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3. ZUR GESCHICHTE DER HEIMATMUSEEN

3.1. Heimatbewegung und Heimatmuseen

Die Geschichte der Heimatmuseen beginnt mit dem Aufkommen einer Heimatideologie im 19. Jahrhundert, die zumeist mit der Erforschung der eigenen nationalen Vergangenheit parallel verlief.21

Um die Jahrhundertwende war die Gründung von Heimatmuseen vor allem mit der damaligen Heimatbewegung verbunden. Vor allem bei lokal orientierten Heimatvereinen und –bünden spielte der Aufbau eines Heimatmuseums eine große Rolle, der teilweise mit der Erhaltung eines Gebäudes zusammenhing.22 Das Gebäude selbst stellte also oft schon einen der Gegenstände dar, die man für bedeutsam hielt und deshalb bewahren wollte. Es wurden vor allem bäuerliche Gegenstände gesammelt; dies ist vor dem Hintergrund des Wandels vom Agrar- zum Industriestaat zu sehen, der eine Selbstversicherung bäuerlicher Werte erforderlich machte.

Die Benennung der Museen in Heimatmuseen erfolgte erstmals in der Zeit um die Jahr-hundertwende, zuvor wurden diese Institutionen „Vaterländisches Museum“, „Altertums-museum“ oder „Geschichts„Altertums-museum“ genannt; der Begriff Heimatmuseum fasste die Vielfalt kleiner regionaler Museen zusammen.23

Eng mit der Heimatbewegung war auch eine Volksbildungsbewegung verbunden; diese war vor allem eine Initiative des Bürgertums und hatte angesichts der sich verändernden bäuerlichen Lebensweise das Ziel, die vorindustrielle Kultur zu bewahren. Die Bewegung förderte vor allem die Verbreitung von popularisierter Landeskunde, Regionalforschung und Volkskunde, wozu auch die Museen in großem Maße beitrugen. Auf diese Weise sollten soziale Unterschiede zwischen gesellschaftlichen Klassen ausgeglichen werden.24

Im Gegensatz dazu sahen Vertreter der Heimatschutzbewegung, die sich in einem „Bund Heimatschutz“ organisiert hatten und ebenfalls um die Jahrhundertwende die Einrichtung von Heimatmuseen verlangten, die Aufgabe dieser Museen anders gelagert: sie sollten durch die

21 Für eine ausführliche Darstellung der Geschichte der kulturgeschichtlichen Museen insgesamt siehe Döring 1977: S. 2-59. Eine institutions- und ideologiegeschichtliche Erforschung der Heimatmuseen vor allem für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts bietet Roth (1990).

22 Reeken 1999: S. 73 u. 77. Siehe auch das Kapitel über die Geschichte der Heimatbewegung.

23 Roth 1990: S. 30.

24 Döring 1977: S. 65. Die Volksbildungsbewegung versprach sich von der pädagogischen Arbeit in den Museen

„die Überwindung von feudalen und klerikalen Strukturen“ und wertete die Museumsarbeit „als Beitrag zur Emanzipation der Arbeiterschaft“ (Ringbeck 1991: S. 289).

Präsentation von Geschichte die gesellschaftlichen Verhältnisse bewahren und nicht zu einer Emanzipation der Arbeiter beitragen.25

Neben dieser Forderung der Heimatschutzbewegung, die regionale Kultur in ihrem gegenwärtigen Zustand zu erhalten, kam auch der Gedanke des Naturschutzes zum Tragen.

Diese beiden Ideen standen oft auch im Vordergrund bei der Gründung von Heimatmuseen, die Natur und regionale Kultur vor der Vernichtung bewahren sollten. Dieser Gedanke ging teilweise so weit, dass utopische Vorstellungen entwickelt wurden, nach denen die Gefühle der Menschen durch die Museen bestimmt würden; selbst Trachten- und Heimatfeste seien nicht geeignet, regionale Kultur zu bewahren, der Mensch müsse zu einem „homo musealis“

werden.26

Daneben spielten auch andere gesellschaftliche Strömungen bei der Gründung von Heimatmuseen eine Rolle, wie die Volkskunstbewegung und der Denkmal- und Naturschutz.

So dienten Heimatmuseen nicht nur der Verbreitung bürgerlicher Ideen, sondern auch der Kritik der als artifiziell empfundenen bürgerlichen Kultur. Insgesamt sind für die Museen um die Jahrhundertwende drei Ausrichtungen typisch: die Präsentation lokaler oder regionaler Geschichte, die Darstellung von Tradition und die Betonung der Ästhetik von Exponaten.27 Der Gedanke der Bewahrung oder Rettung von Objekten bzw. historischen Gebäuden innerhalb der Heimat- bzw. Volkskunstbewegung spiegelte sich auch in der Gestaltung der Ausstellungen wider. Die Präsentation beschränkte sich zunächst darauf, die bewahrten Objekte zu zeigen; dabei wurden historische, volks-, heimat- und naturkundliche und auch ethnographische Objekte häufig nebeneinander gezeigt. Typisch für die Zeit kurz nach der Jahrhundertwende war dabei die ethnographische Inszenierung, die der Wirklichkeit möglichst nahe kommen sollte.28 Das Besondere an der Arbeit der Heimatmuseen war das Sammeln und Bewahren einer möglichst großen Anzahl von Objekten aus allen Bereichen des täglichen Lebens, wobei der Sammlungstätigkeit meist eine durchgehende Systematik fehlte.29 Typisch für die Konzeption von Heimatmuseen vor dem Ersten Weltkrieg war eine Unterteilung der Sammlung in eine kulturhistorische und eine naturkundliche Abteilung. Die Ortsgeschichte wurde so auf der einen Seite anhand von Urkunden, Plänen, Bilddokumenten und Münzen dargestellt, wobei volkskundliche Themen durch Trachten, Haushaltsgeräte und Arbeitswerkzeuge gezeigt wurden; auf der anderen Seite wurden geologische Verhältnisse sowie Tier- und Pflanzenwelt durch naturkundliche Exponate präsentiert.30 Später ging man dazu über, Inszenierungen zu zeigen, die historische Lebensweisen möglichst umfassend darstellen sollten.31

25 Nach der Vorstellung der Heimatschutzbewegung sollten die Museen „bei dem aus den unteren Schichten stammenden Besucher nicht zu einem Erkenntnisprozess und einer möglicherweise daraus resultierenden Forderung nach Gleichberechtigung und Beseitigung sozialer Unterschiede führen“ (Ringbeck 1991: S. 289).

26 Dieser Ausdruck zur Charakterisierung der Gedanken einiger Vertreter des Heimatschutzes zur Bedeutung von Heimatmuseen gebraucht Hartung (1991: S. 114).

27 Siehe für diese Charakterisierung des Heimatmuseums um 1900 Korff 1999.

28Meiners bezeichnet dieses Konzept als die Idee einer „authentischen, historisch-ethnographischen Inszenierung“ und weist darauf hin, dass ethnographische Konzepte schon auf der Weltausstellung 1867 in Paris durch die Abteilungen Schweden und Norwegens erfolgreich gezeigt worden waren (Meiners 2002: S. 283f.).

29 Die gesammelten Objekte wurden „im großen Überblick zu Marginalien“, präsentierten „aber auch die kulturelle Diversifikation“ (Roth 1990: S. 30).

30 Ringbeck 1991: S. 289.

31 Das Ziel war, „räumliche Ensembles“ zu bilden, die ein „Gesamtbild einer vergangenen Lebenswelt“ ver-mitteln sollten (Fuchs u.a. 1998: S.36); siehe für einen Überblick über die Entwicklung der Präsentationsweisen in Heimatmuseen Fuchs u.a.: S. 36f., für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Roth 1990: S. 191-225.

In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bis in die zwanziger Jahre hinein schlossen sich Heimatmuseen zu Museumsverbänden zusammen, wobei ihre Anerkennung von staatlicher und wissenschaftlicher Seite her stieg. In Fragen der Präsentation von Themen orientierte man sich in dieser Zeit an der Gestaltung traditioneller Industrie- und Gewerbeausstellungen sowie an großen Warenhäusern; diese stellten Produkte in kleiner Anzahl aus, um deren Ästhetik zu betonen, und vermieden große Inszenierungen. Während viele Heimatmuseen in der Darstellungsweise noch unstrukturiert arbeiteten, gestalteten andere Museen ihre Ausstellungen nach funktionalistischen Gesichtspunkten. Dabei waren zwei Arten der Darstellungspraxis führend: zum einen eine Orientierung an der Ästhetik der Neuen Sachlichkeit und des Bauhauses, zum anderen die Montage, die ihre Anregungen von den russischen Konstruktivisten der Revolutionskunst bekam.32

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Museumswesen staatlich reglementiert und kontrolliert. Die Museumsverbände waren als Organisationsgefüge während der Zeit des Nationalsozialismus ein willkommenes Instrument, um die ideologisch wertvollen Heimatmuseen im Zuge der Gleichschaltung zu sichern und auszubauen; da die Initiativen zur Gründung von Heimatmuseen oft von konservativen und deutschnationalen Kreisen ausgegangen waren, identifizierten sich diese oft problemlos mit der Gleichschaltung der Museen.33

Heimatmuseen dienten also der Erziehung im Sinne des Nationalsozialismus; trotzdem wird in der Literatur zwischen politischen und unpolitischen Museen in dieser Zeit unterschieden.34 Diese Unterteilung bedeutet, dass im ersten Typ die nationalsozialistische Propaganda deutlich in den Ausstellungen thematisiert wurde; im zweiten Typ wurde die Zielsetzung des NS-Regimes zwar inhaltlich unterstützt, die ästhetische Gestaltung der Ausstellungen jedoch drängte die ideologischen Ziele in den Hintergrund.

Die Darstellungspraxis orientierte sich während der NS-Zeit vor allem an der „Sachlichkeit“, die hier durch zwei scheinbar gegensätzliche Charakteristika gekennzeichnet war: zum einen zeigten die Ausstellungen den deutlichen Bezug zu Präsentationsformen, die in einer technik-fixierten Industriegesellschaft entwickelt wurden, zum anderen wurden Inhalte propagiert, die sich durch „Altertümlichkeiten der völkischen Germanen-Orientierung“ auszeichneten, so dass schließlich ein „Amalgam aus Avantgarde-Design und Germanenkult“ entstand.35

Die Präsentationstechniken in den Heimatmuseen hatte sich also seit der Jahrhundertwende bis in die dreißiger Jahre hinein stark gewandelt, was allgemein auch mit der Professionalisierung der Museumslandschaft zusammenhing. Ein weiteres Kennzeichen dieser Entwicklung war die Trennung von Studien- und Schausammlung, die sich schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abzeichnete. Diese Trennung bedeutete, dass sowohl eine Schausammlung wissenschaftliche Arbeit popularisierte und didaktisch aufbereitet präsentierte als auch eine Studiensammlung wissenschaftliche Arbeit selbst ermöglichte.

Diese Trennung wurde später im Rahmen der Volksbildungsbewegung kontrovers diskutiert, da nicht alle mit der Einteilung des Publikums in Wissenschaftler und Laien einverstanden waren. Dennoch behielt man in den Museen dieses Verfahren bei und griff in den zwanziger Jahren sogar eine Methode auf, die in Kunstgewerbemuseen bereits am Ende des 19.

Jahrhunderts wieder verworfen worden war: die Ordnung der Objekte nach „Werkstoffen“,

32 Siehe hierzu Roth 1990: S. 191-193.

33 Ringbeck 1991: S. 299f.

34 Siehe für diese Unterteilung Roth 1990: S. 130ff.; für ein Beispiel des ersten Typs von Heimatmuseum siehe Ringbeck 1991: S. 301-306, für den zweiten Typ S. 306-311.

35 Roth 1990: S. 205.

d.h. nach den Materialien der Exponate. Die „Werkstoff“-Konzeption wurde während der NS-Zeit häufig angewandt, da die entwicklungsgeschichtliche Betrachtungsweise, die traditionell in den Heimatmuseen zu finden war, der nationalsozialistischen Rassentheorie widersprach.36 Insgesamt lässt sich für die Entwicklung der Darstellungsweisen in Heimatmuseen sagen, dass die Ausstellungen übersichtlicher gestaltet wurden: weniger Exponate wurden in der Ausstellung, dafür ein Teil in einer Studiensammlung gezeigt; gleichzeitig wurden die Ausstellungen didaktisch aufbereitet. Teilweise orientierte man sich an der Darstellungspraxis von Kaufhäusern: hier wurde das Prinzip übernommen, Objekte in Vitrinen zu präsentieren, wodurch sowohl die Wirkung der einzelnen Objekte als auch deren Zusammenstellung hervorgehoben wurde.37 Dieser Stil der Präsentation hat bis in die Gegenwart seine Auswirkungen auf die Museumsarbeit, was sich auch in einigen Ausstellungen der Berliner Bezirksmuseen erkennen lässt.