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5. Diskussion

5.5 MRSA auf Gebrauchsgegenständen und Kontaktoberflächen in der Tierarztpraxis 74

Die Kleintierpraxis wurde auf das Vorhandensein von MRSA auf Kontaktoberflächen und Gebrauchsgegenständen hin untersucht. Die Untersuchungen zu dieser Fragestellung fanden in einem zweiphasigen Versuchsaufbau statt.

In der ersten Phase wurden neun Abstrichserien im Abstand von zwei bis drei Wochen von sechs definierten Entnahmestellen entnommen. Als Entnahmestellen wurden sechs selbst definierte „hot spots“ ausgewählt. Diese wurden ausgesucht zum einen in Hinblick auf eine wahrscheinlich hohe Kontaminationsrate durch die Hände der Praxismitarbeiter (Türklinke, Griff der Stationsbox, Scherkopf). Zum anderen wurden Entnahmestellen ausgesucht, mit der der Kleintierpatient Kontakt hat (Tierwaage, Ablauföffnung Behandlungstisch, Türrahmen).

Die drei letztgenannten Stellen wurden ausgewählt, da viele in der Kleintierpraxis vorgestellten Kleintiere mit ihrer Nase mit diesen Stellen während des Besuchs in Kontakt kommen. Der Scherkopf kann gleichzeitig zu den Kontakt- bzw. Infektionsquellen für das Tier zählen, da dieser direkten Kontakt zur Haut bekommt und eventuell auch einmal kleine Läsionen beim Scheren, z. B. vor Operationen, setzen kann.

Von insgesamt 54 Einzelbeprobungen in der ersten Phase wurde 27 Mal ein MRSA von den

„hot spots“ isoliert. Die Nachweishäufigkeit innerhalb einer Entnahmeserie schwankte zwischen den Serien von 0 von 6 Stellen positiv bis 5 von 6 Stellen positiv. Jede der 6 Stellen war während dieser neun Abstrichserien mindestens einmal MRSA-positiv.

Diese Untersuchung zeigt, dass MRSA in dieser Kleintierpraxis auf Gebrauchsgegenständen und Kontaktoberflächen über einen längeren Zeitraum vorkommen. Sie können mit einer hohen Nachweishäufigkeit auf den sechs „hot spots“ nachgewiesen werden. Am meisten von

einer Kontamination mit MRSA betroffen waren Stellen, die häufig mit den Händen in Berührung kommen. Der Scherkopf und die Türklinke waren je viermal mit MRSA kontaminiert. Gefolgt von dem Griff der Stationsbox mit drei positiven Ergebnissen. Dies deckt sich mit Untersuchungen anderer Autoren, bei denen die am höchsten mit MRSA kontaminierten Stellen, solche sind, die mit den Händen häufig berührt werden (LEMMEN et al. 2004, OIE et al. 2002). Die Ablauföffnung des Behandlungstisches, die Tierwaage und der Türrahmen waren jeweils zweimal mit MRSA kontaminiert. Diese Stellen werden weniger mit den Händen berührt, lediglich wenn sie verschmutzt sind und gereinigt werden müssen.

Diese Nachweise von MRSA auf Tierwaage, Türrahmen und der Ablauföffnung des Behandlungstisches sind für den Kleintierpatienten von besonderer Bedeutung, da dieses vor allem bei Hunden beliebte Stellen sind, die mit der Nase gerne inspiziert werden. Sie müssen als potentielle Quelle für eine Übertragung der MRSA von der Kontaktoberfläche auf das Tier angesehen werden.

Auch wenn die geringe Zahl an untersuchten Stellen keine Aussage zur Prävalenz von MRSA auf Gegenständen in dieser Praxis zulässt, zeigt diese Untersuchung in regelmäßig wiederholten Abstrichserien, dass die MRSA sich in den Praxisräumen verbreiten, auf Gegenständen und Oberflächen haften bleiben und auch über einen längeren Zeitraum auf diesen Oberflächen überleben können. Insgesamt kann auch eine Rekontaminationsdynamik in der Ausbreitung der MRSA beobachtet werden. Stellen, die einmal oder mehrmals MRSA-positiv waren, können bei der nächsten Abstrichserie wieder negativ sein und andersherum.

Es kam bei allen untersuchten Stellen von Zeit zu Zeit zu einer Rekontamination von zuvor MRSA-negativen Stellen. Wie schon aus vielen humanmedizinischen Untersuchungen zu MRSA bekannt, ist auch hier anzunehmen, dass die nasal kolonisierten Mitarbeiter und auch der MRSA-negative Mitarbeiter zu einer Verbreitung und Rekontamination der Gegenstände über die Hände beigetragen haben. Kontaminierte Hände sind einer der Hauptverbreitungswege von MRSA in medizinischen Einrichtungen (PITTET et al. 2000).

Vor allem von nasal kolonisierten Menschen, insbesondere von medizinischem Personal, geht eine hohe Kontaminationsrate von Gegenständen und Oberflächen aus (OIE et al. 2007). Dies bestätigt sich durch die vorliegende Untersuchung auch für diese Kleintierpraxis.

Zur Nachweishäufigkeit und Verbreitung von MRSA auf Oberflächen in tiermedizinischen Einrichtungen gibt es bisher nur eine geringe Anzahl an Studien. Eine Untersuchung zur

Prävalenz und Verteilung von MRSA auf Kontaktoberflächen und bei Mitarbeitern in einer Kleintierklinik der Universität Glasgow (HELLER et al. 2009) zeigte eine MRSA-Prävalenz von 1,4 % und 1,7 % auf Oberflächen in der Klinik. 3,1 % der in dieser Studie untersuchten Mitarbeiter waren nasal kolonisiert. Die genotypische Analyse ergab einen hohen Verwandtschaftsgrad der Isolate, so dass auch diese Autoren die kolonisierten Mitarbeiter als Ursache für die Verbreitung der MRSA in der Institution ansahen. Bei dieser Untersuchung kam eine vergleichsweise niedrige Prävalenz von MRSA in der Klinik zum Vorschein.

Isoliert wurde der in Krankenhäusern in Großbritannien epidemische Stamm EMRSA-15.

Andere Untersuchungen konnten eine höhere Kontamination von Gegenständen und eine häufigere Besiedlung des Personals mit MRSA in tiermedizinischen Einrichtungen nachweisen. LOEFFLER et al. wiesen im Jahr 2005 in einer Kleintierklinik in London eine MRSA-Prävalenz von 17,9 % beim Personal und von 10 % auf Oberflächen der Klinik nach.

Dominierend bei dieser Untersuchung war auch hier der in britischen Krankenhäusern epidemische MRSA-Stamm EMRSA-15. Auch in dieser Einrichtung wurde die Kontamination der Gegenstände mit MRSA durch das Personal der Klinik nachgewiesen.

Eine ähnlich hohe Prävalenz von 9,6 %, wurde in einer kanadischen Studie von WEESE et al.

(2004) in einer Pferdeklinik nachgewiesen. Während in der Klinik MRSA Nachweise bei Pferden und Mitarbeitern geführt werden konnten, wurden 260 Proben von Oberflächen in der Klinik auf das Vorhandensein von MRSA untersucht. Sowohl auf Oberflächen in Boxen von mit MRSA infizierten Pferden als auch weiter davon entfernt, sowie auf veterinärmedizinischem Instrumentarium wurden MRSA nachgewiesen. Dadurch konnte eine Verbreitung der MRSA in der Einrichtung über Personen und Gegenstände nachgewiesen werden. Die Rolle der kontaminierten Gegenstände als Ursache für die MRSA Infektionen bei Pferden oder Mitarbeitern konnten nicht geklärt werden.

In der vorliegenden Studie sowie den oben zitierten Untersuchungen wird das Vorkommen von MRSA auf Oberflächen in veterinärmedizinischen Einrichtungen beleuchtet. Die Untersuchungen zeigen die Verbreitung der MRSA durch das medizinische Personal und die Rolle der monatelangen Kontamination von Einrichtungsgegenständen einer Klinik oder Praxis als mögliche Infektionsquelle für Kleintierpatienten.

In dieser Studie wurden ausnahmslos die spa-Typen t034 in den Praxisräumen und t011 im Tierheim auf Oberflächen isoliert. Diese spa-Typen sind mit dem MLST-Typ ST398

assoziiert. In den oben zitierten Studien waren es immer MRSA, die in der jeweiligen Region epidemisch in humanen Kliniken vorkommen bzw. bei der jeweiligen Tierart häufig isoliert werden. Auch konnte bei allen Untersuchungen, wie auch in dieser Studie, ein Zusammenhang zum kolonisierten Personal mittels genotypischer Untersuchung der MRSA hergestellt werden. Die isolierten MRSA ST398 von den Gegenständen dieser Praxis, sind in Untersuchungen aus Kleintierkliniken bislang nicht als Problemkeim auf Oberflächen in Erscheinung getreten. Die ländliche Lage dieser Kleintierpraxis und die als Gemischpraktiker arbeitenden Tierärzte müssen hier als Ursache für die Kontamination der Gegenstände mit diesem beim Kleintier bislang nur sporadisch auftretendem MRSA-Typ angesehen werden.

In einer zweiten Phase der Untersuchung von Kontaktoberflächen und Gegenständen in der Kleintierpraxis wurde eine Intervention der Verbreitung der MRSA mittels Desinfektion der sechs „hot spots“ durchgeführt. Die Häufigkeit der Desinfektion wurde so ausgewählt, dass sie vom Zeitaufwand in einer derartigen Praxisstruktur als Routinedesinfektionsmaßnahme machbar und realisierbar erscheint. Daher wurden einmal am Ende der Woche die definierten

„hot spots“ desinfiziert. Jede der sechs Stellen wurden insgesamt zehnmal desinfiziert und zehnmal beprobt. Von insgesamt 60 Einzelbeprobungen konnte dreimal ein MRSA isoliert werden. Zweimal an Stellen, die häufig mit den Händen Kontakt haben, nämlich der Griff der Stationsbox und der Scherkopf. Dieses Ergebnis ist nicht verwunderlich, da zum Zeitpunkt der Phase 2 beide Tierärzte mittels Nasentupfer untersucht wurden und MRSA-positiv waren.

Verwunderlich ist, dass zu keinem Zeitpunkt der zehn Abstrichserien in der zweiten Phase die Türklinke MRSA-positiv war, obwohl noch drei MRSA-Nachweise geführt werden konnten und somit noch eine geringe Verbreitung der MRSA in den Praxisräumen trotz regelmäßiger Desinfektion vorhanden war. In Phase 1 war die Türklinke, zusammen mit dem Scherkopf, erwartungsgemäß die am häufigsten besiedelte Oberfläche. Die Oberfläche der Tierwaage wurde in dieser Phase 2 auch einmal MRSA-positiv getestet.

Das Ergebnis der Phase 2 mit Desinfektion der sechs ausgewählten Stellen zeigt deutlich den Einfluss eines konsequent durchgeführten Desinfektionsplans auf das Vorkommen und die Ausbreitung von MRSA auf Kontaktoberflächen in den Praxisräumen. Trotz der hohen Besiedlung des medizinischen Personals mit MRSA im Nasenvorhof zum Zeitpunkt der Untersuchung, konnten auf den ausgewählten Gegenständen und Kontaktoberflächen, die

zuvor teilweise mit einer hohen Nachweishäufigkeit mit MRSA kontaminiert waren, nur noch wenige MRSA Nachweise geführt werden. Die Händehygiene beim Personal war dieselbe, wie sie in Phase 1 praktiziert wurde. Es wurde nicht auf eine erhöhte Händedesinfektion hingewiesen, sondern es wurde die übliche Reinigungs- und Desinfektionsintensität der Hände vorgenommen, wie sie vor der Untersuchung stattfand. Dies zeigt, dass die gründliche Reinigung und Desinfektion von Gebrauchsgegenständen und Kontaktoberflächen in tiermedizinischen Einrichtungen zur Reduktion der Erregernachweise führen kann und somit ein wichtiges Instrument bei der Infektionsprophylaxe nosokomialer Erreger darstellt.

Die Bedeutung der Ansteckung mit nosokomialen Erregern über Gegenstände und Oberflächen in medizinischen Einrichtungen wird schon immer kontrovers diskutiert und die Möglichkeit der Infektion durch Gegenstände häufig als nicht bedeutsam dargestellt. Es gibt jedoch Untersuchungen aus der Humanmedizin die entsprechende Nachweise einer Infektion mit MRSA über medizinische Gegenstände erbringen konnten und sie als bedeutsam ansehen.

Somit müssen mit MRSA besiedelte Oberflächen immer als potentielle Infektionsquelle angesehen werden. HARDY et al. (2006) konnten den direkten Nachweis einer Infektion mit MRSA ausgehend von Gegenständen auf einer Intensivstation führen. DANCER et al. (2006) konnten beweisen, dass in einem Schottischen Krankenhaus die Nachweishäufigkeit von MRSA auf Oberflächen anstieg, dadurch dass Reinigungsmaßnahmen aufgrund von zeitweise fehlendem Personal nur unzureichend durchgeführt wurden. Verschiedene weitere Untersuchungen zum Einfluss von Reinigung in Krankenhäusern, können den Beweis liefern, dass eine verstärkte Reinigung der Oberflächen und Gegenstände, vor allem im patientennahen Bereich, zu einer deutlichen Reduktion der MRSA-Nachweise auf Oberflächen und zeitgleich der MRSA-Infektionen bei Patienten führt (RAMPLING et al.

2001, DANCER 2008). In der Studie von RAMPLING et al. waren vor allem verstaubte Oberflächen mit einer hohen Nachweishäufigkeit mit MRSA besiedelt. Eine weitere Studie von DANCER et al. (2009) verglich über ein Jahr lang in einem Krankenhaus den Einfluss einer erhöhten Reinigung zu der zuvor üblichen Reinigungsintensität. Es wurde ausschließlich mit Wasser und Detergentien gereinigt und nicht extra desinfiziert. Auch dieses führte zu einer Abnahme der MRSA-Infektionen während des Zeitraums erhöhter Reinigungsintensität auf der Station. Da Stellen die häufig mit den Händen berührt werden auch am meisten mit

MRSA kontaminiert sind (LEMMEN et al. 2004, OIE et al. 2002), sollte diesen Stellen besondere Aufmerksamkeit in einem Reinigungs- und Desinfektionsplan gewidmet werden.

Aus der Tiermedizin sind bislang keine Studien über Reinigung und Desinfektion in Tierkliniken zur Etablierung eines Hygieneregimes insbesondere in Bezug auf MRSA bekannt. Die vorliegende Arbeit gibt einen ersten Einblick in die Möglichkeiten der Infektionskontrolle durch Reinigung und Desinfektion bei der Eindämmung der Ausbreitung von MRSA in einer Tierarztpraxis. Wie diese Untersuchung belegt, ist es schon mit einfachen, wenig zeitintensiven und gezielten Desinfektionsmaßnahmen möglich die Ausbreitung von MRSA in einer Tierarztpraxis deutlich einzudämmen. In der Tiermedizin ist es eine Aufgabe für die Zukunft, Strategien und Routine-Standards für die Reinigung und Desinfektion in Tiermedizinischen Einrichtungen aufzustellen.

Reinigung und Desinfektion ist lediglich eines von mehreren Kontrollinstrumenten im Kampf gegen nosokomiale Erreger. Doch ein sehr entscheidendes Instrument, in Anbetracht der Tatsache, dass eines der effektivsten Maßnahmen, nämlich die Desinfektion der Hände, von der Compliance der Mitarbeiter abhängt. Gerade in Phasen mit einem hohen Patientenaufkommen und viel Arbeit, leidet die Einhaltung der regelmäßigen Desinfektion der Hände. So kann die Einführung eines Desinfektionsplans in der Tierarztpraxis als ein wichtiges und zuverlässiges Instrument in der Bekämpfung von MRSA-Infektionen angesehen werden.

5.6 Nachweishäufigkeit von MRSA im Tierheim

Die Untersuchung zur Nachweishäufigkeit von MRSA in einem Tierheim in einer ländlichen Region mit einem Fundtieraufkommen im Untersuchungsjahr von ca. 550 Tieren fand im Jahr 2009 statt. Untersucht wurden Gegenstände und Kleintiere sowie Mitarbeiter im Tierheim auf das Vorhandensein von MRSA über einen Zeitraum von drei Monaten.

Insgesamt wurden 76 Rachen- und Nasentupfer von Hunden und Katzen untersucht. Der einzige MRSA-Nachweis gelang bei einer kurz vor der Beprobung ins Tierheim aufgenommenen Fundkatze, die sowohl im Rachen mit MRSA besiedelt war als auch eine durch MRSA hervorgerufene Wundinfektion am Schwanz hatte. Sie kam schon mit der Verletzung am Schwanz ins Tierheim und hatte sich außerhalb des Tierheims mit MRSA infiziert. Bei der Untersuchung von Gegenständen und Kontaktoberflächen im Tierheim wurden von 25 Einzelbeprobungen einmal ein MRSA isoliert. Dieses MRSA-Isolat wurde in der Quarantänebox gefunden, in der die mit MRSA besiedelte und infizierte Katze untergebracht war. Nach diesem MRSA-Nachweis wurde die Quarantänebox drei weitere Male beprobt. Es wurde kein weiteres Mal MRSA aus der Box isoliert.

Bei der Mitarbeiteruntersuchung mittels Nasentupfer wurde bei keiner der acht beprobten Personen ein MRSA im Nasenvorhof nachgewiesen.

Eine Verbreitung der MRSA im Tierheim nach dem positiven MRSA Nachweis bei der Katze fand nicht statt, wie die negativen Tupferproben von Gegenständen, Personen und Tieren im Anschluss an den MRSA Nachweis zeigten. Dieses Ergebnis zeigt, dass sich MRSA nicht zwangsläufig in Räumlichkeiten mit einer hohen Kleintierdichte ausbreiten und etablieren müssen, sondern dass es auch bei einem Einzelgeschehen bleiben kann, wenn das Hygieneregime erfolgreich ist.