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Bedeutung der Amazonen für Heroen und attische Bürger*innen

Einstens kam ich sogar in Phrygiens Rebengefilde, Wo ich rossetummelnde Phryger in Massen erblickte,

87 Taube (2013), S.47, Herv. i. Orig.

88 Wagner-Hasel (2010), S.58.

89 Ebd.

90 Taube (2013), S.48.

91 Börner (2010a), S.20.

Otreus' Volk und das Heer des götterähnlichen Mygdon, Die sich am Ufer des Flusses Sangarios damals gelagert;

Wurde doch ich als Bundesgenoß zu ihnen gerechnet

Jenes Tags, da mit männlicher Kraft Amazonen sich nahten.

Doch so zahlreich waren sie nicht wie die stolzen Achaier!92

Erzähler dieser Begegnung mit den Amazonen ist Priamos, der letzte König von Troja.

In Homers Illias erinnert er sich an das Ereignis in seiner Jugend zurück, wo er gemeinsam mit seinen Bundesgenossen gegen das sagenumwobene Kriegerinnenvolk kämpfte und schließlich auch besiegte. Diese Erzählung ist nun in mehrerer Hinsicht interessant. Die Amazonen finden beispielsweise hier ihre erste literarische Erwähnung. Da weder Priamos selbst noch Homer näher auf die Kriegerinnen eingehen, folgt, dass den Protagonist*innen innerhalb und den Rezipient*innen außerhalb des Epos diese bereits bekannt sein mussten.93 Das Wissen um die Amazonen bei den Griech*innen in der Antike muss also noch weiter zurück als 800 v. Chr. datiert werden. Ivantchik führt in diesem Zusammenhang auch ikonographische Beweise an, demnach „[...] die frühesten bekannten Darstellungen der sogenannten Amazonomachien schon um ca. 700 v. Chr. datieren.“94 Ferner erfolgt durch Priamos auch eine indirekte Beschreibung von der Stärke der Amazonen:95 Nicht wegen mangelnden Könnens, sondern aufgrund ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit schienen sie letztlich den Kampf gegen die Phryger verloren zu haben.96 Ob es sich bei Bellerophon genauso verhielt, als er gegen die Kriegerinnen kämpfte, wie in der Illias ebenfalls berichtet, wird dabei nicht erwähnt.

Nur dass der griechische Held „[...] die männerähnliche Schar Amazonen [...]“

erschlug.97

Werden die Amazonen zu Beginn ihrer literarischen Überlieferung noch vage konturiert, ändert sich dies vor allem durch drei geschlossene Sagenkomplexe aus der

92 Homer, Illias: III Gesang, 184 – 190; Übers. H.Raupé (2014), S.99.

93 Vgl. Fornasier (2007), S.34f.

94 Ivantchik (2013), S.76.

95 Das homerische Epitheton „ἀντιάνειραι“ wird dabei aber zumeist als „männergleich“ übersetzt. Zur ausführlicheren Auseinandersetzung mit dem Epitheton siehe ebd., S.74f.

96 Der Vergleich der Amazonen mit den Achaiern interpretiert Fornasier vor allem als rhetorischen Kunstgriff, die bedrohliche Situation, in der sich Troja befindet, für die Zuhörer*innen noch effektiver hervorzuheben: „Nicht einmal die sagenumwobenen Amazonen, auf die Priamos einst traf und die wir [Zuhörer*innen, AS] aus unseren eigenen Mythen als unbarmherzige Gegnerinnen kennen, waren derart zahlreich und gefährlich wie die Achaier vor den Toren Trojas, die den Raub der Helena sühnen wollen.“ Fornasier (2007), S.34.

97 Homer, Illias: VI Gesang, 155 – 220; Übers. H.Raupé (2014), S.203.

nachomerischen Zeit, die zudem „[...] der Dichtung und bildlichen Kunst den Stoff zu Darstellungen liefern“98. Die erste Erzählung, erstmals fixiert in dem heute verlorenen Epos Aithiopis, schließt direkt an die Ereignisse der Illias an.99 Als Verbündete der Trojaner, kämpfen die Amazonen gegen die Griechen, dessen Höhepunkt der Zweikampf zwischen Achilles und der Amazonenkönigin Penthesilea darstellt.100 Doch wie kam es dazu? Je nach Überlieferung soll Penthesilea in ihrer thrakischen Heimat während einer gemeinsamen Jagd aus Versehen ihre Schwester Hippolyte getötet haben.101 Um ihre Schuld zu mindern, suchte die Amazonenkönigen Entsühnung mit den Göttinnen und Göttern durch den Kampf für Troja. Suizid war per se ausgeschlossen, denn als genuine Kriegerin konnte sie nur einen ehrenhaften Tod auf dem Schlachtfeld erlangen. Viele glorreiche Taten soll sie zusammen mit ihren Kriegerinnen vollbracht haben, bis sie schließlich im Zweikampf gegen Achilles unterlag. Als tragisches Element kommt hinzu, dass sich Achilles in dem Moment, als er Penthesilea tötete, in sie verliebt haben solle.102 Das Liebesmotiv außen vor, bietet diese Erzählung jedoch nicht nur eine Individualisierung, sondern auch „[...] erstmals räumliche und genealogische Angaben zu dieser Amazone: Penthesilea wurde als Tochter des Ares und als Thrakerin dargestellt.“103

Abb.1 Abb.2

Achilles tötet Penthesilea im direkten Zweikampf (550/40 v.Chr.). Der Moment, in dem sich der Heros in die Amazonenkönigin verliebt, wird dabei durch den Blickkontakt zwischen beiden bildnerisch realisiert. Spätestens seit dem 6. Jhd. v. Chr. gehört dieses Motiv zum Repertoire der griechischen Vasenmalerei.

98 Graef (1894), Spalte 1758.

99 Eine*n namentliche*n Verfasser*in gibt es nicht. Dass die Amazonen-Erzählung der Aithiopis überhaupt bekannt bleiben konnte, liegt wiederum auf dem darauf beruhenden ersten Buch von Quintus von Smyrna (3. Jhd. n. Chr.), dem Epos Posthomerica. Tilg (2021), S.5.

100 Vgl. Tilg (2021), S.2.

101 In anderen Quellen wird anstatt Hippolyte auch Glauke oder Melanippe als Schwester genannt.

Fornasier (2007), S.37f.

102 In anderen Darstellungen soll es auch bei Penthesilea Liebe auf den ersten Blick gewesen sein.

Am Beispiel von Kleists Drama Penthesilea (1808) zeigt sich erneut der Konstruktionscharakter und das Erweiterungspotenzial von Mythen: In Kleists Version verliebte sich die Amazonenkönigin in Achilles und tötete ihn auf dem Schlachtfeld vor Troja. Vgl. dazu Fornasier (2007), S.38 sowie Amann (2015), S.78-81. Zur Beliebtheit des Motivs in der bildenden Kunst siehe Fornasier (2007), S.38 sowie Amann (2015), S.77.

103 Tiersch (2013), S.116.

Die zweite Sage handelt von Herakles, der im Rahmen seiner zwölf Aufgaben das Wehrgehänge oder auch den Gürtel – je nach Übersetzung – der Amazonenkönigin Hippolyte für Admete, Tochter des Eurystheus, König von Mykene und Tiryns, beschaffen soll104. Wie Herakles es gelang, seine Aufgabe zu erfüllen und den Gürtel zu erhalten, variiert je nach Erzählung. In der einen übergab Hippolyte den Gürtel freiwillig105; in einer anderen wurde er ihr gewaltsam entwendet; einer weiteren Version nach hätte Herakles eine gefangene Amazone gegen den Gürtel eingetauscht.106 Interessanterweise sind in allen drei Versionen die Amazonen zunächst grundsätzlich kommunikationsbereit. Erst als sie/ihre Königin (vermeintlich) bedroht werden/wird, verteidigen sie sich gewaltsam.107

Abb.3: Herakles, zu erkennen an seinem charakteristischem Löwenfell, im Kampf gegen die Amazonen. Ob es sich bei der ihm gegenüberstehenden Kriegerin um die Amazonenkönigin Hippolyte handelt, kann nicht eindeutig bestimmt werden, da keine klärende Beischrift vorhanden bzw. auch kein Gürtel an ihr erkennbar ist.108

Der Mythos um Theseus komplettiert den Sagenkomplex um die Amazonen. In diesem soll der athenische König und Staatsheros Theseus die Amazonenkönigin Antiope entführt haben, woraufhin die Amazonen, angeführt von Antiopes Schwester Oreithyia, gegen Athen in den Krieg zogen.109 Vor der attischen Hauptstadt angekommen,

104 Der Gürtel wiederum soll ein Geschenk des Kriegsgottes Ares gewesen sein.

105 Hera, erzürnt darüber, dass Herakles seine Prüfung so leicht bestehen solle, gab den Amazonen vor, dieser plane ihre Königin zu entführen, woraufhin die Kriegerinnen die griechischen Gefährten angriffen, wobei unter anderem Hippolyte umkam.

106 Rudolph (2010), S.31.

107 Vgl. dazu Fornasier (2007), S.40.

108 Ebd., S.42.

109 Ob Theseus als Gefährte von Herakles gemeinsam zu den Amazonen zum Thermodon fuhr oder erst Jahre später dieses Unterfangen allein bestritt, variiert dabei, wie so oft, je nach Überlieferung.

Fornasier (2007), S.45. Gleiches gilt für den Namen der entführten Amazonenkönigin: In manchen Versionen heißt sie auch Hippolyte, Melanippe oder Glauke. Graef (1894), Spalte 1759.

schlossen die Angreiferinnen einen Belagerungsring um Athen, damit den Eingeschlossenen keine Unterstützung von außen zukommen konnte.110 Da keine der beiden Seiten das Gefecht beginnen wollte, soll Theseus schließlich nach sieben Tagen den Befehl zum Angriff auf die Amazonen gegeben haben. Ganze vier Monate lang hätten die militärischen Auseinandersetzungen gedauert, bis schließlich der Sieg auf Seiten Athens lag. Das wohl tragischste Moment stellt dabei Antiopes Teilnahme an der Schlacht dar: Den Erzählungen nach kämpfte sie gegen ihr eigenes Volk – wohl, weil sie sich in Theseus verliebte und sie einen gemeinsamen Sohn, Hippolytos, haben – und fand dabei den Tod durch die Amazone Molpadia.111 Geschlagen flohen die übrigen Amazonen aus Attika nach Skythien, wo sie eine neue Heimat fanden.

Abb.4 Abb.5

Abb.4: Theseus, zu sehen mit dem Speer in der rechten und dem Schild in der linken Hand, kämpft gegen die Amazonen. Ob die Amazone links auf dem Pferd Oreithyia ist, bleibt nur zu vermuten (ca.

450 v. Chr.). Abb.5 zeigt Amazonen im Kampf gegen die athenischen Bürger*innen (ca. 420 v. Chr.).

Durch das Hinzukommen der drei Erzählungen im Laufe der Antike gewinnen die Amazonen immer mehr an Bedeutung und Inhalt. Grundsätzlich bleibt ihre Hauptfunktion darin begründet, Repräsentantinnen einer Gegenwelt zur griechischen Gesellschaft zu sein. Dass diese jedoch im gewissen Maße in einem reziproken Verhältnis zueinanderstehen, zeigt beispielsweise das narrative Spiel mit Identität und Differenz in der Achilles-Penthesilea-Episode. Wie Tiersch hervorhebt, verweist die

110 Kondratiuk (2010), S.29.

111 Ebd.

„[...] behauptete thrakische Provenienz auf Distanz und Fremdheit, war der Name

‚Penthesilea‘ doch unleugbar griechisch und trug die Bedeutung ‚die Kummer bringende [...]“112. Trotz dieses Bedeutungszuwachses stellen die Amazonen eine Bedrohung von außen dar, die es zu bezwingen gilt. Nach Börner war „[...] die Abgrenzung der eigenen Kultur durch sehr bildhafte Gegenwelten, die für die Wildnis außerhalb der Zivilisation und für fremdartige Kulturen standen, für den Selbstwerdungsprozess dieser Poleis-Kultur sehr wichtig.“113 Die sukzessive Stärkung des griechischen Selbstbewusstseins zeigt sich sodann darin, dass in der Frühzeit der griechischen Überlieferungen zunächst herausragende Heroen, die im Mythos das gefahrenvolle Wagnis eingingen, gegen die Amazonen kämpfen. Im Laufe der Zeit finden diese Auseinandersetzungen jedoch nicht mehr weit weg in der Fremde statt, sondern im zentralgriechischen Raum. Nun sind es nicht mehr nur individuelle Heroen wie Achilles, Bellerophon, Herakles oder Theseus, die sich der Bedrohung durch die Amazonen stellen. Bei der Verteidigung Athens sind auch die Polis-Bewohner*innen aktiv an der Verteidigung beteiligt, wodurch sie sich damit selbst in eine heroische Tradition stellen.114

Für die genannten griechischen Heroen wiederum gehörte das Bezwingen der

„männergleich“ kämpfenden Kriegerinnen unweigerlich zur Vita dazu und stellt ein zentrales Sujet dar: „Die Feindwelt, die durch die Amazonensage in mythischer Form charakterisiert wird, dient der Dokumentation der eigenen Stärke. Der griechische Heros, der im Kampf gegen die wilden und furchtlosen Amazonen besteht, ist ein Garant für den Bestand und die Bedeutung des eigenen Kulturkreises, auf den man sich zurückbezog.“115 Für die Amazonen selbst bedeutete ihre zugeschriebene Hybris und sich über die Ordnung der Dinge zu stellen, letztlich auch dafür sanktioniert zu werden, dass sie nicht nur Schlachten – im Kollektiv oder im Zweikampf –, sondern auch ihr Land verloren.116

112 Tiersch (2013), S.117.

113 Börner (2010a), S.21.

114 Fornasier (2007), S.48. Zur ausführlicheren Forschungsdiskussion um den Theseus-Antiope-Mythos und dessen Bedeutung für die athenischen Bürger*innen siehe ebd., S. 43-48 sowie Tiersch (2013), S.122f.

115 Fornasier (2007), S.48.

116 Taube (2013), S.54.

Mit Blick auf die Rezeptionsgeschichte fällt auf, dass die Amazonen seit der Mitte des 6. Jhd. v. Chr. ein wachsendes Maß an Autonomie gewannen.117 Die nun einsetzende umfangreichere Darstellungsvielfalt der Amazonen – auch was ihre Lebenswelt betrifft – zeigt sich dabei besonders gut in der darstellenden Kunst.

2.2.4.3 Ikonographie

Durch die bildnerische Darstellung der Amazonen tritt ein weiteres Medium hinzu, welches einen Eindruck von den Kriegerinnen vermittelt. Dabei zeigt sich ebenfalls, wie vielschichtig und wandelbar das Amazonenbild ist. In den literarischen Überlieferungen wurde zwar auch ihre physische Erscheinung beschrieben, doch lässt sich diese mit den Attributen „Frau“, „Kriegerin“, „bewaffnet“ und „beritten“

zusammenfassen. Wie sich diese zu einem konkreten Bildtypus formieren, war dabei der Imagination der griechischen Kunstschaffenden überlassen. Dass Beschreibungen, demnach Amazonen eine Brust fehle, keinen Einzug in der künstlerischen Umsetzung fanden, ist dabei ein bereits erwähnter interessanter Aspekt. Ob es an ästhetischen Überlegungen lag oder der Realitätsgehalt dieser Praktik generell angezweifelt wurde, ist jedoch nicht genau bestimmbar, wobei eine Synthese aus beiden plausibel erscheint. Obwohl die Amazonen eine bedrohliche Alterität repräsentierten, wurden sie letztlich immer noch als Frauen imaginiert, die nicht nur furchteinflößend, sondern eben auch begehrenswert waren.118 Doch wie sahen sie nun aus, die „männergleichen“ Amazonen?

In der Forschung wird zwischen zwei verschiedenen Amazonentypen unterschieden, dem „griechischen“ und „skythischen“ Typus. Ersterer ist dadurch charakterisiert, dass sich im späteren 7. Jhd. v. Chr. in der Keramik ein neuer Malstil durchsetzte, in dem Frauen durch eine weiße Haut charakterisiert wurden. „Die weiße Haut charakterisiert die Frauen als diejenigen, die sich im Haus aufhielten, während sich die Männer bei Sport, Jagd und Krieg der Sonne aussetzten und gebräunt wurden.“119 Die Bildkonvention „Frau = weiße Haut“ setzte sich dabei durch, gleichwohl die Amazonen in ihrer Charakterisierung sich wie Männer verhielten. Dieser Umstand hat für die Kunstschaffenden aber noch den weiteren Vorteil, dass die zumeist androgyn

117 Tiersch (2013), S.119.

118 Vgl. Taube (2013), S.48f.

119 Krauskopf (2010), S.40.

dargestellten Kriegerinnen durch die weiße Hautfarbe direkt von denen der männlichen unterscheidbar waren. Zudem tragen beide in den Darstellungen dieses Typus die gleiche Kriegsrüstung eines griechischen Hopliten: Helm, Speer, Rundschild, Leinenpanzer.

Abb.6: Auf dem Volutenkrater, um 500 v.Chr. rüsten sich Amazonen zum Kampf.

Sie tragen dabei die gleiche Rüstung wie Krieger; erst durch die weiße Haut werden sie als Kriegerinnen erkennbar. Die Amazone in der oberen Mitte trägt dabei bereits die „phrygische“ Mütze mit drei langen Laschen.

Der skythische Typus hingegen unterscheidet sich in textiler Hinsicht und der Art der Bewaffnung. Charakteristisch ist hier die sogenannte „phrygische“ Mütze, eine Kopfbedeckung mit einem langen Zipfel (siehe Abb.6) und der Trikotanzug; als Waffen dienen Bogen, Köcher und Streitaxt. Diese Bekleidung sowie Waffenausrüstung galten als typisch für Reitervölker nördlicher Breitengrade, weshalb Darstellungen von Amazonen auf Pferden zum festen Motivbestandteil wurden.120 Auch der so genannte

„parthische Schuss“, eine Kampfweise, für die alle Steppenvölker bekannt waren, wird auf die Reitkünste der Amazonen übertragen. Diese hat den speziellen Ablauf, dass ein*e Reiter*in scheinbar flieht, sich dann aber mitten im Galopp auf dem Pferd wendet und mit dem Bogen auf den*die nicht darauf vorbereitete*n Verfolger*in schießt.121

120 Vgl. Tiersch (2013), S.120 sowie Börner (2010), S.48.

121 Krauskopf (2010), S.42.

Beide beschriebenen Typen wurden nicht strikt voneinander getrennt; wie die Vasenbilder zeigen, gibt es auch Kombinationen (vgl. Abb.4, 7 und 8).122

Abb.7: Griechischer (links) und skythischer (rechts) Typus im direkten Vergleich (ca.425 v.

Chr.)

Abb.8: Wandel der

Amazonen sie verstärkt als Reitervolk zu bezeichnen:

Rechts im Bild trägt die Amazone noch Hipoliten-rüstung, jene links im Bild bereits skythische Tracht (ca.520/510 v. Chr.).

Abb.9: Parthischer Schuss, auch parthisches Manöver genannt.

Ein weiteres interessantes Bildmotiv stellt die Darstellung von Amazonen dar, die ihre gefallenen Kameradinnen wegtragen. In der griechischen Antike gilt diese Handlung als höchst ehrenvoll. Dass Amazonen mit einer solchen hochrangigen Geste dargestellt wurden, belegt nach Börner die Vielschichtigkeit des Amazonenmythos:

„Die kriegerischen Frauen waren nicht nur Angst und Schrecken verbreitende Gegner, sie wurden ebenso als ehrenvolle Gegner geachtet.“123 Obgleich die Erzählungen von Kämpfen immer zu Ungunsten der Amazonen ausgehen, finden sich durchaus auch siegreiche Darstellungen von ihnen. Der Triumph beschränkt sich dabei jedoch darauf, dass ein griechischer Krieger augenscheinlich getötet und nicht die ganze Schlacht

122 Im ausgehenden 6. Jhd. v. Chr. lässt sich dann jedoch ein Produktionsanstieg von Vasenbildern beobachten mit Darstellungen des skythischen Typs. Für Fornasier liegt darin „[...] eine rein ikonographische Aktualisierung tradierter Motive vor, die durch erweiterte Kontakte zu anderen Völkern, bei denen man einige den Amazonen zugewiesene Charakteristika wiederzuerkennen glaubte, ermöglicht wurde: Die Skythen waren unerschrockene Kämpfer, exzellente Bogenschützen und Experten im Umgang mit Pferden.“ Fornasier (2007), S.56.

123 Börner (2010a), S.20.

gewonnen wird (siehe Abb.4). Dennoch zeigen Darstellungen dieser Art das militärische Geschick der Amazonen, was sie zu ebenbürtigen Gegnerinnen macht.

Abb.10: Amazonen tragen ihre gefallenen Kameradinnen vom Schlacht feld (ca. 550-500 v. Chr.).

Abb.11: Trotz ihrer physische Stärke ist das Tragen von toten oder verwundeten Kameradinnen eine Last, wie durch die gesenkten Speere und Schild vermittelt wird (510 v. Chr.).

Abschließend soll noch auf einen Aspekt der amazonischen Ikonographie eingegangen werden: die Nacktheit der Kriegerinnen bzw. die Abwesenheit dieser. Auf den hier präsentierten antiken Vasenbildern sind die Amazonen ausschließlich in Rüstung zu sehen, die griechischen Kombattanten hingegen tragen zuweilen kaum mehr als ihre Waffen und einen Helm. Allgemein steht hinter der Nacktheit der Kämpfer und Heroen die bildnerische Konvention, idealisierte (aristokratische) Werte wie Stärke, Reinheit, aber auch Schönheit darzustellen.124 Nach Sturm „[...] fand die Expression des weiblichen Schönheitsideals in Form von Nacktdarstellungen erst in Spätklassik und Hellenismus ihren Eingang in die Bildhauerkunst, wobei man zunächst lediglich die Göttin Aphrodite in vollständig nackter Pose abzubilden wagte.“125

Die Vermeidung weiblicher Nacktheit bei den Amazonen auf antiken Vasen, das heißt ihre Bekleidung von Ober- und Unterkörper, interpretiert Sturm als ein Zeichen für

124 Vgl.: Weiler, et. al. (2001), S. 676.

125 Sturm (2017), S.40. Der Bildhauer Praxiteles war es, der die Statue Aphrodite von Knidos erschuf.

Die Göttin wird in einem Moment dargestellt, in dem sie, komplett entkleidet, zum Bade geht. Siehe für eine Abbildung sowie zur ausführlicheren Beschreibung und Bedeutung Böhm (o.J.).

Keuschheit und Unantastbarkeit. Er begründet seine Deutung mit Hinweis auf die Lebensweise der Amazonen und deren Nähe zur Jagdgöttin Artemis: „Die Gottheit wurde in der Mythologie als unnahbare jungfräuliche Gestalt gepriesen, die sich nur selten einer Liaison mit einem sterblichen Mann hingab und viele Männer, die um ihre Gunst warben, auf das Bitterste bestrafte.“126 Dass diese Auslegung etwas zu kurz greift, lässt sich an zwei Punkten verdeutlichen: Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, wird mit den Amazonen erstens weniger sexuelle Enthaltsamkeit, als vielmehr Promiskuität verbunden. Zweitens war Artemis vor allem berühmt für ihre Jagdkünste; ihre Treffsicherheit mit Pfeil und Bogen richtete sich dabei auch gegen direkte Feind*innen. Ihr grundlegender, charakteristischer Wesenszug äußert sich demgemäß darin, als eine „[...] Göttin des Übergangs in den essentiellen Lebensabschnitten Geburt – Heranwachsen – Tod [...]“127 verehrt zu werden.

Vielmehr scheint es plausibel zu sein, künstlerische Konventionen als Grund anzuführen, warum die Kriegerinnen zunächst vollständig bekleidet dargestellt wurden. Der Frauenkörper ist, „[...] da Frauen im öffentlichen Leben stets verhüllt anzutreffen sind, sexualisierter als der männliche und daher lange Zeit Tabu.“128 An dieser Stelle wird dann auch erneut im Kontext der bildnerischen Darstellung die Ambivalenz, aber auch das frühe Potenzial der Amazonen deutlich: Ihre Alterität, begründet dadurch, dass sie hauptsächlich außerhalb der griechischen Ordnung standen, ermöglichte Kunstschaffenden einen argumentgestützten Freiraum, Frauen dennoch teilweise entblößt darzustellen.129 Partielle Nacktheit verdeutlichte zum einen ihre Unkultiviertheit. Zum anderen war es aus bildnerischer Perspektive für die Steigerung der Dramaturgie förderlich, „[...] die einer Amazone beigebrachte Verwundung durch Freilegung der verletzten Brust einer bildlichen Betonung zu unterziehen.“130 Durch die Verwendung des Amazonenmythos war es also teilweise möglich, künstlerische Konventionen zu überschreiten ohne erhebliche Sanktionen befürchten zu müssen. Gerade weil „[...] praktisch jede namenhafte keramische Werkstatt ihr künstlerisches Repertoire mit der einen oder anderen Amazonenvase aufzuwerten gedachte [...]“ verdeutlicht dies. Denn wohl kaum würden

126 Sturm (2017), S.43.

127 Fornasier (2007), S.21.

128 Antikenmuseum Basel (2018).

129 Die männliche Nacktheit in der griechischen Kunst verfügt derweil über eine längere und wesentlich breitere Tradition. Sturm (2017), S.40.

130 Sturm (2017), S.41.

Produzent*innen ein wirtschaftliches Risiko eingehen, wenn es keine Nachfrage in der Käufer*innenschicht gäbe, auch ungewöhnliche Sujets, in diesem Falle halbentblößte Kriegerinnen, zu erwerben.131

131 Vgl.: Sturm (2017), S.161.