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2.3 Bisherige Therapiestrategien

2.3.1 Lokale Hämostatika

Lokale Hämostatika können anhand verschiedener Merkmale unterschieden werden.

Es gibt sie in Form von Kleber, Spray, Puder oder Schwamm. Es gibt biologische und synthetische Produkte. Die meisten Produkte sind biologisch abbaubar, andere hingegen werden nicht oder nur in geringem Maße resorbiert. Manche Produkte sind nur zur äußerlichen Anwendung zum Verschluss von Hautwunden geeignet, andere haben auch ein Anwendungsspektrum an inneren Organen, dem kardiovaskulären System oder in der Neurochirurgie. Einige Produkte werden so produziert, dass sie direkt gebrauchsfertig zur Verfügung stehen (z.B. wirkstoffhaltige Schwämme), andere müssen zur Nutzung erst vorbereitet werden (z.B. Fibrinkleber). Letztlich unterscheiden sich diese Produkte in ihrer Wirkweise. Fibrinkleber wirken aktiv, indem sie die letzten Schritte der Koagulationskaskade nachahmen. Je nach verwendetem Material führen passiv wirkende Substanzen zu einer Thrombozytenaktivierung und –aggregation oder führen über die Polymerisation des Wirkagens zu einem Verschluss der Wundfläche.

Ein weiterer Punkt sind die deutlich unterschiedlichen Kosten, wobei die Fibrinkleber oder Trägermaterialien in Kombination mit gerinnungsaktiven Substanzen die teuersten Produkte darstellen.

Nachfolgend werden verschiedene Hämostatika beschrieben, die bereits zur Blutstillung an der Leber zugelassen sind oder dort experimentell getestet wurden.

2.3.1.1 Gelatine (Gelfoam, Gelfilm, Surgifoam)

Es gibt verschiedene Applikationsmethoden von Gelatine als Hämostatikum. Es ist als Gel, Schwamm und Puder verfügbar. Die Gelatine, aus Tierhaut gewonnen, bildet

eine Matrix, in der Thrombozyten adhärieren, wodurch die intrinsische Gerinnung einleitet wird (PEPER et al. 1986).

Da der pH-Wert neutral ist, kann Gelatine als Trägersubstanz für gerinnungsaktivierende Substanzen wie Thrombin verwendet werden (ACHNECK et al. 2010).

2.3.1.2 Cellulose

Es gibt Produkte aus oxidierter Cellulose und aus oxidierter regenerierter Cellulose.

Beide Formen werden aus Baumwolle gefertigt, wobei die regenerierte Cellulose zu durchgehenden Cellulosefasern verarbeitet wird.

Die oxidierte Cellulose senkt den pH-Wert in der Umgebung, so dass einerseits ein antimikrobieller Effekt angenommen wird, andererseits aber auch mit einem Anstieg der Entzündung des umliegenden Gewebes und daraus folgender verzögerter Wundheilung zu rechnen ist (TOMIZAWA 2005).

2.3.1.3 Microfibrilläres Kollagen (Avitene, Instat)

Microfibrilläres Kollagen wird aus der Lederhaut (Corium) des Rindes gewonnen. Es gibt verschiedene Produkte als Puder, Schwamm und Pad. Die große Oberfläche der Fibrillen lässt Thrombozyten adhärieren, so dass es zur Ausbildung eines Gerinnungsthrombus kommt (MORGENSTERN et al. 1977; WAGNER et al. 1996).

Da der Wirkmechanismus vom Vorhandensein der Thrombozyten abhängt, ist es bei Patienten mit Thrombozytopenie weniger wirksam (ABBOTT und AUSTEN 1975).

2.3.1.4 Mineralische Zeolite (Quick Clot)

Die ersten beiden Generationen von Quick Clot sind Puder, die das Mineral Zeolite enthalten. Dieses aktiviert die Thrombozytenaggregation und absorbiert Wasser, so dass es zu einer Ansammlung von Gerinnungsfaktoren und zur Ausbildung eines Gerinnungsthrombus kommt (ALAM et al. 2004).

Die Weiterentwicklung dieses Präparates ist in der dritten Generation eine Kaolin beschichtete Kompresse. Das inerte Mineral Kaolin ist ein Aluminiumsilikat, das

durch Prehydrierung von Zeolite hergestellt wird. Es wirkt wie Zeolite, allerdings kommt es beim exothermen Prozess der Flüssigkeitsabsorption aus der Blutung, durch die Vorbehandlung, nicht zu so hohen Temperaturen wie bei Zeolite, die gewebsschädigend sind (RHEE et al. 2008).

Bisher wurde Quick Clot besonders von der US-Armee in Kriegseinsätzen zur Versorgung von äußeren Blutungen eingesetzt (ACHNECK et al. 2010).

2.3.1.5 Cyanoacrylate (Dermabond, Histoacryl)

Cyanoacrylate, im normalen häuslichen Gebrauch auch als „Sekundenkleber“

bekannt, bestehen aus flüssigen Monomeren, die in Kontakt mit Wasser vernetzen und sehr schnell eine ausgehärtete Klebeschicht bilden.

Cyanoacrylate werden zum Verschluss von Hautwunden verwendet, wurden jedoch auch schon experimentell an der Leber getestet. Aufgrund der exothermen Reaktion, die zu Zellnekrosen führt, sind sie nur zur Anwendung auf der Haut und zum Verschluss von Ösophagus- und Fundusvarizen zugelassen.

2.3.1.6 Glutaraldehyd (BioGlue, Bio Foam)

BioGlue besteht aus einer Glutaraldehyd-Lösung, die unmittelbar vor dem Auftragen mit der zweiten Substanz aus bovinem Serumalbumin vermischt wird. Beim Vermischen quervernetzt das Glutaraldehyd mit dem Albumin, so dass der Kleber innerhalb von 2 Minuten aushärtet (ACHNECK et al. 2010). Obwohl der Kleber erfolgreich zur Hämostase in der Herzchirurgie eingesetzt wurde (PASSAGE et al.

2005), wird aufgrund seiner besonders ausgeprägten Zytotoxizität an der Leber dringend vom generellen Einsatz als Hämostatikum abgeraten (FURST und BANERJEE 2005), besonders wenn das geklebte Gewebe die Fähigkeit zur Regeneration beibehalten soll (ACHNECK et al. 2010).

Eine weitere Substanz dieser Kategorie ist BioFoam. Bei diesem Zwei-Komponenten-System basierend auf einer Protein-Lösung aus bovinem Serumalbumin und einer Glutaraldehyd-Lösung, entsteht bei der Vermischung ein Schaum. Dieser dichtet die Wundfläche mechanisch ab und bietet Anbindung für

zelluläre Blutbestandteile, die wiederum die Gerinnung regulieren. Der Schaum resorbiert innerhalb von sechs bis neun Wochen und wurde bisher in einer klinischen Studie an vierzehn Menschen nach partieller Leberresektion untersucht (WÜSTEFELD et al. 2011).

2.3.1.7 Wirkstoffhaltige Schwämme

Um die adhäsiven Eigenschaften eines Schwammes mit den hämostatischen Eigenschaften von Gerinnungsfaktoren wie Fibrin und Thrombin zu kombinieren, wurden Anfang der 90er Jahre wirkstoffhaltige Schwämme entwickelt, indem Kollagenschwämme mit Fibrinogen beschichtet wurden (ERDOGAN und VAN GULIK 2008).

Während die Schwämme anfangs vor Gebrauch manuell beschichtet werden mussten, gibt es mittlerweile fertige „Ready to Use“ Schwämme. Es gibt Kombinationen aus equinem Kollagen (Tachosil), bovinem Kollagen (Sangustop) oder Cellulose (Surgicel) mit Fibrinogen, Thrombin und Antifibrinolytika (TAKACS et al. 2010).

2.3.1.8 Fibrinkleber

Heutzutage ist eine große Anzahl von Fibrinklebern auf dem Markt verfügbar.

Fibrinkleber besteht aus Fibrinogen, Faktor XIII, Thrombin, antifibrinolytischen Agenzien und Calcium Chlorid (DUNN und GOA 1999; JACKSON 2001; KROEZ et al. 2005). Der Fibrinkleber ist immer ein 2-Komponenten-System, bei dem die Substanzen Thrombin und Fibrinogen erst unmittelbar vor dem Auftragen auf die Wundfläche miteinander vermischt werden. Dann findet genau wie in den letzten Stufen der Blutgerinnung folgender Prozess statt: Thrombin setzt das Fibrinogen in Fibrinmonomere um, die sich dann quervernetzen und einen stabilen Gerinnungsthrombus ausbilden (MOSESSON 1990). Hier spielt Faktor XIII eine wichtige Rolle. Auch er wird von Thrombin aktiviert, unterstützt die Quervernetzung der Fibrinmonomere (PISANO et al. 1968) und stimuliert die Adhäsion von Fibroblasten für die vollständige Wundheilung (CORBETT et al. 1997) (Abbildung 1).

Abbildung 1: Wirkungsweise Fibrinkleber aus (ACHNECK et al. 2010) © mit freundlicher Genehmigung von Wolters Kluwer Health

Die Substanz Fibrin und ihre Wirkung wurde im 19. Jahrhundert entdeckt (BERGEL 1909). 1940 wurde der erste biologische Kleber auf Basis von bovinem Thrombin und Plasma-Fibrinogen produziert. Damals waren die Methoden zur Fibrinogen-Isolation noch nicht ausreichend, so dass nur geringe Konzentrationen von Fibrinogen erreicht wurden. Dieser Kleber stellte sich als nicht ausreichend wirksam dar.

In den 70ern wurden die ersten Fibrinkleber in Europa kommerziell erhältlich.

Mittlerweile ist das Verfahren zur Isolation verbessert worden und es gibt Kleber mit ausreichend hoher Fibrinogenkonzentration. In den USA wurde der Klebstoff erst 1998 als Tisseel® auf den Markt gebracht (ERDOGAN und VAN GULIK 2008).

Die größten Unterschiede bei Fibrinklebern entstehen durch die unterschiedliche Herstellung, die Virusinaktivierung (Pasteurisation, Lypophilisierung und Erhitzung, Gewinnung aus Kryoprecipitaten mit anschließender Behandlung mit Lösungsmitteln

(Gehalt von großen glycosilierten Proteinen wie Fibronectin und von Willebrand Faktor) (RADOSEVICH et al. 1997). Außerdem werden teilweise Antifibrinolytika wie Aprotinin und Tranexamsäure zugesetzt. Eine in vitro Studie zeigte, dass die Bindungskraft des Klebers an die Wundfläche von der Fibrinogenkonzentration und der Menge von Faktor XIII abhängt (DICKNEITE et al. 2003).

Anfangs wurde häufig bovines Thrombin für den Kleber verwendet, das jedoch weitestgehend durch humanes Thrombin ersetzt wurde, da es zur Immunreaktion gegen bovines Thrombin kommen kann (ORTEL et al. 1994; LAWSON et al. 2005).

Eine weitere Problematik ist die mögliche Übertragung von Viren (SPOTNITZ 2012) wie HIV, Hepatitis B und C Virus, Parvovirus B19 (HINO et al. 2000; KAWAMURA et al. 2002) oder Prionen, die sich als Creutzfeld-Jacob-Erkrankung im Menschen manifestiert (DANNER 1993; DI MARTINO 1993; HENDERSON et al. 2010). Neuere Studien zeigen jedoch, dass durch stets weiterentwickelte Methoden der Virusinaktivierung die Wahrscheinlichkeit einer Pathogenübertragung als sehr gering einzustufen ist, wobei die größte Übertragungswahrscheinlichkeit bei Parvoviren besteht (HOROWITZ und BUSCH 2008). Um dieses Problem zu umgehen, wurden auch Klebersysteme entwickelt, bei denen körpereigenes Fibrinogen aus einer Eigenblutspende verwendet wird (DAVIDSON et al. 2000).

Fibrin kann als Spray, Kleber oder in Kombination mit einem Kollagen-Patch appliziert werden (NUR et al. 2005).

Fibrinkleber stellt sich wegen seiner Biokompatibilität und Bioabbaubarkeit innerhalb weniger Wochen als topisches Hämostatikum, als Gewebekleber oder zum Wundverschluss als geeignetes Therapeutikum heraus. Darüber hinaus wird erforscht, inwieweit sich Fibrinkleber als Träger- oder Depotsubstanz für Medikamente (MORTON et al. 2009) oder als Matrix für Zellen im Rahmen des

„Tissue Engineering“ einsetzen lässt (CAKMAK et al. 2013).

2.3.1.9 Keratinkleber

Eine neue Methode, die erstmals in vivo am Leberresektionsmodell im Kaninchen getestet wurde, ist die Isolation von Keratin aus Menschenhaaren, das zu einem Hydrogel verarbeitet wird. Dieses Keratingel kann direkt auf die Wundfläche

aufgetragen werden. Das Gel absorbiert Flüssigkeit, so dass es zu einer Anhäufung von Gerinnungsfaktoren im Wundgebiet kommt, die dann die Gerinnung einleiten (ABOUSHWAREB et al. 2009).

2.3.1.10 Dihydroxyaceton (MPEG)

Als neue synthetische Klebersubstanz wurde ein Polymer aus Polycarbonaten eines Dihydroxyacetons und aus Methoxypolyethylen Glykol (MPEG) entwickelt. Das Polycarbonat ist ein Glucosemetabolit, das aufgrund seiner Unlöslichkeit in organischen Substanzen in MPEG inkorporiert wird, so dass sich bei Wasserkontakt ein Hydrogel ausbildet.

Dieser Kleber wurde bisher nur zur Prävention von postoperativen Serombildungen eingesetzt. Aufgrund seiner guten Verträglichkeit mit Weichteilgeweben wurde er auch in einer in vivo Studie am Leberresektionsmodell der Ratte getestet (HENDERSON et al. 2010).

2.3.1.11 Chitin (RDH) und Chitosan (HemCon)

Chitin und Chitosan, die deacetylierte Form von Chitin, sind Polysaccharide, die bei der Fermentation von Algen entstehen und Bestandteil des Skeletts von Arthropoden sind. Es wird angenommen, dass Chitin eine Vasokonstriktion induziert und Erythrozyten, Thrombozyten sowie Gerinnungsfaktoren mobilisiert (IKEDA et al.

2002).

Chitosan in der Form von HemCon als Kompresse scheint durch den mechanischen Wundverschluss zu wirken (ACHNECK et al. 2010). Außerdem hat Chitosan aufgrund des aziden pH-Wertes eine natürliche antimikrobielle Wirkung (TSAI und SU 1999; RABEA et al. 2003; ACHNECK et al. 2010).

Chitosan wird besonders vom US-Militär in Kriegseinsätzen verwendet, ist jedoch nicht zur Implantation zugelassen (ABOUSHWAREB et al. 2009). Es gibt verschiedene tierexperimentelle Studien an der Milz und an der Leber (ABOUSHWAREB et al. 2009), die jedoch unterschiedliche Ergebnisse liefern (ACHNECK et al. 2010).

2.3.1.12 Ankaferd Blood Stopper (ABS)

ABS ist ein Pflanzenextrakt, das seit Jahrzehnten in der Türkei traditionell zur Blutstillung eingesetzt wird. Es besteht aus getrockneten Blättern der Pflanzen Thymus vulgaris, Glycyrrhiza glabra, Vitis vinifera, Alpinia officinarum und aus Wurzeln von Urtica dioica. ABS bildet durch die Aggregation von Erythrozyten und Interaktionen zwischen ABS und Fibrinogen ein Proteinnetzwerk (GOKER et al.

2008) unabhängig von der klassischen Koagulationskaskade zur Hämostase (SATAR et al. 2013).

ABS ist in der Türkei in der Dentalchirurgie und zur Behandlung externer Blutungen zugelassen (KARAKAYA et al. 2009). In weiteren experimentellen Studien wird der Einsatz zur Hämostase von Leberblutungen überprüft (KARAKAYA et al. 2009;

KALAYCI et al. 2010; SATAR et al. 2013).

2.3.1.13 Polyurethan

In der vorliegenden Studie wurden drei Klebstoffe der Firma Bayer MaterialScience AG untersucht. Dies sind hydrophile Polyurethan-Prepolymere, die in Kontakt mit Wasser oder Gewebeflüssigkeit ein Hydrogel bilden. Wie beim Fibrinkleber handelt es sich auch hier um einen 2-Komponenten-Kleber. Komponente A ist ein trifunktionelles Polyetherprepolymer auf Basis von Hexamethylendiisocyanat (HDI), Komponente B besteht aus aminofunktionellen Asparginsäureestern. Die Substanzen sind getrennt voneinander in einem 2-Kammerdosiersystem untergebracht (Abbildung 2) und werden erst unmittelbar vor dem Auftragen auf die Wundfläche miteinander vermischt. Der Klebstoff hat eine klare Farbe und eine honigartige Viskosität.

Abbildung 2: Polyurethankleber

Die NCO-Gruppen des HDI reagieren mit den Aminogruppen der Asparaginsäure, was zu einer Vernetzung und somit zur Aushärtung des Klebstoffes innerhalb von 90 Sekunden führt. Dabei bildet der Klebstoff eine kovalente Bindung zum Gewebe aus.

Die drei synthetischen Kleber unterscheiden sich durch die Konzentration an Lactid-Gruppen im HDI-Prepolymer, deren Gehalt die Bioabbaubarkeit des Klebers beeinflusst.

Die hämostatische Wirkung erfolgt durch das Anhaften von Faktor XII am aufgetragenen Kleber, wodurch Thrombozyten adhärieren sowie aktiviert werden und somit die Koagulationskaskade eingeleitet wird (GORBET und SEFTON 2004;

BROEKEMA et al. 2013). Außerdem bildet der ausgehärtete Kleber einen mechanischen Wundverschluss.

Bisher wurde Polyurethan-Schaum zur Blutstillung nach Zahnextraktionen verwendet