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2 Schrifttum

2.6 Epidemiologie Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus

Methicillin–resistente Staphylococcus aureus sind fakultativ pathogene Kommensalen des Menschen und der Tiere, die zu schweren „nosokomialen“ Infektionen (gr. Nosokomeion:

Krankenhaus) führen können. Nosokomiale Infektionen sind Infektionen, die in einem Krankenhaus oder einer anderen Gesundheitseinrichtung während des Aufenthaltes erworben werden.

Nach BARTELS et al. (2007) werden Methicillin-resistente Staphylococcus aureus aus klinisch epidemiologischer Sicht in verschiedene Gruppen unterteilt. Diese Unterteilung geht über die ursprüngliche Annahme, dass MRSA als reine nosokomiale Keime in Erscheinung treten, hinaus:

1. haMRSA - „hospital acquired“ MRSA. Diese MRSA kommen in Krankenhäusern sowie Einrichtungen des Gesundheitswesens vor.

2. caMRSA - „community acquired“ MRSA. Diese Gruppe MRSA tritt außerhalb des Krankenhauses in der Bevölkerung in Erscheinung.

3. laMRSA – „livestock associated“ MRSA. Dieser MRSA-Typ wurde erstmals in Nutztierbeständen isoliert.

Zu 1.:

MRSA sind bisher vor allem als Erreger nosokomialer Infektionen bekannt, welche als sogenannte „hospital acquired MRSA“ in Krankenhäusern ein großes hygienisches Problem darstellen, insbesondere auf Intensivstationen und bei immunsupprimierten Patienten. Bisher standen bei den haMRSA-Infektionen vor allem bestimmte Umstände bzw. Risikofaktoren, die diese Infektion begünstigten, im Vordergrund.

Solche Risikofaktoren sind z. B.:

○ Invasive Fremdkörper, z. B. Katheter (COELLO et al. 1997)

○ Stationäre Liegedauer sowie Behandlung auf Intensivstationen (WICHELHAUS et al. 1998)

○ Operationen (MANIAN et al. 2003)

○ Nasenbesiedlung (VON EIFF et al. 2001)

○ Antibiose (MONNET et al. 2004)

Unter den haMRSA gibt es Stämme mit einer ausgeprägten Ausbreitungsfähigkeit im Krankenhaus, die als epidemische MRSA besonders hervortreten. Diese epidemischen MRSA können durch molekulare Typisierung erkannt und von sporadisch auftretenden Stämmen abgegrenzt werden. Definiert werden solche epidemischen Stämme mittels bestimmter Typisierungsverfahren wie PFGE, MLST und spa-Typisierung, bei denen sie stets reproduzierbare eindeutige Erkennungsmerkmale zeigen. Im Gegensatz dazu stehen die sporadischen MRSA, die selten vorkommende Typisierungsergebnisse zeigen und nur vereinzelt auftreten.

Unter den epidemischen MRSA lässt sich eine geographische Verteilung in Deutschland erkennen. Epidemische MRSA der klonalen Linien ST22 („Barnim-Epidemiestamm“) und

ST45 („Berliner Epidemiestamm“) sind vor allem in der Nordhälfte der Bundesrepublik verbreitet. MRSA der klonalen Linien ST5 und ST225 werden als „Rhein-Hessen“-MRSA zusammengefasst und waren früher vor allem im Westen und Südwesten der Republik verbreitet, werden nun aber im gesamten Bundesgebiet nachgewiesen (ROBERT KOCH-INSTITUT 2007).

Tab. 2: Übersicht über die in Deutschland auftretende MLST-Typen und die bei diesen vorkommenden spa-Typen epidemischer MRSA:

Bezeichnung nach Herkunftsort MLST spa-Typ

Berliner Epidemiestamm ST 45 t004, t038, t0665 Barnimer Epidemiestamm ST 22 t005, t002, t032 Süddeutscher Epidemiestamm ST 228 t001

Rhein-Hessen Epidemiestamm ST 5/ST225 t002/ t003

Zu 2.:

In jüngster Zeit fallen im Gegensatz zu nosokomial auftretenden haMRSA-Infektionen vermehrt Infektionen mit MRSA in der Gesellschaft bei Personen im ambulanten Bereich auf.

Bis dahin waren an S. aureus-Infektionen außerhalb des Krankenhauses fast immer Methicillin-sensible S. aureus beteiligt. Die isolierten caMRSA können im Gegensatz zu den haMRSA auch bei jungen und gesunden Menschen zu einer Infektion führen, ohne dass die betroffenen Personen zuvor die für Krankenhausinfektionen bekannten Risikofaktoren besitzen oder vorher ein Krankenhausaufenthalt oder eine Operation stattgefunden haben (DEURENBERG et al. 2007).

Klinisch manifestiert sich eine durch caMRSA hervorgerufene Infektion häufig in Form von multiplen und rezidivierenden Abszessen sowie tiefgehenden Haut- und Weichteilinfektionen, aber auch lebensbedrohliche Erkrankungen wie nekrotisierende Fasciitis sowie nekrotisierende Pneumonie kommen vor.

Die erste Beschreibung von caMRSA erfolgte in den USA im Zusammenhang mit schweren Hautinfektionen von Teilen der Bevölkerungsgruppe indianischer Abstammung. In den USA

sind caMRSA sehr weit verbreitet und im Wesentlichen handelt es sich dabei um die klonalen Linien ST8 (caMRSA „USA 300“) und ST80. Diese Typen stellen in den USA bis zu 50 % der S. aureus-Isolate aus Haut- und Weichteilinfektionen dar (PATEL et al. 2007). Es folgten weitere Beschreibungen über das Auftreten von caMRSA in Amerika, bis mittlerweile von caMRSA-Ausbrüchen weltweit berichtet wird (VANDENESCH et al. 2003).

Sowohl ST8 als auch ST80 kommen in Deutschland und Europa vor (ROBERT KOCH-INSTITUT 2009). In Europa gehören die meisten PVL-positiven Isolate zu den spa-Typen t044 und t008.

Charakteristisch für caMRSA–Stämme ist die Fähigkeit den gewebetoxischen Virulenzfaktor Panton-Valentine-Leukozidin zu produzieren (PVL-MRSA). Dieser ist ein zytotoxischer Faktor, welcher mit hoher Affinität an Makrophagen und Granulozyten bindet und durch eine Porenbildung in deren Zellwand zur Ausschüttung des Zellinhaltes sowie zum Zelltod und darauffolgender Gewebenekrose führt (LINDE u. NEHN 2005). Unter den caMRSA gibt es Stämme die das PVL produzieren und Stämme, welche dieses nicht produzieren. Hierdurch werden sie in PVL-positive und PVL-negative caMRSA unterteilt. Zuerst lediglich beim Menschen isoliert ist der Virulenzfaktor PVL auch bei von Tieren stammenden MRSA seit einigen Jahren bekannt, jedoch tritt dieser hier nur sehr selten in Erscheinung. In den USA berichteten RANKIN et al. im Jahre 2005 von PVL-positiven MRSA bei Begleittieren. In dieser Studie war ein relativ hoher Anteil an PVL-positiven MRSA-Isolaten aufgefallen. Von 23 getesteten MRSA-Isolaten waren elf PVL-positiv. Alle Isolate wurden aus Infektionen von Kleintieren gewonnen. Wie diese Untersuchung verdeutlicht, haben caMRSA auch in die Tiermedizin Einzug genommen. Schwere tiefgreifende Weichteilinfektionen wie sie aus der Humanmedizin berichtet werden, wären auch beim Tier denkbar. Berichte von VAN DUIJKEREN et al. (2005) erwähnen erstmals einen nasal mit PVL-positiven MRSA besiedelten Hund als asymptomatischen Träger. Beide zuvor genannten Untersuchungen gehen davon aus, dass auch die PVL-positiven MRSA zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können, vor allem wenn sie im häuslichen Umfeld in engem Kontakt miteinander leben.

Zu 3.:

In neuester Zeit wird in der Tiermedizin in verschiedenen Ländern das gehäufte Vorkommen eines bis dato unbekannten MRSA-Typs beobachtet. Hierbei handelt es sich fast ausschließlich um MRSA, die mit der üblicherweise zur Typisierung herangezogenen Methode der Pulsfeldgelelektrophorese nicht zu typisieren sind und deshalb lange Zeit auch als non typeable MRSA (NT-MRSA) bezeichnet wurden. Mittels der Multi-Locus-Sequenztypisierung wurde dieser Typ als MLST-Typ ST398 charakterisiert. Die meisten bisher beschriebenen Isolate gehören zu den spa-Typen t011, t108 und t034. Weitere isolierte spa-Typen, die bei diesem MLST-Typ häufig isoliert werden, sind t1197, t1451, t339, t571, t2974 und t3307. Sie werden mittlerweile als sogenannte „livestock associated MRSA“

(laMRSA) bezeichnet.

Diese MRSA-Typen treten mit einer unterschiedlich hohen Nachweishäufigkeit in Nutztierbeständen bei gesunden Schweinen, Mastkälbern sowie beim Geflügel auf. Die Bezeichnung „livestock associated MRSA“ wurde für diesen Typ MRSA gewählt, weil sie erstmals vermehrt in Nutztierbeständen gefunden wurden.

Nachweise von laMRSA werden aus verschiedenen Ländern weltweit berichtet. So lassen Berichte aus den Niederlanden (DE NEELING et al. 2007), Dänemark (GUARDABASSI et al. 2007), Deutschland (MEEMKEN et al. 2008), Kanada (KHANNA et al. 2008) und Belgien (DENIS et al. 2009) auf das weltweite Vorkommen von laMRSA schließen.

Die laMRSA sind oft in hohen Prävalenzen in den Beständen als asymptomatischer Besiedler der Schleimhäute von Schweinen, Geflügel und anderen Nutztieren nachweisbar und können auch vielfach in der Umgebung und in Staubproben in den Beständen isoliert werden.

In diversen Untersuchungen konnte der MRSA-Typ ST398 auch beim Menschen in Proben von Schleimhäuten isoliert werden. Meist handelt es sich um Personen, die in häufigem und engem Kontakt mit den Nutztieren stehen, wie z. B. der Landwirt oder der betreuende Tierarzt (WULF et al. 2006, VAN LOO et al. 2007, MEEMKEN et al. 2008).

Epidemiologische Einordnung der MRSA von Kleintieren und Pferden

Bei MRSA Isolaten von Kleintieren handelt es sich in der Regel um Stämme, die auch beim Menschen in der jeweiligen Region als epidemischer Stamm isoliert werden. Berichte aus Irland (O´MAHONY et al. 2005) und England (BAPTISTE et al. 2005) weisen bei Hunden und Katzen spa-Typen nach, die bei der Bevölkerung in derselben Region Irlands und Englands als epidemischer Stamm vorkommen. Man kann daher von einem gegenseitigen Transfer der MRSA-Typen zwischen Kleintieren und Menschen ausgehen. Durch genetische Untersuchungen kann der Grad der Verwandtschaft der Stämme von Mensch und Tier ermittelt werden. Auch in Deutschland werden bei Kleintieren vorwiegend MRSA-Typen isoliert, die als epidemische MRSA in deutschen Krankenhäusern vorkommen. So wurde von STROMMENGER et al. (2006) der MLST-Typ ST22 und der spa-Typ t032 bei Kleintieren isoliert. Diese MRSA-Typen sind in deutschen Krankenhäusern weit verbreitet. Eine weitere Veröffentlichung aus Deutschland beschreibt das Auftreten dieser MLST-Typen und weist bei Proben von Hunden, anderen Kleintieren sowie Menschen und Gegenständen aus einer Berliner Kleintierklinik die MRSA-Typen ST22 und ST239 nach (WALTHER 2007). Auch ST239 ist in Deutschland weit verbreitet und kommt epidemisch vor.

Bei Pferden konnten in den letzten Jahren in verschiedenen Ländern MRSA als Wundinfektionskeim und als Besiedler des vorderen Nasenraumes nachgewiesen werden.

Berichte über das gehäufte Auftreten von MRSA bei Pferden gibt es aus Kanada (WEESE et al. 2006), Österreich (CUNY et al. 2009) und Deutschland (WALTHER 2007). In Österreich konnte der MRSA-Typ ST254, t036 als Infektionserreger bei Pferden nachgewiesen werden.

Dieser MRSA ST254 vom Pferd unterscheidet sich in seinen SCCmec-Elementen von den in der Region vorkommenden MRSA ST254 humanen Ursprungs. Es treten also nicht dieselben MRSA-Typen bei Pferd und Mensch in derselben Region auf. Es wird vermutet, dass beide MRSA ST254 auf einen gleichen gemeinsamen MSSA Vorläufer zurückgehen und beide unabhängig voneinander bei der jeweiligen Spezies ein SCCmec-Element erworben haben (CUNY et al. 2006). Die Berichte aus Kanada und Deutschland weisen die gleichen MRSA-Typen beim Pferd nach, wie sie auch als epidemische MRSA in der jeweiligen Bevölkerung vorkommen. Es handelt sich hierbei um die MRSA-Typen ST8 und ST254.