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Im Folgenden werden Experimente vorgestellt, die der Untersuchung der Richtungs-abh¨angigkeit der mechanischen Stimulation und einer damit verbundenen m¨oglichen verz¨ogerten Calciumantwort dienten. Dabei konnte auf der Basis des dreidimensionalen Kraftmikroskops die lokale Stimulationsrichtung vorgegeben werden, um einen Vergleich zu Dehnungsreizen und Scherfl¨ussen zu erm¨oglichen.

6.3.1 Einfluss der Stimulationsrichtung auf die Mechanotransduktion

Adh¨arente Zellen stellen aus physikalischer Sicht kein homogenes System dar. Im Gegenteil:

durch das Anwachsen an einer planaren Oberfl¨ache weisen sie eine ausgezeichnete Richtung auf. Damit stellt sich die Frage, ob die Richtung der lokalen Stimulation einen Einfluss auf die Mechanotransduktion in Osteoblasten hat.

Fokale Adh¨asionen scheinen nicht nur eine wichtige Rolle in der Mechanotransduktion zu spielen [189], sondern werden selbst durch die mechanischen Eigenschaften des Sub-strates reguliert [174]. W¨ahrend in Dehnungsexperimenten die Deformationen direkt auf die Ventralseite der Zellen wirken und damit die fokalen Adh¨asionen und das assoziier-te Zytoskelett beeinflussen, erzeugt das Kraftmikroskop Deformationen auf der Obersei-te der Zelle. Wenn nun, wie vermuObersei-tet wird, der Mechanosensor im Bereich der fokalen Adh¨asionen lokalisiert ist [76], ist leicht einzusehen, dass die Kraftmikroskop-Stimulation m¨oglicherweise eine Deformation generiert, die den Mechanosensor nicht beeinflusst. Letz-teres h¨angt im Wesentlichen von den mechanischen Eigenschaften der Zelle ab, ¨uber die in Kapitel 2.3.5 gesprochen wurde. Die Funktionsweise des Mechanosensors wird h¨aufig von einem Modell beschrieben, in dem der Mechanosensor durch ein Molek¨ul repr¨asentiert wird, das durch ¨außere Kr¨afte seine Konformation und damit seine biochemische Aktivit¨at

¨andert. Wirkt nun aber die Deformation der Zelle nicht bis zum Ort des Mechanosensors, kann dieser m¨oglicherweise nicht aktiviert werden. Auch Scherkr¨afte k¨onnen unter die-sem Betrachtungwinkel in das Schema eingepasst werden. Sie bewegen die Zellen durch die vorgegebene Flussrichtung vermutlich in eine Richtung bewegt, so dass in der Folge Kr¨afte zwischen Zelle und Substrat und damit auf die fokalen Adh¨asionen und einen dort lokalisierten Mechanosensor wirken.

6.3.2 Experimente mit Calcium

Um den Einfluss der Stimulationsrichtung untersuchen zu k¨onnen, wurden mit dem drei-dimensionalen Kraftmikroskop (siehe Kapitel 4.3) laterale Stimulationen durchgef¨uhrt.

W¨ahrend vertikale Stimulationen unter einem Winkel von 90 relativ zum Zell-Substrat

6.3 Laterale Stimulation und Calcium

und damit zur Glasoberfl¨ache appliziert wurden, erfolgte die laterale Stimulation in ei-nem Winkel von 0. Unter konstanter Periodendauer (100ms) und Zyklenzahl (20) wurde die Maximalkraft eines dreieckigen Stimulationsprofils so lange sukzessiv erh¨oht, bis ei-ne intrazellul¨are Calciumantwort auftrat. Dazu wurde der Cantilever zun¨achst neben der Zelle ¨uber den vertikalen Ann¨aherungsalgorithmus auf die Glasoberfl¨ache gefahren. Damit der Ausleger bei der lateralen Stimulation nicht direkt ¨uber die Oberfl¨ache

”schleift“ und Reibungskr¨afte zwischen Substrat und Cantilever wirken k¨onnen, wurde dieser auf einen Abstand von 100nm bis 200nm ¨uber die Glasoberfl¨ache zur¨uckgenommen. Aus dieser Po-sition startete die laterale Ann¨aherungsprozedur, die so lange ausgef¨uhrt wurde, bis ein bestimmtes Schwellensignal des positionsempfindlichen Detektors ¨uberschritten und damit die Oberfl¨ache der Zelle erreicht wurde. Nun konnte die eigentliche mechanische laterale Stimulation der Zellen beginnen.

Die Abbildung 46 zeigt den typischen Verlauf einer Calciumantwort nach lateraler me-chanischer Stimulation mit dem Kraftmikroskop. Die Dynamik der Calciumsignale ist zu der nach vertikaler Stimulation vergleichbar (siehe Abbildung 33). Auch bei einer lateralen Stimulation kam es in Folge des mechanischen Reizes zu einem eindeutigen Fluoreszenz-verlust von Fura-2 nach Anregung bei 380nm und damit verbunden zu einer scheinbaren Erh¨ohung der Calcium-Ruhekonzentration der stimulierten Zelle. Das Fluoreszenzsignal benachbarter Zellen blieb hingegen ann¨ahernd konstant. Lediglich ein minimales Ausblei-chen des Fluoreszenzfarbstoffes war zu beobachten. Die Maximal-Kr¨afte auf die Zelle und die resultierenden Deformationen lagen im Bereich der f¨ur vertikale Stimulation erforder-lichen Amplitude zur Evokation von Calciumantworten. Die Variation des Stimulations-winkels zwischen 90 (vertikale Stimulation) und 0 (laterale Stimulation) f¨uhrte ebenfalls zu keinen physiologischen Calciumsignalen.

Da sowohl bei der vertikalen als auch bei der lateralen Stimulation vergleichbare Cal-ciumantworten erst bei entsprechend hohen Kr¨aften zu beobachten waren, muss auch hier von einer nicht-physiologischen Antwort durch eine Mikroporation der Zellmembran ausgegangen werden. Eine Calciumerh¨ohung konnte bei der Applikation physiologischer Kr¨afte nicht ausgel¨ost werden. Auf Grund dieser Ergebnisse wurde auf weitere Messungen bez¨uglich der Herkunft der Calciumionen verzichtet.

6.3.3 Vertikale und laterale Stimulationen l¨osen keine Mechanotransduktion unter der Beteiligung von Calcium aus

Unabh¨angig vom Winkel der Stimulation und der damit verbundenen Stimulationsrich-tung kann durch eine lokale Deformation der oberen Zellmembran adh¨arenter Zellen keine Mechanotransduktion ausgel¨ost werden, die zu einer verz¨ogerten Calciumantwort f¨uhrt, wie sie bei Scherkr¨aften und Dehnungsreizen zu beobachten ist. Obwohl die laterale Sti-mulation mit dem dreidimensionalen Kraftmikroskop unter einem Winkel von 0 relativ zum Zellsubstrat im Prinzip die Verh¨altnisse von Scherkr¨aften und Dehnungsreizen besser simuliert als die vertikale Stimulation bei 90, scheint ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen diesen verschiedenen Stimulationsarten zu bestehen. Eine m¨ogliche Ursache f¨ur das unterschiedliche Mechanotransduktions-Verhalten liegt in der Wahl des Cantilevers und der dazugeh¨origen Sonde. Die relativ hohe torsionale Federkonstante f¨uhrte unter den verwendeten Kr¨aften zu einer geringen Torsion des Cantilevers, so dass die tats¨achlich

1 . 0 1 . 5 2 . 0 2 . 5 3 . 0 3 . 5

1 0 0 2 0 0 3 0 0 4 0 0 5 0 0 6 0 0

2 0 3 0 4 0 5 0

Ratio 340nm/380nm

T i m e / s

Intensity / arb.u.

Abbildung 46: Dargestellt ist ein typischer Fluoreszenzverlauf nach lateraler Stimulation mit dem Kraftmikroskop. Der untere Graph zeigt die Fluoreszenzintensit¨at nach Anregung des Farbstoffes Fura-2 bei 380nm. Die Pfeile markieren die Zeitpunkte, zu denen die Zelle mechanisch stimuliert wurde. Die rote Linie spiegelt den Verlauf der Calciumkonzentration der stimulierten Zelle wider, w¨ahrend die schwarze Linie die Calciumantwort einer nicht-stimulierten Nachbarzelle charakterisiert.

applizierte Kraft nur ungenau bestimmt werden kann. Im Gegenzug bleibt jedoch die Kontaktfl¨ache zwischen Zelle und Cantilever-Spitze nahezu unver¨andert. Des Weiteren war eine vollst¨andige Entkopplung zwischen der vertikalen und der lateralen Auslenkung der Cantilever nicht zu realisieren, so dass eine durch laterale Deformation ausgehende Versteifung in senkrechter Richtung gemessen werden kann. Als Sonde wurde auch hier eine 10µm große Silika-Glas-Kugel verwendet. Das Gr¨oßenverh¨altnis zwischen Zelle und Cantilever-Sonde ist in Abbildung 47 dargestellt. Der Durchmesser der Mikrokugel ¨ uber-steigt die H¨ohe einer durchschnittlichen Zelle, die ¨uber dem Zellkern in der Regel 2µm bis 3µm betr¨agt, um das zwei- bis dreifache (siehe Abbildung 47). Die Topographie des

¨ubrigen Zellk¨orpers ist wesentlich flacher. Je gr¨oßer der Durchmesser der Sonde ist, desto problematischer wird die ¨Ubertragung lateraler Kr¨afte auf die Zelle, da auf Grund der sph¨arischen Form die Zelle unter dem Cantilever hindurch gleiten kann. In der Folge wird die tats¨achlich ¨ubertragene laterale Kraftkomponente kleiner. Auch eine im Gegenzug an-steigende vertikale Kraftkomponente konnte in den Experimenten beobachtet werden. Die Kugelgr¨oße wurde jedoch gezielt gew¨ahlt, um sicherstellen zu k¨onnen, dass das scharfkan-tige Substrat des Cantilevers keinen direkten Kontakt zur Zelle hat und die Zellmembran nicht verletzen kann.

Um eine bessere laterale Stimulation zu erm¨oglichen, w¨are die Verwendung von kleinen Silika-W¨urfeln denkbar gewesen. Eine W¨urfelform h¨atte das Abtauchen der Zelle unter dem Cantilever vermindern k¨onnen. Allerdings war es nicht m¨oglich, auf kommerziellem Wege W¨urfel mit einer Kantenl¨ange von circa 10µm zu erhalten. Außerdem h¨atten die Kanten eines solchen Quaders ebenfalls eine Quelle f¨ur Mikroverletzungen der Membran darstellen k¨onnen.