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Landesspezifische Hemmnisse für eine Verkehrsverlagerung

Im Dokument KONZEPT GÜTER (Seite 50-54)

4 Hemmnisse für eine nachhaltige Güterverkehrsentwicklung

4.3 Landesspezifische Hemmnisse für eine Verkehrsverlagerung

Aus den betrachteten landesspezifischen Untersuchungen zur Schiene und zur Binnenschiff-fahrt (v.a. UVM BW 2010; IVT 2010; Prognos/VWI 2011; TCI Röhling 2014) lassen sich sehr konkrete Hinweise ableiten, welche Verlagerungshemmnisse im Moment einer Verschiebung von Güterverkehrsanteilen von der Straße auf Schiene und Binnenschiff in Baden-Württem-berg, aber auch der bevorzugten Aufnahme neuen Verkehrswachstums auf Schiene und Was-serstraße im Land entgegenstehen. Dabei handelt es sich zunächst ebenfalls um eine Be-standsaufnahme aus der Literatur und noch nicht um Erkenntnisse, die im und für das Güter-verkehrskonzept BW neu erarbeitet wurden.

Externe Faktoren

33 Ein Großteil der Verlagerungshemmnisse ist auch in Baden-Württemberg auf die Infrastruk-tur-Kapazität zurückzuführen. Dies zeigt sich insbesondere durch eine fehlende Leistungsfä-higkeit des Güterverkehrs-Gesamtsystems. Es besteht Terminal-Ausbaubedarf für den Kom-binierten Verkehr im Raum Stuttgart, in Oberschwaben und in der Ortenau. Auch in der Mehrzahl der Binnenhäfen im Land sind Erweiterungsflächen nur in begrenztem Umfang vor-handen. Dieses Verlagerungshemmnis wird durch die Strategie einzelner Häfen bzw. Hafen-eigentümer weiter verstärkt, die zuweilen auf eine optimale Vermarktung der vorhandenen flussnahen Flächen fokussiert ist, aber nicht zwingend auf eine logistik- oder schifffahrtsaf-fine Nutzung.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Schieneninfrastruktur. Dort stehen erforderliche Aus-baumaßnahmen für die geplanten 740-m Korridore durch Baden-Württemberg an. Weitere Infrastruktur-Engpässe stellen Eingleisigkeiten und die fehlende Elektrifizierung von Aus-weichstrecken im Falle von Störungen dar. Dies betrifft u.a. die Strecken Tübingen - Horb, Radolfzell - Friedrichshafen und Öhringen - Schwäbisch Hall-Hessental. Ein weiteres Verlage-rungshemmnis ist der Schiebebetrieb im Abschnitt Geislingen-Amstetten („Geislinger Steige“). Letztlich hemmt auch die Aus- beziehungsweise Umrüstung von Strecken auf das European Train Control System (ETCS) aufgrund der damit verbundenen Umrüstungskosten insbesondere für kleinere Eisenbahnverkehrsunternehmen eine potenzielle Verlagerung von Verkehren auf die Schiene, zumindest solange keine nationalen oder europäischen Förder-programme hierfür bereitstehen.

Auch die Straßeninfrastruktur bedarf einer weiteren Ertüchtigung, um zukünftig den Anfor-derungen im Güterverkehr gewachsen zu sein. Dies betrifft insbesondere auch die bessere Erreichbarkeit von Häfen und Terminals des Kombinierten Verkehrs, ohne die viele Schienen- und Schiffsverkehre nicht durchgeführt werden können.

Weitere Verlagerungshemmnisse in Baden-Württemberg lassen sich im Bereich Netzzugang und Interoperabilität identifizieren. Probleme gibt es unter anderem mit den begrenzten Schleusenbetriebszeiten auf dem Neckar und der notwendigen Voranmeldung für Nacht-schleusungen. Hinzu kommen die aufgrund des Alters der Infrastruktur häufigen technischen Schleusenausfälle. Die zu geringe Dimensionierung der Schleusen beschränkt die Transport-möglichkeiten der Binnenschifffahrt auf dem Neckar. Die bei den allgemeinen Verlagerungs-hemmnissen bereits erwähnten Hoch- und Niedrigwasserperioden sind mit durchschnittlich zehn Tagen im Jahr, an denen es an Neckar und Rhein zu Verkehrsbeeinträchtigungen kommt, ebenfalls ein Hemmnis. Zunehmend zu einem weiteren Hemmnis wird die verkehr-liche Erreichbarkeit der Binnenhäfen. Bei der Schiene gibt es Hemmnisse im Bereich Netzzu-gang und Interoperabilität. So führt das Baustellenmanagement in Form von nachholender Sanierung und Ausbau des Schienennetzes zu reduzierter Trassenverfügbarkeit für Güter-züge während der Bauphase, wie etwa bei der Frankenbahn. Ebenfalls problematisch können die Zugübergaben des grenzüberschreitenden Verkehrs mit der Schweiz, Frankreich und Ös-terreich sein, sofern damit ein Personal- oder Treibfahrzeugwechsel einhergeht.

Zwar sind die Wettbewerbsbedingungen im Güterverkehr überwiegend im nationalen Recht und im europäischen Gemeinschaftsrecht kodifiziert, dennoch gibt es auch hier landesspezi-fische Themen. Eine teilweise sehr zurückhaltende Marktorientierung bei den Binnenhäfen

Fehlende

34 trifft auf mehrere baden-württembergische Hafenstandorte zu. Eine v.a. im Vergleich mit dem Güterkraftverkehr passive Kundenakquisition führt dazu, dass die Häfen und die Unter-nehmen der Binnenschifffahrt von potenziellen Auftraggebern eher weniger wahrgenom-men werden. Ein weiteres wettbewerbsinduziertes Verlagerungshemmnis ist die zuweilen mangelnde Kooperationsbereitschaft zwischen den Verkehrsträgern Bahn und Binnenschiff entlang von Neckar und Rhein. Bei der notwendigen spontanen Zusammenarbeit in bestimm-ten Situationen wie etwa bei Hoch- und Niedrigwasser mangelt es teilweise an Flexibilität und Bereitschaft zur Kooperation. Im Themenfeld der Kostenstrukturen und Preise werden neben den als allgemein identifizierten preis- und kostengetriebenen Verlagerungshemmnis-sen aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit keine weiteren länderspezifischen Hemmnisse hinzu-gefügt.

Als abschließendes Themenfeld der Hemmnisse sollen somit die landesspezifischen externen Faktoren betrachtet werden. Ein sowohl für die Binnenschifffahrt als auch die Schiene rele-vantes Verlagerungshemmnis ist der in Baden-Württemberg aufgrund der Industriestruktur besonders rasch fortschreitende Wandel der Güterstruktur vom Massengut hin zum Stück-gut: ohne innovative Angebote ist der Transport dieser Güter auf Schiene und Wasserstraße – abgesehen vom Kombinierten Verkehr – oftmals nicht darstellbar. Als wesentliches Hemm-nis gerade beim Schienenverkehr hat sich auch die mangelnde Akzeptanz der anfänglich vor-gelegten Planungen erwiesen, wie z.B. im Rheintal. Auch im Land hemmen darüber hinaus lange Planungs- und Umsetzungszeiträume eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Schiene, beispielsweise beim Ausbau der Rheintalbahn auf vier Gleise, beim Ausbau der Gäubahn oder bei der Elektrifizierung der Südbahn.

Im Laufe der Projektarbeiten hat sich gezeigt, dass die Beteiligung der Akteure in Form von Workshops und Fachforen eine entscheidende Rolle spielt, damit einzelne Maßnahmen zur Verbesserung der Abläufe und der Kooperation im Güterverkehrssystem überhaupt wirksam werden. Insofern sind die Vernetzungsformate als eigenständiges fünftes Gestaltungsfeld zu nennen.

Sowohl die identifizierten allgemeinen Verlagerungshemmnisse als auch die länderspezifisch für Baden-Württemberg erfassten Hemmnisse beschreiben überwiegend infrastrukturelle Probleme. Somit ist eine direkte Einflussnahme der Baulastträger der öffentlichen Hand zur Überwindung der genannten Verlagerungshemmnisse möglich, wenngleich bei allen Ver-kehrsträgern jeweils verschiedene politische Ebenen angesprochen sind. Die Hemmnis-Ana-lyse zeigt zudem, dass zur Verbesserung des Güterverkehrs-Gesamtsystems verschiedene Akteure auf den verkehrslogistischen Märkten, politischen Ebenen und Zuständigkeiten an-gesprochen werden müssen, da diese oft in gemeinsamer Verantwortung stehen.

Die identifizierten landesspezifischen Hemmnisse zeigen, dass häufig europäische, nationale, regionale und kommunale Zuständigkeiten gleichermaßen zu berücksichtigen sind, um spe-zifische Hemmnisse für eine nachhaltige Güterverkehrsentwicklung aus allen Perspektiven adressieren zu können. Um vor diesem Hintergrund dennoch fokussierte Gestaltungsemp-fehlungen für das Land geben zu können, wurden sowohl die identifizierten landesspezifi-schen Hemmnisse als auch die zuvor definierten Gestaltungsfelder im Rahmen des Güterver-kehrskonzepts

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 in den Fachforen

 in ergänzenden Fachgesprächen mit der Transport- und Logistikwirtschaft

 innerhalb der Gutachtergruppe

intensiv diskutiert und auf Landeszuständigkeiten geprüft. Im Ergebnis führte dies zu einem Gutachtervorschlag, der auf einem zyklischen Verbesserungs- bzw. Optimierungsprozess auf-baut und dabei in besonderer Weise Landeszuständigkeiten berücksichtigt. Der Abbau der bestehenden Hemmnisse durch die Verknüpfung geeigneter Maßnahmen auf verschiedenen Gestaltungsfeldern steht gleichzeitig für den zentralen Beitrag des Güterverkehrskonzepts Baden-Württemberg, um die nachhaltige Entwicklung des Güterverkehrs-Gesamtsystems in Baden-Württemberg voranzubringen.

Die vom Auftraggeber definierten Arbeitspakete übernehmen in diesem Konzept eine wich-tige Schnittstellen-Funktion. Sie werden dabei zu sinnvollen Einheiten zusammengefasst. Da-her sind die im Güterverkehrskonzept untersuchten Themen nachfolgend auch nicht in der Reihenfolge der Arbeitspakete aus der Leistungsbeschreibung bzw. Tabelle 1-1 dargestellt.

Vielmehr erfolgen die nachfolgenden Erläuterungen in einer Struktur, die auf der sachlogi-schen Zugehörigkeit der Arbeitspakete zu Gestaltungsfeldern aufbaut und die aufzeigt, wie auf diese Art und Weise die bestehenden Hemmnisse adressiert werden können.

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