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Ncber die geschichtliche Gntwickekmg des Zunft- Zunft-wesens in den Östseeprovinzen, namentlich

Im Dokument Das Inland Eine Wochenschrift (Seite 85-88)

in Riga.

(Schluß.) I h r e n Höhepunkt erreichte die Macht der Bürgerschaft in N i g a während des unseligen Kalenderzwists, der mehrere Raths-glieder auf's Blutgerüst brachte und, durch die 63 Artikel vom Jahre 1585, die Gewalt des Naths aufs äußerste beschränkte.

Z w a r mußte der Demagoge Giesc 4 Jahre später, in Folge eines thätigen Einschreitens der polnischen Regierung, mit dem Tode büßen und die obigen Artikel wurden durch den Sewerin«

schen Vertrag ersetzt, der den Gilden ihre bisherige Theilnahme an der Verwaltung und Gesetzgebung nahm und sie auf die von ihr gewählten Vertreter übertrug. W e i n im Jahre 1604 wurde die Bürgerschaft, durch Vermittlung des polnischen Feld»

Herrn Chodkiewicz, in ihre Rechte wieder eingesetzt, denn bei dem drohenden Andringen der Schweden erschien ihm die Gunst derselben wohl wichtiger, als die des wenig zahlreichen Raths.

Daß die 63 Artikel von der siegreichen Bürgerschaft zur Eiche-rung ihrer ausschließlichen NahEiche-rungsrechte benutzt wurden, läßt sich denken. Die Vöhnhasen sollten abgeschafft werden und dagegen die Werkmeister nicht übermäßige Preise fordern. (Km Beweis daß es schon damals geschah.) Denjenigen, denen die Bruderschaft abgeschlagen wurde, oder die sich nicht um dieselbe bewarben, wurde jede bürgerliche Nahruug untersagt. Das Verbot der Böhnhaserei ward selbst in den Sewerinfcheu Con-tract aufgenommen, die übrigen Beschränkungen der Nahrungs-rechto der nichtgildischen Bürger zwar nicht, dafür wurden aber alle dem nenen Vertrage nicht ausdrücklich widersprechenden gildischen Privilegien bestätigt, wozu doch wohl auch die N a h -rungsprivilegien zu rechnen waren, und durch die Wiederherstel-lung der alten Verfassung im Jahre 1604 erhielten sie eine neue Sanction.

S o wenig wir von der inuern Entwicklungsgeschichte der übrigen Städte unserer Dstfeeprovinzen wissen, so scheint doch soviel gewiß, daß wenigstens in den bedeutender!» die Macht der Bürgerschaft ebenfalls stieg. Überhaupt galt ihnen das

reiche und angesehene Riga als Vorbild, und die Handwerker-schrägen, wo sich solche vorfinden, sind wohl nach dem Muster der Rigaschen verfaßt. Wie in Riga, so brachen auch in D o r p a t im Jahre 1582 Streitigkeiten zwischen Rath und Bürgerschaft aus. Die Bürgerschaft nämlich wollte die Kosten zu einer Gesandtschaft an den König uur unter der Bedingung hergeben, daß, außer den beiden Rathsgliedern, auch ein Abgeordneter der Bürgerschaft mitgehe, über die Stadtausgaben eine Rechnung abgelegt werde und Delegirte der Gilden an der Erhebung der Stadteiukünfte Theil nähmen. Obwohl der Rath dies bewilligte und die später entstandenen Differenzen bei weitem keinen so ernstlichen Charakter an sich trugen, wie die in R i g a , so fand dennoch König Sigismund l l l . für gut, im Jahre 1690 der Dörptfcheu Bürgerschaft alle politische Thätigkeit zu nehmen und sie auf einen vom Nathe zu ernennenden Zwanzigerausschuß zu übertragen, wie es ein Jahr vorher in Riga geschehen war.

Die Bürgerschaft aber beruhigte sich hiebet nicht und obgleich ihr Anführer Hans Karthauseu mit dem Leben büßen mußte, so scheint dennoch, nach der Eroberung Dorpats durch die Schweden, die alte Verfassung'wieder hergestellt worden zu sein, denn von dem Ausschusse ist nicht mehr die Rede. Die Dörptsche Bürgerschaft war auf ihre ausschließlichen Nahrungsrechte ebelt so eifersüchtig wie die Nigasche. Den Undeutschen wurde i m Jahre 1603 vom Nathe bürgerliche Nahrung und namentlich Verfertigung von Getränken uur unter der Bedingung erlaubt, den Bürgcreid abzulegen. Indessen stritten sich die beiden Gilden um die einträgliche Berechtigung des Bicrbraucns. Der R a t h gestattete solches im Jahre 1601 einigen Handwerksämtern aus Berücksichtigung ihrer Mittellosigkeit und noch über 2 0 Jahre später erklärten die Haudwerkcr, ohne eigne Brauerei nicht bestehen zu können, weil das Vöhnhasenwesen trotz aller Ver-bote nicht abzuschaffen sei ^). Dies war, wie aus den oben ange-führten und noch im Jahre 1604 inNiga wiederholten Verboten her-vorgeht, auch in dieser Stadt der F a l l . Die ausschließlichen Berechtig gungen der Zünfte riefen die Vöhnhaserei hervor, weil sie die

zünf-I j V . das übrigens'ziemlich verwirrte Schreiben vom 29. Decbr.

1626 in Gadebusch, livl. Jahrbücher. ! l . 2. Z 272.

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tigen Erzengnisse vertheuerten und die Handwerksämter die Bedürfnisse der Bevölkerung nicht mehr befriedigten.

I n Neval fanden zwar nicht so heftige Auftritte wie in Riga und D o r p a t statt. Die Umsicht und Festigkeit der schwe-dischen Regierung (darin von der polnischen verschieden, n/elch?

sich i n einzelnen Gewaltmaßrcgeln gefiel) ließ sie nicht zu.

Allein die Bedeutung der Gilden stieg dennoch und sie benutzten sie, um sich strenger abzuschließen. S o schloß die große Gilde Jeden, der um Lohn diente, von der Gildefreiheit aus, und die kleine beschloß im Jahre 1508 keine Undeutschen zu Brüdern aufzunehmen und untersagte auch das Halten undeutscher Knechte,

„weil davon viel Uebles entstehe"').

Die steigende Bedeutung der Bürgerschaften und ihr D r i n -gen auf ausschließliche Nahrungsberechtigung geben uns den Schlüssel zu dem von den altern Rigaschen Schrägen so abwei-chenden, streng erclusiveu Charakter der neuern des 16. und besonders des 17. Jahrhunderts, die im heutigen Nigafchen Schra-genbuche enthalten sind. Dieser monopolistischen Tendenz konnte sich der R a t h nicht widersetzen. Vielleicht sah er ihre schäd-lichen Folgen auch nicht ein, denn das 17. Jahrhundert gefiel sich überhaupt in der Crtheilung ausschließlicher Gewerbs- und besonders HandelZprivilegien. Dies war anch in Schweden der F a l l . I m Jahre 1667 z. B . überließ die schwedische Negie-rung den ganzen russischen Handel auf 15 Jahre einigen Nigaschen Kaufleuten. Darüber aber erhoben sich so viele Klagen, daß schon im folgenden Jahre das Monopol in ein bloßes Aufsichts, recht verwandelt wurde. Der schwedischen Handwerkerordnung vom 1 . März 1669, die ebenfalls im Nigaschen Schragenbnche steht und in Riga subsidiäre Geltung erhielt, darf man indessen nicht vorwerfen, in beschränkender Weise auf die Abfassung der Schrägen gewirkt zu haben; vielleicht enthält sie mehrere Bestim-mungen, die eine ganz entgegengesetzte Tendenz verrathen, wie z.

V . die Bestimmung, daß Bürgermeister und Nath einen tauglichen Handwerker von den zur Erlangung der Meisterwürde nöthigen Bedingungen (Geselle, und zwar 3 Jahre lang, gewesen zu sein und Zeugnisse über sein Wohlverhalteu zu besitze«) dis«

pensiren könne ( A r t . 6. § 1 und 3, 8 und 9 ) , ferner die, daß die Anfertigung des Meisterstücks in eines Meisters Werkstatt, und in Gegenwart des Cchaumeisters dem künftigen Meister nicht zur Beschwer gereichen oder Unkosten verursachen solle (§ 4 ) , die Dispcnsation vom Wandern ( A r t . 4 . F 5 ) , dir Beschränkung der Meistergelder auf 15 Thaler nebst 8 Mark Ladungsgebühr nach Anfertigung des Meisterstücks, uud ein Paar Thaler vor Anfertigung desselben ( A r t . 6. 8 3 und 5 ) , endlich die Grlaubuiß, fremde oder sogar ausländische Meister, gegen eine Gebühr von 6 Thalern, ohne Anfertigung eines Meisterstücks aufzunehmen ( A r t . 6. 8 10). V o n solchen Bestim-mungen findet sich in den Schrägen keine S p u r , dagegen sehen wir daselbst eine sehr ausführliche und bisweilen kleinliche Nor-mirung der Meisterstückes, die zum Theil kostspielig, zum Theil unzweckmäßig w a r e n " ) , und als Folge hievon das Ablösender 1) S . Bunge. Quellen.des Revaler Stadtrechts, Theil I!. S . 27. 30 ff.

2) Kunstreiche Schlosserschragen § 4z Malerschragen § 25;

Stuhlmacherschragen Art. 3. Z 6; Gürtlerschragen Z 3; Knopfmacher, schrägen z 10.

3)IDrechs!erschragen § 27 (ein Schachspiel und ein Spinnrad;) Buchbinderschragen Art. 2, z 3.

Fehler eines Meisterstücks mit Gelde, was ganz prknciplos ist und in der schwedischen Haudwerksorluung ( A r t . 6 . § 4) geradezu verboten wird. Die Meistergelder sind äußerst ver-schieden und in einigen Zünften ziemlich hoch: im Maleramte 156 Mark und eine Mahlzeit von 7 Thalern, im Knocheuhauer-amte 43 Thaler uud 12 Thaler zur Mahlzeit, im Hutmacher' amte 361 M a r k und 6 0 7 0 M a r k zur Mahlzeit, im M a u -reramte 63 Thaler u. s. w. Diese Kosten werden iu den meisten Schrägen zu Gunsten der Meistersöhne, bisweilen auch der Schwiegersöhne, auf die Hälfte oder sonst bedeutend ermäßigt, so wie ihnen auch das Muthen, d. h. das einjährige Arbeiten als Geselle, nachdem man schon 3 Jahre als Gesell gewandert hat, erlassen wird. Die Anzahl der zu haltenden Gesellen u n d ' Lehrlinge wird meist auf 2 , 3 oder höchstens 4 , hin nud wieder auch nur auf einen einzigen beschränkt (nach derselben Politik, welche auch den Kaufherrn nicht mehr als 2 Commis erlaubte).

Die Lehrzeit ging von 3 bis auf 6 Jahre, konnte aber in man-chen Aemtcrn, z. V . bei den Buchbindern, nicht etwa iu Berück-sichtigung der Geschicklichkeit des Lehrlings, sondern ganz einfach gegen Zahlung einer Gebühr verkürzt werden. I n manchen

! Aemtern war die Erlangung des Meislerrechts sogar au einen

! Termin geknüpft, so bei den Goldschmieden um I o h a n n i , bei

! den Schneidern nnd Stuhlmachern zu Michaelis, bei den Malern

^ am Lucastage, bei den Corduanern zu Michaelis und Ostern.

! V o n einem Gewerbe zum andern hinüberzugehen oder mehre

^ zugleich zu betreiben, so wie sein Gewerbe über gewisse Gränzeu auszudehnen, ward so selbst dem geschicktesten Handwerker unmög-lich. I m Kürschner-und im Schuhmacheramte war sogar die Aufnahme uudcutscher Lehrlinge verboten. A m schlimmsten erging es den Vorstädten. Alle zünftigen Gewerbe suchte man auf die Stadt zu beschränken und erwirkte sich zu diesem Zwecke wiederholte königliche Befehle ^). Die große Anzahl Acmter in Riga beurkundet eine Vertheilung des Gewerbes in sehr viele einzelne Zweige, welche einerseits zwar der technischen Ausbildung i günstig sein konnte, aber auch die Concurrenz und den Nacheifer der Gewerbetreibenden lähmte. Manche Zünfte, deren im Schra-genbuche 38 (mit Einschluß der Lemewebkr und der Schnitzer-und mit Ausschluß der Ligger uud Hanfschwiuger, die eigentlich , nicht Handwerker sind) vorkommen, bestanden so nur aus wenigen Meistern nud bildeten sehr unvollkommene Genosscn-i schaffen, dGenosscn-ie dGenosscn-ie Zwecke der WohlthätGenosscn-igkeGenosscn-it und gegenseGenosscn-itGenosscn-igen

! Unterstützung nicht genügend erfüllen konnten. Die weingen im . Nigaschcn Echragcnbuche befindlichen Schrägen des 18. I a h r

-^ Hunderts athmen denselben Geist, wie die viel zahlreichern des

! 1 7 . ; dasselbe gilt von den Schrägen der übrigen Städte der Ostseeprovinzen, namentlich von denen der S t a d t M i t a u , sogar von den uuter dem letzten Herzoge verfaßten; diebeschränkenden Bestimmungen der Nigaschen Schrägen finden sich auch hier vor und außerdem eine Menge geschlossener Aemter, d. h. solcher, in denen die Anzahl der Meister beschränkt war, von 6 und sogar u m 4 Meistern, während es solche in Riga nur wenige gab.

Die traurigen Folgen dieses exclusiveu Systems liegen auf

der Hand und es fehlt nicht an historischen Notizen, welche die-selben bestätigen. Während vorzüglich der Adel über die Nach-lässigkeit der städtischen Zuuftgenosscn und Theuerung ihrer

Er-I ) Resol. der Reichsvormünder vom 28. J u l i 1634; königl.

Resol. vom 8. Scplbr. 1641, 3. J u l i 1643, 5. Septbr.

Zeugnisse klagte (wovon unten einige Beispiele), und sich mit der Arbeit seiner Leibeignen oder auf dem Lande, ansässiger Handwerker zu bchelfen suchte, wurde in den Städten, z. B . in der Areusburger Polizeiordnung von 1687 und in der Schuhmachertaxe des Rigaschen Näths vom 5. Januar 1655, gegen diese Uebel mit unzulänglichen oder unausführbaren Mit-teln, als Warnungen, Androhungen und Aufstellung von Taxen angekämpft. Die Vöhnhascrei war gar nicht zu unterdrücken.

Das Cchneideramt beschwerte sich beim Könige, wie es scheint bald nach der Belagerung vom Jahre 1656, es zähle nur 20 Meister und außer ihnen gebe es 42 Vöhnhasen, während 10 Meister doch die ganze Stadt versorgen könnten ( ! ) ; die Sattler,

sämmtliche Arbeiten ihres Fachs würden aus Deutschland gebracht (wahrscheinlich weil sie selbst thcuer oder schlecht arbei-teten u. s. w . ) ; auch die Bäcker klagten über Eindrang in ihr Gewerbe'). I m Jahre 1711 bat ein gewisser Krautwadel den zarischen Bevollmächtigten von Löwenwolde um die Erlaubm'ß Kronsschuster für die Citadelle zu werden, weil das Schuster-amt seinem Eintritte unerschwingliche Forderungen entgegen stellte. Löwenwolde resolvirte: demnach man mit großem Chagrin uud Unwillen erfahren müssen, daß, wenn man für sich und seine Domestiken ein paar Schuhe nöthig gehabt, so viele Wochen verstrichen, ehe man solcher Arbeit- habhaft und bedient werden können/als bin ich veranlaßt worden. Vorzeigern und Inhabern dieser offnen Schrift, namens . . . ., zn meinem Hof-schuster auzunehmen . . . bis das Echusteramt mit mehren Meistern versehen und Krautwadel durch einige Mittel vermögend sein wird, das Meisterrecht ordentlich zu acquirircn^).

Mehr Nachrichten haben wir über das Zunftwesen in Dorpat, Dank sei eS den Auszügen des fleißigen Gadrbusch aus den dortigen Rathsprotocolleu. I n ihnen zeigt sich ein unabläßliches Streben nach möglichster Abgeschlossenheit; der Kampf des Absterbens des germanische» genossenschaftlichen Princips gegen die modernen Ideen des Staatsbürgerthums uud des durch dasselbe, zu begründenden Gemeinwohls. Zur richti-ger» Würdigung dieser Erscheiuungen mag hier wiederholt dar-auf dar-aufmerksam gemacht werden, daß, was von einer ersprieß-lichen Mannigfaltigkeit der Stände, ihres Erwerbs und ihrer Lebensart als Damm gegen eine demokratische Gleichmacherei gilt, nicht in demselben Maße auf die zahlreichen Abteilungen uud Unterabtheilungen angewendet werden darf, in welche jeder einzelne Stand und namentlich der Vürgerstaud zerfallt. I m Jahre 1634 ward in Dorpat das Amt der Leineweber auf 24 Meister beschränkt, 6 Jahre später dns der Goldschmiede auf 6.

In» Jahre 1637 ward sogar das einfache Gewerbe der Fuhr-leute zu einem privilegirten. Den Schustern ward im Jahre 1674 verboten, mehr als je 3 Gesellen und 2 Lehrlinge zu halten. Obwohl im Jahre 1682 6 undeutfche Leineweber das Bürgerrecht erhielten, so ward dennoch 6 Jahre darauf dem Amte verboten, Vauerknaben in die Lehre zu nehmen. Ein Kupferschmidt erhielt im Jahre 1740 das Recht des ausschließ-lichen Betriebs scines Gewerbes, gegendas Versprechen Niemanden mit dem Preise des Kupfers zu übersetze«. Er hiuterließ bei seiuem Tode ein Vermögen von 2 0 M 0 Rubeln uud seinen Erben wurden dieselben Rechte eingeräumt; allein das Reichs,

1) Rlg. Stadtblätter !8l5, Nr. 40.

2) Rig. Stadtblätter !8l4, 3lr. 37.

justizcollegium erkannte solche« nicht an und verlieh dem Chri-stian Wegen« dasselbe Recht, unter der Bedingung, jenem das was er der Kirche zufließen lassen, zu ersetzen. Um den häufigen Klagen des Adels über die Dörptschen Handwerker, namentlich Schuster und Schneider, abzuhelfen, wurden die Handwerker wiederholt im Jahre 1635 und später crmahnt, ihre Kunden nicht zu übersetzen, widrigenfalls man ihnen Taxen setzen würde.

Der Rath ging auch einmal (im Jahre 1635) mit dem Gedanken um, eine uuveutsche Innuug zu errichten; der Gedanke kam aber erst beinahe ein Jahrhundert später, uud zwar in Riga, zur Ausführung, wie wir unten sehen werden. Knochenhauer und Bäcker mußten im Jahre 1677 ermahnt werden, besseres Fleisch und Brot zu, liesern, doch schon in den Jahren 1680 uud 1682, so wie im Jahre 1727, erneuerten sich die Klagen; der Nath verweigerte auch iu den Jahren 1684 und 1741 die von den deut-schen, obwohl nicht zahlreichen Knochenhauern verlangte Abschaf-fung ihrer undeutschen (im Jahre 1741, der russischen) Kame-raden. I m bekannten Privilegium vom 20. August 1646 hatte die Köuigin Christine den Handwerksbetrieb der Unzüüf-tigeu, die sog. Vöhnhaserei, sogar auf dem Lande verboten.

Der Adel protestirte und diese Bestimmung kam nicht zur Ausführung. Später fand sich die schwedische Negierung vercmlaßt in entgegengesetzter Weise einzuschreiten. Soldaten und Dienern von Edelleuten, die für ihre Herren arbei-teten, ward auf Uuterlegung des schwedischen Handelscolle«

giums vom Jahre 1678 M a t t e t ein Handwerk auszuüben und die übersiüssigrn Kosten bei der Aufnahme zum Meister wurden am 4. April 1688 vom General-Gouverneur verboten. Daß es an Streitigkeiten zwischen einzelnen Acmtern und Gilden nicht fehlte, kann mau sich denken. Sattler und Schneider geriethen über die Gräuzcu ihrer Haudwerksbefuguisse in einen weitläuftigen, Jahre lang dauernden Nechtshandel; die Dörptscheu Knochenhauer wollten gegen die Rigaschen, Nevalschen und

Nar-»vaschen das Monopol des Viehkaufens im Dörptscheu Kreise behaupten. Die Kaufieute wollten den Handwerkern das Recht streitig machen, ihre Rohstoffe von auswärts zu beziehen, worin der Nath sie schützte; die Gouvernements-Regierung aber sprach sich zu Gunsten der Handwerker aus (im -Jahre 1731). I m Jahre 1745 führten die Schneider einen langwierigen Proceß mit ihren Gesellen über die Frage, ob diese schuldig wären, die bei der Meisterlade sitzendeu Meister abzuholen. Ein Schlosser, der einen undeutschen Jungen in die Lehre genommen hatte, gerieth darüber mit dem Amte iu einen weitläuftigeu Rechts«

Handel, der endlich durch einen Vergleich geschlichtet wurde (1751).

Die Schmiede verlangten, ein Kleinuhrmacher solle bei ihnen das Meisterrccht gewinnen, wurden aber vom Nathe abgewiesen (iu demselben Jahre), u. s. w.

Seit dem Anfange des jetzigen Jahrhunderts begann das auch schon von Katharina l l . in ihrer Zunftordnung vom Jahre 1785 anerkannte Arbeitsrecht der Unzünftigen in Livland Geltung zu gewinnen. Durch die Handwerkerorduungen der livländischen Gouvrruemcuts - Regierung von 1817 und 1818 wurde es fest gestellt, jedoch in tzer Art, daß die Unzünftigen nur durch ihrer Hände Arbeit, d. h. ohne Gehülfen arbeiten durften. Bei der großen Anzahl uuzüuftiger Handwerker in Riga, welche zum Thcil Gewerbebetrieben, bei denen Gehülfen unerläßlich waren, war diese Bestimmung ungenügend. Man kam daher auf den Gedanken, aus diesen Handwerkern, die meist

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Nationalrussen waren, sog. kleine Zünfte und concessionirte Innungen zu bilden, aber freilich mit sehr beschränkten Gewerbs-rechten. Wie sehr die Bevölkerung ihrer Dienste bedurfte, sieht man daraus, daß es in ihnen vor wenig Jahren nicht weniger als 283 selbstständige Arbeiter gab, mit etwa 460 Gehülfen und Lehrlingen, nämlich 4 kleine Zünfte: der Schuhmacher, die schon seit dem l 7 . Jahrhunderte existiren sollen, der Stell-macher, der Tischler und Stuhlmacher und der Schmiede, und die coucessionirten Innungen der Schmiede, Schneider, Maurer, Töpfer, Zimmerleute, Sattler, Maler, Knocheuhauer und Seiler, die thcils durch Senatsukase, theils durch Bestimmungen der Generalgouverneure gestiftet und zum Theil mit Schrägen ver-sehen worden find. I n den 36 großen Aemtern gab es zu derselben Zeit 796 Meister, 1244 Gesellen, 664 eingeschriebene

«nd 300 ihre Probezeit bestehende Lehrlinge. Die von den Klein»

zünftigen und concesfionirten Innungen betriebenen Gewerbe

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