• Keine Ergebnisse gefunden

Denn soll eine gemeinsame Thätigkcit, ein beweglicher Verkehr im Zusammenleben der Menschen überhaupt stattfinden, so

Im Dokument Das Inland Eine Wochenschrift (Seite 67-71)

muß zugleich auch eine positive Rechtsnorm vorhanden seyn,

worin sich ein Alle verbindender Wille ausspricht. — Nun

geht aber im Staate selbst eine organische Entwickelung und

Umgestaltung vor, das Neue tritt hinzu als etwas schon V o r

-bereitetes, als ein lebendig sich anschließendes Element des Rechts,

welches den Wechsel herbeiführt. Viele Nechtsinstitute ferner

haben gleich anfangs einen schwankenden, unbestimmten

Charak-ter, andere verlieren im Laufe der Zeit ihr ursprüngliches

Le-ben,, oder verändern wenigstens ihre Gestalt. Nicht minder

kann durch äußere Ereignisse, z. B . durch eine gewaltsame

Er-schütterung der socialen Zustände die Harmonie aufgehoben

werden zwischen dem geltenden Rechte und den bestehenden

Ver-hältnissen. I n allen diesen Fällen wird daher ein

unmittelba-res Eingreifen der Gesetzgebung nothwcndig. S o ist es

dem-nach ein höherer Beruf der gesetzgebenden Staatsgewalt, die

Fortbildung des Rechts zu befördern, das Unbestimmte und

Schwankende zu siriren, dem Rechte eine feste Haltuug zu ver,

leihen, vornehmlich» den neu entstandenen rechtlichen

Verhält-nissen ihren Werth und ihre territoriale Bedeutung zu sichern.

123

Betrachten wir also die Entstehung und die organische Entwickelung des Rechts im Allgemeinen, so ist es klar, daß wir zwei wesentliche Vestandtheile desselben unterscheiden mögen.

Ein Theil desselben ist in ununterbrochener, geheimnißvoller Ent-faltung begriffen, dem unsichtbaren Wachsthum der Pflanze vergleichbar, er kann immer schon durch inneres Bedürfniß und psychische Notwendigkeit, durch das Dllsenn bestimmter Lebcnsbeziehungeu, die dem positiven Rechte überhaupt ange, hören, als von selbst vorhanden gedacht werden. S o beruht z. B . die Existenz der Verschiedenheit der Stände auf der Ge»

schichte, überall hat die besondere Beschaffenheit der socialen und politischen Verhältnisse eigentümliche Classen eines Volkes hervorgerufen, die zwar im Laufe der Zeit eine neue und ver<

ancrl,^ « . ? ^ ^ «,i,ipkmen können, aber jene ganze Standes-Verschiedenheit wird durch Vle V.?.^kmi<! nicht erst geschaffen, durch dieselbe werden vielmehr einzig, bei den deren» ^ . 5 . . , « , i Bedingungen der Selbständigkeit, die rechtlichen Folgen bestimmt.

— Von ganz anderer Natur und Art sind dagegen jene ewigen und unwandelbaren Prineivien selbst, in Ansehung welcher es die Aufgabe der Staatsgewalt senn wird, sie zur reineren An-schauung und Geltung zu bringen, aber sie nicht zu verändern.

Denn von ihnen hängt ja eben die ganze Bedentung des Nechtszustaudes ab, und da dessen Daseyn in seiner Individua-lität etwas Notwendiges, über alle Willkühr Erhabenes ist, das die Gesetzgebung nicht erst ins Leben ruft, so mag ihr auch kein selbständiges Recht zu einer Veränderung desselben anHeim gegeben werden.

Wenn irgendwo, so ist es bei Lehren von der oben be-zeichneten A r t angemessen, einen Blick auf die Geschichte der Gesetzgebung zu werfen, um zu finden, ob dieselbe dem geisti»

gen Leben des Wegriffs den cutsprechenden Ausdruck verliehen habe. Eine Reform des bisher geltenden Rechts verbürgt noch nicht einen positiven Fortschritt, denn eine herrschende Richtung übt oft unbewußt auch über den Geist der Besseren eine turan«

uische Macht aus, während die große Masse, welche unvermö-gend ist ihren Staudpunkt zu wählen, widerstandlos von dem Strome der Zeit mit fortgerissen wird. — Unberührt nun, und zwar mit Recht, ist das Princip der Strafverjährung an sich geblieben, in voller Kraft ist es von der neueren Gesetzge-bung tatsächlich anerkannt worden, alle Einwürfe und alle Angriffe dagegen sind spurlos vorüber gegaugen, aber in An-sehung der Verjährungsfristen tritt, dem classischen Rechte ge-genüber, in allen neueren Strafgesetzgebungcn ein großer Um-schwung hervor. Ich werde daher zunächst von der inneren Notwendigkeit der Anerkennung des Grundprincips überhaupt, dann von den Fristen der Etrafverjährung im Einzelnen handeln. Dieser Untersuchung geht die Erörterung einer Prä<

judicialfrage, über die Stellung dieses Instituts im Nechtssystem, voran, und damit soll gleich hier der Anfang gemacht werden.

l . S t e l l u n g der S t r a f v e r j ä h r u u g i m N e c h t S f y f t e m . Es gibt einzelne Lehren auf dem Gebiete der Rechtswissen-schaft, welche in sehr verschiedenen Zweigen erörtert zn werden pflegen. So wird z. V . die Frage, nach welchen Gesetzen der Richter bei der f. g. Collision der Rechtsgefetze verschiedener Staaten zu entscheiden habe, in den exegetischen Schriftm über Iustinians Rechtsbücher, in den Systemen des Civilrechts, des deutschen Privatrechts, des Staats- und Völkerrechts, selbst in

124

denen des Civilprocesses abgehandelt. Ebenso stellet manche Rechtslehrer die Lehre von dem Gide im Pandectenrecht, andere dagegen im Civilproceß dar. Die Lehre von der Verpflichtung des Staates aus den Handlungen der öffentlichen Diener (Zivilklagen gegen Staatsbeamte) wird im Staatsrecht und im Cioilproccß, die der vrrbindli/on Kraft der Gesetze im Cioil-recht und im StaatsCioil-recht v.pioickelt. Und ein Gleiches gilt von dem Institut der Verjährung in Strafsachen, welches in Wahrheit von vielen juristischen Schriftstellern, und zwar auS guten inneren Gründen, i n der Theorie des Criminalrechts, von vielen andern aber, z. V . von Q u i s t o r p , G r o l m a n , S t ü b e l , M a r t i n , H e n k e , M ü l l e r lu s . w . , in der des Criminalprocesses vorgetragen wird. Allein Ltnorommgen über die Verjährung sind als Strafbestimmnngen zu betrachten, welche über die Frage entscheiden, ob Verbrechen nach Ablauf einer gewissen Zeit und unter gewissen Bedingungen bestraft werden sollen oder nicht. Demnach kann diese ganze Lehre einzig in einem Systeme des Criminalrechts ihre Rechtfertigung und ihre nähere Begründung finde».

I I . G r « n d p r i u c i p d e r S t r a f v e r j ä h r u u g u n d K r i t i k d e r g e g n e r i s c h e n A n s i c h t e n .

Jedes Verbrechen ist das Product einer positiven Aeuße-rung des rechtswidrigen Willens. Der Entschluß, als die Wtllensbestimmuug einer Person etwas zu thun oder zn unter-lassen, ist ohne bestimmte Motive nicht denkbar, diese sind Ver-änderuugen und dem Wechsel unterworfen, ja sie verlieren im Laufe der Zeit ihre ursprüngliche K r a f t : warum sollte das Vewußtseun der Schuld im Individuum nicht allmählig erlöschen, oder doch einen schwankenden, unbestimmten Character anneh-men ? ' ) . Wiederum bildet die fremde, verletzende That nur ein Moment in der öffentlichen Meinung, die Zeit übt über das natürliche Rechtsgefühl eine gewaltige Macht aus, ja sie tilgt in der Regel die Erinnerung an das verletzte Recht, und so geht in Wahrheit der bleibende und dauerhafte Eindruck verloren, welchen die Strafe auf die Glieder eines Volks zu machen bestimmt ist. Und wenn der S t a a t berufen ist, über die A u t o r i t ä r üer Gesetze, desgleichen über die Interessen seiner Ungehörigen, über den Bestand ihrer Rechte und gewisser t a t -sächlicher Zustände, welche lange Zeit unverändert geblieben sind, zu machen: wie möchte sich bei der Schwierigkeit der Herstel-lung des Thatbestandes eines vor vielen Jahren begangenen Verbrechens, und bei dem erschwerten Beweis der Schuld oder Unschuld ein gerichtliches Verfahren irgend verteidigen lassen?

S o werden wir unvermerkt, von ganz verschiedenen Stand-punkten aus, ans ein und dasselbe Institut geführt, welches fast ' I ) Manche, wie S t e l t z e r , Crim.-N. Z 243, Un ter holzn er, Verjährungslehre l>. S . 442, T i t t m a n n , Handbuch der Strafr.-Wiss. Z 6 l behaupten von der unterlassenen Wiederholung eines Ver-brechens lasse sich im Verlauf der 3ett auf eine Sinnesänderung des Handelnden schließen, der ganzen Strafverjahrung liege also eine V e s«

s e r u n g des V e r b r e c h e r s zum Grund«.— Allein diese Ansicht ist unseren Gesetzen fremd und überdies von allen Veiten unhaltbar.

Denn das bestehende Recht berechnet die Nerjährungszeit immer nur für die einzelnen 'Verbrechen, und <o wenig nach demselben ein guter oder schlechter Beweggrund des Schuldigen von Einfluß ist auf die Strafbarkcit einer Handlung, oder eine moralische Verschlimmerung an sich eine Rechtsverletzung bildet: ebenso wenig kann in Wahrheit der spätere, wenngleich verbesserte Lebenswandel eines Individuums über die rechtliche Beurteilung einer That entscheiden, die in eine langst vergangene Zeit fallt.

alle gebildeten Völker anerkennen, und das auf inneren, recht-lichen Gründen beruht, auf die Verjährung in Strafsachen.

S i e i s t , gemeinrechtlich betrachtet, die Erlöschung des Rechts, das begangene Verbrechen, zum BeHufe einer Strafzufügung, zu verfolgen. S i e findet auf die meisten Verbrechen ihre Anwen-dung, obgleich je nach der Verschiedenheit derselben die Verjäh-rungszeit eine verschiedene seyn wird, der Augeschuldigte kann die Ginrede der Verjährung, zum Zwecke des Niederschlags eines- gegen ihn einzuleitenden Strafprocesses, mit Erfolg für sich erheben, aber jener ganze Wegfall der Strafverfolgung darf weder die Rechte Dritter, noch gültige Klagansprüche verletzen.

Steht es so mit dieser Lehre, so können uns die Ein-würfe einiger Freunde seltsamen Widerspruchs wenig befremden ' ) . Denn in der That ist die Behandlung dieser Controverse durch unsere Rechtspolitiker, wenn man so w i l l , einem Turnierspiele des Mittelalters zu vergleichen, man hat Möglichkeiten für Thatsachen, beliebige Einfälle für rechtliche Grundsätze genom»

wen. Eine ausführliche Kritik aller gegnerischen Ansichten liegt außer den Gränzen meines Planes, und nur einige Bemerkun-gen möBemerkun-gen hier ihren Platz finden. D a s germanische Recht enthalt bekanntlich über die Verjährung, die nur beiläufig in den Rechtsbüchern erwähnt w i r d , keine Bestimmungen, und i n R o m galten die Grundsähe des Anklageprocesses. Hieraus folgern K l e i n s c h r o d und M a r t i n , daß die Verjährung der Strafverfolgung der rechtlichen N a t u r des Untersuchungspro-cesses widerstrebe. ANein diese Behauptung ist irrig. Denn die Carolina ist nicht, wie unsere heutigen Strafgesetzbücher, eine neue, Alles umfassende Gesetzgebung, sie verweist vielmehr die Gerichte, bei Lücken nud dunklen Stellen, an das ergänzende und als solches im Gauzen geltende römische Recht " ) , ja die Analogie des Auklagevcrfabreus sott nach Befinden einen Ersatz geben für den Mangel anderer gesetzlicher Normen. I m I n -quisttionsproceß vertritt ferner der S t a a t durch seine Richter offenbar den Ankläger, nach Verfiuß einer längeren Z n t kann dem Beklagten, hier wie dort, der Entschuldigungsbeweis z. B . durch den Tod der Zeugen oder durch andere Umstände erschwert werden ^ ) , eine verspätete Untersuchung würde daher auf gleicher Linie mit einer verspäteten Anklage stehen. — Andere, wie H e n k e , G r ü n d l e r , W e n t h a m " ) , nehmen an, nach Ablauf der Verjährungsfrist könne das Individuum kühn hervortreten, seines Verbrechens sich rühmen, über die Unschuld triumphiren, die Gesetze verspotten, ja die Verjährung crtheile dem Bürger das Recht, den S t a a t nach Belieben zu gefährden. Allein -anch diese Meinung ist unbegründet. Denn soll sie überhaupt einen erträglichen S i n n haben, so müßte die Verjährung nur hinwegfallen bei e i n z e l n e n Familien der Verbrechen, bei wel»^

1) Gegner dieses Rechtsinstitutö sind unter ander«: Paysen, Verjährung in peinlichen Sachen Z I y , Kleinschrod im N. Arch.

des Crim. N. I. S . 202 ff., Oersted, Grundregeln der Strafge-sttzgebung I. S. 471, l l . S. 255 ff. M a r t i n , Criminalrecht Z 103, Criminalproc. z 2! Note 8, G r ü n d l e r im N. Arch. 1826 S. 33L ff., Henke, Handb. des Crim. R. lV. Z 22.

2) P. G. O. Art. 104, 105, 117, 118.

3) Dadurch erledigt sich der Einwand von Oersted a. a. O.

S. 479 und K o s t l i n , N. Revif. des Crim.'R. S . 91 i.

4) Vgl. Henke a. a. O. S . 175, G r ü n d l e r a. a. O. S . 248, ebenso B e n t h a m , I'rmlvz clo l e M a t i u n ' civil« et l l . 3, cliIp. 5.

chen, je nach Beschaffenheit der verletzten Rechtsanforberung, die Absicht zu schaden, oder wo politische Motive, wie z. B . bei den Staatsverbrechen, vorwiegen. Dann müßte im ersten Falle der Uebertreter das Böse um des Bösen willen vollbracht und fortwährend eine ruchlose Gesinnung gehegt haben, eine in der Regel ganz willkührliche Voraussetzung. I m zweiten Falle dagegen müßte in der rechtswidrigen Handlung früherer Zeiten ein Grund zur Befürchtung für die Zukunft liegen, das Recht zur Strafzufügung müßte abhängen von dem Grade der Möglichkeit der Gefahr, was ebenso schwankend, als in sich nichtig ist. Denn weder die Rcchtsvermuthung, noch die Ge-wißheit der Wiederholung gleicher oder größerer Verbrechen folgt daraus, daß ein Individuum einmal das Strafgesetz übertrat.

— Ebenso vertheidigt zwar W ä c h t e r s , wenngleich sehr kurz und aphoristisch, die richtige Ansicht, behauptet aber, daß bereits den römischen Kaisern das Untersuchungsverfahren bekannt ge-wesen sey. Allein dieses Argument gehört im Grunb " ' ^ 5.-."

her, ja es ist um w «"...>> scyiagend, als noch in späterer Zeit der Anklageproccß die Grundform bildet"). — Endlich ist noch der neuesten Ansicht T r u m m e r ' s ^ ) Erwähnung Hu thun, welcher seinen Ausgang von dem christlichen Satze nimmt, daß die Verjährung mit der göttlichen Gerechtigkeit unverträglich sey.

Es stehe der Verjährung das Fundament der Erbsünde entge-gen, desgleichen die Verheißung des Ewientge-gen, daß er die Misse-that der Väter an den Kindern und Kindeskindern bis in das dritte und vierte Glied heimsuchen werde"). Es sey eine feststehende Maxime des ChristenthumS, daß Gott nicht die S ü n -den vergesse, aber aus Gnade und um der Verdienste seines Ein-gebornen willen vergebe. So wie vor Gott die Ewigkeit wie ein Tag, und der bloße Zeitvcrlauf als Grund der Sünden-vergebung ungereimt sey, ebenso wenig sey die Straftilgung durch bloßen < Zeitverlauf eine genügende Beschwichtigung der menschlichen, nicht zu vertilgenden Gewissensstimme. Allein da T r ü m m e r endlich doch zu dem Resultate kommt, daß die Ver-jährung als ein Grund betrachtet werden müsse, warum die Strafpfticht des Staates nicht eintrete und Untersuchung nnd Strafe unterbleiben; so hat seine, ganze Ansicht nur eine for-melle, keine practische Bedeutung.

I I I . D a u e r des Z e i t r a u m e s d e r V e r j ä h r u n g i n S t r a f s a c h e n .

Die regelmäßige Verjährungszeit für die öffentlichen Ver-brechen sind zwanzig Jahre, dies ist zwar nur beiläufig, aber nichts desto weniger klar im justinianischen Codex gesagt^).

Diese Zeit steht möglicherweise in Verbindung mit der zwanzig-jährigen Verjährung der Klagen, die auf besonderem siscalischm Rechte beruhen " ) , jedenfalls aber verwarf man schon deshalb

1) W ä c h t e r , Lehrt,, des Strafrechte» Z !20 Note 10.

2) 0. 4, 19 »!e probat, c. 25.

3) T r ü m m e r , das Werhältmß der heutigen Strafgesetzgebung zum Christentum, S . IL1 ss.

4) 2 Mos. 34, 7 ; 4 Mos. 14, 1 8 ; 5 Mos. 5, 9. Hierher wer-den auch von Trümmer die Stellen in Ncchum 1, 2 und 8 (daß der Herr ein eifriger Gott und ein Rächer sey wider seine Widersacher, der seine Feinde mit Finsternis verfolge), Hiob 13, 26 und Itremia 3 l , 19 gerechnet.

5) 0. 9, 22. 2Ü l. domel. üe llü5. c. 12: „sZuereln l»l«i temyolulilw5 prnezcriptiomliuF nan excluäilur, nizi v'iZiuti »nn«

rum exceptione: eicut cetera «zuoliue ero c n u n n » ' '

6) 0 . 44, 3. 6e <!iv. temp. praesc. lr. 13. p r . , 48, l ? . 6e

427 428

,me längere F r i s t , weil vor Einführung der dreißigjährigen Verjährung in Civilsachen zwanzig Jahre überhaupt den läng-sten Zeitraum bildeten. Zwar läugnen Manche, wie M a r c « z o l l ' ) den Einfluß der Klagenverjährung auf die Verjährung in Strafsachen, zumal schon längst vor dem Jahre 4 2 4 , wo bekanntlich TheodosiuS I I . das wichtige Verjähruugsgesetz erließ, die Präscription der Anklagen bestanden habe. M e i n diese Meinung ist unbegründet. Denn dadurch wird die obige Ana-logie der fiskalischen Untersuchungen, welche Vermögensansprüche betrafen, nicht berührt, und überdies ist hier gar nicht von der dreißigjährigen, sondern allein von der zwanzigjährigen Ver-jährungszeit die Rede.

V o n jener allgemeinen Regel gibt es aber folgende A u s -nahmen :

E r s t e n s . I n manchen Fällen ist eine kürzere, nämlich eine fiinfjährige Verjährungszeit festgesetzt. S o zunächst bei allen N l . < . . ^ . « . «,«,^, ^ Z julische Unzuchtgesctz umfaßt, wie Ehe-bruch, Schwächung, Knabenschänouulz, c v ^ ^ k e und die rechts-widrige Beförderung solcher Vergehungen ^ ) ; der gewöhnliche Zeitraum der Verjährung dagegen t r i t t ein bei der Notzucht und Entführung 2), welche dem jütischen Strafgesetz über öffent-liche Gewalt unterworfen siu.d, desgleichen bei der Blutschande ^ ) . Z w a r lassen Manche dieselbe regelmäßig in fünf Iahreu und n u r , wenn sie mit Ehebruch verbunden ist, in zwanzig Jahren verjähren °), während Andere ganz unbeschränkt die kürzere, also die fünfjährige Verjährungsfrist annehmen °). Allein beide Ansichten <md zu verwerfen. Der entscheidende Gcgengrund nämlich liegt, meines Erachtens, in dem Umstände, daß sich Ver Begriff der incestuosen Ehe im römischen Rechte durch kein Gesetz, namentlich nicht durch das jütische Uuzuchtgesetz gebildet hat 7 ) , sondern einzig durch die S i t t e und das Herkommelt (more8) s). — Nicht minder gehören hierher die Anklagen ii-. vel a l l e i n , llamn. fr. 2 Z I , fr. 3, 4, Z I , 49, 14. lle jurs liscl sr. I Z 3.

1) M a r e z o l l . l Crlm.-N. 5 5« Note 3.

2) v . 43, 5. »<l l. ^ul. ilo Lllult. ss. 29 Z 0, c. 9, 9. I>. t.

c. 28. Ohne Zweifel ist hier, was häufig ganz übersehen wird, die Wiederkehr des Census in fünf Jahren maßgebend gewesen, eine An»

nähme, die um so näher liegt, als die Censoren über die Heillghaltung 3es Ehebandeö und deö häuslichen Friedens, überhaupt über die S i t -tenreinheit der römischen Bürger zu wachen hatten, s. j?I,n. Inst. niit.

18. 3, plntarck, l)«t0 m H . l 7 , Valer. NI»x. I>. 9. 2 , Z a n k e , das censor. Strafrecht, S . l l — 4 5 , Ziegler, die Teilnahme an einem Verbrechen S . 95.

I ) v . 46, 5, i i . ,. lr. 29, § 0. Zweifelhaft ist es. ob die zwan-zigjährige Verjährung, mit Ausschluß der Commaöculation, auf die naturwidrige Unzucht überhaupt (neian«!» veiw5> anwendbar sey.

Man sehe hierüber U n t e r h o l z n e r a. a. O. ! l . S . 451.

4) Nach dem Rufs. Gesetzt», der Criminal» und Correctionöstra-fen Art. 107 ist die wissentliche Eingehung einer gesetzwidrigen Ehe u n v e r j a h r b a r , wohin die Bigamie, Art. 2045, die incestuose Ehe, Art. 2050, und mehrere Fälle der Entführung, Art. 2040, gehören.

5) Feuerbach, Lehrb. des peinl. R. Z 65, Note 4. Wächter, Nbhandl. aus dem Strafrechte S . 169, M ü l l e r , Lehrb. des Crimi.

nalprocesses ß 87 Note 7. '

6) M a r e z o l l , a. a. O. Note 5, R e i n , C r i m . - R . der Rö.

Ntr S. 278.

7> 0 . 48, ! 8 . lls <^li.2e«t. fr. 4, I'aul. 8ent. Itec. l l . 2« Z 15.

8) 0 . 23, 2. llo I I . ?l. lr. 8, lr. 39 § I , 45, I . de V. 0 . L-. 35 § I . Die nähere Ausführung dieser historisch interessanten Streitfrage gehört hierher nicht.

wegen Uebergehung des Zolles ' ) , wegen des Peculats °), der aber ein selbständiges Verbrechen, wie er bei den Römern war, heutzutage vermöge des Gerichtsgebrauchs einem gemeinen Dieb-stahl? gleich behandelt wird, und folglich der gesetzlich bestimm-ten Verjährungszeit anHeim fällt. Und ebenso unpractisch ist für uus die Bestimmung des römischen Rechts, nach welcher eine Untersuchung wegen voreiliger Testamentseröffuuug, ehe dem silanianischen Senatsbeschlusse entsprochen worden ist, be-reits nach Ablauf von fünf Jahre» untergehn soll ^ ) . — Die Delictsklagen endlich bilden keine Ausnahme von der Regel, sie werden zumeist nach den Grundsätze» der Civilverjähruug beurtheilt"), und nur die ästimatorische Injurienklage erlischt, wie alle anderen vrätorischen Klagen, in einem Jahre, woge-gen nach dem cornelischen Strafgesetz (wewoge-gen thätlicher I n j u « rien oder gewaltsamer Verletzung des Hausrechts) die zwanzig-jährige Verjährung eintritt ^ 1 .

Z w e i t e n s . Ohne alle Zeitbeschränkuug findet eine öffentliche Anklage statt wegen Verwandtenmords^), eines Capitalverbrechens, wodurch das geschlechtliche Nerhältniß uud somit besondere Pflichten der Treue und der Liebe verletzt worden. Die Meinung vieler Schriftsteller, welche die Worte „ « L m p s r accusatio p e r m i t t i -t u r " auf einen Zei-traum von zwanzig oder dreißig Jahren be-schränken, ist ebenso gezwungen, als verwerflich ^). - ^ Unver-jährbar ist ferner die Apostasie °) j zur Zeit nämlich, als von den Kaisern strenge Verordnuugeu " ) gegen alle diejenigen er-lassen wurden, die ihr Leben an etwas Untergegangenes knüpf-ten und vom Chrisknüpf-tenthum abfielen, erfolgte auch die Aufhe-bung der Verjährung dieses Verbrechens " ) . — Endlich gehört

1) 0. 4, 6 l . de v o r l i ^ I . c. 2.

2) 0 . 49, l3. Ȋ I. Ful. pecul. fr. 7.

3) 0 . 29, 5. <le 8clo sünn. ss. 13. War nämlich der tor durch einen gewaltsamen Art gelobtet worden, so mußte die Testa-mentötrössnung so lange unterbleiben, als bis Sklaven und Freigelassene zur Untersuchung gezogen und die Schuldigen bestraft worden waren.

4) ^. 4. 12. ^e p ^ t ^ l . et temp. act. ps., 0. 7, 39. l!e zirue-5cr>i!t. tsiss. annui'. c. 3.

5) Onj. Oamment. l V . Z l w , (!. 9, 35. lls injur. c. 5. I n dreißig Jahren verjährt die civili« »ctlo ex l. (^orn. 6« injur. Ueber die verschiedenen Meinungen f. W e b e r , über Injurien und Schmäh-schrifttn II. S . »40 ff., U n t e r h o l z n e r a. a. O. S . 375. Chop im Arch. f. die civilist. Prar. XVIl. S . 2l4 ff.

0) v . 48, 9. <lo I. pom,,. l!e puii-icicl. fr. 10: „ ^ a n x , , , «zui plzrllcillil poenn tener» iw8«unt, «om^or nceusglio liei-millili»-."

Unrichtig ist Wächter'S t Lehrb. des Straft. Z 12« Note 11, L.) Bemerkung, nach welcher sich die meisten Juristen gegen den Ausschluß aller Verjährung beim Parricidium erklären sollen. Vgl. die Litcra»

tur dagegen bei M i t t e r m e i e r zu Feuerbach Z 05 Note l . 7> Das Rufs. Geseßd. der Criminal« und Correktionsstrafen, Ar?. 16U bestimmt, daß wegen Vater, oder Muttermordes zu jeder tleit eine gerichtliche Verfolgung beginnen könne.

8) k. I , 7. l!e 2l>u8tl»li» c. 4. Zuweilen ist die Meinung oer-theidkgt worden, daß wenigstens von der Zeit der Rückkehr zum Lhri»

stenthum an eine Verjährung.einzuräumen sey, eine Meinung, die zwar entschiedene Gründe der Zweckmäßigkeit für sich hat, aber dem klaren Worlsmn jener Stelle des römischen Rechts widerstreitet.

9) c. I I . . 16, l 8 . ^o Fud. c. I , 7, , 0 , 7. <lo 3,,(,Hf. c. 1, 2.

(!. I , 7. llo apost. c. I .

lU) Eine gleiche Bestimmung enthält das Nuss. Gesetzb. der Criminal- und Correctionsstsafen Art. ll)7. Um so auffallender ist daher die Behauptung H e f f t e r ' s (Lehrb. des Strafrechts 4. Aufl.

Z 167), der sich doch selbst im Z 166 auf die neueren europäischen Rechte bezieht, daß die Apostasie in den heutigen Strafgesetzen nicht mehr vorkomme.

430

hierher die Unterschiebung eines Kindes lpartus 3uppn8itio),

Im Dokument Das Inland Eine Wochenschrift (Seite 67-71)