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6.6 Krafttransmission bei vertikaler Stimulation

6.6.3 Interpretation der Ergebnisse

A B

1,04*10 N/m3 2 1,42*10 m-5

Abbildung 60: Dargestellt ist die w¨ahrend der Stimulation mit einer Kraft von 300nN auftre-tende Krafttransmission. (A) zeigt die Gesamt-Zugkr¨afte der Zelle vor der Stimulation (75N/m2);

(B) gibt die Gesamt-Zugkr¨afte nach Auflage des Cantilevers auf die Zelle wieder (220N/m2). Die Zunahme der Adh¨asionskr¨afte durch die Stimulation ist deutlich zu erkennen.

(nicht gezeigt).

Berechnet man nun durch den Vergleich mit einem nicht deformierten Substrat die Gesamt-Zugkr¨afte, so wird auch hier die ¨Anderung der Adh¨asionskraft durch die Auflage des Cantilevers deutlich (siehe Abbildung 60). Durch diese Belastung trat eine Erh¨ohung der Gesamt-Zugkr¨afte zwischen 80N/m2 und 150N/m2 auf. Damit trug ein großer Teil des applizierten Druckes zur Beeinflussung der auf das Substrat ¨ubertragenen Adh¨asionskraft der Zelle bei. Die konkurrierenden mechanischen Eigenschaften, die bei mittleren Kr¨aften diskutiert wurden, k¨onnen diese Diskrepanz erkl¨aren. Ab einer bestimmten Deformation tritt allerdings eine bestimmte mechanische Eigenschaft in den Vordergrund und f¨uhrt zur ¨Anderung der Gesamt-Zugkr¨afte. Anscheinend werden durch die Belastung vor allem die intrinsischen Spannungsverh¨altnisse des Zytoskeletts ver¨andert, so dass in der Folge erh¨ohte nach innen gerichtete Kr¨afte auftreten (siehe Abbildung 60).

Des Weiteren war bei der Applikation großer Kr¨afte zu beobachten, dass die H¨ohe der Adh¨asionskraft mit fortschreitender Stimulationsdauer abnahm, so dass die Zugkr¨afte nach 360 Sekunden um 20% bis 30% vermindert waren. Zus¨atzlich induzierte Gesamtzugkr¨afte werden also hier in direkter Weise von der Zelle aktiv ver¨andert, um so das physiologische Zugkraftniveau wiederherstellen zu k¨onnen. Bei kleinen und mittleren Zugkr¨aften hingegen versucht die Zelle vor allem, die lokale Belastung auszugleichen, indem sie weicher wird, ohne die Gesamtzugkr¨afte zu ver¨andern (siehe oben).

Osteobla-6.6 Krafttransmission bei vertikaler Stimulation

sten in der N¨ahe der fokalen Adh¨asionen lokalisiert ist, untersucht werden, warum Osteo-blasten auf einen Dehnungsreiz mit einer verz¨ogerten Calciumantwort reagieren und auf die lokale Stimulation mit dem Kraftmikroskop nicht. In den folgenden Abschnitten erfolgt die Interpretation der Ergebnisse hinsichtlich dieser Fragestellung. Des Weiteren dienen die durchgef¨uhrten Experimente zur Interpretation des zellmechanischen Verhaltens unter

¨außeren Kr¨aften. Eine ausf¨uhrliche Diskussion der erhaltenen Ergebnisse hinsichtlich der g¨angigen Zellmodelle und ihrer Evaluierung erfolgt in Kapitel 7.

Kleine und mittlere Kr¨afte Tats¨achlich l¨asst sich feststellen, dass Osteoblasten die durch kleine Kr¨afte von etwa 50nN hervorgerufen Deformationen absorbieren. Diese Kr¨afte haben keinen signifikanten Einfluss auf die Substratkr¨afte. Die Beobachtung l¨asst vermuten, dass die Deformationsenergie im Wesentlichen f¨ur eine viskoelastische, lokale Deformation der Zellmembran, des Zytosols und des Zytoskeletts sowie einer Konformations¨anderung zellin-terner Proteine verwendet wird. Dabei werden keine zus¨atzlichen Kr¨afte auf das Substrat

¨ubertragen. Erst h¨ohere Kr¨afte - von bis zu 150nN - lassen in den differenziellen Zugkraft-bildern Zugkraft¨anderungen erkennen. Da diese sind jedoch fast vollst¨andig ungerichtet sind, haben sie keine Auswirkung auf die Gesamt-Zugkraft. Hier scheinen unterschied-liche mechanische Eigenschaften der Zelle zu konkurrieren, in deren Folge es zu lokalen Unterschieden der Orientierung der differenziellen Zugkr¨afte (nach innen und nach außen gerichtete Kr¨afte) und damit zu entsprechenden Unterschieden der Kr¨afteverh¨altnisse des Zytoskeletts kommt.

Große Kr¨afte Appliziert man hingegen lokal auf die Oberseite eines Osteoblasten Kr¨afte von 300nN, so wird die vermittelt ¨uber Adh¨asionspunkte auf das Substrat erfolgende Kraft¨ubertragung verst¨arkt. Hier scheinen auf Grund der großen Deformation spezielle mechanische Eigenschaften der Zelle zu dominieren. Dabei resultieren vor allem nach in-nen gerichtete Kr¨afte auf das Substrat. Diese treten sowohl im differenziellen, als auch im Gesamt-Zugkraftbild auf, sind aber nicht ¨uber die gesamte Zelle verteilt. Andere Effekte, die nach Applikation kleiner und mittlerer Kr¨afte zu beobachten waren, treten hier in den Hintergrund. Obwohl die eindeutige Deformation des Substrats zeigt, dass auf eine kraftabh¨angige Beeinflussung bestimmter Zellteile wie des Zytoskeletts und der Adh¨ asi-onspunkte zur¨uckgeschlossen werden kann, kommt es hier im Gegensatz zu den Dehnungs-reizen nicht zum Ausl¨osen einer Calciumantwort.

Kraftverteilung im Vergleich zu Dehnungsmessungen Die Kraftverteilung in der Zel-le scheint sich nach Applikation von Dehnungsreizen grundZel-legend von der Kraftverteilung nach einem mechanischen Reiz durch das Kraftmikroskop zu unterscheiden: die uniaxiale Dehnung f¨uhrt zu einer Streckung der kompletten Zelle entlang der Dehnungsachse. Auf Grund dieser L¨angen¨anderung werden Kr¨afte auf alle Adh¨asionspunkte und damit auf die gesamte Zelle ausge¨ubt. Parallel zur Dehungsachse treten erh¨ohte, nach innen gerichte-te Zugkr¨afte auf. Im Gegensatz hierzu k¨onnen die senkrecht zu dieser Achse nach innen gerichteten Kr¨afte auf Grund der Volumenerhaltung abgeschw¨acht werden. Die lokalen Stimulationen hingegen zeigen ein anderes Bild: hier erfolgt die Erh¨ohung der Zugkr¨afte auf das Substrat vor allem in ¨ortlicher N¨ahe zur mechanischen Stimulation und die auf-tretenden Zugkr¨afte sind in das Innere der Zelle gerichtet, so dass von einer mehr oder

weniger lokalen, kreissymmetrischen Manipulation der Zelle und damit des Zytoskeletts ausgegangen werden kann. Der Mechanosensor, der eine verz¨ogerte Calciumantwort her-vorruft, scheint derart in die Zelle integriert zu sein, dass eine mechanische Stimulation auf der Adh¨asionsseite der Osteoblasten entlang einer bestimmten globalen Achse erfol-gen muss, um diesen Mechanosensor aktivieren zu k¨onnen. Die Experimente best¨arken die Hypothese der Kopplung eines speziellen Mechanosensors mit der Adh¨asionsseite der Zelle.

Die konstante lokale Deformation erzeugt keine aktiven Zugkr¨afte Die experimen-tellen Ergebnisse f¨uhren zu der grunds¨atzlichen Frage, ob die ¨Anderung der Zugkr¨afte durch eine passive Krafttransmission zustande kommt oder ob aktive Mechanismen der Kraftgenerierung (siehe Kapitel 6.5) beteiligt sind.

In den Experimenten aus Kapitel 6.5 wurden die Zellen mit etwa 150nN und einer Fre-quenz von 10 Hz f¨ur zwei Sekunden mit dem Kraftmikroskop lokal belastet. Hierbei sollte die aktive Antwort der Zelle auf die mechanische Stimulation untersucht werden. Bei diesen Experimenten waren verschiedene ¨Anderungen in den Gesamt-Zugkr¨aften zu beobachten:

so wurden die Zugkr¨afte einerseits innerhalb weniger Sekunden nach der mechanischen Sti-mulation entweder abrupt erh¨oht oder verringert. Andererseits wurde auch eine langsame Anderung der Gesamt-Zugkr¨¨ afte nach der lokalen Stimulation erkennbar.

Die Experimente, die zur Bestimmung der Krafttransmission durchgef¨uhrt und deren Ergebnisse in diesem Kapitel vorgestellt wurden, zeigten im Gegensatz dazu eine Gemein-samkeit: die Stimulation f¨uhrte hier, sofern die Kr¨afte groß genug waren, sofort nach Abla-ge des Cantilevers zur Erh¨ohung der Zugkr¨afte. Hierbei blieb der Cantilever allerdings f¨ur 360 Sekunden an einer vorherbestimmten Position. Die ¨Anderung der Zugkr¨afte hing nun, im Gegensatz zur vertikalen Stimulation, die mit einer Frequenz von 10Hz erfolgte, nicht von den initialen Zugkr¨aften ab. Des Weiteren zeigten die aktiven Zugkrafterh¨ohungen aus Kapitel 6.5 eine gleichf¨ormige Erh¨ohung oder Verringerung der nach innen gerichteten Zugkr¨afte ¨uber die ganze Zelle verteilt. Die Krafttransmissionsmessungen hingegen wiesen nur eine lokale Kraft¨anderung in den Zugkraftmustern auf.

Auf Grund der oben beschriebenen Beobachtungen ist zu schließen, dass die langsame Auflage des Cantilevers und die sich anschließende Dauerstimulation keine aktive Antwort der Zelle hervorruft.

Frequenzabh¨angigkeit der Mechanotransduktion Die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Beobachtungen lassen vermuten, dass der Mechanosensor eine Frequenz-abh¨angigkeit besitzt. Dieses Ph¨anomen kann auch bei der Stimulation ganzer Knochen-fragmente beobachtet werden (siehe Kapitel 2.4). Dabei scheint das Knochenwachstum vor allem mit kleinen Amplituden, aber hohen Frequenzen stimuliert werden zu k¨onnen.

Der zellul¨are Mechanismus, der auf solche Reize mit der Initiierung der Mechanotrans-duktion reagiert, k¨onnte also ¨ahnlich dem Aktin-Myosin-Komplex des Zytoskeletts eine Art Vorspanneinrichtung sein. Das Zytoskelett kann unter ATP-Verbrauch Aktinfilamente um eine bestimmte Schrittweite bewegen und unter erh¨ohte Zugspannungen setzen (siehe Kapitel 2.2.1). Der Mechanosensor k¨onnte ¨ahnlich funktionieren: durch wiederholte ¨ auße-re Krafteinwirkung wird die Molek¨ulstruktur des Mechanosensors schrittweise so lange