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5 Film- und Fernsehserienanalyse

5.1 Methodische Grundlagen

5.1.1 Methodisches Vorgehen

Um herauszuarbeiten, welchen Beitrag die TV-Serie X:WP und die Comicverfilmung Wonder Woman (2017) zur Formung gegenwärtiger Heldinnenideale durch die

300 Mikos (2003a), S.135.

301 Diese Bezeichnung rekurriert dabei „[...] auf poststrukturalistische Überlegungen und andererseits auf das an diesen Überlegungen anknüpfende Textverständnis der Cultural Studies.“ Ebd., S.141.

302 Ebd. (Mikos, 2003a, S.141)

303 Mikos (2018b), S.4.

304 Mikos (2018b), S.1.

305 Mikos (2003a), S.141.

306 Ebd., S.138.

307 Ebd.

jeweiligen Amazonenrezeptionen leisten, werde ich folgende Leitfragen als ordnende Grundlagen verwenden:

1. Wie und durch wen werden die Amazonen jeweils in X:WP und Wonder Woman (2017) erzählerisch eingeführt?

2. Wie werden – in Rückgriff auf die antiken literarischen und bildlichen Überlieferungen – die soziale Ordnung, ihre Lebensweise und das Aussehen der Amazonen vorgestellt?

3. Welche Vorstellungen von Kriegerinnen- und Heldinnentum verkörpern die Amazonen als Kollektiv aber auch als individuelle Charaktere (Gabrielle, Diana /Wonder Woman)?

4. Welche feministische Funktion kommt den Amazonen zu?

5. Welche formalen filmischen Gestaltungsmittel werden verwendet, damit die Zuschauer*innen sich positiv mit den Amazonen und ihren individuellen Heldinnen Gabrielle und Diana/ Wonder Woman identifizieren können?

Nachdem die Fragen in der jeweiligen Episoden- und Filmanalyse beantwortet wurden, werde ich abschließend für X:WP und Wonder Woman (2017) vergleichend eruieren, worin sich ihre Amazoneninterpretationen und damit einhergehende Heldinnenideale gleichen und worin unterscheiden.

5.2 „Hooves and Harlots”, Staffel 1, Folge 10

Entgegen der Annahme, dass die TV-Serie X:WP auf fiktiven Erzählungen beruht, erfahren die Zuschauer*innen in der zweiten Staffel in der Episode „The Xena Scrolls“, Folge 10, dass alle Episoden, die sie bisher gesehen haben und noch sehen werden,

„in Wahrheit“ auf Aufzeichnungen der Bardin Gabrielle basieren. Oder, wie Dr. Janice Covington (Nachfahrin von Gabrielle) in der Episode die Xena Schriftrollen beschreibt:

JANICE: „The most important archaeological find of the century. Something that will revolutionize the way we look at the ancient world. It has the power to turn myth into history, history into myth.”308

308 „The Xena Scrolls”, Staffel 2, Episode 10.

Hatte sich de Pizan in ihrer literarischen Aneignung des Amazonenmythos noch explizit auf die vorliegenden, bekannten antiken Quellen und Autoren bezogen und ihre Inhalte feministisch resignifiziert, nutzt X:WP die Möglichkeiten metafiktionalen Erzählens309, um Gabrielle als tatsächliche „Zeitzeugin“ von den Amazonen berichten zu lassen. Dabei ist sie nicht bloß außenstehende Beobachterin, sondern verfügt als Amazone selbst über Insiderwissen, was den Episoden noch mehr „Authentizität“

verleiht.

Gabrielle, verantwortlich für die „dokumentarischen“ Überlieferungen ihrer Erlebnisse mit Xena und anderen tatsächlich realhistorischen Figuren, ist es also zu verdanken, dass das Wissen um die Amazonen der Nachwelt erhalten bleibt.

„You’re a Warrior Princess, and I’m an Amazon Princess. That’s gonna make such a great story.” – Gabrielle310

In der Episode „Hooves and Harlots“ treffen Xena und Gabrielle – und somit auch die Zuschauer*innen – das erste Mal auf die Amazonen. In dieser muss Xena einen Krieg zwischen den Amazonen und Zentauren verhindern, indem sie zusammen mit Gabrielle und einer Amazone namens Ephiny versucht herauszufinden, wer hinter dem Anschlag auf die Amazonen steckt, bei dem die Amazonenprinzessin Terreis umkommt.

Die Folge beginnt mit einer Großaufnahme auf eine Art runden Weidenkranz, der an einem Baum hängt (Abb.15). Im Hintergrund ertönt eine mysteriös anmutende Panflö-tenmusik und die Kamera schwenkt auf Xena, die zunächst auf das Gebinde schaut und sich in weiterer Folge wachsam umsieht.

309 Metafiktion ist ein Begriff aus der Literaturtheorie und bezeichnet die Darstellungsweise, in der sich

„[...] Fiktion auf ihre eigenen Strukturen als sprachliches Werk bezieht.“ Sprenger (1999), S.145.

Darüber hinaus ermöglicht die Verwendung von Metafiktion in X:WP historische Geschehnisse, Personen und eben auch Mythen aus einer feministischen Perspektive aus wiederzuerzählen.

Siehe dazu den ausführlichen Beitrag von Wiggs (2015): „A Bard’s eye view: Narrative mediation in Xena: Warrior Princess.“

310 „Hooves and Harlots“, Staffel 1, Folge 10.

Abb.15: „No trespassing signs" der Amazonen.

Die Musik wechselt zu einem fröhlichen Ton, als Gabrielle die Szene betritt. In ihrer Hand hält sie einen langen Wanderstock, den sie Xena zeigt. Auf ihre Frage hin, wozu der Stock gut sei, erklärt Gabrielle:

GABRIELLE: „It’s a walking stick. It’s very useful. You can walk with it; you can lean on it, if you need a rest. And you can kill nasty little critters if you wanna lie down. Yeah. It’s got a good feel.”

Gabrielles Aufzählungen pragmatischer Nutzungsaspekte des Wanderstocks erfahren durch Xenas kurze Handhabung eine Erweiterung: Gekonnt führt sie schnelle Drehbewegungen mit dem Stock aus und schwingt ihn von einer Hand über den Rücken in die andere. Sie beschließt ihre kurze Demonstration mit den Worten „Hmm!

Not bad!“ und gibt ihn an Gabrielle zurück. Bereits hier werden zwei unterschiedliche Perspektiven auf einen Gegenstand eröffnet, die mit den jeweiligen Charakteren korrespondieren: Gabrielle sieht in dem Wanderstock eine praktische Unterstützung auf ihren Reisen mit Xena. Dies erscheint umso plausibler, da Gabrielle stets zu Fuß unterwegs ist (nur in Ausnahmefällen reitet sie auf Xenas Pferd Argo) und beide meist im Freien übernachten. Xena als Kriegerin hingegen sieht im Stock eine potenzielle Waffe; ihr Umgang damit deutet bereits eine Flexibilität ihrer Waffenfertigkeiten an,

das heißt sie ist nicht eingeschränkt auf den Gebrauch ihres Schwerts oder Chakrams, wenngleich beide Waffen von ihr favorisiert werden.

Erste Begegnung mit den Amazonen

Auf ihrem weiteren Weg durch den Wald erkundigt sich Gabrielle bei Xena nach der Bedeutung des zu Beginn gezeigten Kranzes:

GABRIELLE: „What was that thing hanging back there from the tree?”

XENA: „No trespassing signs. This is Amazon country.”

Durch Gabrielles Frage nach dem Zeichen nimmt sie die Position der Zuschauer*innen ein, welche ebenfalls beim erstmaligen Schauen der Episode nicht damit vertraut sein dürften. Aufgeregt blickt sich die junge Bardin beim Laufen um und fragt hoffungsvoll:

GABRIELLE: „Amazon? Do you think we’ll see any?”

Der leise einsetzende, extradiegetische Ton verleiht der Szenerie erneut etwas Bedrohliches, was dadurch bildlich verstärkt wird, indem Xena ihr Schwert zieht und Argo wegschickt. Im nächsten Moment fliegen Pfeile mit grünen Federn durch die Luft und landen im Boden vor den beiden. Xena schwingt ihr Schwert, eine Geste, die eine sofortige Kampfbereitschaft assoziieren lässt, jedoch stößt sie dieses in den Boden und schlägt ihre Hände über den Kopf zusammen. Sie weist Gabrielle an, es ihr gleich zu tun (Abb.16). Obwohl Xena selbst keine Amazone ist, weiß sie doch um deren Gebräuche. Woher sie dieses Wissen hat, bleibt ungeklärt. Es ist aber zu vermuten, dass sie als ehemalige Kriegsherrin wie auch als Kriegerin per se über zumindest grundlegende Informationen verfügt, was andere Krieger*innengemeinschaften betrifft.

Abb.16: Gabrielle (links) und Xena (rechts) verwenden das Friedenszeichen der Amazonen.

Im nächsten Moment seilen sich Frauen mit bunten, gehörnten Masken von den Bäumen herab und umstellen Xena und Gabrielle. Sie sind mit Armbrüsten sowie Schwertern bewaffnet und wirken auf den ersten Blick bedrohlich. Diese Einschätzung wird durch die vorangegangenen beschriebenen Szenarien und durch die Gesichtsbedeckung der Amazonen noch zusätzlich erhöht. Die Masken selbst haben animalische Konturen, wobei keine konkret benennbaren Tierarten ausgemacht werden können. Ihre Bedeutung kann hierbei in zweierlei Hinsicht interpretiert werden:

Erstens wirken sie einschüchternd auf potenzielle Gegner*innen. Zweitens kann darin eine symbolisch-geistige Verbindung der Amazonen mit Artemis gesehen werden: Als Herrin des Waldes und der Tiere wie auch Göttin der Jagd (siehe dazu Kapitel 2.2.4.3) kann sie im übertragenen Sinne durch die Masken „Seite an Seite“ mit den Amazonen kämpfen.311 Anstatt jedoch, wie zu erwarten wäre, Xena und Gabrielle anzugreifen,

311 In der Serie wird auf die konkrete Verbindung der griechischen Amazonen mit der Göttin Artemis nur in zwei Folgen eingegangen. In „Hooves and Harlots“ erklärt Xena Gabrielle, dass die Feuerbestattung von Terreis dazu dient, diese zu Artemis zu schicken („They’re going to send Terreis to Artemis, the moon goddess.”). In „To Helicon and Back“, Staffel 6, Folge 15 schwört Artemis Sohn Bellerophon blutige Rache für den Tod seiner Mutter. Diese wurde zwar von Xena getötet („Motherhood“, Staffel 5, Folge 22), jedoch richtet sich Bellerophons Hass und Rachebestreben auf die Amazonen („You Amazons deserted Artemis – when she needed your worship the most. For that – I will kill each and every one of you.").

enthüllen die Amazonen ihre Gesichter, wodurch die angespannte Situation entschärft wird.

Die Kleidung der Amazonen scheint ihrer Waldumgebung angepasst zu sein: Sie ist aus hellem bis dunkelbraunem Wildleder gefertigt; die Oberteile sind körperbetont geschnitten, wobei nur Terreis Oberkörper gänzlich bedeckt ist; die der drei anderen Amazonen sind bauchfrei. Die Schulterplatten bestehen aus mehreren unterschiedlichen Lagen Leder und werden durch eine dickere Schnur zusammengehalten. Die Unterarme sind durch Armschienen aus festem Leder geschützt. Das Gesamtdesign der Armrüstung erinnert dabei an einen verlängerten Schießhandschuh, der für Bogenschütz*innen typisch ist, da auch der Handrücken und ein Mittelfinger verdeckt sind. An den Oberarmen tragen die Amazonen Armbänder;

aufgrund ihrer Beschaffenheit gewähren diese aber weniger eine Schutzfunktion und können eher als Accessoire angesehen werden. Der Unterkörper wird durch einen kurzen dunklen Lederrock bedeckt, der mit einem breiten Gürtel versehen ist. An diesem tragen die Kriegerinnen jeweils ihr Schwert und Seil. Komplettiert wird die Kleidung durch hohe Stiefel, ebenfalls aus Wildleder.

Insgesamt bietet die Kleidung den Amazonen einen guten Bewegungsfreiraum, wenngleich auch minimalen Schutz vor Verletzungen jeglicher Art. Die mitgeführten Waffen sowie die Seile ermöglichen eine Flexibilität in Kampfgeschehnissen (die Amazonen können durch das Seil auf Bäume klettern und durch die Armbrust aus der Ferne gegen Feind*innen kämpfen oder bei Bedarf mit dem Schwert in den Nahkampf treten).

Abb. 17: Masken und Kleidung der Amazonen.

Gesellschaftsordnung und Lebensweise der Amazonen

Trotz unbefugten Betretens bitten Xena und Gabrielle um eine sicherere Durchquerung des Jagdgebiets der Amazonen (XENA: „We’d like safe passage through your hunting grounds.”), woraufhin sie der Amazonenkönigin Melosa vorgestellt werden sollen. Diese entscheide Terreis zufolge, ob der Bitte Xenas nachgegangen wird oder Sanktionen drohen:

EPHINY: „They invade our territory. We should take them to see Queen Melosa.”

TERREIS: „Ephiny is right; we have to let Melosa decide. Don’t worry – She’s fair.”

Die Aussicht darauf, die Amazonenkönigin zu sehen, versetzt Gabrielle in eine aufgeregte Stimmung:

GABRIELLE: „Going to see the Amazon Queen – This is fantastic. I’m so excited. I wonder what she’s like?”

Erneut nimmt Gabrielle die Rolle der Zuschauer*innen ein. Die anfänglich inszenierte Bedrohung der Amazonen weicht einer Neugier, sie näher kennenlernen zu wollen.

Dadurch, dass Terreis von Melosa als ihrer Königin spricht, wird auch die amazonische Gesellschaftsordnung offenbart. Diese gleicht strukturell der ihrer antiken Vorfahrinnen, das heißt es gibt eine Königin, die über das Amazonenvolk regiert, jedoch heißt sie nicht wie eine der drei bekanntesten aus der griechischen Mythologie (Hippolyte, Penthesilea oder Antiope). Diese Entscheidung kann so interpretiert werden, dass für die Amazonen in X:WP nur die wichtigsten Kernelemente aus dem tradierten Amazonenmythos übernommen wurden (dass es ein Volk aus Frauen ist, die ausgebildet und erfahren im Kampf sind), um einen Wiederkennungswert bei den Rezipient*innen zu gewährleisten.

Auf dem Weg zum Amazonendorf, unterhält sich Gabrielle mit Terreis über ihr Leben in Poteidaia. Dabei erfährt sie auch mehr über die Lebensweise der Amazonen:

GABRIELLE: „I want to read philosophy and learn about history and science. But they didn’t consider me a normal girl.”

TERREIS: „Philosophy and history are among the first things taught to Amazon children.”

GABRIELLE: „Really?”

TERREIS: „It is a man’s world, Gabrielle. Not because it should be, but, because we let them have it. It’s based on a woman’s weakness.”

GABRIELLE: „Yeah?”

TERREIS: „The Amazon world is based on truth and a woman’s individual strength.”

Der Dialog zwischen den beiden klingt wie ein feministisches Manifest, das kritisch die westliche patriarchale Gesellschaftsordnung spiegelt. Terreis Äußerungen darüber, dass Kinder mitunter als erstes Philosophie und Geschichte gelehrt bekommen, ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung für Gabrielle, aber auch für die Zuschauer*innen:

Erstens schulen diese beiden Disziplinen kritisches Denken und fordern dazu auf, vergangene Weltgeschehnisse im Kontext zeitlichen Wandels zu verstehen, die Auswirkungen auf die Gegenwart haben. Zum anderen wird mit der assoziativen Erwartung von genuin martialischen Amazonen gebrochen. Durch den hohen Stellenwert der Bildung, werden sie zu komplexeren Identifikationsfiguren, die nicht nur über physische Kraft verfügen, sondern auch über Scharfsinn. Des Weiteren gründet die Lebenswelt der Amazonen auf der Vorstellung, dass Frauen über eine eigene innere wie auch körperliche Stärke verfügen. Damit tragen sie dazu bei, essentialistische Ansichten davon, Frauen seien „von Natur aus“ Männern unterlegen, zu dekonstruieren.

Kurz darauf fliegen erneut Pfeile durch die Luft, dieses Mal jedoch mit blauen Federn, was darauf schließen lässt, dass sie nicht von weiteren Amazonen abgeschossen wurden. Während die Amazonen Schutz in den Bäumen suchen, wehrt Xena die Pfeile mit ihrem Schwert ab. Ein Schrei ertönt, gefolgt von einer Amazone, die, getroffen von einem der Pfeile, zu Boden stürzt. Als Gabrielle Terreis erkennt, läuft sie ungeachtet der Gefahr des anhaltenden Beschusses zu ihr hinüber und legt sich schützend über die Verwundete. Bevor Terreis stirbt, übergibt sie an Gabrielle ihre Rechte:

TERREIS: „You tried to save me.”

GABRIELLE: „Don’t talk – just keep your strength.”

TERREIS: „What you did, only an Amazon would do for another Amazon. I want you to take my right of caste.”

EPHINY: Terreis!”

TERREIS: „Please!”

GABRIELLE: „OK, I’ll take it. Just, don’t, don’t –”

Obwohl beide sich erst kurz zuvor begegnet sind, ist Terreis überzeugt, dass Gabrielle die Werte und Lebensvorstellungen der Amazonen teilt. Durch ihre selbstlose Handlung hat sie Terreis Ansicht umso mehr bestätigt. Was genau die Übergabe und Annahme des „right of caste“ zur Folge hat, klärt sich für Gabrielle und die Zuschauer*innen im weiteren Verlauf. Die schockierte Reaktion der Amazone Ephiny deutet allerdings bereits darauf hin, dass dieses Recht eigentlich nur innerhalb der Amazonengemeinschaft weitergegeben werden darf. Diese Regelung scheint aber in der Art nicht so bindend, dass sie nicht auch auf Außenstehende wie Gabrielle übertragen werden darf. Durch Königin Melosa werden dann Gabrielle und mit ihr auch die Zuschauer*innen darüber aufgeklärt, was es genau mit dem „right of caste“ auf sich hat:

MELOSA: „With her dying wish, Terreis bestowed all her rights and possessions to you – and her position.”

GABRIELLE: „Wait. You mean, I’m an Amazon?”

MELOSA: „Terreis was my true sister – the next in the royal line. You’re an Amazon Princess. Make sure she’s taught.”

Gemäß den Aussagen Melosas gibt es eine royale Gesellschaftsordnung bei den Amazonen. Inwiefern „true sister“ bedeutet, dass Melosa und Terreis tatsächlich Schwestern im Sinne eines traditionellen Verwandtschaftsverhältnisses waren oder ob dies eher eine gemeinschaftliche Bezeichnung ist, bleibt ungeklärt. Dadurch jedoch, dass Terreis ihre Rechte an Gabrielle abgegeben und von ihr als „wahrer Amazone“

gesprochen hat, scheint es, dass „Amazone sein“ eine soziale Identität ist. Diese kann angenommen (oder auch abgelehnt) werden und setzt nicht voraus, dafür zuerst in die Gemeinschaft der Amazonen hineingeboren worden sein zu müssen. Innerhalb der amazonischen Ordnung werden zwar Positionen rechtlich geregelt, allerdings schließt diese eine soziale Mobilität offenbar nicht aus.

It’s all fun and games until...

Der soziale Übergang zur Amazone bedeutet für Gabrielle eine wichtige Veränderung in mehrerer Hinsicht. Als sie der Bitte von Terreis nachkommt und den „right of cast“

annimmt, weiß sie noch nicht, worauf sie sich eingelassen hat. Bis zu dem Zeitpunkt hatte sie lediglich einen kurzen Einblick in die Lebenswelt der Amazonen erhalten, der auch mit ihren Werten übereinstimmt. Die Vorstellung davon, eine Amazonenprinzessin zu sein, ist für sie mit Spaß und Glanz verbunden, nicht aber mit Pflichten, wie sich im Laufe der Episode noch zeigen wird. Hinzu kommt, dass Amazonen per definitionem Kriegerinnen sind. Die Konnotation ihres Namens mit der Fähigkeit zum Kämpfen kann als allgemeines Wissen bei den Zuschauer*innen vorausgesetzt werden. Es verwundert also nicht, dass Gabrielle, nun Amazone und nächste in der royalen Erbfolge, ebenfalls im Umgang mit Waffen ausgebildet werden soll.

Bis zu diesem Zeitpunkt in der Serie ist Gabrielle noch unerfahren im Umgang mit Waffen. In Situationen, wo es zum Kampf kommt, ist sie auf den Schutz von Xena angewiesen. Amazonen jedoch lernen seit Kindestagen an zu kämpfen. Die bisherige Porträtierung der Amazonen in dieser Folge lässt den Schluss zu, dass diese ihre Kampffertigkeiten aber eher zur Verteidigung ihrer Landesgrenzen einsetzen und nicht zu Kriegszwecken, um zum Beispiel ihr Territorium zu vergrößern. Nachdem Gabrielle nun die Kleidung von Terreis angezogen hat, ist die äußerliche Transformation zur Amazone abgeschlossen. Nun heißt es für sie, sich eine Waffe auszusuchen, deren praktischen Gebrauch sie lernen soll:

GABRIELLE: „No, I don’t like swords. Can’t hit the side of a Cyclops with a bow and arrow. Ahh, what’s this?”

EPHINY: „That’s a fighting staff.“

Es ist für Gabrielle bezeichnend, dass ihre Wahl auf eine primär nicht-letale Waffe fällt.

Obwohl sie zunächst selbst keine Kriegerin ist, reist sie mit einer durch das antike Griechenland. Ihre Motivation Xena zu begleiten, gründet nicht nur darauf, ihrem repressivem Leben in Poteidaia zu entfliehen, sondern auch eine Kämpferin für das Gute zu werden – ohne dabei jedoch Menschen zu töten. In einer früheren Folge

(„Dreamworker“, Staffel 1, Episode 3) lernt sie von Xena hierfür eine erste wichtige Unterscheidung zwischen dem Gebrauch von Waffen zur bloßen Verteidigung und zum tatsächlichen Töten:

GABRIELLE: „You know? Doesn’t it make more sense that I should learn how to defend myself? I think it makes more sense.”

XENA: „Don’t confuse defending yourself with using a weapon. When you pull a sword, you have to be ready to kill.”

Diese wichtige Lektion wird Gabrielle erneut deutlich vor Augen geführt, als sie ihre ersten Übungen mit dem Stab hinter sich hat. Noch immer vertritt sie eine recht unbeschwerte Art Waffen gegenüber, ganz gleich, ob diese eindeutig tödlich im Gebrauch sind oder nicht; für sie ist deren allgemeine Nutzung bis zu diesem Zeitpunkt vielmehr mit Spaß verbunden:

GABRIELLE: „I’m getting the idea, though. You know, it’s pretty fun when it’s working.”

Erst als Ephiny den durchaus auch letalen Umgang mit dem Stab an einem Pferd, stellvertretend für einen Zentauren, demonstriert, setzt bei Gabrielle die Realisation ein, wie aus anfänglichem Spaß schnell tödlicher Ernst werden kann:

EPHINY: „Centaurs have certain strengths and weaknesses. They’re fast and agile.

We use that to our advantage. As a centaur passes at full gallop, the staff goes here, to crack the knee at the joint. This splits the leg forward and drops him to the ground. As the centaur falls, a strike to the lower shoulder dislocates the two front legs. Once the centaur is on the ground, an overhead strike breaks the neck. Death is immediate – if they’re lucky. Still fun?”

Die Realisierung und Tragweite ihrer neuen sozialen Rolle und Position als Amazonenprinzessin wird Gabrielle und den Zuschauer*innen aber noch auf eine weitere Weise verdeutlicht. Als es nämlich dazu kommt, den vermeintlichen Mörder von Terreis der Gerechtigkeit zuzuführen, einen Zentauren namens Phantes, ist es Gabrielle, die gemäß dem Gesetz der Amazonen, das gefällte Urteil auszuführen hat:

MELOSA: „Tomorrow, the murderer of our sister will meet his justice. The sentence is

MELOSA: „Tomorrow, the murderer of our sister will meet his justice. The sentence is