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3. ZUR GESCHICHTE DER HEIMATMUSEEN

3.2. Zur Museumsgeschichte der DDR

Da der Heimatbegriff nach der Zeit des Nationalsozialismus ideologisch belastet und fragwürdig geworden war, sollte in der SBZ bzw. DDR in den ersten Nachkriegsjahren auf der einen Seite die Verwendung des Heimatbegriffes in der Vergangenheit analysiert und gleichzeitig ein neuer Begriff gefunden werden, der sich aus der Geschichte ableiten ließ und politisch genutzt werden konnte: so wurde bereits im Juni ein neugegründeter Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands damit beauftragt, einen solchen Heimatbegriff zu formulieren. In den fünfziger Jahren setzte dann eine breite Diskussion um einen sozialistischen Heimatbegriff ein; dabei lag der Fokus auf der Bedeutung des Klassenkampfes für die Durchsetzung eines historischen Fortschritts. Konkret sollte die lokale Geschichte erforscht und dabei, stärker als in der bürgerlichen Heimatgeschichte, agrar-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte betont werden; Ortschroniken sollten die Voraussetzung für eine gegenwartsbezogene Heimatgeschichte schaffen. Obwohl die Partei- und Staatsführung gerade in den fünfziger Jahren auf die Einführung einer nationalen Betrachtungsweise in das Geschichtsbild der DDR achtete, wurde die Heimatgeschichte parallel dazu offiziell anerkannt und gefördert; offenbar bestand, gemessen am Interesse an heimatgeschichtlicher Literatur, ein großes Bedürfnis in der Bevölkerung, sich mit dem Thema Heimat auseinander zu setzen;

die Führung der DDR nutzte dies für ihre Politik des sozialistischen Aufbaus und der nationalen Konzeption.

Bis zu Beginn der sechziger Jahre wurde darüber diskutiert, wie ein sozialistischer Heimatbegriff genau definiert werden müsse; diese Diskussionen, die vom Ministerium für Kultur ausgingen, wurden vor allem wegen des Heimatkunde-Unterrichts geführt, in dessen Rahmen der Heimatgedanke vermittelt werden sollte. Grundsätzlich war man sich darüber einig, dass sich ein sozialistischer Heimatbegriff von bürgerlich-romantischen Klischees distanzieren und auf dem marxistisch-leninistischen Geschichtsverständnis aufbauen müsse.

Heimat wurde schließlich als der soziale Lebensbereich eines Menschen verstanden, der nicht unbedingt mit seinem Geburtsort zusammenfallen muss. Heimat wird in dieser Sichtweise durch Arbeit und gesellschaftliche Tätigkeit gestaltet, die „Heimatliebe“ äußert sich „in der

36 Siehe zur Diskussion der Trennung von Schau- und Studiensammlung sowie für ein Beispiel der Ordnung nach Werkstoffen Roth 1990: S. 211f.

37 Roth (1990: S. 213-223) stellt neben dieser Bilanz traditionelle und in den zwanziger Jahren neu hinzuge-kommene Darstellungstechniken vor: zu den ersten gehören Puppen, Stuben, Schrift und Dioramen, zu den letzten Licht, Fotografien, Filme und Schallplatten. Während der NS-Zeit lieferte die Werbung mit ihrer Hervor-hebung der Warenästhetik Gestaltungsideen für die politische Propaganda (S. 224).

Mitarbeit beim Aufbau des Sozialismus der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bereitschaft, unseren Arbeiter- und Bauern-Staat zu verteidigen“.38 In den siebziger Jahren wurde dieser Heimatbegriff noch umfassender angelegt im Bemühen, die marxistisch-leninistische Ideologie fundierter auszubauen und darauf auch eine systematische Geschichtstheorie zu begründen.39

Parallel zu diesen Diskussionen, die über den Heimatbegriff für den entsprechenden Schulunterricht geführt wurden, etablierte sich die Heimat- und Regionalgeschichtsforschung innerhalb der Geschichtswissenschaft nach entsprechenden Erklärungen bzw. Beschlüssen des ZK der SED, diese Forschungsrichtung zu fördern. Die Heimat- und Regionalgeschichtsforschung orientierte sich dabei an Theorien des Marxismus bzw. des historischen Materialismus; bis in die Mitte der siebziger Jahre hinein galt die zentrale Fragestellung dabei der Bedeutung regionaler Besonderheiten für die Erforschung der nationalen Geschichte. Seit Mitte der siebziger Jahre wurde die Region selbst zum Forschungsgegenstand.

Die Geschichte und Entwicklung der Heimatmuseen war eng mit den Diskussionen um den Heimatbegriff verbunden. In den fünfziger Jahren wurden die verbliebenen Sammlungen in neuen oder erneuerten Ausstellungsräumen wieder der Öffentlichkeit gezeigt. Einige Museen konnten ihre Sammlungen erweitern, indem sie z.B. Bestände aus ehemaligen Fürstenhäusern übernahmen. Auch profitierten sie von der Bodenreform, in deren Verlauf Kulturgut aus Schlössern, Guts- und Herrenhäusern beschlagnahmt wurde.40 In den fünfziger Jahren wurden neben zahlreichen Gedenkstätten für Repräsentanten der Arbeiterbewegung und Persönlichkeiten des Geisteslebens auch Museen neu aufgebaut.

Vor allem der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands förderte die Neugründung von Museen überwiegend im Bereich der Heimatmuseen und Heimatstuben;

die fachliche Betreuung der Heimatmuseen wurde von einer Dienststelle des Ministeriums für Kultur, der Fachstelle für Heimatmuseen, geleitet. Diese stellte vor allem Grundsätze für die Ausrichtung von Heimatmuseen auf, die „sozialistisch“ umgestaltet werden sollten. Das bedeutete vor allem, dass sich Ausstellungen nach Jahrestagen der DDR- oder SED- Gründung oder anderer Jahrestage richteten. Bis in die siebziger Jahre hinein wurden Ausstellungen von Heimatmuseen vor allem mit Texten und Dokumenten gestaltet; erst seit dem Ende der siebziger Jahre wurden auch Ausstellungen konzipiert, die Jahrestage und Jubiläen nicht nur zum Inhalt hatten, sondern diese zum Anlass wählten, um andere Inhalte, wie z.B. Kunst, zu zeigen. Für die etablierten großen Kunst-, Natur-, Technik- oder wissen-schaftlichen Museen gab es entsprechende Arbeitsprogramme nicht; diese befanden sich außerhalb dieser Entwicklung und arbeiteten akademisch und im Bereich von Ausstellungen auch nach internationalem Maßstab.41

Die zentralistische Struktur des Museumswesens in der DDR sollte der Staats- und Parteiführung eine sichere politische Einflussnahme garantieren. Gleichzeitig wurde durch

38 Anweisung zur Einführung des Faches Heimatgeschichte vom 30. Juni 1955, zitiert nach: Riesenberger 1991:

S. 329.

39 Siehe dazu ausführlich Riesenberger 1991: S. 329-332.

40 Zur Geschichte der Museumslandschaft in der SBZ und DDR siehe Karge 1996, hier S. 178. Die Gründung vor allem der Gedenkstätten für Vertreter der Arbeiterbewegung bewertet er als „frühe Beispiele für die Suche nach einer eigenen Identität der politischen Führung in der DDR“, bei denen „Aspekte der SED-Ideologie durchaus im Vordergrund“ standen (S. 179).

41 Karge 1996: S. 180-183.

diese Struktur ein hohes Maß an Kommunikation unter den Museen sowie eine zielgerichtete Ausbildung des Museumspersonals gewährleistet.42

Die Bemühungen des Ministeriums für Kultur, eine wissenschaftliche Grundkonzeption für alle Museen durchzusetzen, stießen seitens der Museen auf geringes Interesse; besonders die Heimatstuben, die zum großen Teil ehrenamtlich geführt wurden, versuchten sich staatlichen Lenkungsmaßnahmen zu entziehen, die vor allem in den sechziger und siebziger Jahren angestrengt wurden. Da mit den Grundsätzen für die wissenschaftliche Gestaltung von Heimatmuseen unterschiedlich umgegangen wurde und die Museumslandschaft in den einzelnen Bezirken unterschiedlich ausgerichtet war, wurden zwar Konzeptionen für Profilierungen dieser Museen erarbeitet, die durch das Ministerium für Kultur initiiert worden waren. Dieser Versuch, von oben ein homogenes Museumsnetz durchzusetzen, scheiterte jedoch.43

Als charakteristisch für die Konzeption der Museen insgesamt wird der marxistische Ansatz und später die Berücksichtigung von Forschungsansätzen zur Kultur und Lebensweise in der Volkskunde angesehen; es gab Phasen der Stagnation, aber auch Phasen der Innovation während der Entwicklung der ostdeutschen Museologie.44

Es traten unterschiedliche Widersprüche auf zwischen den klassischen Aufgaben der Museen und den inhaltlichen Zielen, die durch den Staat vorgegeben wurden. Während bei den Kunstmuseen eine große politische Einmischung zu beobachten war, die die Museen oft in ihrem selbstständigen Handeln beschränkte, bestand bei kunst- und kulturgeschichtlichen Museen der staatlich verordnete Grundsatz, dass Pflege, Bewahrung und Erschließung des kulturellen Erbes die wichtigsten kulturpolitischen Aufgaben seien; in dieser Hinsicht bestanden also keine großen Widersprüche zwischen den staatlich verordneten und den klassischen Aufgaben der Museen.45 Die Geschichtsmuseen dagegen wurden der Vermittlung der marxistisch-leninistischen Weltanschauung verpflichtet; zudem spielten Stadtmuseen eine wichtige Rolle innerhalb der Stadtgeschichtsforschung; hier wurde vor allem die Arbeiterbewegung ausführlich untersucht.46

Außer in Museen wurden auch in Traditionskabinetten Ausstellungen gezeigt; die Kabinette entstanden nach einem Beschluss des ZK der SED seit Beginn der siebziger Jahre und wurden überwiegend plakativ gestaltet.47. Traditionskabinette wurden in Betrieben, staatlichen und politischen Institutionen sowie in Schulen eingerichtet und verstanden sich als Stätten der ideologischen Erziehung. Die Inhalte und die Gestaltung richteten sich meist nach der Ästhetik von Wandzeitungen.48 Ausstellungsstücke waren Ehrenbanner, Orden, Urkunden, Pokale und andere Auszeichnungen des jeweiligen Betriebes.49

Trotz aller Unterschiede zwischen den Museumslandschaften der DDR und der alten BRD werden diese im Nachhinein nicht als unterschiedliche Museumskulturen beurteilt; während

42 Schade 1996: S. 167.

43 Zu diesem Ergebnis kommt Karge (1996: S. 185f.).

44 Siehe für eine Übersicht über die Entwicklung der Museologie der DDR Hofmann 1992: S. 21-23.

45 Schade 1996: S. 168.

46 Schultz 1991: S. 15 u.19.

47 Die Traditionskabinette stellten nach Einschätzung von Karge (1996) „Huldigungsstätten für die Politik der SED“ dar (S. 189).

48 Zu einer Kritik der Traditionskabinette siehe Flierl 1992: Er beurteilt diese als ideologische Staatsapparate, die der Ritualisierung von Diskursen dienten (S. 15).

49 Ein Beispiel eines außerbetrieblichen Traditionskabinettes war dasjenige im Prenzlauer Berg von Berlin; siehe dazu das Kapitel über das Prenzlauer Berg Museum für Heimatgeschichte und Stadtkultur.

der Teilung Deutschlands haben sich unter den verschiedenen gesellschaftlichen Systemen keine grundlegend anderen Museumsstrukturen herausgebildet, zumindest was das Verhältnis der Museumstypen untereinander und die klassischen Aufgaben von Museen angeht.50