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Zwei Jahrzehnte nach dem ersten Auftreten der RHD und ihrer rapiden Verbreitung über die Kontinente sind Untersuchungen zur Epidemiologie der Erkrankung sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus praktischer Sicht von besonderem Interesse (MITRO u.

KRAUSS 1993). Aufgrund der Ergebnisse serologischer Untersuchungen und der Detektion viraler RNA in Organen gesunder Kaninchen wurde in der letzten Zeit eine Viruspersistenz als wichtiger Faktor in der Epidemiologie der RHD diskutiert (MOSS et al. 2002;

FORRESTER et al. 2003). Beide Studien basieren auf Feldproben, und es wurden bisher keine experimentellen Untersuchungen beschrieben, die eine mögliche Viruspersistenz bzw.

das Auftreten von carrier-Tieren verifizieren.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden erstmalig tierexperimentelle Arbeiten durchgeführt, um eine Viruspersistenz in rekonvaleszenten Tieren zu untersuchen. Dabei wurde die etablierte und validierte multiplex real-time RT-PCR neben anderen Methoden zur Detektion des RHDV eingesetzt. In diesem Tierversuch wurden 70 empfängliche Kaninchen mit RHDV infiziert, von denen 3 moribund getötet wurden, während 5 die Infektion überlebten. Diese

DISKUSSION

Letalitätsrate von 89 % entspricht der, die üblicherweise bei experimentellen Infektionen gefunden wird. Die 5 überlebenden und für die Studie verwendeten Tiere zeigten als Antwort auf die Infektion Fieber und eine Serokonversion. Abgesehen von den Veränderungen der Körpertemperatur wurden keine weiteren klinischen Symptome beobachtet. Auch bei der pathologisch-anatomischen und histologischen Untersuchung - inkl. Immunhistologie und In situ-Hybridisierung - der nach 5, 7 und 15 Wochen getöteten Tiere wurden keine für RHD spezifischen Läsionen gefunden.

Bis zu 7 Wochen p.i. wurde eine Persistenz viraler RNA in den Leukozyten nachgewiesen.

Die höchsten Virusgenomlasten in den Leukozyten wurden bei den Tieren Nr. 670 und 685 nachgewiesen, deren Körpertemperatur bis zum Tag 6 p.i. stark abfiel. Es wurde gezeigt, daß die Virusgenomlasten in den Leukozyten und im Serum korrelierten. Somit kann Serum als alternatives Probenmaterial zum EDTA-Blut verwendet werden, was insbesondere für retrospektive Studien, wie sie MOSS et al. (2002) mittels konventioneller RT-PCR durchgeführt haben, von Vorteil ist.

Virale RNA wurde in zahlreichen Proben eines jeden infizierten Tieres gefunden. Das stimmt mit den Resultaten anderer Studien überein, in denen während des akuten Verlaufs der RHD ab dem Tag 2 p.i. in allen untersuchten Proben virales Genom mittels konventioneller RT-PCR detektiert wurde (GUITTRE et al. 1996; SHIEN et al. 2000). Die Persistenz von RHDV-RNA konnte bis zum Ende des Versuches (15 Wochen p.i.) nachgewiesen werden, wobei die Virusgenomlasten im Laufe des Versuches abnahmen. Eine Akkumulation viraler RNA wurde in der Leber und der Milz als den bisher beschriebenen primären Zielorganen des RHDV gefunden (GELMETTI et al. 1998; PRIETO et al. 2000). Aber auch das Knochenmark und die mesenterialen Lymphknoten enthielten ähnliche Mengen viraler RNA, so daß sie als weitere relevante Zielorgane anzusehen sind. Die höchste Virusgenomlast wurde bei allen Tieren außer Nr. 718 in der Gallenflüssigkeit gefunden. Diese Beobachtungen stimmen mit den Ergebnissen von SHIEN et al. (2000) überein, die mittels konventioneller RT-PCR virale RNA 47 Tage nach experimenteller Infektion 4 - 5 Wochen alter Kaninchen ausschließlich in der Gallenflüssigkeit und der Milz finden konnten.

Da virale RNA in zellfreien Proben mit einem hohen Gehalt an RNasen wie Gallenflüssigkeit, Urin und Faeces nachgewiesen wurde, kann angenommen werden, daß sie geschützt vorlag, z.B. als Bestandteil kompletter Virionen. Es konnte jedoch mittels Antigen-ELISA oder

Nachweis der Persistenz von Virusgenom in rekonvaleszenten sowie immunisierten und danach feldvirusexponierten Kaninchen Immunhistologie kein RHDV-Antigen detektiert werden. Für den Antigen-ELISA wurde gezeigt, daß diese Methode eine zu geringe Sensitivität für die untersuchten Proben aufweist, da positive ELISA-Ergebnisse ca. 107 Kopien/Reaktion in der real-time RT-PCR entsprachen.

Ebenso wird angenommen, daß auch die Immunhistologie zu insensitiv ist. Ferner ist zu berücksichtigen, daß alle infizierten Tiere hohe Antikörper-Titer aufwiesen, die den Nachweis von Antigen erschweren können, indem sie maskierend wirken.

Weiterhin konnte mittels Transfektion, Formaldehyd-Agarosegelelektrophorese und Northern Blot kein virales Genom in kompletter Länge in Proben, die in der real-time RT-PCR positiv waren, nachgewiesen werden. Anhand der mitgeführten Kontrollen wurde auch hier gezeigt, daß diese Methoden zu insensitiv sind.

Obwohl RHDV-RNA in diversen Organen und Exkreten der rekonvaleszenten Tiere nachgewiesen wurde, zeigten am Tag 12 p.i. zugestallte seronegative Kontrolltiere keine Erkrankung oder Serokonversion. Genausowenig erkrankte oder serokonvertierte ein Kaninchen, welchem konzentriertes, in der real-time RT-PCR positives, allerdings im Antigen-ELISA negatives, Organmaterial i.m. appliziert wurde. Folglich konnte nicht gezeigt werden, daß die detektierte virale RNA auch immunkompetentes oder infektiöses Virus repräsentiert. Ähnliche negative Ergebnisse erhielten FORRESTER et al. (2003) nach der i.m. Inokulation von empfänglichen Kaninchen mit in der konventionellen RT-PCR positivem Lebermaterial. TEIFKE et al. (2002) zeigten, daß mindestens 100 HAE für die Infektion eines Kaninchens nötig sind, und beobachteten dabei einen subakuten Verlauf der RHD. Da das Material der Viruskonzentrierung auch im Antigen-ELISA, der eine höhere Sensitivität als ein Hämagglutinationstest hat, negativ war, konnte eine Infektiosität auch nicht unbedingt erwartet werden.

Die Detektion des apathogenen RCV (CAPUCCI et al. 1996b) mit der beschriebenen real-time RT-PCR für RHDV ist aufgrund des Vergleiches der Sequenzen in der Primer/Sonden-Region nicht zu erwarten. Außerdem ist dieses Virus als potentieller Vorläufer des RHDV primär im Darm zu finden und führt zu einer 100 % Serokonversion in infizierten Kaninchenpopulationen (CAPUCCI et al. 1997). Daß alle für den beschriebenen Versuch verwendeten Kaninchen - sowohl seronegative Kontrolltiere als auch die später infizierten und rekonvaleszenten Tiere - aus demselben Bestand stammten, spricht also ebenfalls gegen den Nachweis des RCV.

DISKUSSION

Als Ergebnis dieses Tierversuches wurde erstmalig die Persistenz von RHDV-RNA bis zu einem Zeitpunkt von 15 Wochen nach experimenteller Infektion mit RHDV nachgewiesen und quantifiziert. Es konnte jedoch kein Antigen oder infektiöses Virus nachgewiesen werden, wobei sowohl quantitative Effekte - bzw. die zu geringe Sensitivität der verfügbaren Methoden - als auch inhibitorische Effekte durch die hohen Antikörper-Titer der rekonvaleszenten Tiere berücksichtigt werden müssen. Daher sind weitere Untersuchungen nötig, um zum einen festzustellen, ob die Persistenz viraler RNA mit einer Viruspersistenz einhergeht. Zum anderen sollten die Mechanismen einer möglichen Reaktivierung der persistierenden RNA untersucht werden, um so die Epidemiologie der RHD weiter aufzuklären.

Ein zweiter Tierversuch wurde durchgeführt, um einen evtl. carrier-Status bei immunisierten Kaninchen nach der challenge-Infektion mit RHDV nachzuweisen. Dabei wurde auch untersucht, ob das Auftreten und die Dauer dieses carrier-Status bzw. die Höhe der nachweisbaren Virusgenomlast vom Antikörper-Status des einzelnen Tieres beeinflusst wird.

Es wurden diejenigen Proben zur Untersuchung ausgewählt, bei denen basierend auf den Ergebnissen des ersten Tierversuches die höchsten Virusgenomlasten erwartet werden konnten.

Virale RNA wurde bei allen Tieren detektiert, allerdings waren die Virusgenomlasten geringer als bei den rekonvaleszenten Tieren - bei vergleichbaren Probennahmezeitpunkten.

Die Immunisierung der Tiere ist folglich mit einer reduzierten Virusgenomlast gegenüber der bei rekonvaleszenten Tieren verbunden, ist aber nicht in der Lage, eine „sterile Immunität“ zu gewährleisten. Auffällig ist, daß bei den immunisierten und danach feldvirusexponierten Kaninchen nur bei zwei Tieren virale RNA in der Gallenflüssigkeit nachgewiesen werden konnte, während bei den rekonvaleszenten Tieren mit einer Ausnahme dort die höchsten Virusgenomlasten gefunden wurden.

Wegen der vergleichsweise niedrigen Mengen detektierter viraler RNA und des daher zu erwartenden negativen Ergebnisses wurden Antigen-Nachweisverfahren wie ELISAs sowie die Prüfung einer Virusausscheidung mittels Kontakttieren nicht durchgeführt. Die höchste Virusgenomlast wurde beim Tier Nr. 14, das den schlechtesten Antikörper-Status hatte und darüber hinaus zum frühesten Zeitpunkt (9 Wochen p.i.) getötet wurde, nachgewiesen.

Kinetik von Replikationsvorgängen des RHDV in vitro

Abgesehen von diesem Einzeltier zeigte sich weder ein deutlicher Zusammenhang der Höhe der Virusgenomlast mit dem Zeitpunkt der Probennahme noch mit dem unterschiedlichen Antikörper-Status der Tiere.

Zusammenfassend wurden erstmalig immunisierte Tiere, die eine experimentelle challenge-Infektion überlebten, als carrier von RHDV-RNA identifiziert. Somit wurde gezeigt, daß die Immunisierung gegen die RHD - und zwar sowohl mit einem kommerziellen inaktiviertem Vollvirusimpfstoff als auch mit einer Subunitvakzine - nicht zu einer

„sterilen Immunität“ führt. Vergleichbare Untersuchungen gibt es im Schrifttum bisher nicht.

Auch hier bleibt zu klären, ob und wie das persistierende virale Genom reaktiviert werden kann, und ob damit vakzinierte Kaninchen eine Bedeutung für Bestandsreinfektionen besitzen.