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Köpenick und Prenzlauer Berg: Musealisierung der DDR?

5. BESCHREIBUNG UND ANALYSE AUSGEWÄHLTER BEZIRKSMUSEEN

5.3. Köpenick und Prenzlauer Berg: Musealisierung der DDR?

An dieser Stelle der Analyse stellt sich die Frage, ob die Ostberliner Museen im Hinblick auf ihre Geschichte in der DDR Charakteristika aufweisen und wie sich diese in der Museumsarbeit wiederfinden lassen.

Zunächst muss man feststellen, dass die Geschichte beider Museen sehr unterschiedlich ist.

Das Köpenicker Museum bestand als Heimatschulmuseum schon vor der Zeit der DDR; als Heimatgeschichtliches Kabinett in der DDR widmete es sich vor allem der Darstellung der langen Geschichte Köpenicks seit der Steinzeit. Diese Tradition wird in einem großen Teil der Dauerausstellung aufgegriffen. Hier spielt die Zeit der DDR jedoch keine größere Rolle als andere historische Perioden auch. Die Darstellung der Museumsgeschichte im Foyer legt den Schwerpunkt auf die Gründungsphase in den zwanziger Jahren; die DDR-Geschichte wird also nicht besonders hervorgehoben. Dasselbe gilt für die Wechselausstellung. Auch die Sammlung, die zu einem großen Teil nach dem Mauerfall angelegt wurde, weist keinen besonderen Bestand zur DDR-Geschichte auf.

Das Prenzlauer Berg Museum wurde erst nach der Wende gegründet und lässt ebenfalls wenig Bezüge zu den Vorgängern des Museums, dem Heimatgeschichtlichen Kabinett und dem Traditionskabinett, erkennen. Das Museum thematisiert nicht wie das Köpenicker Museum in einer Dauerausstellung seine Geschichte. Es werden jedoch Überlegungen angestellt, die Geschichte des Traditionskabinetts in einer Dauerausstellung zu zeigen.230

Im Ausstellungsmagazin lässt sich die Geschichte der Sammlung nur erahnen. Hier bildet die DDR eines der Hauptthemen, so dass zumindest deutlich wird, dass viele Exponate aus dieser Zeit stammen. Gelegentlich wird diese historische Periode durch Unterthemen näher erläutert.

Die Dokumentation der letzten Ausstellung des Traditionskabinetts bildet eines der Exponate, kann jedoch vom Besucher nicht eingesehen werden. Vereinzelte Hinweise auf die Musealisierung der DDR finden sich bei zwei Exponaten (einem Emblem einer Brauerei sowie eine Zellentür), deren Karteikarten Unterthemen zu diesem Thema dokumentieren.

Die Wechselausstellung thematisiert die DDR-Zeit nur als eine historische Periode innerhalb der Film- und Kinogeschichte des Bezirks. Die Kulturpolitik der DDR wird in einzelnen Ausstellungsteilen angerissen, wenn es um das Verbot bestimmter Filme und deren späte Uraufführung nach 1989 geht, steht aber nicht im Vordergrund.

In beiden Museen ist also weder eine Auseinandersetzung mit möglicherweise politisch beeinflussten Ausstellungen in der DDR-Zeit noch eine Museumsarbeit in Richtung Nostalgie oder Heimattümelei zu beobachten. Das Thema Musealisierung der DDR lässt sich nur versteckt im Ausstellungsmagazin des Prenzlauer Berg Museums wiederfinden.

Eine Ausnahme bildete eine Wechselausstellung des Prenzlauer Berg Museums 1999/ 2000 mit dem Titel „Die Zeit ist reif... Prenzlauer Berg 1989/90“.231 Die Ausstellung wurde anlässlich des 10. Jahrestags der Wende in Zusammenarbeit mit der Robert-Havemann-Gesellschaft und der Universität Potsdam gezeigt. Die Ausstellung hatte das Ziel, nicht nur die bereits über die Massenmedien bekannten Bilder zum Mauerfall zu zeigen, sondern den Blick vor allem auf konkrete Geschehnisse der Wendezeit in Prenzlauer Berg zu lenken. Viele

230 Interview mit Herrn Roder am 14.5.2002.

231 Da kein Katalog oder andere Unterlagen die Ausstellung dokumentieren, basieren die Angaben zur Ausstellung auf Notizen des Autors, der an der Vorbereitung und Betreuung der Ausstellung beteiligt war.

Einzelgeschichten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Bildungswesen, Kunst und anderen gesellschaftlichen Themen dokumentierten die Veränderungen durch den Mauerfall. Diese Geschichten mussten zum größten Teil erst über Interviews mit Zeitzeugen recherchiert werden. Das Gleiche galt für die Exponate, die sich nicht nur in Archiven, sondern vor allem im Privatbesitz befanden. Das Ausstellungsprojekt war ein Beispiel dafür, wie Objekte und die damit verbundenen Geschichten erst im Zuge der Vorbereitung einer Ausstellung erschlossen werden und nach Ende der Ausstellung das Archiv bzw. die Sammlung des Museums ergänzen.

Durch die Einbeziehung von Zeitzeugen des politischen Umbruchs in Prenzlauer Berg bildete die Ausstellung ein Kaleidoskop verschiedener Einzelgeschichten, die aus dem Alltag des Bezirks in dieser Zeit berichten. Die Exponate waren zum Teil private Erinnerungsstücke und damit Zeichen individueller Erlebnisse zu Zeiten des Mauerfalls. So wurden nicht nur die offizielle politische und wirtschaftliche Seite der Veränderungen, sondern auch die Auswirkungen der gesellschaftlichen Umbrüche auf einzelne Personen oder Gruppen wie Schüler, Pädagogen, Künstler und Politiker gezeigt. Von der Vielfalt der individuellen Erlebnisse und Erinnerungen zeugten die präsentierten Objekte, die oft erst durch ihre Darstellung im jeweiligen Kontext für den Besucher eine Bedeutung erhielten. Eine verrostete Blechdose beispielsweise stellte als symbolischer Grundstein den Baubeginn eines Abenteuerspielplatzes dar, dessen Bau zwar lange geplant und gefordert, aber erst nach der Wende möglich geworden war. Ein anderes Beispiel waren handgeschriebene Wandzeitungen einer Schule, die von den Diskussionen unter Lehrern und Schülern über die zukünftige Ausrichtung von Schulfächern zeugten.

Die Ausstellung regte zu vielen Diskussionen innerhalb und außerhalb des Museums an. Die Aufsicht wurde zeitweise von Autoren der Ausstellung übernommen, um für Rückfragen zur Verfügung zu stehen und weitere Geschichten aus der Zeit der politischen Wende im Bezirk durch Zeitzeugeninterviews zu recherchieren. Die Betonung der Alltagsgeschichte und die Präsentation des Themas mit Hilfe verschiedenster persönlicher Gegenstände sprach sowohl Bewohner des Bezirks, deren Erinnerungen an die eigenen Erlebnisse geweckt wurden, als auch Hinzugezogene bzw. Bewohner anderer Bezirke oder Städte an, die auf diese Weise auch die alltägliche und inoffizielle Seite des politischen Umbruchs in einem Berliner Bezirk kennen lernen konnten.

Andere vergangene Wechselausstellungen beider Museen thematisierten die Zeit der DDR jedoch nicht. Die spezifische Gestaltung von DDR-Produkten wird in keiner der Ausstellun-gen herausgestellt; lediglich im Ausstellungsmagazin des Prenzlauer Berg Museums kann der Besucher anhand des Unterthemas DDR Produkte aus dieser Zeit erschließen; die Ausstellung gibt hier aber keine Hinweise, inwieweit sich politische Rahmenbedingungen an der Gestal-tung und Beschaffenheit von Objekten ablesen lassen. So zeigt die Analyse, dass sich die beiden untersuchten Ostberliner Museen in ihrer Konzeption und Ausstellungsarbeit kaum von den Westberliner Museen unterscheiden. Diskussionen innerhalb der Museumslandschaft, wie sie Anfang der neunziger Jahre beispielsweise über die Musealisierung der DDR geführt wurden, lassen sich in der heutigen Museumsarbeit nicht wiederfinden.

Ähnliches gilt auch für die anderen Ostberliner Bezirksmuseen. So wurde die Geschichte und Kultur der DDR beispielsweise im Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf lediglich in der Ausstellung „20 Jahre Marzahn. Geschichte – Bauen - Wohnen“ im Jahr 1999 thematisiert.232 Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Stadtbezirks Marzahn zeigte das Museum in einer

232 Siehe hierzu den Begleitband zur Ausstellung (Bezirksamt Marzahn zu Berlin 1999).

Ausstellung einen historischen Überblick über die jüngste Geschichte mit zwei thematischen Schwerpunkten: der Wohnungsbau in diesem Bezirk, der aufgrund eines Beschlusses des Zentralkomitees der SED 1973 zur Errichtung großer Wohngebiete in Marzahn führte, und das alltägliche Leben im Bezirk vor und nach der Wende. Der Alltag in der DDR wurde in der Ausstellung aus mehreren Perspektiven betrachtet. Zum einen wurde der Ausbau der Infrastruktur wie Einkaufsmöglichkeiten, Verkehrswege, Kinderbetreuungen, Gastronomie und medizinische Versorgung beschrieben. Zum anderen dokumentierte die Ausstellung mit Hilfe von Zeitzeugen-Interviews das Leben einzelner Bewohner zu Hause, als Mitglied eines Vereins oder der Kirche sowie einer Hausgemeinschaft.233

Das Heimatmuseum Treptow zeigte im selben Jahr eine Wechselausstellung zum Leben im Grenzgebiet und geht in seiner Dauerausstellung (2003) auch auf die Industriegeschichte der DDR ein.234 Das Thema DDR-Geschichte bzw. DDR-Alltag steht in der Dauerausstellung jedoch nicht im Vordergrund.

Das Heimatmuseum Friedrichshain widmete sich lediglich von Februar bis April 2003 dem Thema DDR-Alltag im Rahmen einer Leihausstellung, die vom „Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR“ in Eisenhüttenstadt erstellt wurde.235 Die Ausstellung mit dem Titel

„ABC des Ostens“ zeigte für jeden Buchstaben des Alphabets einen Alltagsgegenstand.236 Die Objekte boten eine breite Übersicht über die Produktkultur der DDR und vermittelten vom einzelnen Gegenstand ausgehend Einblicke in Geschichte und Gebrauch der Dinge. Dabei kamen unterschiedliche Bedeutungsebenen wie Design, Nutzung und Produktion zur Geltung.

Das Friedrichshainer Museum selbst hat bisher keine Ausstellung zum Thema DDR-Geschichte bzw. –Alltag erarbeitet.

Das Heimatmuseum Lichtenberg besitzt zwar einen Sammlungsbestand zur DDR-Geschichte, zeigte diese Objekte aber nur zum Teil im Rahmen von Wechselausstellungen. Die Ausstellungen „Fabrikstadt Lichtenberg. Bergauf und Bergab im Berliner Osten“ (1997/98) zur Industriegeschichte des Bezirks und „Karlshorst: Zwischen Erinnerung und Nachdenken“, anlässlich des hundertjährigen Bestehens von Karlshorst im Jahr 1996 gezeigt, präsentierten DDR-Geschichte lediglich als Kapitel innerhalb einer längeren historischen Periode. Im Jahr 2003 zeigte das Museum außerdem unter dem Titel „Depotfenster. Bilder aus dem Museumsfundus“ Kunstwerke aus DDR-Zeiten, die über die Motive einen lokalen Bezug zum Bezirk aufweisen. In allen drei Ausstellungen stand die DDR-Geschichte Lichtenbergs nicht im Mittelpunkt. Für das Jahr 2004 wird allerdings eine Ausstellung zum Spielzeug in der DDR geplant, die sich mit Gestaltung und materieller Beschaffenheit von DDR-Produkten befassen wird.

Das Heimatmuseum Hohenschönhausen zeigte 1997 die Ausstellung „Wartenberg im Rampenlicht. Bitterfelder Wege übers Land“.237 Der Untertitel spielt auf eine Phase der Kulturpolitik der DDR an, die nach zwei Kulturkonferenzen 1959 und 1964 in Bitterfeld benannt wurde. Diese Politik beinhaltete zwei Aufträge: zum einen an Schriftsteller und Künstler, in Betriebe zu gehen, um gesellschaftliche Veränderungen kennen zu lernen, und zum anderen an Arbeiter und Bauern, künstlerisch aktiv zu werden. Die Ausstellung

233 Siehe hierzu Jacob / Schröder 1999.

234 Siehe auch den Begleitband zur Wechselausstellung (Blask 1999).

235 Andere Ostberliner Bezirksmuseen verweisen bei Nachfragen zum Thema DDR-Alltag teilweise auf dieses Dokumentationszentrum, das eine umfangreiche Sammlung von Alltagsgegenständen der DDR besitzt und Ausstellungen zu diesem Thema zeigt.

236 Die Ausstellung wird beschrieben unter <http://www.alltagskultur-ddr.de> und wurde u.a. auch im Textilmuseum Crimmitschau, im Stadtmuseum Wolfsburg und im Dominikanerkloster Prenzlau gezeigt.

237 Siehe auch den Katalog zur Ausstellung (Friedrich u.a. 1997).

tierte vor diesem Hintergrund eine Laienspielgruppe und ein daraus entstandenes Bauern-theater in Bitterfeld. Außer in dieser Ausstellung wurde jedoch auch im Hohenschönhausener Museum die DDR-Geschichte nicht thematisiert.

Das Panke Museum in Pankow stellt die DDR-Geschichte an keiner Stelle der Dauer-ausstellung dar und hat dies auch innerhalb früherer WechselDauer-ausstellungen nicht getan. Das Gleiche gilt für das Stadtgeschichtliche Museum Weißensee und das Museum Mitte von Berlin.

Die Geschichte und der Alltag der DDR bzw. die Geschichte der Bezirksmuseen zu dieser Zeit spielen in allen Ostberliner Museen also nur eine unbedeutende Rolle. Die Bezirks-museen Ostberlins orientieren sich bei der Erforschung und Darstellung der jeweiligen Regionalkultur nicht an der DDR-Geschichte, sondern an Themen, die unabhängig von historischen Perioden die Bezirke kennzeichnen. Eine Auseinandersetzung der politischen Vorgeschichte der heutigen Museen fand bisher nicht oder nur am Rande von Ausstellungen statt. Ebenso wenig erforschten und thematisierten die Museen Ästhetik und Beschaffenheit von DDR-Produkten, obwohl sie auf einen entsprechenden Sammlungsbestand zurückgreifen könnten. Diskussionen, auf welche Weise die materielle Kultur der DDR für eine Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte und Gesellschaft genutzt werden kann, wurden von anderen Museen bereits geführt.238

238 Siehe hierfür beispielhaft Kuhn / Ludwig 1997.