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5.2 Ergebnisse

5.2.2 Überleben

Ob ein Tier den Versuch überlebte, ist prinzipiell von den beiden Faktoren intra- und postoperativer Blutverlust sowie einer möglichen toxischen Wirkung des Hämostatikums abhängig. Da bei allen verstorbenen Ratten dieser Studie abgesehen von zwei Tieren der Tod innerhalb von 3 h post op eintrat, verbunden mit einem hohen intraoperativem Blutverlust, ist die Todesursache im Verbluten und nicht in einer toxischen Reaktion zu sehen. Für den hohen intraoperativen Blutverlust gibt es zwei Gründe: starke Blutung aus einem Hauptgefäßast (siehe 5.2.3) oder schlechte intraoperative Anhaftung und Ablösung der Klebeschicht (siehe 5.2.4). Bei einem der zwei Tiere, die innerhalb von 12 h post op verstarben, ist es vermutlich zu Nachblutungen gekommen, da der Kleber von der Resektionsfläche abgelöst war.

Bei dem anderen konnte der Grund für das Versterben nicht geklärt werden.

Aufgrund der Problematik des Kleberablösens verstarben zwar mehr Tiere in den Polyurethankleber-Gruppen, es gab jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen allen Gruppen im Überleben der Tiere.

In der Studie von WOITOK (2013) verstarb im Gegensatz zu unserer Studie kein Tier der Polyurethanklebergruppe und der Fibrinklebergruppe, allerdings wurde in unserer Studie die ca. fünffache Menge reseziert (siehe 5.2.3) und somit eine schwerere Verletzung erzeugt.

Da Laborparameter und Histologie keine Hinweise für eine Klebertoxizität lieferten und alle Tiere, die innerhalb der ersten 13 h post op nicht verstarben, den gesamten geplanten Untersuchungszeitraum überlebten, ist ein toxischer Effekt der Kleber auszuschließen.

5.2.3 Hämostase

Die Polyurethankleber (K1, K2, K3) stellten sich in dieser Studie genauso effektiv wie Beriplast dar. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den synthetischen Klebern im Vergleich zu Beriplast hinsichtlich Blutungszeit und Blutungsmenge. Alle Kleber unterschieden sich höchstsignifikant in diesen beiden Parametern gegen NaCl.

Vergleichbare Ergebnisse erzielte auch WOITOK (2013) im Leberresektionsmodell der Ratte. Wie in der hier vorliegenden Studie unterschied sich K1 (entspricht K2 unserer Studie) in der Blutungsmenge und in der Blutungszeit nicht signifikant gegenüber Beriplast. Die mittleren Blutungsmengen dieser Studie für K1 (entspricht K2 unserer Studie) (1,337 g) und Beriplast (1,169 g) liegen im Bereich der von uns ermittelten Blutungsmengen, die im Mittel 1,47 bis 1,88 g für die Klebergruppen betrugen.

Die mittleren Blutungszeiten für Beriplast (7,3 sec) und K1 (entspricht K2 unserer Studie) (12,8 sec) sind geringer als die von uns ermittelten Werte für Beriplast (12,48 sec) und K2 (24 sec). Allerdings haben wir ungefähr 1,5 g Leber reseziert, im Vergleich zu 0,28 g der anderen Studie. Eine Erklärung dafür, dass die Blutungsmenge in unserer Studie dennoch nicht deutlich höher war verglichen mit den Ergebnissen von WOITOK (2013), könnte darin liegen, dass wir während der

Resektion eine Stauschlinge um den Leberlappen gelegt haben. Bis zum Auftragen des Klebers wurde somit die Blutzufuhr reduziert, so dass ein geringerer Blutverlust entstand.

In der Studie von WOITOK (2013) wurde außerdem vergleichend Histoacrylkleber untersucht. Tiere mit K1-Kleber (entspricht K2 dieser Studie) bluteten gegenüber Histoacryl höchstsignifikant länger, in der Blutungsmenge bestand jedoch kein signifikanter Unterschied (WOITOK 2013). Hier ist allerdings zu erwähnen, dass Histoacryl-Kleber im Gegensatz zu K1 (entspricht K2 dieser Studie) aufgrund der exothermen Reaktion Nekrosen hervorruft und histotoxische Effekte aufweist (TORIUMI et al. 1990).

Da die Verträglichkeit und Biokompatibilität neben der hämostatischen Eigenschaft des Klebers bei der Evaluierung eines Hämostatikums ebenso zu berücksichtigen ist (KROEZ et al. 2005), stellt Histoacryl meiner Meinung nach keine äquivalente Wirksubstanz dar. Zudem ist Histoacryl nur für den Verschluss von Hautwunden und zur Sklerosierung von Ösophagus- und Fundusvarizen indiziert, so dass Beriplast die bessere und praxisnähere Vergleichssubstanz darstellt.

Dabei ist der Wirkmechanismus zwischen den synthetischen Klebern und dem Fibrinkleber unterschiedlich. Bei Beriplast findet genau wie in den letzten Stufen der Blutgerinnung folgender Prozess statt: Nach dem Vermischen und Auftragen der beiden Kleberkomponenten setzt Thrombin das Fibrinogen in Fibrinmonomere um, die sich dann quervernetzen und einen stabilen Gerinnungsthrombus ausbilden (MOSESSON 1990).

Bei den Polyurethanklebern ist anzunehmen, dass die Wirkung auf mehreren Faktoren beruht. Zum einen werden Thrombozyten durch das aufgebrachte Polyurethan aktiviert, sie aggregieren und setzen Mediatoren frei, die wiederum die Blutgerinnung induzieren (OU et al. 2011). Zum anderen ist anzunehmen, dass die Klebeschicht genau wie bei QuickClot, HemCon und Keratingel Flüssigkeit aus dem Blut absorbiert. Dadurch kommt es an der Wundfläche zur Ansammlung von körpereigenen Gerinnungsfaktoren, die wiederum die physiologische Koagulationskaskade initiieren (NEUFFER et al. 2004; ABOUSHWAREB et al.

2009). Abschließend bildet der Kleber, der durch die Quervernetzung der Monomere aushärtet, einen mechanisch abdichtenden Wundverschluss (AYSAN et al. 2010).

Aufgrund der unterschiedlichen Leberresektionsmodelle bezüglich der Resektatmenge, der gegebenenfalls antikoagualatorischen Vorbehandlung, der unterschiedlichen Messtechnik von Blutungsmenge und –zeit, ist ein direkter Vergleich der absoluten Blutungswerte mit anderen Studien nicht/kaum möglich. Eine Aussage über den Wirkungsgrad der Polyurethankleber kann dennoch anhand des effektiven Fibrinklebers Beriplast (siehe 5.1.2) erfolgen.

Weiterhin konnte wie in anderen Studien (DAVIDSON et al. 2000; HOLCOMB et al.

2000; NUR et al. 2005; ABOUSHWAREB et al. 2009; KARAKAYA et al. 2009;

AYSAN et al. 2010; HENDERSON et al. 2010; SATAR et al. 2013) auch eine signifikant geringere Blutung hinsichtlich Menge und Zeit aller Klebergruppen gegenüber der Kontrollgruppe dargestellt werden. In der Kontrollgruppe fand entweder gar keine Behandlung statt oder es wurde wie in unserer Studie NaCl verwendet.

Die NaCl-Tiere der vorliegenden Studie verloren im Durchschnitt so viel Blut, dass die Menge fast letal war, wie die durchschnittliche Blutungsmenge aller verstorbenen Tiere zeigt. Trotzdem gab es keinen signifikanten Unterschied im Überleben der Tiere zwischen allen Gruppen. Dies ist dadurch zu erklären, dass sich bei den NaCl-Tieren ein großer Gerinnungsthrombus ausbildete, der ähnlich einer Kleberschicht die Resektionsfläche abdeckte. Dieser Thrombus war stabil und es kam ebenso wie beim Fibrinkleber nur selten zu Nachblutungen.

Bei den synthetischen Klebern hingegen trat vereinzelt das Problem auf, dass der Kleber aushärtete und die Wundfläche nahezu vollständig versiegelte, es jedoch aus einer großen Lebervene zu einer starken Blutung kam, die den nicht ausgehärteten Klebstoff wegspülte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass alle anderen Gefäße bereits verschlossen waren und sich der gesamte Blutdruck dann auf eine Zentralvene konzentrierte. Das Fortbestehen der Blutung führte dann zu einer Verbrauchskoagulopathie, so dass keine ausreichende Blutgerinnung mehr stattfinden konnte und das Tier aus diesem eröffneten Gefäß verblutete.

Ähnliches beobachteten auch ABOUSHWAREB et al. (2009). Sie bestätigten, dass das Überleben des Tieres von der jeweiligen Gefäßanatomie abhing. Betrachtet man die Gefäßanatomie wie von MARTINS und NEUHAUS (2007) beschrieben, können durch die Resektion an der längsten transversen Linie des Lobus sinister lateralis drei venöse Hauptgefäßäste (siehe 2.4.1) verletzt werden. Dies ist von der individuellen Anatomie und der fallspezifischen Schnittführung abhängig. Wird somit durch die Resektion ein großes Gefäß mit über 1 mm Durchmesser oder mehrere kleinere mit ungefähr 1 mm Durchmesser verletzt, ist die Gefahr der Exsanguination sehr groß, besonders wenn innerhalb der ersten Minuten keine erfolgreiche Hämostase durch das Testagens einsetzt. Dies ist darin begründet, dass die Gefahr des Verblutens von der Menge und der Geschwindigkeit der Blutung abhängt. Sie unterliegt dem Mechanismus, dass durch den Blutverlust eine generalisierte Gefäßkontraktion stattfindet, die zu einem erhöhten kardialen Auswurfvolumen führt.

Da die Leber nur wenige Muskelzellen besitzt, findet nur eine geringe Gefäßkontraktion und –retraktion statt, es kommt zu einem starken Blutverlust bei insuffizienter Hämostase, der über einen vaskulären Kollaps zum Versterben des Tieres führt (ABOUSHWAREB et al. 2009).

Teilweise kam es auch zu Nachblutungen unter der Kleberschicht, die nur dadurch zu erkennen waren, dass die Kompresse von der Facies visceralis der Leber Blut aufsaugte. In diesen Fällen war keine weitere Nachklebung möglich, da die Blutungen unterhalb der Klebeschicht nicht zugänglich waren. Dafür hätte die Klebeschicht vollständig entfernt werden müssen mit dem Risiko, Gerinnungsthromben zu zerstören und eine erneute Blutung zu induzieren. Dieses Problem beschrieben auch NUR et al. (2005). Dort trat ebenfalls das Problem auf, dass unter der Klebeschicht Sickerblutungen entstanden, die nicht mit frischem Kleber erreichbar waren, da dafür die bereits vorhandene Schicht hätte entfernt werden müssen.

Dieser Problematik des Nachblutens und des starken Blutens aus einer Zentralvene könnte begegnet werden, indem die Stauschlinge erst gelöst wird, wenn der Kleber vollständig ausgehärtet ist. Nachteilig wäre jedoch der bis dahin ischämische

Zustand des Leberlappens, an dem die Resektion durchgeführt wird. Während die kurze Ischämie-Zeit in der vorliegenden Studie von den Ratten gut toleriert wurde, verstarben in einem Leberresektionsmodell am Schwein drei von 36 Tieren aufgrund des Ischämie-Reperfusionsschadens (DAVIDSON et al. 2000).

Trotz der Problematik des Nachblutens konnte in unserer und in der Studie von WOITOK (2013), den einzigen in vivo Untersuchungen zu den neu entwickelten Polyurethanklebern K1, K2 und K3 gezeigt werden, dass sie hinsichtlich Blutungszeit und-menge genauso effektiv sind wie Beriplast.

Außerdem wurde bereits in einer klinischen Studie von BROEKEMA et al. (2013) die Effektivität eines Hämostatikums auf Polyurethanbasis gezeigt. Dazu wurde Polyethylenglykol-Polyurethanschaum nach einer Zahnextraktion beim Menschen zur Blutstillung verwendet. Verglichen mit den anderen beiden Behandlungsgruppen der angeführten Studie traten gegenüber Gelatine und Kollagen keine signifikanten Unterschiede in den Gerinnungsparametern auf, so dass auch hier die hämostatischen Eigenschaften von Polyurethan in Kombination mit Polyethylene unter Beweis gestellt werden konnten (BROEKEMA et al. 2013).