sinnvolles rezeptives,

 mechanisch entdeckendes und

 mechanisch rezeptives Lernen.

Wie auch beim sinnvollen Lernen eignet sich das rezeptive Lernen vor allem für die Aneignung umfassender Lerninhalte (ebd., S. 49), „weil es der menschliche Mechanismus par excellence ist, die ungeheure Menge von Gedanken und Informationen aufzunehmen und zu speichern, die auf einem Wissensgebiet dargeboten werden“ (ebd., S. 63). Ausubel et al. (ebd.) verstehen das sinnvoll entdeckende Lernen als einen komplexeren Lernvorgang, der bspw. in der wissenschaftlichen Forschung stattfindet.

Die empirischen Studien zu der Bedeutung des Vorwissens (Kapitel 2.3) bestätigen die Theorie nach Ausubel dahingehend, dass die Verknüpfung mit bereits vorhandenem Wissen eine zentrale Voraussetzung für einen erfolgreichen Lernprozess darstellt. Zudem lässt sich die hierarchische Anordnung von Informationen für große Wissensgebiete für semantische Gedächtnisinhalte bestätigen (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 260; Edelmann &

Wittmann, 2012, S. 118f.).

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Die Assimilationstheorie nach Ausubel lässt erkennen, dass diese Theorie sich

„unmittelbar auf jene Lernprozesse und auf jene Umgebungsbedingungen, die in der Schule eine Rolle spielen“ (Straka & Macke, 2006, S. 89) bezieht. Für die Gestaltung von Lernprozessen lassen sich aus diesen theoretischen Grundlagen vielfältige praktische Schlüsse ziehen. Dies soll im Folgenden für den Advance Organizer geschehen, mit dem das sinnvoll rezeptive Lernen und Behalten unterstützt wird und die Prinzipien der progressiven Differenzierung und integrativen Vereinigung Berücksichtigung finden.